Verwaltungsrecht

Generalpräventive inlandsbezogene Ausweisung eines unter Betreuung stehenden Irakers, Klageerhebung durch Betreuten selbst bei fehlendem Einwilligungsvorbehalt, Pflicht zum Hinweis auf Ausweisung als möglicher Rechtsfolge bei Nichtmitwirken bei Passbeschaffung, Erneute Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde im Ausweisungsverfahren trotz bestandskräftiger Androhung durch Bundesamt, Ermessenskriterien für Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (18 Jahre nur Duldung, keine zielführende Mitwirkung bei Passbeschaffung)

Aktenzeichen  B 6 K 20.1500

Datum:
1.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44331
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 1
AufenthG § 11 Abs. 2 S. 1
AufenthG § 11 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 53 Abs. 1
AufenthG § 54 Nr. 8b
AufenthG § 54 Nr. 9
AufenthG § 59 Abs. 1 S. 1
VwGO § 62
ZPO § 53

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage gegen seine Ausweisung samt Ausreiseaufforderung und Androhung der Abschiebung in den Irak sowie gegen das auf fünf Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot.
Der Kläger, nach eigenen Angaben Angehöriger des kurdischen Stammes der Zebari, ist Staatsangehöriger der Republik Irak. Er reiste am 28.08.2001 erstmals ins Bundesgebiet ein. Ein Visum oder Personalpapiere führte er nicht mit sich. Am 19.09.2001 stellte er einen Asylantrag. In der Folge wurde ihm der Aufenthalt zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet. Am 11.12.2001 wurde er dem Landkreis K … zugewiesen und verpflichtet, seinen Wohnsitz in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Stadt K … zu nehmen.
Bei seiner Anhörung am 06.11.2001 gab er an, er sei in der Stadt F …, 40 km nördlich von Mossul, geboren und habe bis zu seiner Ausreise dort gelebt. Außerdem erklärte er, er habe in seinem Heimatland einen Personalausweis und eine Staatsangehörigkeitsurkunde besessen, die ihm der Schlepper auf dem Weg nach Europa abgenommen habe.
Mit Bescheid vom 06.12.2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag auf die Anerkennung als Asylberechtigter ab (Ziff. 1) und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen (Ziff. 2 und 3). Zugleich drohte ihm die Behörde die Abschiebung in den Irak an, falls er nicht binnen eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens das Bundesgebiet verlasse (Ziff. 4).
Mit Urteil vom 25.03.2002 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die dagegen erhobene Klage ab (Az. …). In seiner Begründung vertrat das Gericht die Auffassung, dass der Kläger, nicht wie angegeben, aus F … im Norden des Zentralirak, sondern aus der Autonomen Region Kurdistan stammt. Die Berufung gegen dieses Urteil ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16.09.2002 nicht zu (Az. …). Der Beschluss wurde dem Kläger am 23.09.2002 zugestellt. Seither ist der Kläger vollziehbar ausreisepflichtig. Erstmals am 05.12.2002 und in der Folgezeit bis heute erhielt er Duldungen.
Die für ihn bis 28.08.2017 zuständige Sachbearbeiterin beim Landratsamt K … forderte ihn beim Abholen der Duldungsbescheinigungen laut entsprechender Aktenvermerke wieder und wieder mündlich auf, sich einen Reisepass zu beschaffen. Am 25.11.2004, 17.10.2006, 28.01.2008, 07.10.2009, 11.10.2010, 17.05.2011 und 24.03.2014 forderte der Beklagte ihn darüber hinaus schriftlich auf, sich um einen irakischen Reisepass zu kümmern und diesen bei der Ausländerbehörde vorzulegen. Laut einer formularmäßigen Bestätigung der irakischen Auslandsvertretung vom gleichen Tag stellte sich bei einer Vorsprache des Klägers am 20.03.2014 beim Irakischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main heraus, dass er auch nach Auffassung der Auslandsvertretung Iraker ist. Ein Antrag auf Ausstellung eines irakischen Reisepasses könne aber nicht angenommen werden, bevor er eine Staatsangehörigkeitsurkunde und einen Personalausweis vorlege. Den Antrag auf Ausstellung eines irakischen Reisepasses könne er auch bei den zuständigen Behörden im Irak stellen.
Da der Kläger, obwohl er am 02.09.2016 nochmals dazu aufgefordert worden war, keine Anstrengungen unternahm, sich die für die Antragstellung für einen Reisepass erforderlichen beiden Dokumente zu beschaffen, regte die Ausländerbehörde am 29.11.2016 beim Sozialamt an, die Sozialleistungen des Klägers zu kürzen. Am 30.11.2016 informierte ihn der Beklagte darüber, auch sein im Irak lebender Bruder oder ein Rechtsanwalt könnten einen Personalausweis beschaffen, und händigte ihm eine entsprechende Liste der Vertrauensanwälte aus.
Am 25.01.2017 stellte die Zollbehörden bei einer Kontrolle am Flughafen … ein Paket sicher, in dem sich u.a. ein auf den Kläger ausgestellter irakischer Personalausweis fand, den ein im Irak lebender Bruder des Klägers an einen weiteren in E … lebenden Bruder des Klägers gesandt hatte. Eine Überprüfung durch die dafür zuständigen bayerischen Behörden ergab, dass es sich dabei offensichtlich um eine Totalfälschung handelte.
Da es mit dem Kläger in seiner bisherigen Unterkunft in der Stadt K … wegen seines Auftretens Schwierigkeiten gegeben hatte, wurde er verpflichtet, ab 06.02.2017 seinen Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft im Nachbarort M … (Landkreis K …) zu nehmen, wo er bis heute wohnt. Im Mai 2017 legte er einen nach Prüfung durch die deutschen Behörden als echt befundenen, ihn betreffenden Auszug aus dem Personenstandsregister vom 07.03.2017 vor. Als Geburtsort ist darin die Stadt Z …, Kreis …, Provinz … im Autonomen Kurdengebiet, als Geburtsdatum der …1981 eingetragen.
Am 18.06.2017 setzte sich der Kläger bei K … auf die Gleise der Bahnlinie …, weil ihn nach eigenen Angaben eine innere Stimme dazu aufgefordert hatte. Nur aufgrund einer Notbremsung gelang es dem Zugführer eines Regionalzuges zu verhindern, dass er überfahren wurde. Daraufhin wurde der Kläger in das Bezirkskrankenhaus … eingewiesen und war dort bis 16.07.2017 untergebracht. Aus einem vorläufigen Arztbrief vom 19.07.2017 ergibt sich, dass der Kläger dort wegen Paranoider Schizophrenie (F 20.0) behandelt wurde. Bei der Schilderung der eingeleiteten Therapie wiesen die behandelnden Ärzte insbesondere darauf hin, dass der Kläger nur sehr gebrochen Deutsch gesprochen habe. Im Verlauf der Behandlung hätte sich die psychotische Symptomatik komplett zurückgebildet, so dass er in die ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Weiterbehandlung mit Einnahme neuroleptischer Medikamente habe entlassen werden können. Zusätzlich wurde für ihn im Oktober 2017 ein Betreuer bestellt, der u.a. in ausländerrechtlichen Angelegenheiten seine Post entgegennimmt und ihn gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Ein Einwilligungsvorbehalt für die Erhebung von Klagen besteht nicht. Am 10.05.2019 erhielt der Kläger rückwirkend ab 23.11.2018 wegen seelischer Krankheit einen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50.
Am 28.08.2017 übernahm die Regierung von …, Zentrale Ausländerbehörde, Dienststelle … (ZAB) die ausländerrechtliche Zuständigkeit. Am 12.09.2017 erhielt der Kläger erstmals, wie später noch öfter, allgemeine Belehrungen in arabischer Sprache u.a. über seine Mitwirkungspflichten. Außerdem findet sich in jedem Anschreiben an den Betreuer, dass der Kläger seine Duldungsbescheinigung abholen kann, der Hinweis, dass er seine Passpflicht zu erfüllen hat.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.10.2017 beschränkte der Beklagte den Aufenthalt des Klägers auf die Landkreise B … und K … Am 27.10.2017 versagte die Behörde per (bestandkräftigem) Bescheid dem Kläger, der bislang immer wieder für einen gewissen Zeitraum, aber nicht durchgehend mit Erlaubnis des Beklagten als Reinigungskraft gearbeitet hatte, die Erlaubnis für eine Beschäftigung als Produktionshelfer.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 21.10.2018 verhängte das Amtsgericht H gegen den Kläger eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 15,00 EUR wegen des am 25.01.2017 durch den an diesem Tag aufgefundenen unechten irakischen Personalausweis begangenen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen gem. § 276 Abs. 1 Nr.1 StGB, § 74 Abs. 1 StGB (Az. …).
Am 02.07.2019 lehnte er bei einem Gespräch anlässlich seiner Sicherheitsüberprüfung eine freiwillige Ausreise ab und versicherte, er habe aufgrund der von ihm eingenommenen Medikamente keine psychischen Probleme mehr.
Am 14.11.2019 sprach er auf Aufforderung des Beklagten laut einer Bestätigung der Auslandsvertretung erneut beim Irakischen Generalkonsulat vor, das einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses mangels der dafür erforderlichen Dokumente gar nicht erst entgegennahm und ihn zusätzlich darauf verwies, er müsse den Antrag bei den zuständigen Behörden im Irak stellen. Gleiches geschah am 13.01.2020. Daraufhin erläuterte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 12.02.2020 nochmals eindringlich, dass eine unvorbereitete Vorsprache bei der Botschaft keinen Erfolg verspreche. Weiter zeigte sie ihm auf, dass er, um eine ID-Karte zu erhalten, zunächst über einen Vertreter im Irak eine ID-Nummer beantragen müsse. Außerdem teilte der Beklagte ihm mit, um eine Staatsangehörigkeitsurkunde beantragen zu können, müsse er u.a. Farbkopien der Staatsangehörigkeitsausweise und ID-Karten seiner Eltern beschaffen und vorlegen. Der Kläger reagierte darauf nicht.
Wegen der ausbleibenden Mitwirkung erhielt der Kläger ab 17.04.2020 und bis heute nur noch mit dem Zusatz gemäß § 60b – AufenthG „für Personen mit ungeklärter Identität“.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 07.09.2020 verhängte das Amtsgericht K … gegen ihn wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass gem.§ 3 Abs. 1 AufenthG, § 48 Abs. 2 AufenthG, § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10,00 EUR (Az. …).
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21.12.2020, der seinem Betreuer am 22.12.2020 zugestellt wurde, wies die ZAB nach vorheriger Anhörung den Kläger aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziff. 1), drohte ihm die Abschiebung in den Irak an, wenn er die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides verlasse (Ziff. 2) und befristete das Einreiseund Aufenthaltsverbot auf die Dauer von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Abschiebung bzw. Ausreise (Ziff.3).
Die Ausweisung begründete der Beklagte damit, beim Kläger liege zum einen ein schweres Ausweisungsinteresse vor, weil er, obwohl als bestandkräftig abgelehnter Asylbewerber dazu verpflichtet, nicht durch Beantragung eines irakischen Reisepasses mit den dafür erforderlichen Dokumenten an der Vorbereitung seiner Abschiebung mitgewirkt habe und die Ausländerbehörde im Anhörungsschreiben vom 05.11.2020 auf das daraus abzuleitende schwere Ausweisungsinteresse hingewiesen hatte.
Zum anderen verwirkliche er ein schweres Ausweisungsinteresse auch dadurch, dass er durch das Verschaffen eines falschen amtlichen Ausweises und seinen Aufenthalt ohne Pass nicht nur vereinzelt oder geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen habe.
Die Ausweisung sei aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Denn es bestehe ein aktuelles öffentliches Interesse daran, das Verhalten anderer Ausländer zu steuern. Wenn sene Landsleute erlebten, dass die Ausweisungsvorschriften kontinuierlich angewandt würden, würden ihre Hemmungen verstärkt, im Bundesgebiet Straftaten zu begehen und ihre Mitwirkungspflichten nicht zu erfüllen.
Die Ausweisung sei ein geeignetes Mittel, um das vom Kläger seit seiner Einreise verwirklichte Dauerdelikt des Aufenthalts ohne gültigen Pass zu beenden. Ein milderes Mittel gebe es nicht. Die Maßnahme sei schließlich auch angemessen. Entscheidend spreche gegen den Kläger, dass er sich seit seiner Einreise im Jahr 2001 ohne Pass und die längste Zeit davon rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte und sich damit der Rechtsordnung der Bundesrepublik widersetzt habe. Es sei vorauszusehen, dass er auch künftig seinen ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen werde. Schutzwürdige Bindungen an die Bundesrepublik bestünden nicht. Schließlich stehe die Entscheidung auch im Einklang mit seinem Recht auf Privatleben, weil der Eingriff als gesetzlich vorgesehene Maßnahme zur Verhütung weiterer Straftaten gerechtfertigt sei.
Die Abschiebung in den Irak werde angedroht, weil der Kläger ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel ausreisepflichtig sei. Die Ausreisepflicht sei vollziehbar, seit die Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 06.12.2001 seit 22.10.2002 vollziehbar geworden sei.
Die Fünfjahresfrist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot sei angemessen, weil der Kläger seit mehr als 18 Jahren vollziehbar ausreisepflichtig sei und dennoch im Bundesgebiet verbleiben sei. In diesem Zeitraum habe er fortwährend gegen seine Passpflicht und seine Pflicht zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung verstoßen, Sozialleistungen in Anspruch genommen, Straftaten begangen und keine Bindungen an das Bundesgebiet entwickelt. Wenn während dieser fünf Jahre seine Anwesenheit im Bundesgebiet erforderlich sein sollte, könne er mit einer zuvor erfolgreich beantragten Betretenserlaubnis für einen Kurzbesuch einreisen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger selbst mit Schriftsatz vom 28.12.2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben, ohne einen förmlichen Antrag zu stellen.
Am 20.01.2021 gingen bei Gericht die für einen Antrag auf Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vollständig bei Gericht ein.
Zur Begründung der Klage legte sein Betreuer ein Schreiben eines irakischen Rechtsanwaltes aus Z … vom 09.01.2021 in Kopie und in deutscher Übersetzung vor. Der Advokat bestätigte, dass der Kläger aus dem Bezirk Z … stamme. Trotz aller Anstrengungen habe er keine ID-Karte ausstellen können, weil der Kläger derzeit in Deutschland lebe, ihm keine „fundamentalistische Vollmacht“ schicken und nicht in den Irak kommen könne. Der Betreuer zog daraus den Schluss, dass der Kläger selbst in den Irak reisen müsse, um seine Papiere zu beantragen. Die irakischen Behörden seien aber im Dezember/Januar 2020/2021 wegen der Corona-Pandemie geschlossen gewesen. Gleiches gelte für das Generalkonsulat in Frankfurt am Main, wo der Kläger sich bereits mehrfach erfolglos um seine Papiere gekümmert habe, er zum Jahreswechsel 2020/2021 aber niemanden erreichen könne.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.02.2021 beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger verfüge nicht über die erforderlichen Personenstandsdokumente, weil er sich nicht ausreichend um die Beschaffung der Dokumente gekümmert habe. Eine weitere Vorsprache bei der Botschaft verspreche deshalb keinen Erfolg und könne nicht als Mitwirkungshandlung angesehen werden. Es liege deshalb weiterhin ein schweres Ausweisungsinteresse wegen der fehlenden Mitwirkung und dem passlosen Aufenthalt vor.
Auf telefonische Nachfrage des Gerichts am 12.08.2021 erklärte die zuständige Sachbearbeiterin der ZAB, der Kläger habe immer noch keinen Reisepass vorgelegt. Wenn deshalb die Verlängerung/Neuerteilung seiner Duldung ab 28.08.2021 anstehe, werde er wieder eine Duldung für Personen mit ungeklärter Identität erhalten.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird auf die Gerichts- und die in elektronischer Form übermittelten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
1. Gemäß § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, so ist in Verfahren ohne Anwaltszwang nach § 121 Abs. 2 ZPO ein Anwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich ist.
Hinreichende Erfolgsaussicht für Rechtsverfolgung oder -verteidigung liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Kläger mit seinem Begehren durchdringen wird.
Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages. Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BayVGH, B. v. 28.02.2020 – 10 C 20.32 – juris Rn.3; st. Rspr.). Die Prozesskostenhilfeunterlagen sind erst dann vollständig vorgelegt, wenn bei Gericht neben dem Antrag auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechende Belege eingereicht wurden (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war bewilligungsreif, als dem Gericht am 02.02.2021 die Klageschrift, die Klageerwiderung und die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen vorlagen. Er bleibt aber ohne Erfolg, weil die erhobene Anfechtungsklage zu diesem Zeitpunkt der die erhobene Klage allem Dafürhalten nach zulässig, aber unbegründet war.
3. Die Klage war am 02.02.2021 zulässig. Insbesondere durfte der unter Betreuung stehende Kläger am 28.12.2020 selbst Klage erheben, weil er solange prozessfähig blieb, bis sein Betreuer, in dessen Aufgabenkreis auch die gerichtliche Vertretung des Klägers in ausländerrechtlichen Angelegenheiten fällt, mit Schriftsatz vom 25.01.2021 in den Prozess eintrat und seither das Verfahren fortführt (vgl. dazu Weth in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 53 ZPO Rn. 3f.).
4. Die Klage war aber allen Anhaltspunkten zufolge insgesamt unbegründet.
a) Die vom Beklagten verfügte Ausweisung war aller Voraussicht nach im maßgeblichen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht verweist zunächst auf die Ausführungen des Beklagten zur Begründung der getroffenen Maßnahme und macht sie sich zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO entsprechend).
Ergänzend führt das Gericht nach summarischer Prüfung aus, dass der Kläger zunächst, wie der Beklagte zu Recht erkannt hat, mit seinem jahrelangen unerlaubten Aufenthalt ohne Pass und dem Verschaffen eines falschen Ausweises gemäß § 54 Nr. 9 Alt. 1 AufenthG ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse verwirklicht hat. Eine vorsätzliche Straftat, die mit einer Geldstrafe von mehr als 1.000 EUR geahndet wurde, ist kein geringfügiger Verstoß (Fleuß, in: Kluth/Heusch, BeckOKAuslR, Stand 01.04.2021, § 54 AufenthG Rn. 325; vgl. auch BayVGH, B. v. 27.04.2020 – 10 C 20.51- juris Rn. 7).
Liegt bereits deshalb ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vor, kann das Gericht, zumal im Prozesskostenhilfeverfahren, offen lassen, ob sich das schwerwiegende Ausweisungsinteresse, wie der Beklagte weiter angenommen hat, sich gemäß § 54 Nr. 8b AufenthG auch daraus ergibt, dass der Kläger in dem von den deutschen Ausländerbehörden durchgeführten Verwaltungsverfahren trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der Ausländerbehörden mitgewirkt hat, obwohl er zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde. Geht man davon aus, die Ausländerbehörde habe, sobald sie festgestellt hat, dass der Ausländer nicht ausreichend mitwirkt, ihn ausdrücklich auch darauf aufmerksam zu machen, dass er deshalb mit einer Ausweisung zu rechnen hat (Bauer in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 54 AufenthG Rn. 90; a.A.: kein Hinweis ausdrücklich auf die Ausweisung erforderlich Fleuß, in: Kluth/Heusch, BeckOKAuslR, Stand 01.04.2021,§ 54 AufenthG Rn. 306 mit Nachweisen der divergierenden Rechtsprechung) erscheint es zweifelhaft, ob der erstmalige Hinweis auf eine drohende Ausweisung bei Unterlassen der Mitwirkung bei der Passbeschaffung (erst) in der Anhörung zur beabsichtigten Ausweisung am 05.11.2020 dafür genügt.
Für die Ausweisung durfte sich der Beklagte auch nach Auffassung des Gerichts auf generalpräventive Gründe berufen.
Nach der Lebenserfahrung kann damit gerechnet werden, dass sich andere Ausländer, die sich in einer mit dem Kläger vergleichbaren Situation befinden, durch dessen Ausweisung von gleichen oder ähnlichen strafbaren Handlungen abhalten lassen. (BVerwG, U. v. 14.02.2012 – 1 C7/11 – BVerwGE144, 29 = InfAuslR 2012, 155 Rn. 17; st. Rspr.).
Die Maßnahme ist auch dazu geeignet, den angestrebten Zweck zu verwirklichen. Die Ausweisung des Klägers kann dazu beitragen, dass es sich bei den irakischen Landsleuten, die mit ihm in Kontakt stehen, herumspricht, dass sie nicht nur, wenn sie schwere Straftaten etwa aus dem Bereich der Körperverletzungsoder Drogenkriminalität begehen, sondern auch, wenn sie sich längere Zeit ohne den erforderlichen Pass im Bundesgebiet aufhalten oder falsche amtliche Ausweise vorlegen, mit einer Ausweisung zu rechnen haben.
Das Ausweisungsinteresse hat schließlich nicht durch Zeitablauf an Bedeutung verloren, sondern ist unverändert aktuell (vgl. dazu BVerwG, U. v. 09.05.2019 – 1 C 21.18 – BVerwGE 165, 331 = InfAuslR 2019, 381 Rn.18f.). Die Verurteilungen des Klägers sind noch nicht aus dem Bundeszentralregister getilgt. Außerdem hielt sich der Kläger auch zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrages am 02.02.2021 weiterhin im Bundesgebiet auf, ohne der Passpflicht gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG zu genügen.
Demgegenüber kann sich der Kläger weder auf ein typisiertes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG noch auf ein gewichtiges anderweitiges Bleibeinteresse berufen.
Bei der auch bei Ausweisungen aus generalpräventiven Gründen gebotenen individuellen Würdigung (BVerwG, U.v.09.05.2019 – 1 C 21.18 – BVerwGE 165,331= InfAuslR 2019, 381 Rn. 27) überwiegt schließlich, wie der Beklagte ausgeführt hat, voraussichtlich das öffentliche Interesse die privaten Interessen des Klägers.
Der Aufenthalt des Klägers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung, weil im Falle eines Ausbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, U. v. 12.07.2018 – 1 C 16.17 – BVerwGE 162, 349 = InfAuslR 2018, 395 jew. Rn. 16).
Würde der Kläger nicht ausgewiesen, entstünde insbesondere bei seinen Landsleuten der Eindruck, es habe damit sein Bewenden, dass das von ihm begangene Unrecht mit einer Geldstrafe geahndet wird. Wird der Kläger dagegen ausgewiesen, wird anderen Ausländern deutlich vor Augen geführt, dass auch ein Verstoß gegen die Passpflicht und ein Urkundendelikt wegen der dann vom Beklagten konsequent angeordneten Ausweisungen auch dann gravierende Nachteile mit sich bringen, wenn der Aufenthalt von Ausländern vorerst nicht beendet werden kann: ein vorhandener Aufenthaltstitel erlischt, räumliche Beschränkungen können angeordnet werden und der Bezug von Sozialleistungen wird erschwert (BayVGH, U. v. 28.06.2016 – 10 B 15.1854 – juris Rn. 42). Außerdem ermöglicht eine Ausweisung den Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes, das ein Titelerteilungsverbot mit beinhaltet, das schon jetzt eingreift (zur generalpräventiven Wirkung des Titelerteilungsverbotes vgl. BVerwG, U. v. 09.05.2019 – 1 C 21.18 – BVerwGE 165, 331 = InfAuslR 2019, 381 jew. Rn. 23).
Demgegenüber hat der Beklagte zu Recht das private Interesse des Klägers, dass er nicht ausgewiesen wird und die damit verbundenen Folgen nicht eintreten, weniger schwer gewichtet. Der Kläger hält sich zwar seit nunmehr 20 Jahren durchgehend im Bundesgebiet auf. Außerdem lebt einer seiner Brüder, was der Beklagte nicht berücksichtigt hat, in E … Dem steht aber gegenüber, dass sein Aufenthalt seit fast 19 Jahren lediglich geduldet wird und damit zwar nicht strafbar, aber unerlaubt ist (Huber, in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Aufl. 2021, § 4 AufenthG Rn.9). Hinzukommt, dass er sich, soweit aus den Akten erkennbar ist, in dem langen Zeitraum nur wenig integriert hat. Seine Deutschkenntnisse reichen allenfalls für den Alltagsgebrauch aus, aber z. B. nicht für eine sprachlich anspruchsvollere Gesprächstherapie. Außerdem hat er, auch als für ihn das absolute Erwerbstätigkeitsverbot gemäß § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG noch nicht galt, nicht durchgehend und wenn dann nur im Bereich von Hilfstätigkeiten gearbeitet.
b) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist weiter auch abzulehnen, soweit er die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziff. II des Bescheides) betrifft. Diese Regelung ist zwar, soweit derzeit ersichtlich, rechtswidrig. Der Anfechtungsklage bleibt jedoch der Erfolg versagt, weil der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Mit bestandkräftigen Bescheid vom 06.12.2001 hat das dafür schon nach damaliger Rechtslage ausschließlich zuständige Bundesamt dem Kläger, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, gemäß § 34 AsylVfG in der damals gültigen Fassung vom 27.07.1993 die Abschiebung in den Irak angedroht. Eine erneute Abschiebungsandrohung darf die Ausländerbehörde erst erlassen, wenn sich die durch das Bundesamt erlassene Abschiebungsandrohung dadurch erledigt hat, dass der Ausländer freiwillig aus- und wieder eingereist ist, oder wenn die Ausreisepflicht entfallen ist, weil ihm vor Ablauf der Ausreisefrist ein Aufenthaltsrecht gewährt wird. Dazu muss ihm ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Aussetzung der Abschiebung reicht dafür nicht aus, weil sie gemäß § 60a Abs. 3 AufenthG die Ausreisepflicht nicht entfallen lässt (OVG Lüneburg, B. v. 07.03.2008 – 2 ME 133/08 – juris Rn. 9; Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2021, § 59 AufenthG Rn. 7). Auch wenn die Ausländerbehörde, wie hier, einen ohnehin schon aufgrund seines erfolglosen Asylverfahrens ausreisepflichtigen Ausländer zusätzlich ausweist, erlangt sie damit nicht die Befugnis nach der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung des Bundesamtes erneut eine Abschiebungsandrohung zu erlassen (BayVGH, B. v. 13.11.1995 – 10 CS 95.3389 – juris Orientierungssatz).
Durch die Abschiebungsandrohung vom 21.12.2020 wird der Kläger aber nicht in seinen Rechten verletzt. Denn er konnte und kann weiterhin auf der Grundlage der Abschiebungsandrohung vom 06.12.2001 abgeschoben werden.
c) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird schließlich auch abgelehnt, soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass der Beklagte eine Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren ausgesprochen hat (Ziff. 3). Die Klage ist nach summarischer Prüfung auch insoweit voraussichtlich unbegründet, weil die getroffene Regelung rechtmäßig ist und den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen worden ist, ein Einreiseund Aufenthaltsverbot zu erlassen. Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Das Einreiseund Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 und 3 AufenthG). Über die Länge der Frist des Einreiseund Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Zuständig für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbotes ist die Behörde, die die Ausweisung erlässt (§ 11 Abs. 5c AufenthG).
Die Ausländerbehörde hat damit zwingend ausdrücklich ein Einreiseund Aufenthaltsverbot anzuordnen, infolge dessen – und nicht kraft Gesetzes – der Ausländer weder erneut ins Bundesgebiet einreisen noch sich hier aufhalten darf noch ihm ein Aufenthaltstitel erteilt werden darf (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Dieses Einreiseund Aufenthaltsverbot hat die Behörde dann anschließend im Ermessenswege zu befristen. Anordnung und Befristung sind als einheitlicher Verwaltungsakt anzusehen (VGH Mannheim, B. v. 21.01.2020 – 11 S 3477/19 – NVwZ-RR 2020, 556 Rn. 16-23).
Demgegenüber ist die ZAB, wie die Formulierung in Ziffer III. des Tenors und die Begründung dieser Regelung (Bescheid S. 7) deutlich machen, ersichtlich davon ausgegangen, dass die Ausweisung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ausgelöst hat, das von Amts wegen zu befristen ist, wie es der bis 20.08.2019 geltenden Rechtslage entsprach.
Dennoch ist die getroffene Regelung nicht als rechtswidrig zu erachten. Auch bei Einreiseund Aufenthaltsverboten, die ab 21.08.2019 verfügt wurden, ist bei der Auslegung einer öffentlich-rechtlichen Erklärung auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Erlässt die Behörde ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot, ohne zuvor ausdrücklich das Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet zu haben, muss der Ausländer davon ausgehen, dass die Behörde damit nicht nur eine Befristungsentscheidung getroffen hat, sondern zugleich konstitutiv ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet hat (BVerwG, U. v. 21.08.2018 – 1 C 21.17 – BVerwGE 162, 382 = InfAuslR 2019, 3 jew. Rn. 25 zur Rechtslage vor dem 21.08.2019). Auf diese Auslegung kann die zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderung keinen Einfluss haben (VGH Mannheim, B. v..02.03.2021 – 11 S 120/21 – InfAuslR 2021, 201/204).
Zur Klarstellung und um eine Auslegung des Einreise-.und Aufenthaltsverbotes gar nicht erst erforderlich zu machen, ist der Beklagte jedoch nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass die Neuregelung inzwischen schon zwei Jahre in Kraft ist, gehalten, in künftigen Fällen zunächst das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausdrücklich anzuordnen und es dann zu befristen.
Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahre, die als Ermessensentscheidung nur im Rahmen von § 114 Satz 1 VwGO überprüfbar ist, ist aller Voraussicht nach rechtmäßig.
Zu Recht ist der Beklagte dabei davon ausgegangen, dass er in einem ersten Schritt bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist prognostizieren muss, wie lange das Verhalten des Klägers, das der Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrabwehr zu tragen vermag. (BVerwG, U. v. 30.07.2013 – 1 C 9.12 – BVerwGE 147, 261 = InfAuslR 2013, 418 jew. Rn. 42.).
Bei der Bestimmung der Frist von fünf Jahren, deren Höhe sich an der im Regelfall nicht zu überschreitenden gesetzlichen Höchstfrist i. S. v. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG orientiert, hat der Beklagte zu Lasten des Klägers nachvollziehbar berücksichtigt, dass er für diesen (langen) Zeitraum vom Bundesgebiet fernzuhalten ist, weil er,seit seine Aufenthaltsgestattung im Herbst 2002 erloschen ist, vollziehbar ausreisepflichtig ist und sich fast 18 Jahre lang nur geduldet im Bundesgebiet aufhält. Zielführende Anstrengungen, gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG und § 15 Abs. 1 Nr. 6 AsylG, dabei mitzuwirken, diesen Zustand durch Beschaffung eines irakischen Reisepasses zu ändern, hat er, obwohl der Beklagte ihn vielfach dazu aufgefordert hat, die ganze Zeit nicht nachweislich unternommen.
Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich dann an höherrangigem Recht d.h. an verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen (BVerwG, a.a.O. Rn.43)
Zu Recht hat der Beklagte die Fünfjahresfrist nicht im Hinblick auf Art. 8 EMRK kürzer angesetzt. Der Kläger steht zwar in Verbindung mit seinem in E … lebenden volljährigen Bruder. Seine Integration in wirtschaftlicher und sprachlicher Hinsicht, der zudem die von ihm begangenen Straftaten zuwiderlaufen, ist jedoch gering. Deshalb erscheint der in § 11 Abs. 1 AufenthG gesetzlich vorgesehene Eingriff in sein Recht, sein Privatleben im Bundesgebiet zu führen, den insbesondere das Titelerteilungsverbot mit sich bringt, i.S.v.Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Darüber hinaus kann der Kläger, wenn sich die für die Festsetzung maßgeblichen Tatsachen ändern sollten, vor allem wenn er einen irakischen Reisepass beigebracht hat, jederzeit gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG einen Antrag auf Verkürzung der Fünfjahresfrist stellen (zu diesem Argument vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 43).


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