Verwaltungsrecht

Gaststättenrechtliche Auflage zur Verwendung zweier gewerblicher Ordner

Aktenzeichen  AN 4 K 16.02155

Datum:
15.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 137785
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BlmSchG § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1
GastG § 5 Abs. 1 Nr. 3
BayVwVfG Art. 37

 

Leitsatz

1 Ein immissionschutzrechtlicher Auflagenbescheid ist hinreichend bestimmt, wenn für den Adressaten erkennbar ist, welche lärmerzeugenden Verhaltensweisen unerwünscht sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Gaststätte zurechenbar ist grundsätzlich auch das Lärmen von Personen, denen der Zutritt zur Gaststätte verwehrt worden ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 12. Oktober 2016 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte durfte aufgrund des Sachverhalts die streitgegenständliche Auflage anordnen.
1. Als Rechtsgrundlage für den Erlass einer gaststättenrechtlichen Auflage dient vorliegend der § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG. Demnach können Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, jederzeit Auflagen zum Schutze gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit erteilt werden.
2. Der angegriffene Auflagenbescheid ist hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 BayVwVfG.
Ein Verwaltungsakt ist inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der getroffenen Regelungen insbesondere für den Adressaten eines Bescheides so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann (Kopp / Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Auflage, § 37 Rn. 5). Das dem Gewerbetreibenden abverlangte Verhalten muss in tatsächlicher Hinsicht so beschrieben werden, dass die Anordnung als Grundlage für eine zwangsweise Durchsetzung dienen kann. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles und darauf an, welcher Grad von Bestimmtheit bei Erlass der Auflage möglich und für den Vollzug erforderlich ist (Michel / Kienzle, Gaststättengesetz, 13. Auflage 1999, § 5 Rn. 25). Im Einzelnen richtet sich der Maßstab für die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes nach dem jeweiligen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts sowie nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (Kopp/ Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Auflage, § 37 Rn. 6 unter Bezugnahme auf BVerwGE 84, 335; BVerwG NJW 1993, 1667; VGH München BayVBl. 1993, 275).
Aus dem Bescheid ist klar erkennbar, dass dem Kläger die Pflicht auferlegt wurde, an den bezeichneten Wochentagen von 0:00 Uhr bis Betriebsende zwei gewerbliche Ordner vor der Gaststätte zu platzieren. Ebenfalls erkennbar geregelt ist, zu welchem Zweck der Ordnungsdienst zum Einsatz kommt. Es soll insbesondere sichergestellt werden, dass sich im Außenbereich der Gaststätte aufhaltende Gäste so ruhig verhalten, dass die Nachbarschaft nicht erheblich durch Lärm belästigt wird. Näher ausgeführt wird ferner, was unter „gewerblichen Ordnern“ zu verstehen ist.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorträgt, die geregelte Bestimmung „die Nachbarschaft solle nicht erheblich durch Lärm belästigt werden“ sei zu unbestimmt kann er nicht durchdringen. Gerade im Bereich des Immissionsschutzes ist die nähere Bezeichnung unzulässiger Einwirkungen besonders schwierig (ähnlich Michel / Kienzle, Gaststättengesetz, 13. Auflage 1999, § 5 Rn. 25). Der konkrete Bescheid lehnt sich hierfür an die Formulierung des Gesetzes sowie an den ursprünglichen gaststättenrechtlichen Erlaubnisbescheid an. Aufgrund der weiteren Ausführungen des Bescheides, unter Bezugnahme auf Ereignisse in der Vergangenheit, ist für den Kläger als Adressaten des Bescheids erkennbar, welche Verhaltensweisen unerwünscht sind und es ist ferner klar, dass es insbesondere um Lärmerzeugendes Verhalten geht. Damit ergibt sich auch seine Vollziehbarkeit. Eine Regelung, etwa unter Zitierung der maßgeblichen und sich ohnehin schon aus den allgemeinen Vorschriften ergebenden Lärmgrenzwerte, würde nicht zu einer klareren Anordnung und auch nicht zu einem Mehr an Rechtssicherheit führen. Das gleiche gilt für einen umfassenden Katalog an einzelnen Verhaltensweisen.
3. Die Voraussetzungen für den nach Anhörung erlassenen Auflagenbescheid gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG liegen vor. Dem Kläger konnte für sein erlaubnispflichtiges Gaststättengewerbe eine Auflage zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmis-sionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit erteilt werden.
Der Begriff der Schädlichen Umwelteinwirkungen im GastG ist einheitlich mit den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu verstehen. Ein Gaststättenbetrieb ist eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG. Nach der Definition des § 3 Abs. 1 BImSchG handelt sich um Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Die Formulierung der Nachteile, Gefahren und Belästigungen im GastG umfasst weiter jede negative Auswirkung des Gaststättenbetriebs. Die Gefahren, Nachteile und Belästigungen müssen ursächlich in adäquater Weise mit dem Gaststättenbetrieb zusammenhängen. Bei natürlicher Betrachtungsweise muss es gerechtfertigt sein, sie dem Gaststättenbetrieb zuzurechnen. Dabei ist auch das Verhalten der Gäste bei Zu- und Abgang zur Gaststätte zu berücksichtigen. (Michel/Kienzle, Gaststättengesetz, 13. Auflage 1999, § 5 Rn. 12). Eine Zurechnung der festgestellten ordnungsrechtlich relevanten Ereignisse, insbesondere Handgreiflichkeiten, Sachbeschädigungen und Beleidigungen, zu dem Gaststättenbetrieb des Klägers ist vorliegend möglich.
a) Dass es im Umfeld der Gaststätte immer wieder zu ordnungsrechtlich relevanten Zwischenfällen kommt, wurde auch von der Klägerseite nicht bestritten und teilweise sogar selbst vorgetragen. Ausweislich der umfangreichen Aktenlage umfassen die Zwischenfälle insbesondere Ruhestörungen durch den Betrieb selbst und durch abgewiesene Gäste, wie z.B. bei dem vom Klägervertreter beschriebenen Vorfall vom 25. Juni 2016 mit 20 bis 30 betrunkenen jungen Leuten. In diesem Zusammenhang wird auf die Behördenakte, insbesondere auch auf die polizeilichen Ereignismeldungen (Bl. 64 und 76 ff. des Behördenaktes), verwiesen.
Diese Ereignisse sind, die oben angeführte Definition zugrunde gelegt, ohne weiteres als schädliche Umwelteinwirkungen, erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen im Sinne des Gesetzes zu werten. Die einzelnen von der Klägerseite angesprochenen und bestrittenen Ereignisse müssen aufgrund des Gesamtbildes, wie es sich aus dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und aufgrund des Parteienvortrags ergibt, nicht weiter beachtet werden.
b) Die Zwischenfälle haben auch ausreichenden Bezug zum Betrieb des Klägers, sind seiner Gaststätte also zurechenbar.
Wie oben ausgeführt sind dem Betrieb kommende und gehende Gäste und auch Raucher zurechenbar. Für eine ausnahmsweise Zumutbarkeit des Raucherlärms für die Nachbarschaft im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U.v. 25.11.2015 – 22 CS 13.1686 – juris Rn. 64 ff.) ist vorliegend kein Raum.
Der Gaststätte zurechenbar ist vorliegend auch das Lärmen von Personen, denen der Zutritt zur Gaststätte verwehrt worden ist (so auch Michel/Kienzle, Gaststättengesetz, 13. Auflage 1999, § 5 Rn. 12). Dabei ist zunächst festzuhalten, dass auch abgewiesene Gäste „aus Anlass der Gaststätte“ im Umfeld des Betriebes anwesend sind. Es können zwar weitere Umstände eines konkreten Einzelfalls dazu beizutragen, die Adäquanz einer Zurechnung auszuschließen. Dies ist etwa dann denkbar, wenn die Betriebsform der Gaststätte so gewählt wurde, dass lärmintensives Publikum nicht zu erwarten ist. Solche Umstände sind vorliegend jedoch nicht erkennbar. Umgekehrt ist aufgrund der konkreten Betriebsform als Unterhaltungslokal, die sich auch in den Öffnungszeiten niederschlägt, mit entsprechenden Belästigungen durch abgewiesene Gäste zu rechnen.
Die klägerseitige Argumentation, dass selbst die Polizei im Beispiel der 20 bis 30 randalierenden jungen Leute nicht beikommen konnte, steht der Zurechnung nicht entgegen. Der Kläger kann seiner eigenen Verantwortlichkeit nicht mit einem Hinweis auf die Aufgaben der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden entgehen. Maßgeblicher Umstand bleibt, dass die lärmenden jungen Leute aus Anlass des Gaststättenbetriebes vor Ort und damit kein allgemeines Sicherheitsrisiko waren. Es ergibt sich auch kein anderer Hinweis, dass dieses Ereignis sich als kompletter Ausreißer darstellt und damit eine Zurechnung zum klägerischen Betrieb inadäquat erscheint. Fehl geht ferner die klägerseitige Argumentation, nach der die Zurechnung solcher Sicherheitsstörungen zu konkreten Gaststättenbetrieben der „Tod einer lebenden Altstadt“ sei. Dabei kann es sich anhand der Rechtslage allenfalls um einen politischen Apell handeln.
4. Die Auflage ist schließlich auch ermessensfehlerfrei ergangen sowie verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen. Die Auflage ist tauglich die Lärm- und Belästigungssituation im Umfeld der Gaststätte zu verbessern. Weiter ist ein milderes Mittel auch nicht in der Verkürzung der Sperrzeit zu sehen und die Auflage erscheint auch mit Blick auf die vorgetragenen wirtschaftlichen Konsequenzen für den Betrieb angemessen.
a) Die Beklagte hat ihr Ermessen erkannt und ausgeübt. Mit Blick auf den konkreten Fall, auf die abzuwehrenden Belästigungen und die Bedeutung dieser Abwehr für die Nachbarschaft reicht die etwas formelhafte Formulierung des Ermessens jedenfalls unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags des Beklagten im weiteren Verfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung aus (§ 114 Satz 2 VwGO).
b) Die Auflage ist zur Erreichung des Ziels geeignet.
Ein behördlicher Eingriff ist geeignet, wenn er das mit dem Eingriff verfolgte Ziel fördern kann. Dem Kläger wird aufgegeben, zwei gewerbliche Ordner zu bestimmten Betriebszeiten zu postieren und auf die Gäste mit Blick auf bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen einzuwirken. Angesichts der Größe der Gaststätte und der Positionierung der Ordner vor der Gaststätte unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ist damit zu rechnen, dass diese beiden Ordner in der Lage sind in geeigneter Weise auf die Gäste einzuwirken, so dass sich die Lärm- und Belästigungssituation im Umfeld der Gaststätte jedenfalls verbessert. Da es sich nunmehr um gewerbliche Ordner handelt, ist ein gewisses Maß an Professionalität sichergestellt.
Dem steht die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegen. Dieser hatte in einem Beschluss aus dem Jahre 1981 entschieden, dass eine dem Gastwirt erteilte Auflage, durch Ordner auf die Gäste einzuwirken, um diese zu veranlassen, sich vor dem Lokal ruhig zu verhalten als zum Schutz der in § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG genannten Rechtsgüter ungeeignet angesehen werden muss. Es sei dem Gastwirt nicht zumutbar, bei derartig geringen Erfolgsaussichten neue Kräfte einzustellen und damit wirtschaftliche Opfer zu bringen (VGH München, B.v. 16.3.1981 – 22 CS A.185). Jedenfalls im vorliegend zu entscheidenden Einzelfall war die Sachlage aus den oben angeführten Gründen anders zu beurteilen.
c) Die Maßnahme war auch erforderlich im Rechtssinne, da jedenfalls im konkreten Fall eine Sperrzeitverkürzung kein milderes Mittel darstellen würde und auch sonst kein milderes Mittel ersichtlich ist.
Der Kläger hat insoweit vorgetragen, dass sein Gaststättenbetrieb ohnehin zeitlich sehr beschränkt ist. Eine Verlängerung der Sperrzeit würde seinem Konzept als Unterhaltungslokal entgegenlaufen, die Gäste würden ausbleiben und er hätte erhebliche wirtschaftliche Einbußen zu befürchten. Im Ergebnis kann daher schon mit Blick auf das vom Kläger gewählte Betriebsmodell gesagt werden, dass eine Sperrzeitverlängerung kein weniger einschneidendes Mittel gewesen wäre.
Kein milderes gleich effektives Mittel wäre ferner die Anordnung lediglich einen Ordners. Der Beklagte konnte anhand der Erfahrungen mit dem bisherigen Ordner davon ausgehen, dass eine solche Anordnung als nicht ausreichend erscheint um den zu erwartenden Störungen zu begegnen. Das gleiche gilt mit Blick auf das Erfordernis eines „gewerblichen“ Ordners.
d) Der Auflagenbescheid vom 12. Oktober 2016 ist ferner auch angemessen.
Zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat der Kläger vorgetragen, dass ein wirtschaftlicher Betrieb angesichts der erheblichen Kosten, die infolge der Auflage entstehen würden, nicht möglich sei. Dieses Argument muss unter dem Gesichtspunkt der Gewerbefreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beurteilt werden. Dabei ist zunächst zu beachten, dass nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG „jederzeit“ Anordnungen getroffen werden können, so dass jeder gaststättenrechtliche Betrieb von vorne herein mit Blick auf die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter unter dem Vorzeichen weiterer Auflagen steht. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebes ist das unternehmerische Risiko des Gewerbetreibenden. Rechte Dritter können hier nur ausnahmsweise zurückstehen.
Angesichts der Intensität der dokumentierten Störungen dürften sich die Rechte der Nachbarn (insbesondere unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes, Art. 2 Abs. 2 GG) vorliegend zu einen Anspruch auf Einschreiten gegenüber dem Beklagten verdichtet haben. Der Beklagte hat hier ein Mittel gewählt, das angesichts der Sachlage als nächster geeigneter Anordnungsschritt erscheint. Die klägerseitige Argumentation hinsichtlich Geeignetheit und Angemessenheit der angeordneten Auflage hätte konsequent weitergedacht zur Folge, dass weitergehendes Einschreiten gegen die Gaststätte, etwa in Form eines Verbotes, geboten erscheint. So hat der Kläger zumindest die Chance seinen Gaststättenbetrieb weiter zu führen.
6. Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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