Verwaltungsrecht

Für die Gewährung subsidiären Schutzes ist es unschädlich, wenn der ableitungsberechtigte Ehegatte eine andere Staatsangehörigkeit besitzt als die stammberechtigte Ehegattin

Aktenzeichen  1 K 5117/19.TR

Datum:
29.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Trier 1. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGTRIER:2022:0429.1K5117.19.TR.00
Normen:
§ 26 Abs 1 AsylVfG 1992
§ 26 Abs 2 AsylVfG 1992
§ 26 Abs 5 AsylVfG 1992
§ 27 AsylVfG 1992
§ 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG 1992
§ 29 Abs 1 Nr 4 AsylVfG 1992
§ 3 Abs 1 AsylVfG 1992
§ 31 Abs 4 AsylVfG 1992
§ 4 Abs 1 AsylVfG 1992
§ 60 Abs 5 AufenthG 2004
§ 60 Abs 7 AufenthG 2004
Art 12 Abs 2 EURL 95/2011
Art 23 Abs 2 EURL 95/2011
Art 3 EURL 95/2011
Art 33 EURL 32/2013
Art 35 EURL 32/2013
§ 42 Abs 1 Alt 2 VwGO
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Das zusätzliche Erfordernis gleicher Staatsangehörigkeit von Stammberechtigtem und ableitungsberechtigtem Ehegatten ergibt sich weder aus dem Wortlaut, der Systematik noch dem Sinn und Zweck des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AsylG (juris: AsylVfG 1992) und ist auch unionsrechtlich nicht geboten (EuGH, Urteil vom 9. November 2021 – C-91/20 -; juris Rn. 42).(Rn.37)
(Rn.39)

2. Auch eine etwaige Unzulässigkeit des Asylantrages gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG (juris: AsylVfG 1992) i.V.m. § 27 AsylG (juris: AsylVfG 1992) steht der Anwendung der Regelungen des internationalen Schutzes für Familienangehörige nicht entgegen, da § 29 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 AsylG (juris: AsylVfG 1992) im Falle des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG (juris: AsylVfG 1992) keine Anwendung findet.(Rn.41)
(Rn.43)

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen und soweit das Verfahren übereinstimmend für teilerledigt erklärt worden ist. Im Übrigen wird die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 22.11.2019 – 7310109-445 – verpflichtet, dem Kläger zu 1) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
2. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte 1/2, von denen 1/8 auf den streitig entschiedenen Teil der Klage entfallen; die Kläger tragen von den Kosten des Verfahrens je 1/8. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der auf den streitig entschiedenen Teil der Klage entfallenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.

Tatbestand


Die Kläger sind jordanische Staatsangehörige, arabischer Volks- und muslimischer Glaubenszugehörigkeit. Sie reisten gemeinsam mit ihrer Ehefrau bzw. Mutter … nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Jordanien am 16.09.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 11.01.2016 Asylanträge stellten, die auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkt wurden.
Bei der Asylantragstellung gaben die Kläger an, syrische Staatsangehörige zu sein. Eine Anhörung erfolgte mittels Fragebogen.
Mit Bescheid vom 18.01.2016 – 651031-475 – erkannte die Beklagte den Klägern und ihrer Ehefrau bzw. Mutter jeweils den Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylG zu. Der Bescheid wurde am 01.02.2016 bestandskräftig.
Am 01.06.2017 erschien der Kläger zu 1) aus eigener Veranlassung bei der Ausländerbehörde und erklärte, nicht wie zunächst angegeben, Syrer, sondern Jordanier zu sein. Dies treffe indes auch auf seine Kinder zu. Er habe falsche Angaben bei der Asylantragstellung gemacht, da ihm dies auf der Flucht geraten worden sei. Er und seine Kinder seien jedoch in Syrien geboren und hätten ihr ganzes Leben in Syrien verbracht. Es gebe keinerlei Bezugspunkte zu Jordanien. Seine Frau, ***, sei indes tatsächlich Syrerin, insoweit seien keine falschen Angaben gemacht worden. Seine Behauptung untermauerte der Kläger zu 1) mit der Vorlage eines jordanischen Reisepasses und Personalausweises, die sich ausweislich der durchgeführten physikalisch- technischen Untersuchung (PTU) als echt herausstellten.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Widerrufsverfahren gegen die Kläger ein und hörte den Kläger zu 1) zunächst am 03.06.2019 persönlich an. Der Kläger zu 1) bestätigte in der persönlichen Anhörung seine Angaben gegenüber der Ausländerbehörde und legte zusätzlich eine Heiratsurkunde im Original vor. Er gab weiterhin an, nach der Flucht aus Syrien sechs bis sieben Monate in Jordanien gelebt zu haben. Es lebten nach wie vor ein Bruder und mehrere Onkel von ihm dort. Er sei 2018 einmal nach Jordanien gereist, um seine erkrankte Mutter zu sehen, die seinen dort lebenden Bruder besucht habe. Nach Jordanien könne er nicht zurückkehren, da er dort weder eine Unterkunft noch eine Wohnung habe und nicht wisse, wie er dort überleben solle. Aus Syrien sei er wegen des Krieges und aus Angst vor einer willkürlichen Verhaftung durch das Assad-Regime ausgereist.
Mit Schreiben vom 21.10.2019 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie beabsichtige, ihre mit Bescheid vom 18.01.2016 – 651031-475 – zuerkannte Flüchtlingseigenschaft zu widerrufen, und gab den Klägern hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Schriftsatz vom 19.11.2019 führte die Bevollmächtigte der Kläger hierzu aus, dass die rechtliche Einschätzung des Klägers zu 1), jordanischer Staatsangehöriger zu sein, fragwürdig sei. Vielmehr sei der Kläger zu 1) Palästinenser und als solcher bei der UNRWA registriert. Einen jordanischen Reisepass besitze er nur wegen seiner Registrierung als palästinensischer Flüchtling. Folglich sei für die Kläger zu prüfen, ob sie den Beistand der UNRWA genossen und diesen unfreiwillig aufgegeben haben, und ihnen folglich der ipso facto Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG zu gewähren ist.
Mit Bescheid vom 22.11.2019 – 7310109-445 – widerrief die Beklagte die mit Bescheid vom 18.01.2016 – 651031-475 – zuerkannte Flüchtlingseigenschaft und erkannte den Klägern darüber hinaus weder den subsidiären Schutzstatus noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kläger über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht hätten. Es stehe insbesondere aufgrund des vorgelegten jordanischen Reisepasses des Klägers zu 1) fest, dass die Kläger Jordanier und nicht – wie zunächst angegeben – Syrer seien. Der zuerkannte Flüchtlingsstatus beruhe jedoch maßgeblich auf der Annahme, die Kläger seien syrische Staatsangehörige, sodass der Status zu widerrufen sei. Dem Vorbringen der Kläger ließen sich auch keine Anhaltspunkte entnehmen, die im Übrigen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen könnten. Auch sei nicht ersichtlich, dass den Klägern in Jordanien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG drohe oder sie dort einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wären, die die Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes rechtfertigen könnte.
Mit Bescheid vom 25.11.2019 – 7538173-475 – widerrief die Beklagte auch den Flüchtlingsstatus der Ehefrau bzw. Mutter der Kläger ***, da diese über die Ehe mit einem jordanischen Staatsangehörigen getäuscht habe, erkannte ihr jedoch den subsidiären Schutzstatus zu. Dieser Bescheid ist bestandskräftig, nachdem die hiergegen erhobene Klage 1 K 225/20.TR zurückgenommen wurde.
Mit der am 13.12.2019 erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2019 – 7310109-445 -. Klagebegründend wiederholen die anwaltlich vertretenen Kläger ihr bisheriges Vorbringen und führen ergänzend aus, dass der Vater des Klägers zu 1) wechselseitig in Jordanien und Syrien gelebt habe und staatenloser Palästinenser gewesen sei. Auch der Kläger zu 1) sei bei der UNRWA in Jordanien als staatenloser Palästinenser registriert, womit üblicherweise nicht die Erlangung der jordanischen Staatsbürgerschaft einhergehe. Darüber hinaus seien nur staatenlose Palästinenser in Jordanien eingebürgert worden, die zwischen 1949 und 1954 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Jordanien gehabt hätten. Dies treffe indes auf den Vater des Klägers zu 1) nicht zu, sodass dieser die jordanische Staatsangehörigkeit nicht erlangt haben könne und infolge dessen auch die Kläger diese nicht besitzen könnten. Darüber hinaus lägen jedenfalls Abschiebungsverbote im Hinblick auf Art. 8 EMRK vor, da die Ehefrau bzw. Mutter der Kläger als syrische Staatsbürgerin nicht dauerhaft in Jordanien leben könne.
Die Kläger haben zunächst beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2019 – 7310109-445 – aufzuheben; hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Klägern, unter entsprechender Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2019 – 7310109-445 – den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen; weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten unter entsprechender Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2019 – 7310109-445 – festzustellen, dass hinsichtlich Jordaniens Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Nachdem die Beklagte mit Teilabhilfebescheid vom 09.02.2022 – 730109-445 – die Ziffern 2 und 3 des Bescheids vom 22.11.2019 – 7310109-445 – hinsichtlich der Kläger zu 2) bis 4) aufgehoben und diesen den subsidiären Schutzstatus in Ableitung von ihrer Mutter … – 7538173-475 – zuerkannt hat, haben die Kläger die Klage in ihrem Hauptantrag zurückgenommen, das Verfahren bezüglich der Kläger zu 2) bis 4) im Übrigen für erledigt erklärt und den Klageantrag bezüglich des Klägers zu 1) insoweit aufrecht erhalten, als dass nunmehr beantragt wird,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 22.11.2019 – 7310109-445 – zu verpflichten, dem Kläger zu 1) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen
hilfsweise,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 22.11.2019 – 7310109-445 – zu verpflichten, festzustellen, dass hinsichtlich Jordaniens ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid vom 22.11.2019.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 17.12.2019 und die Kläger mit Schriftsatz vom 15.01.2020 jeweils mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Das Gericht hat am 05.08.2020 mündlich zur Sache verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Mit Beschluss vom 07.08.2020 hat die Berichterstatterin das Verfahren im Hinblick auf das damals bei dem Bundesverwaltungsgericht anhängige Revisionsverfahren 1 C 2/19, in dem dieses dem Europäischen Gerichtshof (Az.: C-91/20) unter anderem die Frage vorgelegt hat, ob die Erstreckung des internationalen Schutzes für Familienangehörige auf solche Familienmitglieder, die eine andere Staatsangehörigkeit als der Stammberechtigte innehaben, mit Unionsrecht vereinbar ist, ruhend gestellt.
Die Ruhensanordnung ist mit Beschluss vom 26.01.2022 aufgehoben und das Verfahren fortgesetzt worden.
Mit Verfügung vom 27.01.2022 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass ausweislich der nunmehr vorliegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 09.11.2021 – C-91/20 – den Klägern jeweils in Ableitung von der stammberechtigten Ehefrau bzw. Mutter …- 7538173-475 – der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen sein dürfte und hat angeregt, der Klage insoweit abzuhelfen.
Daraufhin hat die Beklagte das Asylverfahren des Klägers zu 1) abgetrennt (neues Aktenzeichen: 7310109-1-445) und den Klägern zu 2) bis 4) mit Teilabhilfebescheid vom 09.02.2022 – 7310109-445 – jeweils unter entsprechender Aufhebung der Ziffern 2 und 3 des Bescheids vom 22.11.2019 – 7310109-445 – den subsidiären Schutzstatus nach den Regeln des internationalen Schutzes für Familienangehörige in Ableitung von ihrer Mutter zuerkannt.
Mit Schriftsatz vom 14.02.2022 hat sich die Beklagte einer insoweit zu erwartenden Erledigungserklärung der Kläger angeschlossen.
Die Kläger haben sich mit Schriftsatz vom 08.02.2022, die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.02.2022 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakte des beigezogenen Verfahrens der Mutter bzw. Ehefrau der Kläger – 1 K 225/20.TR -, die bei Gericht vorhandene Dokumentation zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Jordanien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.08.2020 verwiesen, die jeweils Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe


Das Verfahren war zunächst gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO deklaratorisch einzustellen, soweit die Kläger die Klage in ihrem Hauptantrag, mit dem sie die Aufhebung des in Ziffer 1 des Bescheids vom 22.11.2019 – 7310109-445 – erfolgten Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft begehrt haben, mit Schriftsatz vom 22.02.2022 zurückgenommen haben.
Im Hinblick auf die Kläger zu 2) bis 4) war das Verfahren im Übrigen analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO deklaratorisch einzustellen, soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für teilerledigt erklärt haben.
Soweit daher über die Klage gemäß § 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren streitig zu entscheiden war, hat die Klage Erfolg.
I. Insoweit ist die Klage als Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig und begründet.
Der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus steht dem Kläger zu 1) im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu. Insoweit erweist sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.11.2019 – 7310109-445 – als rechtswidrig und verletzt den Kläger zu 1) in eigenen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Anspruch folgt aus § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Hiernach ist dem Ehegatten eines anerkannt Schutzberechtigten auf Antrag internationaler Schutz zuzuerkennen, wenn die Zuerkennung des Schutzstatus zugunsten des Stammberechtigten unanfechtbar ist (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 AsylG), die Ehe mit dem anerkannt Schutzberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem dieser politisch verfolgt wird (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 5 AsylG), der Ehegatte vor der Zuerkennung des internationalen Schutzes eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 AsylG) und die Zuerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (§ 26 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 5 AsylG). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Der Kläger zu 1) ist gemeinsam mit seiner stammberechtigten Ehefrau *** – 7538173-475 – am 16.09.2015 in die Bundesrepublik, und damit vor deren Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigte mit Bescheid vom 25.11.2019 – 7538173-475 -, eingereist. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes zugunsten der Ehefrau des Klägers ist auch unanfechtbar. Anhaltspunkte für einen Widerruf oder eine Rücknahme des Status bestehen nicht. Die Ehe wurde ausweislich der in der Asylakte befindlichen Heiratsurkunde (Original, Bl. 91, Übersetzung, Bl. 99 der Asylakte 7310109-445) am 28.01.2004 in Syrien – und damit in dem Staat, in dem der Stammberechtigten ein ernsthafter Schaden droht – geschlossen. Seitdem lebte der Kläger zu 1) gemeinsam mit seiner Ehefrau und später ihren Kindern – den Klägern zu 2) bis 4) – in Syrien, sodass auch von einem Bestehen der Ehe im Herkunftsstaat auszugehen ist. Weitere Voraussetzungen sieht § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AsylG nicht vor.
2. Es ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch unschädlich, dass der Kläger zu 1) mit seiner jordanischen Staatsangehörigkeit eine andere Staatsangehörigkeit als der stammberechtigte Ehegatte besitzt.
a. Lediglich klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die erkennende Berichterstatterin die jordanische Staatsangehörigkeit des Klägers zu 1) aufgrund des vorgelegten jordanischen Reisepasses, der sich ausweislich der durchgeführten PTU als echt erwiesen hat, sowie der glaubhaften Angaben des Klägers zu 1), als erwiesen ansieht. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der jordanische Reisepass des Klägers zu 1) eine Nationalnummer aufweist, die nur bei jordanischen Staatsangehörigen eingetragen wird (Bundesamt für Fremdenwesen, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Jordanien Nationalnummer, Staatsbürgerschaft, 25.10.2016). Hätte der Kläger zu 1), wie in der Klageschrift behauptet, den Reisepass lediglich als palästinensischer Flüchtling erhalten, würde eine Nationalnummer nicht im Reisepass eingetragen (Bundesamt für Fremdenwesen, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Jordanien Nationalnummer, Staatsbürgerschaft, 25.10.2016). Dass dem Kläger zu 1) die jordanische Staatsangehörigkeit zwischenzeitlich aberkannt worden ist, wie dies seit 1988 seitens der jordanischen Regierung bei Palästinensern aus dem Westjordanland aus unterschiedlichen Gründen teilweise erfolgt ist (Bundesamt für Fremdenwesen, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Jordanien Nationalnummer, Staatsbürgerschaft, 25.10.2016), hat dieser weder vorgetragen noch ist dies im Übrigen ersichtlich. An dem Vorbringen aus der Klageschrift hat die Bevollmächtigte der Kläger auch im weiteren Verlauf des Verfahrens – insbesondere in der am 05.08.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung – nicht mehr festgehalten.
b. Das seitens der Beklagten angenommene zusätzliche Erfordernis, der gleichen Staatsangehörigkeit von Stammberechtigtem und ableitungsberechtigtem Ehegatten ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik der Norm. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Familienflüchtlingsschutz auch dann zu gewähren ist, wenn der Familienangehörige (auch) die Staatsangehörigkeit eines Nichtverfolgerstaates besitzt (BVerwG, EuGH-Vorlage vom 18.12.2019 – 1 C 2/19 -, juris Rn. 14). Dies gilt auch für die hier vorliegende Konstellation subsidiären Schutzes für Familienangehörige, da die Vorschriften des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG in gleicher Weise auch für Familienangehörige subsidiär Schutzberechtigter gelten (§ 26 Abs. 5 Satz 1, 2 AsylG).
c. Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift und ihrer Entstehungsgeschichte ist eine solche Auslegung nicht geboten. Die Vorschrift zum internationalen Schutz für Familienangehörige in § 26 AsylG resultieren zum einen aus der Erfahrung, dass im Kampf gegen oppositionelle Kräfte Verfolgerstaaten dazu neigen, anstelle des politischen Gegners, dessen sie nicht habhaft werden können, auf Personen zurückzugreifen, die dem Verfolgten besonders nahestehen, um hierdurch in der einen oder anderen Weise ihr auf Unterdrückung abweichender Meinungen gerichtetes Ziel doch noch zu erreichen (BVerwG, Urteil vom 02.07.1985 – 9 C 35/84 –, juris Rn. 7). Für den Herkunftsstaat des bereits als schutzberechtigt anerkannten, stammberechtigten Familienangehörigen ist es dabei regelmäßig unerheblich, ob das Familienmitglied über die Staatsangehörigkeit eines weiteren Staates verfügt, in dem es vor Verfolgung sicher ist (vgl. zu alledem: BVerwG, EuGH-Vorlage vom 18.12.2019 – 1 C 2/19 -, juris Rn. 19). Diesem Gedanken wird in der hier vorliegenden Konstellation von Ehegatten in der einschlägigen Vorschrift des § 26 Abs. 1 AsylG dadurch Rechnung getragen, dass gerade auch das Bestehen der Ehe im Herkunftsstaat des anerkannt Schutzberechtigten verlangt wird. Haben die Ehegatten jedoch im Herkunftsstaat als Ehepaar zusammengelebt, dürfte auch bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit in gleicher Weise wie bei Eheleuten gleicher Staatsangehörigkeit der Schluss auf eine Verfolgungsnähe naheliegen (vgl. VG Aachen, Urteil vom 11.03.2022 – 10 K 2360/20.A –, juris Rn. 33). Daneben dient § 26 AsylG dem durch Art 23 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes – Richtlinie 2011/95/EU – gebotenen Schutz der Familieneinheit und setzt dieses Erfordernis überschießend durch eine Erstreckung des Schutzstatus des international Schutzberechtigten auf andere Familienmitglieder – unabhängig von der Verwirklichung von Schutzgründen in eigener Person – um. Setzt daher die Ableitung des internationalen Schutzstatus von einem international Schutzberechtigten schon dem Grunde nach gerade nicht voraus, dass der Familienangehörige die Kriterien des internationalen Schutzes in eigener Person erfüllt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Existenz eines schutzgewährenden Herkunftsstaates, der nicht mit dem des Stammberechtigten identisch ist, den Anspruch auf Zuerkennung eines abgeleiteten Schutzstatus nach § 26 AsylG ausschließen sollte (vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage vom 18.12.2019 – 1 C 2/19 -, juris Rn. 27). Nicht zuletzt widerspräche dies auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, mit der Regelung des § 26 AsylG, das Bundesamt und die Gerichte mit dem Wegfall einer aufwändigen Prüfung eigener Fluchtgründe von Familienangehörigen anerkannt Schutzberechtigter zu entlasten und zur Förderung der Integration Statusdifferenzen innerhalb eines Familienverbundes zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 11/6960, S. 29f.), wenn dies im Falle unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten innerhalb einer Familie gleichwohl gefordert würde.
d. Dieser Auslegung steht auch Unionsrecht nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei der nationalen Ausgestaltung des internationalen Schutzes für Familienangehörige in § 26 AsylG – wie bereits erwähnt – um eine überschießende, so nicht gebotene Umsetzung des Art. 23 Richtlinie 2011/95/EU. Art. 3 der Richtlinie 2011/95/EU erlaubt den Mitgliedsstaaten gleichwohl, günstigere Normen zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling oder Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, und zur Bestimmung des Inhalts des internationalen Schutzes erlassen oder beibehalten, zu erlassen, sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind. Vereinbarkeit in diesem Sinne meint nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, dass diese Norm die allgemeine Systematik oder die Ziele der Richtlinie nicht gefährden darf. Insbesondere sind hiernach Normen verboten, die die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen zuerkennen sollen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (EuGH, Urteil vom 04.10.2018 – C-652/16 –, juris Rn. 71 m.w.N.). Da jedoch sowohl dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 – Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) – als auch der Richtlinie 2011/95/EU der Schutz der Familieneinheit Geflüchteter immanent ist und beide Regelungsregime den Mitgliedsstaaten daher auferlegen, die Einheit der Familie des international Schutzberechtigten aufrecht zu erhalten, besteht zwischen der Anerkennung eines international Schutzberechtigten und den Maßnahmen zur Erhaltung der Familieneinheit ein enger Zusammenhang (EuGH, Urteil vom 09.11.2021 – C-91/20 -; juris Rn. 42). Den Bestimmungen des Unionsrechts liefe nur eine Regelung zuwider, die den internationalen Schutzstatus auch auf ein Familienmitglied erstreckte, das nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU von der Anerkennung internationalen Schutzes ausgeschlossen ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2021 – C-91/20 -; juris Rn. 46) oder wenn die Erstreckung des Schutzstatus auf den Familienangehörigen mit dessen Rechtsstellung unvereinbar wäre, er namentlich eine günstigere Rechtsstellung aus eigenem Recht erlangen könnte (EuGH, Urteil vom 09.11.2021 – C-91/20 -; juris Rn. 54). Ersteres ist durch den Ausschlusstatbestand in § 26 Abs. 4 AsylG sichergestellt. Zuletzt stellt der Europäische Gerichtshof klar, dass es für die Ableitung des Schutzstatus von einem Stammberechtigten auch unerheblich ist, ob es der Familie möglich und zumutbar ist, ihren Aufenthalt in dem Land der Staatsangehörigkeit des ableitungsberechtigten Familienmitgliedes – hier Jordanien – zu nehmen. Sinn und Zweck des Art. 23 der Richtlinie 2011/95/EU ist es nämlich, der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, den Genuss der ihr durch diesen Schutz verliehenen Rechte zu ermöglichen und dabei zugleich ihren Familienverband im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu wahren. Würde man daher vorliegend von dem Kläger zu 1) und seiner stammberechtigten Ehefrau verlangen, zur Wahrung der Familieneinheit ihren Aufenthalt in Jordanien zu nehmen, würde dies zugleich bedeuten, dass die Ehefrau des Klägers zu 1) auf ihr in Deutschland gewährtes Recht auf internationalen Schutz verzichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 09.11.2021 – C-91/20 -; juris Rn. 60).
Obgleich den dargestellten Erwägungen des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts die Konstellation eines ledigen minderjährigen Kindes, das gemäß § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 AsylG die Ableitung des Flüchtlingsschutzes von dem stammberechtigten Elternteil begehrte, zugrunde lag, gelten die vorstehenden Ausführungen ersichtlich auch für die anderen Konstellationen des § 26 AsylG (so auch: VG Aachen, Urteil vom 11. März 2022 – 10 K 2360/20.A –, juris Rn. 43). Denn auch den anderen Absätzen der Regelung liegt der Schutz der Familieneinheit, der Grundgedanke einer (vermuteten) Verfolgungsnähe zwischen Familienmitgliedern und der Zweck, die Asylverfahren naher Verwandter zu beschleunigen und so eine Entlastung des Bundesamtes und der Gerichte zu erreichen und Statusdifferenzen innerhalb einer Familie zu vermeiden, zugrunde. Auch lassen sich dem Wortlaut des hier in Rede stehenden § 26 Abs. 1 AsylG keine Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung entnehmen.
3. Auch eine etwaige Unzulässigkeit des Asylantrages gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG i.V.m. § 27 AsylG wegen des siebenmonatigen Aufenthaltes des Klägers zu 1) in Jordanien vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland steht der Anwendung des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AsylG nicht entgegen.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wiederaufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 AsylG betrachtet wird. Nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer in einem sonstigen Drittstaat vor Verfolgung sicher war, wenn er sich dort länger als drei Monate vor der Einreise in das Bundesgebiet aufgehalten hat. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn der Ausländer darlegt, dass er in diesem Drittstaat vor der Abschiebung in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, nicht hinreichend sicher ist. Die Regelung trägt dem in Art. 33 Abs. 2 Buchst. b i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU kodifizierten verfahrensrechtlichen Konzept des ersten Asylstaates Rechnung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.04.2019 – 1 C 28/18 –, juris, Rn. 12).
Zwar spricht vorliegend einiges dafür, dass diese Voraussetzungen im Falle des Klägers zu 1) erfüllt sind. Er hat sich vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland mehr als drei Monate in Jordanien aufgehalten. Da er jordanischer Staatsangehöriger ist und einen jordanischen Reisepass besitzt, spricht zudem – auch ohne Vorliegen einer individuellen Rückübernahmeerklärung – einiges dafür, dass er auch nach Jordanien zurückkehren könnte. Allerdings findet § 29 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 AsylG im Falle des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG keine Anwendung.
Die Frage des Verhältnisses von § 29 Abs. 1 AsylG zu § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG lässt sich weder dem Wortlaut noch der Systematik der Normen eindeutig entnehmen. Insbesondere folgt ein umfassender Vorrang des § 29 Abs. 1 AsylG nicht bereits aus dem Umstand, dass dieser die Unzulässigkeit eines „Asylantrages“ regelt und der Begriff des Asylantrags sowohl nach dem natürlichen als auch nach dem normativen Sprachgebrauch offen für die Einbeziehung der Zuerkennung des internationalen Familienschutzes ist (BVerwG, Urteil vom 17.11.2020 – 1 C 8/19 -, juris Rn. 20), zumal § 26 AsylG per se die Systematik des Asylverfahrens mit individueller Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung durchbricht (vgl. Vogt/Nestler in Huber/Mantel Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz; 3. Auflage 2021, § 26 AsylG Rn. 17).
Demgegenüber streitet der bereits aufgezeigte Sinn und Zweck des internationalen Schutzes für Familienangehörige erheblich dafür, § 29 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 AsylG in den Fällen des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG unangewendet zu lassen (so bereits zu § 26 AsylVfG a.F.: HessVGH, Urteil vom 10.02.2005 – 8 UE 185/02.A –, juris). Für die in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG geregelte Konstellation einer bereits erfolgten Schutzgewährung in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist höchstrichterlich geklärt, dass diese einer Anwendbarkeit des § 26 AsylG nicht entgegensteht (BVerwG, Urteil vom 17.11.2020 – 1 C 8/19 -, juris). Für diese Auslegung führt das Bundesverwaltungsgericht wiederum maßgeblich die Entstehungsgeschichte und den Telos des § 26 AsylG ins Feld, der insbesondere in der Wahrung der Familieneinheit, der Beschleunigung des Asylverfahrens durch eine Entlastung des Bundesamtes und der Gerichte und einer besseren Integration durch die Vermeidung von Statusdifferenzen innerhalb der Kernfamilie bestehe und es daher gerade nicht darauf ankomme, ob ein Familienangehöriger bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union internationalen Schutz erhalten habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2020 – 1 C 8/19 -, juris Rn. 23 ff.). Etwas anderes kann ausweislich obiger Ausführungen demzufolge auch nicht in der hier vorliegenden Konstellation gelten, in der der Familienangehörige des Stammberechtigten in einem sonstigen Drittstaat im Sinne des § 27 AsylG vor Verfolgung sicher gewesen ist und dorthin zurückkehren könnte, was bei der hier vorliegenden Fallgestaltung unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten von Stammberechtigtem und ableitungsberechtigtem Familienmitglied indes regelmäßig der Fall sein dürfte. Dies würde auch dem Sinn und Zweck des Art. 23 der Richtlinie 2011/95/EU, einem international Schutzberechtigten den Genuss der ihm durch diesen Schutz verliehenen Rechte zu ermöglichen und dabei zugleich seinen Familienverband im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu wahren, zuwiderlaufen. Denn würde man § 29 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 AsylG auch in den Fällen des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG anwenden, könnte die Familieneinheit nur dadurch gewahrt werden, dass die Familie ihren Aufenthalt in dem sonstigen Drittstaat nimmt und der Stammberechtigte auf sein Recht auf internationalen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verzichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 09.11.2021 – C-91/20 -; juris Rn. 60).
Dieser Auslegung steht auch nicht etwa der Umstand entgegen, dass § 31 Abs. 4 AsylG für den Fall, dass ein Asylantrag nach § 26a AsylG als unzulässig abgelehnt wird, ausdrücklich § 26 Abs. 5 AsylG in den Fällen des § 26 Abs. 1 bis 4 AsylG unberührt lässt, da sich diese Regelung nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich nur auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 26a AsylG bezieht und weder den Umkehrschluss zulässt, dass § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AsylG in den anderen Fällen einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 AsylG nicht unberührt bleiben soll, noch eine analoge Anwendung des § 31 Abs. 4 AsylG zulässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2020 – 1 C 8/19 -, juris Rn. 37).
4. Zuletzt sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger zu 1) nach § 26 Abs. 4 AsylG von der Gewährung des internationalen Schutzes für Familienangehörige ausgeschlossen ist oder er aus eigenem Recht eine günstigere Rechtsstellung erlangen könnte.
Insbesondere steht dem Kläger zu 1) kein Anspruch auf eine originäre Zuerkennung des subsidiären Schutzes aus § 4 Abs. 1 AsylG zu, da er einen ihm in Jordanien drohenden ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zu keinem Zeitpunkt behauptet hat. Im Gegenteil gab er bereits in seiner Anhörung an, dass einer Rückkehr nach Jordanien lediglich der Umstand entgegenstehe, dass er dort weder eine Unterkunft noch Arbeit habe. Auch in der mündlichen Verhandlung am 05.08.2020 bestätigte der Kläger auf entsprechende Nachfrage der erkennenden Berichterstatterin, dass es keine Gründe gäbe, die gegen einen Aufenthalt in Jordanien sprächen. Auch im Übrigen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger zu 1) bei einer Rückkehr in das Land seiner Staatsangehörigkeit ein ernsthafter Schaden droht. Dagegen spricht auch der Umstand, dass der Kläger zu 1) im Jahr 2018 nach Jordanien gereist ist, um seine Mutter zu besuchen, ohne dass es damals zu irgendwelchen Problemen gekommen wäre.
Steht dem Kläger zu 1) daher der subsidiäre Schutzstatus zu, war die in Ziffer 3 getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, aus denselben Gründen aufzuheben.
II. Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, aus § 155 Abs. 2 i.V.m. § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Auf den zurückgenommenen Teil entfallen 1/2 der Gesamtkosten, die die Kläger je zu gleichen Teilen, d.h. je zu 1/8, zu tragen haben.
Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils folgt die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 VwGO und ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Insoweit entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da sie mit Erlass des Teilabhilfebescheids vom 06.02.2022 die Kläger zu 2) bis 4) klaglos gestellt und sich damit aus eigenem Entschluss in die Rolle der Unterlegenen begeben hat (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2009 – 10 C 1/09 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 1. April 2009 – 14 B 09.30047 –, juris; VG Bayreuth, Urteil vom 14. November 2017 – B 6 K 16.31956 –, juris Rn. 47).
Darüber hinaus hatte die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses insoweit Aussicht auf Erfolg, da den Klägern zu 2) bis 4) gemäß § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 AsylG die begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Ableitung von ihrer mit Bescheid vom 25.11.2019 – 7538173-475 – unanfechtbar als subsidiär Schutzberechtigte anerkannten Mutter, ***, zusteht. Dem steht die von ihrem Vater, dem Kläger zu 1), abgeleitete jordanische Staatsangehörigkeit der Kläger zu 2) bis 4) ausweislich der unter I.2. dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2021 – C-91/20 – juris Rn. 62).
Auf den für erledigt erklärten Teil der Klage entfallen 3/8 der Gesamtkosten.
Soweit streitig über die Klage zu entscheiden war, erfolgt die Kostenentscheidung gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulasten der Beklagten. Auf diesen Teil der Klage entfallen 1/8 der Gesamtkosten.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
III. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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