Verwaltungsrecht

Genehmigungsfiktion

Aktenzeichen  M 23 E 19.6255

Datum:
4.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6748
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 117 Abs. 5,§ 123 Abs. 1 S.2
PBefG § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 2§ 15 Abs. 1 S. 5
BayVwVfG Art. 42a Abs. 2
ZPO § 920 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 15.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Aushändigung einer Genehmigungsurkunde zum Verkehr mit Mietwagen unter gleichzeitiger Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion.
Die Antragstellerin ist eine am 26. Februar 2019 gegründete, am 27. Juni 2019 in das Handelsregister und am 9. Juli 2019 in das Gewerberegister eingetragene Gesellschaft, welche neben Bewachungsdienstleistungen auch die geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) zum Gegenstand hat. Als Beginn der Tätigkeit gab die Antragstellerin den 1. Juli 2019 an. Über den als fachkundige Person angegebenen Betriebsleiter (im Folgenden Betriebsleiter) ist ein Insolvenzverfahren eröffnet (Bl. 47 Behördenakte) sowie mehrere Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vorgenommen worden (Bl. 48 ff.) Zudem ist gegen ihn als Betriebsleiter des mit der Antragstellerin formal nicht identischen Unternehmens „…“ ein rechtskräftiger (Bl. 181) Bußgeldbescheid vom 31. August 2018 (Bl. 176) wegen Verstößen gegen das PBefG erlassen worden. Dieser hat die nicht ordnungsgemäße Führung des Mietwagenbuchs und Verstöße gegen die Rückkehrpflicht zum Gegenstand.
Die Antragstellerin beantragte beim Landratsamt F. (im Folgenden: Landratsamt) mit dort am 18. Juli 2019 per E-Mail eingegangenem Antrag fünf Genehmigungen zum Verkehr mit Mietwagen. Mit Antragstellung sicherte die Antragstellerin die Übermittlung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts neben weiteren Dokumenten zu (Bl. 29). Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Sozialversicherung werde nach Erteilung der Mietwagengenehmigungen nachgereicht, da die Arbeitsverträge erst hiermit wirksam würden.
Mit am 7. Oktober 2019 zur Post aufgegebenen Schreiben vom 4. Oktober 2019 forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, weitere Unterlagen vorzulegen (Bl. 57 f.), darunter: Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts, Abschlussmitteilungen zu den einzeln benannten Eintragungen im Schuldnerverzeichnis des Betriebsleiters, Büromietvertrag, Arbeitsvertrag des Betriebsleiters, Unbedenklichkeitsbescheinigung aller Krankenkassen der Angestellten.
Die Antragstellerin forderte über ihren Bevollmächtigten am 9. November 2019 – dem Landratsamt am 11. November 2019 zugegangen – die Aushändigung der Genehmigungsurkunde wegen Eintritts der Genehmigungsfiktion. Mit diesem Schreiben übersandte die Antragstellerin die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts (Bl. 80). Nachdem das Landratsamt dies mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 abgelehnt hatte (Bl. 83), beantragte die Antragstellerin über ihre Bevollmächtigten am 13. Dezember 2019,
I. den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin den Eintritt der Genehmigungsfiktion über den Antrag vom 18. Juli 2019 für den Mietwagenverkehr vorläufig schriftlich zu bescheinigen und die Genehmigungsurkunde vorläufig auszuhändigen,
II. hilfsweise: den Antragsgegner zu verpflichten, den Antrag vom 18. Juli 2019 für den Mietwagenverkehr bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer eines Jahres, zu genehmigen.
Zum Anordnungsanspruch führt der Bevollmächtigte im Wesentlichen aus, die Antragsunterlagen seien bereits mit Antragstellung vollständig gewesen. Soweit das Landratsamt mit Schreiben vom 4. Oktober 2019 weitere Unterlagen verlangt habe, seien diese teilweise bereits mit vorgelegt worden. So sei der Büromietvertrag bereits am 10. Juli 2019 und die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts am 4. August 2019 dem Landratsamt über …@… übermittelt worden. Der Verlust der Email falle in die Sphäre des Landratsamts. Das Landratsamt habe bei der Antragstellerin Vertrauen erweckt, dass Unterlagen über dieses Postfach übermittelt werden können. Im Übrigen hätten die im Schreiben vom 4. Oktober 2019 geforderten Unterlagen ohnehin nicht verlangt werden dürfen. Ohnehin sei das Schreiben des Landratsamts der Antragstellerin nicht rechtzeitig übermittelt worden. Dieses sei ohne Umschlag im Briefkasten der Antragstellerin durch den weiteren Büromieter am 24. Oktober 2019 aufgefunden und der Antragstellerin übergeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsbegründung Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragte unter Vorlage der Behördenakte schriftsätzlich am 27. Januar 2020
Antragsablehnung.
Die Fiktionsgenehmigung sei nicht eingetreten, da die Antragsunterlagen nicht vollständig gewesen seien. Der Arbeitsvertrag des Betriebsleiters gehöre ebenso wie die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Trägers der Sozialversicherung zu den notwendigen Antragsunterlagen. Letztere sei auch nicht obsolet, da keineswegs ausgeschlossen gewesen sei, dass die Antragstellerin ihren Betrieb im weiteren Tätigkeitsbereich bereits aufgenommen habe. Gegenteiliges habe die Antragstellerin darzulegen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts sei dem Landratsamt erst am 11. November 2019 zugegangen. Einen früheren Zugang habe die Antragstellerin zu beweisen. Auch der Hilfsantrag sei unbegründet, da die Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. So seien die Antragsunterlagen bereits nicht vollständig. Zudem sei der Betriebsleiter nicht zuverlässig.
Auf die weiteren Einzelheiten der Antragserwiderung wird Bezug genommen.
Mit der Antragstellerin am 6. Februar 2020 zugestelltem Bescheid vom … Februar 2020 lehnte das Landratsamt den Antrag vom 18. Juli 2019 mangels Zuverlässigkeit des Betriebsleiters ab.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO bleibt sowohl im Haupt- (hierzu 1.) wie auch im Hilfsantrag (hierzu 2.) erfolglos.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch (ein subjektiv öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln) und einen Anordnungsgrund (die besondere Eilbedürftigkeit) glaubhaft macht. Ist der Antrag auf eine – wenn auch zeitlich begrenzte – Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und der Antragstellerin ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
1. Soweit die Antragstellerin die Ausstellung einer Bescheinigung über den Eintritt der Genehmigungsfiktion begehrt, ist der Antrag zwar zulässig, aber mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nicht begründet.
Rechtsgrundlage hierfür bildet Art. 42a Abs. 2 BayVwVfG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 5 des Personenbeförderungsgesetzes – PBefG.
Die entgeltliche oder geschäftsmäßige Personenbeförderung mit Mietwagen im Gelegenheitsverkehr ist genehmigungspflichtig (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 46 Abs. 2 Nr. 3, § 49 Abs. 4 PBefG). Beim Gelegenheitsverkehr mit Personenkraftwagen wird die Genehmigung erteilt für die Form des Gelegenheitsverkehrs und den Betrieb mit bestimmten Kraftfahrzeugen unter Angabe ihrer amtlichen Kennzeichen (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 PBefG). Die notwendigen Angaben für den Antrag beim Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen ergeben sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 2 PBefG. Die Genehmigungsbehörde hat innerhalb von drei Monaten nach Eingang schriftlich über den Antrag zu entscheiden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 PBefG). Kann sie die Prüfung des Antrags in dieser Zeit nicht abschließen, ist die Frist vor ihrem Ablauf in einem dem Antragsteller oder den Antragstellern mitzuteilenden Zwischenbescheid um den Zeitraum zu verlängern, der notwendig ist, um die Prüfung abschließen zu können (§ 15 Abs. 1 Satz 3 PBefG). Die Fristverlängerung darf höchstens drei Monate betragen (§ 15 Abs. 1 Satz 4 PBefG). Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist versagt wird (§ 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG, Art. 42a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Die Frist für die Genehmigungsfiktion wird nur in Lauf gesetzt, wenn der Antrag hinreichend bestimmt ist (Art. 42a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) und die Unterlagen vollständig sind (Art. 42a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Verlangen ist demjenigen, dem der Verwaltungsakt hätte bekannt gegeben werden müssen, der Eintritt der Genehmigungsfiktion schriftlich zu bescheinigen (Art. 42a Abs. 3 BayVwVfG).
Ausgehend hiervon kann vorliegend nach summarischer Prüfung nicht vom Eintritt der Genehmigungsfiktion ausgegangen werden.
Die die Genehmigungsfiktion auslösende Frist hat nicht bereits drei Monate vor der am 6. Februar 2020 erfolgten Zustellung des Ablehnungsbescheids vom … Februar 2020 zu laufen begonnen, also nicht vor dem 6. November 2019. Weder hat die Frist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG bereits mit Antragstellung und auch nicht am 4. August 2019 zu laufen begonnen, da es zu beiden Zeitpunkten am Eingang der vollständigen Unterlagen gefehlt hat, § 15 Abs. 2 Satz 2 PBefG.
Maßgebend für die Bewertung eines vollständigen Antrags sind mindestens die im Gesetz geforderten notwendigen Unterlagen und Angaben. § 12 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 und Abs. 2 PBefG nimmt die notwendigen Unterlagen und Angaben in Bezug, ohne diese jedoch abschließend zu regeln (Bidinger, Personenbeförderungsrecht Kommentar, § 15 PBefG Rn. 122). Zweck des § 12 Abs. 2 PBefG ist es, die Genehmigungsbehörde in die Lage zu versetzen, den Antrag zu prüfen und ggf. Nachfragen zu stellen oder Nachforschungen anzustellen. Der Genehmigungsbehörde sollen damit genügende Anhaltspunkte für die (weitere) Prüfung der subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen gegeben werden, ohne dass sich aus der Gesamtheit der Unterlagen bereits eine Entscheidungsreife ergeben muss. Um in schutzwürdiger Weise auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion vertrauen zu können, muss der Antragsteller seinerseits die Behörde zunächst durch das Einreichen vollständiger Unterlagen in die Lage versetzt haben, über seinen Antrag zu entscheiden (BVerwG, U.v. 8.11.2018 – 3 C 26/16 – juris Rn. 21). Für die Vollständigkeit der Unterlagen genügt es daher jedenfalls regelmäßig nicht, lediglich die für die Bestimmtheit der Genehmigungsurkunde selbst erforderlichen Angaben zu machen (a.A. VG Dessau, U.v. 26.7.1995 – 2 A 206/94). Dies ginge am systematischen Verhältnis von Genehmigung und Genehmigungsurkunde und insbesondere daran vorbei, dass § 12 PBefG ergänzt durch die Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) eine eigenständige Aufzählung der Angaben und Unterlagen enthält, die der Antrag auf Genehmigung enthalten soll (Absatz 1) oder muss (Absatz 2) (BVerwG, U.v. 8.11.2018 – 3 C 26/16 – juris Rn. 22).
§ 12 Abs. 2 PBefG bestimmt, dass dem Antrag Unterlagen beizufügen sind, die ein Urteil über die Zuverlässigkeit des Antragstellers und die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebs ermöglichen. Das zielt auf die subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 PBefG. Um welche Unterlagen es sich dabei handelt, wird in der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV), etwa in Bezug auf die Unterlagen für die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit (§ 2 PBZugV) und der fachlichen Eignung (§ 3 PBZugV), konkretisiert. Die Beibringung der dort aufgeführten Unterlagen ist daher für die Vollständigkeit des Genehmigungsantrags erforderlich (BVerwG, U.v. 8.11.2018 – 3 C 26/16 – juris Rn. 23 m.w.N.). Eine von diesen gesetzlichen Vorgaben abweichende Genehmigungspraxis vermag die gesetzlichen Anforderungen an die Vollständigkeit des Genehmigungsantrags nicht abzuändern, sodass sich ein Antragsteller nicht darauf berufen kann, die Genehmigungsbehörde habe einzelne notwendige Unterlagen nicht gefordert (OVG RhPf, B.v. 17.6.2019 – 7 B 10747/19 – juris Rn. 12). So kann sich die Antragstellerin vorliegend auch nicht darauf berufen, dass das Landratsamt auf seiner Internetseite einzelne Unterlagen nicht verlange.
Weder die notwendigen Unterlagen zur fachlichen Eignung (a.) noch die zur finanziellen Leistungsfähigkeit (b.) waren drei Monate vor der am 6. Februar 2020 erfolgten maßgeblichen Zustellung der Antragsablehnung vollständig.
a. Zu einem vollständigen Antrag auf Erteilung der Genehmigung gehören auch Unterlagen zum Nachweis der fachlichen Eignung der Antragstellerin oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Person im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PBefG (OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 29.02.1996, a.a.O.; Schmitz in: Saxinger/Winnes, a.a.O., § 15 PBefG Rn. 22).
Vorliegend ist der als fachkundige Person angegebene Betriebsleiter zwar nach Bescheinigung der zuständigen IHK vom 29. Januar 2010 zur Führung eines Unternehmens des Mietwagenverkehrs grundsätzlich geeignet. Es fehlt aber am Nachweis dafür, dass der Betriebsleiter tatsächlich mit der Führung der Geschäfte betraut ist. Hierzu ist das der Beauftragung zugrundeliegende Rechtsverhältnis glaubhaft darzulegen. Dies ist zwingend erforderlich, da – wie vorliegend – Antragstellerin und fachkundige Person auseinanderfallen. Das Gericht schließt sich insoweit der Begründung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in dessen Beschluss vom 14.5.2018 (3 K 471/18 – juris Rn. 42) an.
Unterlagen hierzu – etwa in Form eines Arbeitsvertrags – hat die Antragstellerin der Genehmigungsbehörde weder mit Antragstellung noch später vorgelegt. Selbst im vorliegenden Verfahren ist eine Glaubhaftmachung nicht erfolgt.
b. Weiter fehlt es am Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit.
Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 PBZugV ist die finanzielle Leistungsfähigkeit nachzuweisen durch Bescheinigungen in Steuersachen des Finanzamtes sowie Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Gemeinde, der Träger der Sozialversicherung und der Berufsgenossenschaft.
Dieser Nachweisobliegenheit ist die Antragstellerin nicht nachgekommen. Mit Antragstellung hat sie lediglich angekündigt, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts sowie der Sozialversicherung nachzureichen. Auch hat die Antragstellerin diese Unterlagen nicht vollständig nachträglich, weder durch ihre E-Mail vom 4. August 2019 noch später, vorgelegt. Dieser E-Mail war bereits nach dem eigenen Sachvortrag der Antragstellerin ausschließlich die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts, nicht aber des Sozialversicherungsträgers beigefügt. Bereits aus diesem Grund kann nicht von einer Vollständigkeit der Unterlagen die Rede sein. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin den Eingang der E-Mail vom 4. August 2019 beim Landratsamt hinreichend nachweisen konnte.
Die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Sozialversicherungsträgers (sowie des Finanzamts) war im vorliegenden Einzelfall nicht – wie die Antragstellerin meint – obsolet und reiner Selbstzweck. So dringt die Antragstellerin mit ihrem Einwand, mangels erteilter Mietwagengenehmigungen noch abgaberelevant keinen Mitarbeiter beschäftigt zu haben und daher weder Sozialversicherungsbeiträge noch Abgaben an das Finanzamt abgeführt zu haben, nicht durch. Es fehlt insoweit bereits an der Glaubhaftmachung dieser Behauptung gem. § 920 Abs. 2 ZPO. Auch wenn die Vertreterin der Antragstellerin als Geschäftsführerin und gleichzeitige am Stammkapital beteiligten Gesellschafterin keine Arbeitnehmerin und daher keine Beschäftigte im Sinne der Sozialversicherung sein dürfte, bestehen schon aufgrund des mit dem 1. Juli 2019 selbst angegebenen Tätigkeitsbeginns Anlass zur Annahme, dass die Antragstellerin zu diesem Stichtag abgaberelevante Beschäftigungen unterhielt, sodass sie diesem Zweifel glaubhaft hätte entgegentreten müssen. Dies gilt umso mehr als dass sich der Betrieb der Antragstellerin nicht ausschließlich auf eine Personenbeförderung beschränkt, sondern sich ebenfalls auf Bewachungsdienstleistungen erstreckt. Da es sich bei dem Betrieb der Antragstellerin somit um ein gemischteinheitliches Gewerbe handelt, kann die finanzielle Leistungsfähigkeit grundsätzlich nur einheitlich bewertet werden. Bescheinigungen in Steuersachen des Finanzamtes und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Sozialversicherungsträgers waren daher gerade nicht obsolet, da Beschäftigungsverhältnisse nicht von den begehrten Mietwagengenehmigungen abhängen.
Aber selbst wenn es zuträfe, dass die Antragstellerin abgaberelevant keine Arbeitnehmer beschäftigt habe, wäre eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen gewesen. Auch in einem solchen Fall kommt einer Unbedenklichkeitsbescheinigung eigene Aussagekraft zu, nämlich zu fehlenden Negativeintragungen. § 2 Abs. 2 Nr. 2 PBZugV sieht die Vorlage zudem ausnahmslos – und damit auch bei neu gegründeten juristischen Personen wie der Antragstellerin – vor. Da die Genehmigungsbehörde keine Einsicht in die innerbetrieblichen Verhältnisse und damit auch keine Kenntnis darüber hat, ob die Antragstellerin eine abgaberelevante Beschäftigung durchführt, ist die Genehmigungsbehörde auf eine solche behördliche Bescheinigung angewiesen. Andernfalls ist die Unerbringlichkeit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung glaubhaft zu machen, was vorliegend nicht gem. § 920 Abs. 2 ZPO erfolgt ist. Nicht glaubhaft gemachte bloße Angaben des Antragstellers hierzu sind nicht ausreichend.
Mangels vollständig glaubhaft gemachter Tatsachen eines beanspruchten Eintritts der Genehmigungsfiktion war der Hauptantrag daher abzulehnen.
2. Die Antragstellerin hat ebenfalls keinen hilfsweisen Anspruch auf Erteilung lediglich vorläufiger Genehmigungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache.
Nachdem das Landratsamt den Antrag mittlerweile abgelehnt und damit in der „Hauptsache“ bereits entschieden hat, ist der Hilfsantrag gegenstandslos und damit aufgrund des Eintritts eines erledigenden Ereignisses unzulässig geworden. Es besteht auch kein Anlass, unter der im Hilfsantrag in Bezug genommenen “Hauptsache“ ein anderes Verfahren als das behördliche Genehmigungsverfahren zu verstehen.
Denn mangels eines – im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht – die Sachbehandlung behördlicherseits abschließenden Bescheids und mangels einer auf Feststellung und Aushändigung gerichteten Leistungsklage bzw. auch ausdrücklicher Antragstellung, war keine andere „Hauptsache“ als die behördliche Sachentscheidung ausstehend.
Aber auch in der Sache hätte der Antrag keinen Erfolg.
Der Antrag scheitert nicht bereits an § 15 Abs. 4 PBefG. Danach wird die Erteilung einer vorläufigen Genehmigung ausdrücklich ausgeschlossen. Zur Wahrung der Garantie auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – und der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG ist die Bestimmung jedoch dahingehend auszulegen, dass das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Hauptsache teilweise vorwegnehmen und die Antragsgegnerin verpflichten kann, eine zeitlich begrenzte endgültige Genehmigung zu erteilen. Eine solche Anordnung kommt jedoch allenfalls in Betracht, wenn der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt (VGH BW, B.v. 30.7.2018 – 9 S 1272/18 – juris Rn. 7 m.w.N.). Diese hohe Voraussetzung rechtfertigt sich zum einen aus dem grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache und vorliegend auch aus der gesetzgeberischen Wertung des § 15 Abs. 4 PBefG, wonach zunächst vom Grundsatz keine vorläufigen Genehmigungen zu erteilen sind.
An diesem Maßstab gemessen wäre ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft dargelegt. Eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, ist nicht gegeben, denn nach den vorstehenden Ausführungen (vgl. 1.) fehlt es zur Überprüfung eines Genehmigungsanspruchs bereits an der vollständigen Vorlage von Unterlagen zur finanziellen Leistungsfähigkeit und zur fachlichen Eignung. Weder hat die Antragstellerin bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Sozialversicherungsträgers noch Unterlagen zur tatsächlichen Beschäftigung des Betriebsleiters vorgelegt.
Im Übrigen stehen die im Bescheid vom … Februar 2020 vom Landratsamt dargestellten Tatsachen einer zumindest hohen Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit entgegen, insbesondere die vom Landratsamt im Wege einer Gesamtbetrachtung angestellte Prognose der Zuverlässigkeit des Betriebsleiters gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 PBZugV. Insoweit nimmt das Gericht auf die Begründung dieses Bescheids Bezug, § 117 Abs. 5 VwGO analog. An den zu dem Betriebsleiter erlassenen und den dort getroffenen Feststellungen insbesondere zu Verstößen gegen die Rückkehrpflicht gem. § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG sieht das Gericht keine Veranlassung zu Zweifeln, zumal die dem Betriebsleiter zur Last gelegten Verstöße vorliegend nicht bestritten sind. Insoweit steht jedenfalls die Zuverlässigkeit des Betriebsleiters in Frage, was eine hohe Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit ausschließt.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 47.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, Anh. § 164 Rn. 14). Dabei setzt sich der vom Gericht auf 15.000,– Euro festgesetzte Streitwert aus 5.000,– Euro für die erste begehrte Mietwagengenehmigung und aus weiteren 2.500,– Euro für jede der vier weiteren begehrten Mietwagengenehmigung zusammen.
So sieht Nr. 47.5 des Streitwertkatalogs bei Mietwagengenehmigungen einen Streitwert von 10.000,– Euro vor. Hiervon ist nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich die Hälfte anzusetzen. Auch wenn jeder beantragten Bescheinigung bzw. Genehmigung grundsätzlich eigenständige Bedeutung i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 5 ZPO zukommt, und damit jeder begehrten Genehmigung ein Streitwert von 5.000,– Euro beizumessen wäre, nimmt das Gericht für vier Genehmigungen eine nochmalige Halbierung vor. Denn zugunsten der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass die Einzelbedeutung der Fahrzeuge aufgrund der (rechtlichen) Verbindung zu insgesamt fünf begehrten Genehmigungen nicht unwesentlich relativiert wird. Der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgend ist es daher ermessensgerecht, diesem Umstand durch eine (nochmalige) Halbierung des Werts für jede weitere Genehmigung Rechnung zu tragen (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 CE 19.750 – juris Rn. 29 m.w.N.).


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