Verwaltungsrecht

Grundsatz der Statusamtsbezogenheit dienstlicher Beurteilungen

Aktenzeichen  W 1 K 18.321

Datum:
13.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35873
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLlbG Art. 58 Abs. 2, Art. 59 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Art. 33 Abs. 2 GG erfordert eine verfassungskonforme Auslegung des Art. 59 Abs. 2 S. 1 LlbG dahingehend, dass die bei den Einzelmerkmalen vergebenen Wertungen allein unter Berücksichtigung ihrer an den Erfordernissen des Amtes – und nicht der Funktion – zu messenden Bedeutung in einer Gesamtschau zu bewerten und zu gewichten sind. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Diese Gewichtung bedarf – bei sog. Ankreuzbeurteilungen, die sich nicht bereits in einem individuell erstellten Text zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des zu Beurteilenden verhalten – schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung der dienstlichen Beurteilung des Klägers vom 21. Dezember 2016 für den Beurteilungszeitraum vom 1. März 2012 bis 28. Februar 2015 in der Gestalt des Einwendungsbescheides vom 15. September 2017 sowie des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2018 verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis 28. Februar 2015 erneut zu beurteilen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch da-rauf, dass er für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis 28. Februar 2015 erneut dienstlich beurteilt wird, da die streitgegenständliche dienstliche Beurtei-lung vom 21. Dezember 2016 in der Gestalt des Einwendungsbescheides vom 15. September 2017 sowie des Widerspruchsbescheides vom 12. Feb-ruar 2018 rechtswidrig ist und daher aufzuheben war (§ 113 Abs. 5 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
1. Die Klage ist nicht aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Für eine Klage gegen eine dienstliche Beurteilung besteht erst dann kein Rechtsschutzinteresse mehr, wenn die Beurteilung ihre rechtliche Zweck-bestimmung verliert, Auswahlgrundlage für künftige Personalentscheidun-gen zu sein (vgl. Urteil vom 28. August 1986 – BVerwG 2 C 26.84 – Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 9 S. 16 m.w.N.). So verhält es sich, wenn der beurteilte Beamte in den Ruhestand getreten (vgl. Urteil vom 11. Februar 1982 – BVerwG 2 C 33.79 – Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 21 S. 18 m.w.N.), bestands-kräftig aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden ist (vgl. Urteil vom 13. Juni 1985 – BVerwG 2 C 6.83 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 149 S. 50) oder bis zum Eintritt in den Ruhestand nicht mehr befördert werden darf (vgl. Urteil vom 28. August 1986, a.a.O. S. 16). In diesen Fällen kann die dienstliche Beurteilung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt noch als Grundlage einer künftigen, die Beamtenlaufbahn des Beurteilten betreffen-den Personalentscheidung dienen (vgl. Urteil vom 28. August 1986, a.a.O. S. 16). Diese Zweckbestimmung einer dienstlichen Beurteilung entfällt da-gegen nicht dadurch, dass der Beamte erneut beurteilt und (oder) befördert worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 31/01 -, Rn. 14, juris; Urteile vom 23. November 1966 – BVerwG 6 C 94.63 – Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 3 S. 8 = ZBR 1967, 147, vom 17. Mai 1979 – BVerwG 2 C 4.78 – Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 14 S. 3 und vom 27. Oktober 1988 – BVerwG 2 A 2.87 – Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 12 S. 8).
Da die Fallkonstellationen, in denen von der höchstrichterlichen Recht-sprechung ausnahmsweise ein Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses einer Klage gegen eine dienstliche Beurteilung angenommen wird, vorlie-gend ersichtlich nicht einschlägig sind und auch die Beklagte selbst mit An-lage zum Schreiben vom 9. November 2018 mitgeteilt hat, dass frühere Be-urteilungen zumindest in Ausnahmefällen und als nachrangiges Hilfskrite-rium bei der Entscheidung über die Vergabe höherwertiger Dienstposten herangezogen werden könnten, ist nicht völlig auszuschließen, dass die streitgegenständliche Beurteilung noch Auswahlgrundlage für den Kläger betreffende künftige Personalentscheidungen sein kann.
2. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile und deshalb verwaltungsgerichtlich nur beschränkt nachprüfbar (st.Rspr. BVerwG, U.v. 13.5.1965 – II C 146/62 – BVerwGE 21,127/129 – juris; U.v. 17.5.1979 – 2 C 4/78 – ZBR 1979, 304/306 – juris; U.v. 26.6.1980 -2 C 13/79 – BVerwGE 60, 245 – juris). Nach dem erkennbaren Sinn der Rege-lungen über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr und der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden zahlrei-chen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wer-tender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Ihr gegenüber hat sich die verwaltungsge-richtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurtei-ler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beach-tet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Wenn der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, hat das Gericht auch zu überprüfen, ob diese Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen im Einklang stehen (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1998 – 2 A 3/97 – BVerwGE 107, 360 ff. – juris). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 13/79 – BVerwGE 60, 245/246 – juris, std. Rspr.).
Rechtliche Grundlage für die dienstliche Beurteilung des Klägers sind die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der Beamtinnen und Beamten der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern vom 1. Januar 2013 sowie die Art. 21 Abs. 2, 54 – 62 LlbG sowie die Ab-schnitte 3 und 4 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR).
Gemessen an diesen rechtlichen Grundlagen sowie an den oben dargeleg-ten Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfbarkeit dienstlicher Beurtei-lungen erweist sich die streitgegenständliche periodische Beurteilung des Klägers als rechtswidrig, da der Bildung des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilung eine Gewichtung zu Grunde liegt, die in unzulässiger Weise auf die Anforderungen des klägerischen Dienstpostens abstellt (3.). Des-weiteren wurden die für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Grün-de entgegen Art. 59 Abs. 2 Satz 2 LlbG nicht in den ergänzenden Bemer-kungen dargelegt (4.).
3. Maßgeblicher Zweck der dienstlichen Beurteilung und insbesondere des Gesamturteils ist es, Grundlage für einen späteren Leistungsvergleich in ei-nem an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlverfahren zu sein. Dar-aus folgt die Notwendigkeit, schon bei der dienstlichen Beurteilung einheit-liche Maßstäbe einzuhalten. Diese müssen auf das jeweilige Statusamt des zu beurteilenden Beamten bezogen sein. Beurteilungen treffen eine Aus-sage, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen gewachsen ist, die mit den Aufgaben seines Amts und dessen Laufbahn verbunden sind. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass die Vergabe eines Sta-tusamts nicht aufgrund der Anforderungen des Dienstpostens erfolgen soll, den der ausgewählte Bewerber nach der Vergabe des Statusamts oder vor-her in einer Bewährungszeit wahrnehmen soll. Denn der ausgewählte Be-werber soll der am besten geeignete für jeden Dienstposten sein, der für ei-nen Inhaber des höheren Statusamts amtsangemessen ist (BVerwG, Be-schluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20 Rn. 22). Hieraus folgt zwingend, dass sich auch die Gewichtung der Einzelmerkmale bei der Ermittlung und folglich Begründung des Gesamturteils auf die Anforderun-gen des Statusamts beziehen muss. Ansonsten könnte das Gesamturteil seine zentrale Funktion, maßgebliches Kriterium im Rahmen eines Aus-wahlverfahrens zur Vergabe eines Beförderungsamtes zu sein, nicht erfül-len. Die erforderliche Gewichtung der Einzelmerkmale darf weder mit Bezug auf den konkret durch den Beamten innegehabten Dienstposten noch durch verschiedene Beurteiler unterschiedlich erfolgen. Vielmehr muss der Dienstherr dafür Sorge tragen, dass innerhalb des Geltungsbereichs einer Beurteilungsrichtlinie oder innerhalb einer Gruppe von Beamten, die im Geltungsbereich derselben Beurteilungsrichtlinie einer bestimmten Lauf-bahngruppe angehören, diese Gewichtung einheitlich vorgenommen wird (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2018 – 2 A 10/17 -, Rn. 44 – 45, juris; BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 6 CE 18.1868; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 26.7.2018 – OVG 10 N 35.16 – juris).
Die Beklagte hat in der dienstlichen Beurteilung des Klägers gegen diese vorgenannten Grundsätze verstoßen. Die Beklagte hat zwar in Einklang mit Art. 58 Abs. 2 Satz 1 LlbG die Leistungen des Klägers in Bezug auf die von ihm ausgeübte Funktion und im Vergleich zu den anderen Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 10 in der Fachlaufbahn des Klägers bewertet (vgl. etwa Widerspruchsbescheid vom 12.2.2018, S. 2). Sie hat je-doch sodann im Rahmen des weiteren Bewertungsvorgangs zur Ermittlung des Gesamturteils die sog. prägenden Einzelmerkmale allein unter Bezug-nahme auf den dem Kläger übertragenen Dienstposten als Hauptsachbear-beiter Innendienst festgelegt und besonders gewichtet. Dies ergibt sich be-reits aus der Formulierung in den ergänzenden Bemerkungen der dienstli-chen Beurteilung des Klägers, wonach der dem Beamten übertragene Dienstposten durch die Beurteilungsmerkmale Quantität, Qualität und Fachkenntnisse geprägt wird. Zudem hat der Zeuge We. in der mündlichen Verhandlung überzeugend erklärt, dass diese prägenden Merkmale das Gesamturteil widerspiegelten. Sie definierten die Aufgaben des Beurteilten und besäßen deshalb eine besondere Bedeutung, seien jedoch nicht allein ausschlaggebend. Bei einem Prüfer im Außendienst etwa seien die prä-genden Beurteilungsmerkmale andere. Der Leiter der Personalabteilung der Beklagten hat in Übereinstimmung mit den Aussagen des Zeugen We. in der mündlichen Verhandlung hierzu weiter konkretisiert, dass die prägen-den Merkmale für jeden Dienstposten nach Rücksprache mit den jeweiligen Fachabteilungen/Referaten gesondert festgelegt würden. Den prägenden Merkmalen komme bei der Bildung des Gesamturteils ein besonderes Ge-wicht zu. Falls diesem Gewicht von den unmittelbaren Vorgesetzten in ih-rem Beurteilungsbeitrag nicht Rechnung getragen werde, würden die ent-sprechenden Beurteilungsbeiträge aufgrund fehlender Schlüssigkeit zur nochmaligen Überprüfung zurückgegeben. Die nach dem vorstehend dar-gestellten Ergebnis der mündlichen Verhandlung feststehende Vorge-hensweise im Beurteilungsverfahren, den jeweiligen Dienstposten prägen-de Einzelmerkmale zu bestimmen und diesen im Rahmen der wertenden Gesamtschau bei der Bildung des Gesamturteils ein besonderes Gewicht beizumessen, entspricht zwar den internen Vorgaben der Beklagten (vgl. Anlage 1 zum Schreiben der Geschäftsführung vom 6. November 2014, Zif-fer 9 und 11 sowie Schreiben der Personalabteilung vom 20. März 2015 Zif-fer 4), widerspricht jedoch dem oben dargelegten Grundsatz der statusamts-bezogenen Beurteilung und macht die dienstliche Beurteilung damit rechtswidrig. Denn selbst wenn jedes Einzelmerkmal anhand des zutref-fenden Maßstabes der Anforderungen des Statusamtes bewertet worden sein sollte, kann die unzulässige Gewichtung der Einzelmerkmale nach den konkreten Anforderungen des Dienstpostens die Gesamtbewertung der Einzelmerkmale und damit auch das Gesamturteil verschieben, was die er-forderliche Vergleichbarkeit der Beurteilungen im Auswahlverfahren um ein Beförderungsamt ausschließt (so auch: BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 6 CE 18.1868).
Auch aus der Formulierung in Art. 59 Abs. 2 Satz 1 LlbG, wonach bei der Bildung des Gesamturteils die bei den Einzelmerkmalen vergebenen Wer-tungen unter Berücksichtigung ihrer an den Erfordernissen des Amtes und der Funktion zu messenden Bedeutung in einer Gesamtschau zu bewerten und zu gewichten sind, folgt nicht, dass das Vorgehen der Beklagten rechtmäßig war. Die Einbeziehung der Berücksichtigung der Erfordernisse „der Funktion“ neben denen des (Status-) Amtes lässt es nach Überzeu-gung der Kammer nicht zu, in den Fällen, in denen ein Dienstherr – wie im Regelfall und so auch vorliegend – einen Leistungsvergleich nach Art. 58 Abs. 2 Satz 1 LlbG auf der Ebene des Statusamtes durchführt, eine Gewich-tung der Einzelmerkmale anhand der Anforderungen und Erfordernisse des Dienstpostens vorzunehmen. Vielmehr erfordert in diesen Fallkonstellatio-nen Art. 33 Abs. 2 GG eine verfassungskonforme Auslegung des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 LlbG dahingehend, dass die bei den Einzelmerkmalen verge-benen Wertungen allein unter Berücksichtigung ihrer an den Erfordernis-sen des Amtes – und nicht der Funktion – zu messenden Bedeutung in ei-ner Gesamtschau zu bewerten und zu gewichten sind. Denn andernfalls könnte die dienstliche Beurteilung ihrem Zweck, Grundlage für einen späte-ren Leistungsvergleich in einem Bewerberauswahlverfahren zu sein, man-gels eines einheitlichen Bewertungsmaßstabes auf verschiedenen Dienst-posten innerhalb desselben Statusamtes nicht mehr gerecht werden. Derar-tige Auswahlverfahren müssen vielmehr den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügen, wonach jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Die Geltung dieses Grundsatzes wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Norm vermittelt den Beamten ein grund-rechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerber-auswahl und damit einen Leistungsvergleich, der anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungs-maßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 6 CE 18.1868).
Die Erfordernisse der Funktion im Sinne des Dienstpostens können bei der wertenden und gewichtenden Bildung des Gesamturteils vielmehr nur dann in rechtlich zulässiger Weise Berücksichtigung finden, wenn ein Dienstherr in einem Beurteilungsverfahren entsprechend Art. 58 Abs. 2 Satz 2 LlbG die Vergleichsgruppe enger als nach der Ebene des Statusamtes, nämlich nach der Funktionsebene, bestimmt (vgl. dazu Ziffer 3.1 Sätze 3-5 VV-BeamtR). Eine derartige Vergleichsgruppenbildung und damit die Herlei-tung der maßstabgebenden Leistungsanforderungen aus dem Dienstpos-ten ist mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 2 C 34/04 – juris). Die Beklagte hat jedoch vorliegend von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sondern hat die Vergleichsgruppe anhand des Statusamtes A 10 gebildet, so dass im Gleichklang hiermit auch die Maß-stabsanforderungen system- und verfassungskonform allein aus dem Sta-tusamt zu entnehmen sind.
4. Die Beklagte hat darüber hinaus gegen Art. 59 Abs. 2 Satz 2 LlbG versto-ßen, indem sie die für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Gründe nicht in den ergänzenden Bemerkungen dargelegt hat.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist das abschließende Gesamtur-teil durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bes-tenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden (BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 50 Rn. 15 m.w.N.). Diese Gewichtung bedarf – bei sog. Ankreuzbeurteilungen, die sich nicht bereits in einem individuell erstellten Text zu Eignung, Befähi-gung und fachlicher Leistung des zu Beurteilenden verhalten – schon des-halb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe ge-währleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Ein individuelles Begründungserfor-dernis für das Gesamturteil rechtfertigt sich auch aus dessen besonderer Bedeutung als primär maßgebliche Grundlage bei einem späteren Leis-tungsvergleich in einem an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlver-fahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20 Rn. 21). Dies gilt insbesondere bei Bewerbern mit im Wesentlichen gleichem Gesamturteil. Denn hier muss der Dienstherr im Auswahlverfah-ren die für das Beförderungsamt wesentlichen Einzelaussagen der dienstli-chen Beurteilungen weiter vergleichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 5. September 2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106 [108] und vom 4. Oktober 2012 – 2 BvR 1120/12 – BVerfGK 20, 77 [81]) und die Auswahl der Gesichtspunkte, auf die bei gleicher Eignung abgestellt werden soll, be-gründen (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 – BVerwGE 138, 102 Rn. 46).
Die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil sind umso ge-ringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil jedoch nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27/14 – ju-ris; U.v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16; U.v. 1.3.2018 – 2 A 10/17 – jeweils juris).
Die Begründung des Gesamturteils hat hierbei schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung ge-nügt es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren. Ansonsten käme die besondere Bedeutung, die dem Gesamturteil im Vergleich zu den Einzelbewertungen zukommt, nicht zum Tragen. Die Einheitlichkeit der Maßstäbe, die der Bildung des Gesamturteils zugrunde zu liegen hat, kann nur dann hinreichend gewährleistet und ggf. gerichtlich überprüft werden, wenn diese von vorneherein in der Beurteilung niedergelegt sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16 – juris).
Hiernach bedurfte es vorliegend einer – ggf. kurzen – Begründung des Ge-samturteils, an der es jedoch vorliegend fehlt. Eine Begründung war hier auch nicht entbehrlich, da sich aufgrund der bei den Einzelmerkmalen ver-gebenen Bewertungen, die sich zwischen 9 und 11 Punkten bewegen (5 × 9 Punkte, 6 × 10 Punkte, 2 x 11 Punkte), das Gesamturteil von 10 Punkten zumindest nicht im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null aufdrängt, zumal auch die 3 „prägenden“ Einzelmerkmale nicht durchgängig mit 10 Punkten beurteilt sind (2 x 10 Punkte, 1 x 11 Punkte). Die von der Beklag-ten verwendete Formulierung in den ergänzenden Bemerkungen, dass der dem Beamten übertragene Dienstposten durch die Beurteilungsmerkmale Quantität, Qualität und Fachkenntnisse geprägt wird, erfüllt nicht die von der – überzeugenden – höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine ausreichende Begründung des Gesamturteils. Denn zum einen folgt aus der rechtsfehlerhaften Bestimmung und Gewich-tung der prägenden Einzelmerkmale anhand der Erfordernisse des Dienst-postens (vgl. hierzu unter 3.) zwangsläufig auch eine nicht korrekte Be-gründung. Zum anderen nimmt die zitierte Begründung unabhängig davon allein Bezug auf den Dienstposten des Klägers (Hauptsachbearbeiter In-nendienst), jedoch in keiner Weise darauf, wie aus den individuellen Leis-tungen des Klägers und den hierfür vergebenen Bewertungen bei den Ein-zelmerkmalen das konkrete Gesamturteil von 10 Punkten gebildet wurde. Vielmehr handelt es sich bei der zitierten Formulierung um eine Standard-formulierung für den Dienstposten (vgl. Schreiben der Personalabteilung vom 20. März 2015, Ziffer 4), die offensichtlich auch bei jedem anderen Be-wertungsniveau in den Einzelmerkmalen sowie im Gesamturteil für diesen Dienstposten Verwendung gefunden hätte. Sie lässt damit vollständig den individuellen Bezug zu dem konkret beim Kläger vergebenen Gesamturteil vermissen.
5. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen war die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 21. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte zur er-neuten Beurteilung für den streitgegenständlichen Zeitraum zu verurteilen, so dass es auf die weiteren vom Kläger erhobenen Einwendungen nicht mehr streitentscheidend ankommt. Nicht zuletzt angesichts des überzeu-genden Ergebnisses der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweiserhebung hält die Kammer jedoch die vom Kläger erhobenen Ein-wendungen gegen die angegriffene dienstliche Beurteilung für nicht durchgreifend.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzuge-ben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben