Verwaltungsrecht

Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg, Studienort B. (FAU), Humanmedizin (Vorklinik), Wintersemester 2020/2021, Amtsermittlung, Dienstleistungsexport.

Aktenzeichen  7 CE 21.10043

Datum:
12.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25061
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1
HZV § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 2 E 20.10182 u.a. 2021-03-08 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester an der Fr.-Al.-Universität Er.-N. (FAU) für den Studienort B. nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2020/2021. Sie macht geltend, dass mit der in der Satzung der FAU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2020/2021 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 31. Juli 2020 festgesetzten Zahl von 55 Studienanfängerinnen und Studienanfängern die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Antrag mit Beschluss vom 8. März 2021 abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der FAU über die kapazitätsdeckend vergebenen 58 Studienplätze hinaus noch weitere Studienplätze im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) zur Verfügung stünden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht.
Das Verwaltungsgericht geht nach eingehender Prüfung der vorgelegten kapazitätsbestimmenden Faktoren und Ergebnisse der hochschulinternen Berechnungen für die Ermittlung der Zulassungszahl hinsichtlich des Studienjahres 2020/2021 zu Recht davon aus, dass die FAU ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) ausgeschöpft hat und die Antragstellerin auch einen innerkäpazitären Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
1. Soweit die Beschwerdebegründung wiederholt in den einzelnen aufgeführten Punkten ein Ermittlungsdefizit des Verwaltungsgerichts rügt, so insbesondere im Hinblick auf die Vorlage weiterer Unterlagen, wie Dienstverträge und Einweisungsverfügungen oder Unterlagen zur Frage der Verfügbarkeit weiterer Stellen und Lehraufträge, ist dem entgegenzuhalten, dass ohne hinreichende Darlegung und ohne konkrete Anhaltspunkte keine Veranlassung besteht, die FAU quasi “ins Blaue hinein” im Rahmen der Amtsermittlung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO zur Vorlage entsprechender weiterer Unterlagen aufzufordern (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2013 – 7 CE 13.10021 – juris Rn. 13). Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Stellungnahme der Hochschule in Verbindung mit der vorgelegten Stellenübersicht das vorhandene Lehrpersonal eindeutig und nachvollziehbar bezeichnet und sich hieraus die Lehrkapazität insgesamt feststellen lässt. Dem hat die Antragstellerin nichts Substantielles entgegengesetzt und ist insoweit bereits dem Darlegungserfordernis nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht nachgekommen. Anhaltspunkte für eine insoweit unrichtige Kapazitätsberechnung sind weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass sich eine solche Ausforschung im Rahmen der Amtsermittlung hier auch nicht aufdrängt.
2. Auch im Hinblick auf die Lehrverpflichtungsfestsetzung legt die Antragstellerin nicht dar, worin vorliegend eine Verletzung des Kapazitätserschöpfungsgebots liegen soll. Für eine hinreichende Darlegung im Sinne einer Prüfung, Sichtung und rechtlichen Durchdringung des Streitstoffs im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22b, § 124a Rn. 27) genügt es nicht, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts lediglich zu zitieren und auszuführen, “Wenn das Gericht 75% zugrunde legt, ist nicht nachvollziehbar, wenn 5 SWS zugrunde gelegt werden. Zumindest der Rechtsgedanke der in § 4 Abs. 1 Nr. 6 LUFV statuierten Regelung hätte verfassungsrechtlich gewürdigt werden müssen.” Ungeachtet einer den Anforderungen an die Darlegung ungenügenden Begründung erschließt sich hiermit das Beschwerdevorbringen nicht.
3. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind drittmittelfinanzierte Stellen im Regelfall nicht als kapazitätsrelevante Stellen von Lehrpersonen i.S.d. § 45 HZV anzusehen und daher bei der Berechnung der Ausbildungskapazität nicht zu berücksichtigen, sofern nicht ausnahmsweise konkrete Hinweise für eine Rechtspflicht des Drittmittelbediensteten gegenüber der Hochschule zur Erbringung von Lehrleistungen oder für ein Einverständnis des Zuwendungsgebers mit dem Einsatz in der Lehre vorliegen (BayVGH, B.v. 28.10.2013 – 7 CE 13.10280 – juris Rn. 10). Derartige konkrete Hinweise wurden bereits im erstinstanzlichen Verfahren verneint (vgl. BA S. 7f.) und sind auch von der Beschwerdebegründung nicht substantiiert vorgetragen worden.
4. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2014 – 7 CE 14.10034 – juris Rn. 23 ff.m.w.N.) sind die medizinischen Fakultäten entgegen der Beschwerdebegründung nicht verpflichtet, Lehrkräfte aus dem klinischen Teil bei der Ermittlung der Ausbildungskapazität der Vorklinik zu berücksichtigen. Es ist auch kein fiktiver, über die tatsächlich erbrachten Dienstleistungen hinausgehender Import anzusetzen. Der Grundsatz der “horizontalen Substituierbarkeit” (BVerwG, U.v. 15.12.1989 – 7 C 15.88 – NVwZ-RR 1990, 349), also der Austauschbarkeit der einzelnen Lehrleistungen, gilt nur im Verhältnis von Lehrpersonen ein- und derselben Lehreinheit und nicht auch lehreinheitsübergreifend zwischen der Vorklinik und der klinischen Lehreinheit (ebenso OVG NW, B.v. 4.3.2013 – 13 C 2.13 – juris Rn. 26 und B.v. 26.8.2013 – 13 C 98.13 – juris Rn. 10, SächsOVG, B.v. 25.7.2013 – NC 2 B 395.12 – juris Rn. 13, OVG Saarl, B.v. 25.7.2013 – 2 B 48.13.NC – juris Rn. 39 ff.). Grundlage dieser ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung sind die für die Berechnung der Ausbildungskapazität der Hochschulen einschlägigen kapazitätsrechtlichen Bestimmungen. Der Studiengang Medizin wird für Berechnungszwecke in einen vorklinischen und einen klinischen Teil untergliedert (§ 42 Abs. 3 HZV), wobei der vorklinische Teil des Studiengangs der Lehreinheit Vorklinische Medizin und der klinische Teil der Lehreinheit Klinischpraktische Medizin zugeordnet wird. Für die Berechnung der personellen Aufnahmekapazität ist daher in Bezug auf den vorklinischen Teil des Studiengangs grundsätzlich allein diese Lehreinheit (Vorklinik) zugrunde zu legen. Das Lehrpersonal anderer Lehreinheiten wird bei der Berechnung nur dann berücksichtigt, wenn es tatsächlich Dienstleistungen (Lehrveranstaltungsstunden) für den vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin erbringt (§ 46 Abs. 1 HZV).
5. Entscheidungserhebliche Zweifel an der richtigen Berechnung des in der Kapazitätsberechnung berücksichtigten Dienstleistungsexports der Lehreinheit Vorklinik für andere, dieser Lehreinheit nicht zugeordnete Studiengänge, zeigt die Beschwerde mit der Begründung, es sei unklar, von welcher normativen Grundlage das Gericht ausgegangen sei und wie es auf 64,73 SWS komme, nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat den Dienstleistungsexport (§ 46 Abs. 1 HZV) anhand der vorgelegten und für die Antragstellerin einsehbaren Kapazitätsberechnungsunterlagen (vgl. Übersicht zum bereinigten Lehrangebot nach Abzug der prognostizierten Lehrnachfrage aus DL in Höhe von 64,73) auf seine sachliche Berechtigung hin überprüft und nachvollziehbar festgestellt, dass trotz der Zunahme der nicht zugeordneten Studiengänge die Hochschule bemüht sei, die Auswirkungen auf die Vorklinische Medizin in Grenzen zu halten und ein Rückgang des Dienstleistungsexports im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen sei (Studienjahr 2019/2020: 67,60 SWS; Studienjahr 2020/2021: 64,73 SWS), zumal der tendenziell leichte Anstieg in den Vorjahren primär auf den Anstieg der Studierendenzahlen zurückzuführen sei. Auch für den Dienstleistungsexport in die von der Antragstellerin explizit genannten beiden Masterstudiengänge Life Science Engineering und Advanced Optical Technologies sind keine Anhaltspunkte dahingehend vorgetragen, dass im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigende sachliche Zusammenhänge zwischen den Studiengängen offensichtlich fehlen würden. Beim Masterstudiengang Life Science Engineering handelt es sich um einen viersemestrigen Masterstudiengang der technischen Fakultät am Department Chemie- und Bioingenieurwesen der FAU. Als Bindeglied zwischen der Biotechnologie, Pharmazie, Medizintechnik und des Apparate- und Anlagenbaus ist es die Aufgabe dieses Studiengangs, die im Labormaßstab entwickelten Verfahren in den Produktionsmaßstab umzusetzen. Zu den Studieninhalten gehören Studienfächer wie Bioverfahrens- und Bioreaktionstechnik, Medizinische Biotechnologie, Mechanische Verfahrenstechnik, Prozessmaschinen- und Apparatetechnik, Einführung in die Arzneiformenlehre, Biothermofluiddynamik sowie neben dem Angebot an Ergänzungsfächern das Studienfach Bioseparation. Beim Masterstudiengang Advanced Optical Technologies handelt es sich um einen viersemestrigen Masterstudiengang der Technischen Fakultät der FAU, wobei ein kleiner Anteil an Lehrveranstaltungen mit medizinischem Bezug im Studienschwerpunkt “Optice in Medicine” zu absolvieren ist.
Für die von der Antragstellerin geforderte kompensatorische Hinzufügung von Semesterwochenstunden besteht daher keine Veranlassung, abgesehen davon, dass ein solcher Zuschlag dem Kapazitätsrecht fremd ist und einer Kapazitätserweiterung in freier Rechtschöpfung gleichkäme (vgl. OVG Berlin, B.v. 3.11.2017 – OVG 5 NC 21.17 – juris Rn. 16).
6. Ebenfalls nicht durchdringen kann die Antragstellerin mit dem Einwand, im Rahmen des Dienstleistungsexports sei ein Schwundabschlag zu berücksichtigen. Gemäß § 46 Abs. 2 HZV sind zur Berechnung des Bedarfs an Dienstleistungen Studienanfängerzahlen für die nicht zugeordneten Studiengänge anzusetzen, wobei die voraussichtlichen Zulassungszahlen für diese Studiengänge und/oder die bisherige Entwicklung der Studienanfängerzahlen zu berücksichtigen sind. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats, dass hierbei kein Schwund zu berücksichtigen ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2019 – 7 CE 18.10065 u.a. – juris Rn. 14; B.v. 10.11.2020 – 7 CE 20.10074 – juris Rn. 14). § 46 Abs. 2 HZV stellt ausdrücklich auf die Studienanfängerzahlen der nicht zugeordneten Studiengänge ab und verlangt im Unterschied zu den Regelungen in § 49 Abs. 3 Nr. 3, § 51 HZV keine Korrektur dieser Werte aufgrund einer Prognose über die Bestandszahlen der nachfolgenden Semester.
7. Der Dienstleistungsexport ist auch nicht im Hinblick auf Doppel- bzw. Zweitstudierende, die gleichzeitig Human- und Zahnmedizin bzw. nach abgeschlossenem Studium der Medizin zusätzlich Zahnmedizin studieren, zu verringern. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auf Art. 42 Abs. 2 Satz 4 BayHSchG verwiesen, wonach ein Doppelstudium von zwei zulassungsbeschränkten Studiengängen kaum genehmigungsfähig ist und dass sich Zweitstudierende wegen der Anrechnung ihrer bereits erbrachten Studienleistungen zugleich in einem höheren Fachsemester immatrikulieren lassen können (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2020 – 7 CE 19.10045 – juris Rn. 14; B.v. 22.7.2008 – 7 CE 08.10488 – juris Rn. 14). Selbst wenn letzteres ausnahmsweise nicht so wäre, ist nicht ersichtlich, dass das Kapazitätserschöpfungsgebot die Berücksichtigung der Zweitstudierenden verlangt, da dies eine einseitige Übersteigerung dieses Gebots darstellen würde. Denn im Rahmen der Kapazitätsberechnung bleibt andererseits unberücksichtigt, dass es Studierende gibt, die an Praktika und Seminaren ohne Erfolg teilgenommen haben und diese Lehrveranstaltungen im kommenden Semester wiederholen müssen. Zudem wird bei der Kapazitätsberechnung auch nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass Praktikumsgruppen, in denen die Teilnehmerzahl auf Grund einer gelegentlich unvermeidlichen ungleichmäßigen Aufteilung der Studierenden niedriger ist, als es dem Studienplan entspricht, ebenso viele Deputatstunden verbrauchen wie eine voll besetzte Gruppe. Daher lässt sich nicht feststellen, dass die rechnerische Eliminierung der Zweitstudierenden vom Kapazitätserschöpfungsgebot zwingend gefordert wird (vgl. OVG Hamburg, B.v. 18.10.1999 – 3 Nc 110/99 – juris Rn. 45).
8. Unabhängig davon, dass sich die Antragstellerin nicht in der nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise mit den diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt, sondern lediglich behauptet, dessen Ausführungen seien fehlerhaft, sieht auch der Senat keine Veranlassung, zu beanstanden, dass der Antragsgegner bei der Ermittlung des Curricularanteils für Vorlesungen eine Gruppengröße von g = 200 annimmt (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2020 – 7 CE 19.10045 – juris Rn. 16; B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 – juris Rn. 26; B.v. 14.11.2018 – 7 CE 18.100012 – juris Rn. 12). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Gruppengröße von g=200 (statt g=180) sich kapazitätsgünstig (!) auswirkt und zu einer Erhöhung der Aufnahmekapazität führt. Dem setzt die Antragstellerin nichts Substantielles entgegen. Im Übrigen hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, dass eine Hochschule bei der Ausfüllung des verbindlichen Curricularnormwerts von 2,42, mit dem die Einheitlichkeit der Kapazitätsermittlung gewährleistet wird und der Aufteilung auf die beteiligten Lehreinheiten über einen Gestaltungsspielraum verfügt (BayVGH, B.v. 7.5.2020 – 7 CE 20.10009 u.a. – BeckRS 2020, 14842 Rn. 10; B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 27). Dass dieser Gestaltungsspielraum bei Festlegung des kapazitätsbestimmenden Eigenanteils der Vorklinik überschritten wäre, der Antragsgegner etwa den Curricularnormwert manipulativ kapazitätsverknappend aufgeteilt oder bei der Bildung des Curriculareigenanteils anderweitig willkürlich oder missbräuchlich gehandelt hätte, wird nicht dargelegt.
9. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist eine taggenaue Berechnung der Kapazität nicht geboten. Die Kapazitätsberechnung beruht auf einem abstrakten und pauschalierten Berechnungsmodell, dem jeweils typisierende Durchschnittsbetrachtungen zugrunde gelegt werden, was den Anforderungen des Kapazitätserschöpfungsgebots genügt (vgl. BVerfG, B.v. 8.2.1984 – 1 BvR 580/83 u.a. – BVerfGE 66, 155). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die FAU in der Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Medizin (StuPOMed) und im Rahmen der Kapazitätsberechnung von 14 Vorlesungswochen im Semester ausgeht und damit die vorgeschriebenen Mindeststundenzahlen für Unterrichtsveranstaltungen gewährleistet. Solange die Universität ihrer Lehrverpflichtung in vollem Umfang nachkommt – jedenfalls wird Gegenteiliges weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich – bewegt sie sich im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Lehrfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG; insoweit gebietet es auch der Kapazitätserschöpfungsgrundsatz nicht, stets die kapazitätsgünstigere Alternative zu wählen (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2020 – 7 CE 20.10022 u.a. – juris Rn. 5).
10. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die in Ansatz gebrachten Festsetzungen für den seit dem Studienjahr 2014/2015 gebildeten Studiengang Molekulare Medizin (Master) zu Unrecht gebilligt und gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, greift nicht durch. Denn die Antragstellerin übersieht, dass sich das Verwaltungsgericht ausführlich mit dieser Problematik auseinandersetzt (vgl. BA S. 13f.) und in diesem Zusammenhang auf die Beschlüsse der erkennenden Kammer und insbesondere des Senats vom 30. Juni 2015 – 7 CE 15.10102 – (juris Rn. 11) verweist, in dem festgestellt wurde, dass der Universität in dieser Hinsicht mit Blick auf die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre ein hinreichender Handlungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, der es ihr ermöglicht, neue Studiengänge auch zu Lasten der Kapazität bestehender Studiengänge einzuführen, um damit der Schwerpunktbildung, der Internationalisierung oder den Veränderungen in Wissenschaft und Forschung sowie auf dem Arbeitsmarkt Rechnung tragen zu können. Insoweit wurde von der Beschwerde weder dargelegt noch ist dies ersichtlich, dass die festgesetzte Zulassungszahl die Ausbildungskapazität der Lehreinheit Vorklinische Medizin für den Studiengang Humanmedizin über Gebühr in Anspruch nehmen würde (vgl. dazu auch: BayVGH, B.v. 19.4.2013 – 7 CE 13.10003 – juris). Vielmehr hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang in rechtlich nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt, dass die Kapazitäten der FAU im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut worden sind.
Im Übrigen wird das rechtliche Gehör der Antragstellerin jedenfalls im Beschwerdeverfahren gewahrt, da sie ihr gesamtes Vorbringen wiederholen konnte.
11. Soweit die Antragstellerin lediglich pauschal einwendet, das Gericht habe nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen ein Ausgleichsfaktor von 0,9800 anzusetzen sei, ist sie auf Seite 14 des angefochtenen Beschlusses zu verweisen. Darin führt das Verwaltungsgericht hinreichend und zutreffend aus, dass der nach statistischen Erfassungen und Berechnungen auftretende Schwund gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 3, § 51 HZV zu berücksichtigen sei und die, aufgrund der fortlaufenden Erhebungen des Statistischen Landesamts zuletzt, d.h. unter Einbeziehung der für das WS 2018/2019 erstellten Tabelle, ein Schwundverhalten der Studierenden des Studiengangs Humanmedizin (Vorklinik) an der Universität ausweise, für welches ein Ausgleichsfaktor von 0,9800 anzusetzen sei. Dem hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ebenfalls nichts entgegengesetzt.
12. Weshalb die gerichtliche Kontrolle im Hinblick auf die vorgenommene Überbuchung von nur 3 Studienplätzen nicht hinreichend gewesen sein soll und die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Überbuchung aufgrund rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Erwägungen erfolgt wäre, zu Unrecht erfolgt sei, legt die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise dar. Ungeachtet dessen ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es sich bei der Frage, wie viele Studierende die ihnen im DoSV angebotenen Studienplätze tatsächlich annehmen werden, um eine Prognoseentscheidung handelt, die erheblichen Unsicherheiten unterliegt. Daher lässt auch eine – in der ex-post-Betrachtung – fehlerhafte Prognose nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass die Hochschule vorhandene Ausbildungskapazität verschwiegen hätte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Hochschule bei der Vergabe der überbuchten Studienplätze willkürlich oder rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, etwa um tatsächlich vorhandene Kapazitäten zu verschleiern (vgl. NdsOVG, B.v. 20.2.2013 – 2 NB 386.12 – juris Rn. 23) oder um die Führung von Prozessen, die eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung festgesetzter Zulassungszahlen ermöglichen, zu konterkarieren (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2011 – 6 CN 3.10 – juris Rn. 36). Der Senat hat hierzu mit Beschluss vom 4. April 2013 – 7 CE 13.10002 – (juris Rn. 11 f.) festgestellt, dass Anlass zur Prüfung einer Überbuchung dann bestehen kann, wenn eine Hochschule in einem zulassungsbeschränkten Studiengang über mehrere aufeinander folgende Zulassungstermine hohe Überbuchungen vornimmt. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Abgesehen davon kommt es auf die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit der Überbuchung der Zulassungszahl nicht an. Alle die Ausbildungskapazität der FAU erschöpfenden 58 Studienplätze sind vergeben; Anhaltspunkte dafür, dass im Studiengang Medizin (Vorklinik) an der FAU weitere freie Kapazitäten vorhanden sind, ergeben sich aus der vom Verwaltungsgericht überprüften Kapazitätsberechnung nicht und werden auch von der Antragstellerin nicht vorgetragen. Nur unter dieser Voraussetzung wäre die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit einer Überbuchung von Belang für die Frage, ob der Antragstellerin ein Recht auf Zuteilung eines Studienplatzes zusteht.
13. Schlussendlich vermag auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen innerkapazitären Anspruch verneint, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es für die Stattgabe ihres Antrags nach § 123 VwGO entscheidungserheblich darauf an, ob sie einen Anordnungsanspruch auf Zulassung innerhalb der festgesetzten Studienplatzkapazität an der FAU im Fach Medizin glaubhaft machen kann. Ein entsprechender Anspruch besteht vorliegend unabhängig von der Frage, ob das Studienvergabesystem schulnotenunabhängige Qualifikationen ausreichend berücksichtigt, jedenfalls schon deshalb nicht, weil – wie hier auch im Beschwerdeverfahren – jeglicher Vortrag dazu fehlt, ob die Antragstellerin schulnotenunabhängige Auswahlkriterien vorweisen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.


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