Verwaltungsrecht

Herkunftsland Kamerun, alleinstehende junge Frau, unglaubhaftes Verfolgungsvorbringen, Amba-Boys, Zwangsprostitution, keine Gefahr der Re- bzw. Sekundärviktimisierung, keine Gefahr der Genitalverstümmelung, innerstaatliche Fluchtalternative, Auseinanderfallen der Volljährigkeit nach bundesdeutschem Recht und dem Recht des Heimatstaats, für Frage der Schutzgewährung, Volljährigkeit nach bundesdeutschem Recht maßgeblich, Corona-/SARS-CoV2-/COVID-19-Pandemie, kein Abschiebungsverbot, psychische Probleme

Aktenzeichen  W 10 K 20.30832

Datum:
1.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40162
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 3e
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte durch die Einzelrichterin entscheiden, nachdem dieser das Verfahren durch Beschluss der Kammer zur Entscheidung übertragen worden ist, § 76 Abs. 1 AsylG. Die zulässige Klage, über die nach § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden durfte, ist unbegründet. Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die begehrten Entscheidungen des Bundesamts zu ihren Gunsten. Der streitgegenständliche Bescheid vom 30. Juni 2020 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Ablehnung der Asylanerkennung (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids) ist bereits unanfechtbar geworden.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065, S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Lands (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Dem Ausländer muss eine Verfolgungshandlung drohen, die mit einem anerkannten Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) eine Verknüpfung bildet, § 3a Abs. 3 AsylG. Als Verfolgungshandlungen gelten gemäß § 3a AsylG solche Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1) oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Die für eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG relevanten Merkmale (Verfolgungsgründe) sind in § 3b Abs. 1 AsylG näher definiert. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung sowohl von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft allerdings nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2) (interner Schutz bzw. innerstaatliche Fluchtalternative).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb des Heimatlands befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der dem Maßstab des „real risk“, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bei der Prüfung des Art. 3 EMRK anwendet, entspricht (vgl. EGMR, U.v. 28.2.2008 – 37201/06, NVwZ 2008, 1330 Rn. 125 ff.; U.v. 23.2.2012 – 27765/09, NVwZ 2012, 809 Rn. 114). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist die Furcht des Ausländers begründet, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32; U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 3.11.2016 – A 9 S 303/15 – juris Rn. 32 ff.; NdsOVG, U.v. 21.9.2015 – 9 LB 20/14 – juris Rn. 30).
Wurde der betroffene Ausländer bereits verfolgt oder hat er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten bzw. war er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht und weisen diese Handlungen und Bedrohungen eine Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund auf, greift zu dessen Gunsten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL, wonach die Vorverfolgung bzw. Vorschädigung einen ernsthaften Hinweis darstellt, dass sich die Handlungen und Bedrohungen im Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 15). Die Vorschrift privilegiert den betroffenen Ausländer durch eine widerlegliche Vermutung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine Widerlegung der Vermutung ist möglich, wenn stichhaltige Gründe gegen eine Wiederholung sprechen. Durch Art. 4 Abs. 4 QRL wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte davon befreit, stichhaltige Gründe dafür vorzubringen, dass sich die Bedrohungen erneut realisieren, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt.
Dem Ausländer obliegt gleichwohl die Pflicht, seine Gründe für die Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen, was bedeutet, dass ein in sich stimmiger Sachverhalt geschildert werden muss, aus dem sich bei Wahrunterstellung und verständiger Würdigung ergibt, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht. Dies beinhaltet auch, dass der Ausländer die in seine Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse, die geeignet sind, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, wiedergeben muss (vgl. § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO; OVG NW, U.v. 2.7.2013 – 8 A 2632/06.A – juris Rn. 59 f. mit Verweis auf BVerwG, B.v. vom 21.7.1989 – 9 B 239.89 – juris Rn. 3 f.; B.v. 26.10.1989 – 9 B 405.89 – juris Rn. 8; B.v. 3.8.1990 – 9 B 45.90 – juris Rn. 2).
Der Asylsuchende muss dem Gericht glaubhaft machen, weshalb ihm in seinem Herkunftsland die Verfolgung droht. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 – m.w.N.).
b) Unter Berücksichtigung vorgenannter Voraussetzungen und Maßstäbe sind die Voraussetzungen des § 3 AsylG bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft gemacht, sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlands zu befinden. Zudem kann die Klägerin zumutbaren internen Schutz im Sinne des § 3e Abs. 1 AsylG in Anspruch nehmen.
aa) Die Verfolgungsgeschichte der Klägerin erscheint insgesamt nicht als glaubhaft, sondern asyltaktisch motiviert.
So weisen die Schilderungen beim Bundesamt eine erstaunliche Häufung extrem glücklicher wie extrem unglückliche Zufälle auf. Die Ausführungen erscheinen übersteigert und plakativ, worauf das Bundesamt zu Recht hinweist. Insbesondere erscheint es völlig realitätsfern, dass die Klägerin auf Anhieb immer wieder andere Afrikaner oder sonstige Menschen getroffen haben will, die ihr ohne weiteres bei ihrem jeweiligen Anliegen helfen konnten und dies auch getan haben. Allein der Verweis, dass man sich unter Afrikanern helfe, erscheint vor diesem Hintergrund in dieser Pauschalität kaum nachvollziehbar.
Die Einzelrichterin schließt sich den jeweiligen Ausführungen des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid zur Unglaubhaftigkeit der geschilderten Verfolgungshandlungen sowie der Flucht der Klägerin an, § 77 Abs. 2 AsylG. Ergänzend sei Folgendes ausgeführt:
bb) Im Hinblick auf die befürchtete Verfolgung durch die Familie der Klägerin fällt ins Auge, dass sie die Rituale beim Bundesamt ausführlich und drastisch schilderte, während sie in der mündlichen Verhandlung lediglich pauschal erklärte, es handle sich um komische bzw. seltsame Sachen und Praktiken. Auch aufgrund dieses deutlichen Gegensatzes ist die Einzelrichterin davon überzeugt, dass es sich bei dem Vortrag der Klägerin, dass sie zu Ritualen gezwungen wurde, nicht um tatsächlich Erlebtes handelt.
Die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zu der möglicherweise durch ihre Familie drohende Zwangsheirat, die die Klägerin erst auf Nachfrage ihrer Klägerbevollmächtigten überhaupt erwähnte, erschöpfen sich wie schon zuvor in einer allgemein gehaltenen, pauschalen Befürchtung und begründen daher keine ausreichend konkrete Gefahr für die Klägerin.
cc) Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie bei Ausschreitungen der Amba-Boys entführt und im Anschluss sexuell wie körperlich misshandelt worden sei, handelt es sich dabei um ein Vorbringen, welches bei Wahrunterstellung zwar menschlich tragisch ist, im Fall der Klägerin für die Gewährung von internationalem Schutz jedoch dennoch nicht von Belang ist. Eine individuelle, gerade gegen die Person der Klägerin gerichtete Vorverfolgung ist darin nämlich nicht zu erkennen. Vielmehr handelt es sich auch nach ihren eigenen Angaben um kriminelles Unrecht, dessen Opfer sie aufgrund unglücklicher Umstände zufällig geworden ist. Zudem geht dies nicht über die allgemeine Gefährdung der Bevölkerung Kameruns durch Gewaltakte im Zusammenhang mit der anglophonen Krise des Landes hinaus. Besondere Umstände, die die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung der Person der Klägerin begründen, sind nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin eine drohende Gefahr durch die Amba-Boys in der mündlichen Verhandlung trotz wiederholter Frage nach weiteren Gründen, die einer Rückkehr nach Kamerun entgegenstehen könnten, nicht erwähnte.
dd) Soweit die Klägerin gegenüber dem Bundesamt vorgebracht hat, Opfer der Zwangsprostitution geworden zu sein, kann dies zwar grundsätzlich eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG darstellen, die an den Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpft. Unter Berücksichtigung vorgenannter Voraussetzungen und Maßstäbe sind die Voraussetzungen des § 3 AsylG aber nicht erfüllt, weil die von der Klägerin vorgetragene Verfolgungsgeschichte unglaubhaft ist und ihr in Kamerun weder Re- noch Sekundärviktimisierung droht. Für letztere gibt es nämlich keine Anhaltspunkte. Es ist schon nicht ersichtlich, wie die spanischen Menschenhändler überhaupt davon erfahren sollten, dass die Klägerin sich wieder in Kamerun befindet, zumal der Kontakt nicht im Heimatland, sondern erst auf der Flucht zustande kam und das nicht einmal persönlich, sondern über Facebook. Auch bleibt im Dunkeln, wie sie die Klägerin in ihrem Heimatland ausfindig machen sollten. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin den Kontakt nach ihrem Vortrag bereits nach ihrer Flucht erfolgreich abbrechen konnte. Schließlich hat auch die Klägerin selbst trotz wiederholter Frage nach weiteren Gründen, die einer Rückkehr nach Kamerun entgegenstehen könnten, keinerlei dahingehende Befürchtungen geäußert.
ee) Die Klägerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr in Kamerun mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Genitalverstümmelung droht.
Denn auch wenn der streitgegenständliche Bescheid erlassen wurde, ohne die angekündigte anwaltliche Stellungnahme abzuwarten, so wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin ihre Furcht vor Beschneidung schon bei der Anhörung ausdrücklich anspricht, auch ohne dass sie explizit danach gefragt wird. Dies gilt umso mehr, als sie die Differenzen mit ihrer Familie in ihren verschiedensten Ausprägungen ausführlich darlegte und daher Anlass gehabt hätte, auch eine drohende Genitalverstümmelung zu schildern. Sie erklärte am Ende ihrer Anhörung jedoch ausdrücklich, dass sie nichts mehr ergänzen wolle und genug Zeit gehabt habe, ihre Fluchtumstände und Gründe zu schildern. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sie nicht auf sich allein gestellt war, sondern in Begleitung ihres Vormunds und sogar eines Beistands aus ihrer Unterkunft, die sie bei Bedarf hätten unterstützen können. Auch in der mündlichen Verhandlung erwähnte die Klägerin eine drohende Genitalverstümmelung trotz wiederholter Frage nach weiteren Gründen, die einer Rückkehr nach Kamerun entgegenstehen könnten, von sich aus gar nicht. Erst auf die ausdrückliche Frage der Klägerbevollmächtigten, wie ihre Familie zur Beschneidung stehe, erklärte die Klägerin, dass das passieren könne. Aus dieser denkbar vagen Behauptung lässt sich eine beachtliche Wahrscheinlichkeit jedoch nicht herleiten.
Unabhängig davon gibt es – wie das Bundesamt zu Recht ausführt – keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin tatsächlich Genitalverstümmelung droht. Insoweit wird zunächst auf die entsprechenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Wie sich aus aktuellen Erkenntnismitteln ergibt, ist in Kamerun die Prävalenz gering. Verlässliche Statistiken gibt es nicht, Schätzungen zufolge sind etwa 1 bis 1,4% der Mädchen und Frauen (15 bis 49 Jahre) von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. In Kamerun und Uganda ist die Praktik unter allen praktizierenden afrikanischen Ländern am wenigsten verbreitet. In der muslimischen Religion wird Genitalverstümmelung mit 6% am häufigsten praktiziert, in der römisch-katholischen Religion liegt die Prävalenzrate bei 0,3%, in anderen christlichen bei 1%, in animistischen bei 0% und bei fehlender Religion bei 0,3%. Genitalverstümmelung wird bei den ethnischen Gruppen Sara, Arabe-Choa, Peulh, Maoussa, Kanuri und Mayo-Kebbi praktiziert. Damit sprechen weder die Religion noch die Volkszugehörigkeit der Klägerin für eine drohende Genitalverstümmelung, im Gegenteil findet bei den Bamileke eine solche nicht statt, sodass es als äußerst unwahrscheinlich erscheint, dass die Klägerin hiervon betroffen sein könnte, selbst wenn ihre Familie sehr traditionsverbunden ist. Hinzu kommt, dass die Genitalverstümmelung lediglich in 4% der Fälle nach dem 15. Geburtstag stattfindet, was mithin ebenfalls gegen eine diesbezügliche Gefahr spricht, auch wenn es nach der klägerseits zitierten Auskunft der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 4. Oktober 2011 Orte geben mag, in denen die Beschneidung an die Heirat oder das erste Kind geknüpft ist (vgl. zum Ganzen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Kamerun vom 10.11.2020, Stand: 19.4.2021 (Länderinformationsblatt Kamerun), S. 33 f.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun vom 17.8.2020 (Lagebericht Kamerun), S. 17; Terre des Femmes, Genitalverstümmelung in Kamerun vom 31.12.2019).
ff) Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens der Klägerin sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, weil sie sich auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen muss, § 3e AsylG. Nach dieser Vorschrift wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin jedenfalls in einer anderen Stadt, wie Jaunde oder Douala, oder auch in anderen Landesteilen Kameruns eine den genannten Anforderungen genügende Ausweichmöglichkeit vorfinden wird. Diese Möglichkeit besteht auch bei Verfolgung durch staatliche Sicherheitsbehörden bzw. lokale Behörden, zumal es kein zentrales Fahndungsregister gibt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kamerun, S. 19; Auskunft an das Bundesamt vom 15.1.2020). Zudem leben in Kamerun über 27 Millionen Menschen. Das Land hat eine Fläche von etwa 475.000 Quadratkilometern (vgl. Länder-Informations-Portal (LIPortal), Kamerun vom Dezember 2020, S. 3). Wenn ein sich Entziehen vor staatlichen oder lokalen Behörden möglich ist, gilt dies als umso wahrscheinlicher für Gefahren, die – wie hier – von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (so auch VG Dresden, U.v. 17.2.2021 – 6 K 286/19.A – juris; VG Cottbus, B.v. 5.1.2021 – 9 L 585/20.A – BeckRS 2021, 2473 Rn. 11).
Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass es der Klägerin möglich und zumutbar ist, sich bei einer Rückkehr nach Kamerun anderswo niederzulassen und dort ein neues Leben aufzubauen. Die Verfassung und weitere Gesetze gewährleisten Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung, auch wenn diese Rechte manchmal eingeschränkt und in den Krisengebieten behindert sind (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Kamerun, S. 37). Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) liegt bei ca. 1.657 USD pro Kopf. 20% der Kameruner müssen mit weniger als 1,90 USD pro Tag auskommen. Aufgrund der Außenfinanzierung staatlicher Infrastrukturgroßprojekte steigt die Außenverschuldung stark an und beträgt Stand 2021 45% des BIP. Die Wirtschaftstrends in Kamerun wurden, vor der COVID-19-Pandemie, als mäßig gut eingeschätzt (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Kamerun, S. 40 f.). Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Kamerun aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert haben mag, hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickelt haben bzw. entwickeln werden, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, zumindest ihr Existenzminimum sicherzustellen. Kamerun ist bisher von den gesundheitlichen Folgen der Corona-Pandemie weniger betroffen als Europa. Durch die erste Infektionswelle Mitte 2020 kam das Land relativ glimpflich. Die zweite Welle mit Höhepunkt im März 2021 traf Kamerun stärker. Eine dritte Welle steht noch aus. Allgemein muss von einer hohen Dunkelziffer von Infizierten ausgegangen werden. Die Todesrate durch die Virusinfektion ist vergleichsweise niedrig, aber auch hier werden vermutlich viele Fälle nicht erfasst. Die Einreise ist zwar nach wie vor nur sehr eingeschränkt möglich, es bestehen aber Ausnahmen für die Einfuhr von Versorgungsgütern und den Export von Gütern. Die Wirtschaftsleistung ist 2020 um 1,9 bis 2,8% zurückgegangen. Neben der Pandemie hatte auch der Rückgang der Ölpreise dem Export des Landes geschadet. Die vorübergehende Unterbrechung der Lieferketten für Kakao und Kaffee ins Ausland hat ebenfalls Schäden hinterlassen. Die Wirtschaft wird 2021 trotzdem wachsen. So wird ein Wachstum von 2,5 bis 3,4% prognostiziert. Für die kommenden Jahre werden durch den Ausbau der Gasförderung Wachstumsraten von mehr als 4% erwartet. Auch das erneute Anziehen der Ölpreise dürfte die Erholung stützen (vgl. GTAI (Germany Trade & Invest), Kamerun hofft auf schnelle Erholung der Wirtschaft vom 9.8.2021, Abruf am 30.9.2021, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/kamerun/kamerun-hofft-auf-schnelle-erholung-der-wirtschaft-635556; BFA, Länderinformationsblatt Kamerun, S. 43).
Die Regierung hat zwar wenig Spielraum bei der Bekämpfung der Pandemie. Weite Teile der Bevölkerung und der Wirtschaft sind auf sich allein gestellt. Es gelten Beschränkungen im Land, um die Ausbreitung der Pandemie einzuschränken. Sie werden in der Praxis allerdings kaum umgesetzt. Allerdings unterstützt der IWF Kamerun mit zusätzlichen Krediten. Zudem sind eine Reihe von Hilfsorganisationen im Land tätig. Der IWF hat Ende Juli 2021 ein zweites Hilfsprogramm für Kamerun gewährt. Nach Angaben des IWF soll das neue Programm die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abschwächen. Außerdem soll es die gute Regierungsführung und Transparenz fördern. Zusätzlich haben die Regierung und der IWF strukturelle Reformen im Finanzwesen vereinbart, etwa im Steuerwesen und der Zollverwaltung. Die Weltbank und andere internationale Geber haben dem Land bislang einen zweistelligen Millionenbetrag an finanzieller Unterstützung zur Bekämpfung der Pandemie zugesagt. Im Frühjahr 2021 wurden jedoch Vorwürfe laut, dass ein Großteil der Mittel versickert sei. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst und facht soziale Spannungen weiter an (vgl. GTAI, a.a.O.).
Das Gericht geht davon aus, dass gerade der für viele Kameruner als Einnahmequelle bedeutende informelle Sektor auch der Klägerin zur Verfügung stehen wird, zumal es keine Ausgangssperren gibt. Der informelle Sektor Kameruns erwirtschaftet mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50%) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen, den Lebensunterhalt zu verdienen. 75% der Bevölkerung legen ihr Geld in informellen Sparvereinen an, die auch ein System sozialer Absicherung darstellen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Kamerun, S. 41). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in Kamerun grundsätzlich durch eigene landwirtschaftliche Produktion und Lebensmittelimporte gesichert. Allerdings besteht ein Verteilungsproblem, das insbesondere in den drei nördlichen Provinzen zu Lebensmittelengpässen führt. Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es aber zahlreiche (staatliche, nationale und internationale) karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen. Zudem sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Kamerun, S. 40; Auswärtiges Amt, Lagebericht Kamerun, S. 23 f.; Auskunft an das Bundesamt vom 27.1.2020, GZ. 508-516.80/53656).
Vor diesem Hintergrund ist das Gericht in Anbetracht der persönlichen Situation der Klägerin davon überzeugt, dass sie unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten die Möglichkeit haben wird, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen und so jedenfalls ihre elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen, selbst wenn unter Umständen nur ein Leben am Rand des Existenzminimums möglich wäre. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin nach kamerunischem Recht erst mit 21 volljährig wird. Denn unabhängig von diesem formalen Umstand ist die Klägerin mit ihren 20 Jahren in einem Alter, in dem eine ausreichende Reife und Selbständigkeit erwartet werden kann, die sie befähigen, ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin nach dem gemäß § 12 Abs. 2 AsylG maßgeblichen deutschen Recht bereits volljährig ist, § 2 BGB. Die Klägerin verfügt über eine gute Schulbildung und hat die Schule bis zum Abitur besucht, auch wenn sie den Abschluss nicht machen konnte. Zudem hat sie in der Boutique ihrer Mutter in Kamerun sowie in Marokko bei Gelegenheitsarbeiten berufliche Erfahrungen gemacht. Sie war in Marokko – einem für sie fremden Land – in der Lage, sich über Wasser zu halten. Es ist somit nicht ersichtlich, dass es der Klägerin als junger, intelligenter Frau ohne Unterhaltsverpflichtungen in ihrer Heimat, mit deren Sprache und Gepflogenheiten sie vertraut ist, trotz ihrer formalen Minderjährigkeit nicht möglich sein wird, Fuß zu fassen und ihren Lebensunterhalt jedenfalls im informellen Sektor zu erwirtschaften, auch wenn sie nicht auf ein familiäres Netzwerk in Kamerun zurückgreifen könnte. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt wäre, liegen nicht vor. Insbesondere lässt sich den vorgelegten Schreiben des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Bezirks Unterfranken vom 31. Mai, 16. Juli und 16. September 2021 nichts Gegenteiliges entnehmen. Aus dem bloßen Umstand, dass die Klägerin wegen psychischer Probleme in Behandlung ist, ergibt sich keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder gar eine Erwerbsunfähigkeit, auch wenn die Behandlung derzeit teilstationär erfolgt. Dass sich die Klägerin alleine in einer ihr unbekannten Umgebung behaupten kann, hat sie darüber hinaus durch ihre teilweise alleinige Reise nach Europa bewiesen, bei der sie gezeigt hat, dass sie in der Lage ist, die in der jeweiligen Situation erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen bzw. Hilfe zu beschaffen (vgl. VG München, U.v. 9.11.2018 – M 21 K 17.42545 – juris Rn. 30). Erforderlich und ausreichend ist zudem, dass die Klägerin durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem notwendigen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; OVG NW, U.v. 17.11.2008 – 11 A 4395/04.A – juris Rn. 47). Es ist somit anzunehmen, dass die Klägerin bei entsprechender Suche in der Lage sein wird, eine Wohnung anzumieten und Arbeit zu finden. Dies gilt umso mehr als die Klägerin Französisch spricht, so dass sie bei einer Rückkehr nicht auf die anglophonen Regionen bzw. anglophonen Gemeinschaften in anderen Regionen beschränkt bzw. angewiesen ist. Durch ihre in Europa gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse befindet sich die Klägerin zudem in einer vergleichsweise guten Position, da sie von diesen auch zukünftig in Kamerun profitieren kann.
Gegen diese Annahme spricht auch nicht, dass die Klägerin als alleinstehende Frau nach Kamerun zurückkehren wird. Es mag sein, dass die Lage alleinstehender Frauen in Kamerun schwierig ist und sie mit (sexueller) Gewalt oder Diskriminierungen konfrontiert sein können, auch wenn sie verfassungsrechtlich Männern gleichgestellt sind. Dies gilt gerade im Hinblick auf die derzeitige Zahl der Binnenvertriebenen und Flüchtlinge (vgl. EASO, Cameroon – Internally displaced persons and returnees in Douala and Yaoundé vom 24.8.2021; BFA, Länderinformationsblatt Kamerun, S. 32 ff.; Auswärtiges Amt, Lagebericht Kamerun, S. 16 f.; Schweizer Flüchtlingshilfe, Kamerun: Sozioökonomische Situation einer alleinstehenden Frau, Auskunft vom 17.1.2011). Weder den aktuellen, dem Gericht vorliegenden, noch den klägerseits zitierten Erkenntnismitteln lassen sich jedoch ausreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass hierfür generell eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht (so auch VG Magdeburg, G.v. 4.6.2021 – 7 A 268/20 MD – juris).
Des Weiteren werden Rückkehrer durch ein Büro des Centrums für Internationale Migration und Entwicklung im Haus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Jaunde logistisch und materiell unterstützt. Daneben gibt es gemeinsame Projekte der EU-IOM, unter anderem Selbsthilfegruppen. Die Unterstützung für Rückkehrer beinhaltet Sozialleistungen zum Unterhalt, aber auch psychosoziale Unterstützung (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kamerun, S. 24, 44; Auskunft an das Bundesamt vom 27.1.2020, GZ. 508-516.80/53656). Überdies steht es der Klägerin frei, ihre finanzielle Situation in Kamerun aus eigener Kraft zu verbessern und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen oder sich an karitative Einrichtungen vor Ort zu wenden, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten und erste Anfangsschwierigkeiten gut überbrücken zu können. So können kamerunische ausreisewillige Personen Leistungen aus dem REAG-Programm, dem GARP-Programm, den Reintegrationsprogrammen StarthilfePlus und ERRIN sowie dem „Bayerischen Rückkehrprogramm“ erhalten (https://www.returningfromgermany.de/de/ countries/cameroon; http://www.lfar.bayern.de/assets/stmi/lfar/bayerische_ richtlinie_zur_förderung_der_freiwilligen_rückkehr_-_bayerisches _rückkehrprogramm_-_vom_30.08.2019.pdf). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es der Klägerin möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Kamerun freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise beantragte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Für die erkennende Einzelrichterin bestehen keine Zweifel daran, dass der Klägerin in Kamerun weder die Vollstreckung oder die Verhängung der Todesstrafe noch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Wie bereits ausführt wurde, hat die Klägerin ihr Verfolgungsvorbringen nicht glaubhaft gemacht. Offenbleiben kann schließlich, inwiefern für die Klägerin in ihrer (hier maßgeblichen, st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17) Heimatregion in Kamerun eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG besteht. Denn sie muss sich jedenfalls auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG. Insoweit sei auf obige Ausführungen verwiesen.
3. Der Klägerin steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
§ 60 Abs. 5 AufenthG verweist auf die EMRK, soweit sich aus dieser zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse ergeben. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung unterworfen werden. Insbesondere genügt nach der Rechtsprechung des EGMR der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht auszugleichen (EGMR, U.v. 27.5.2008 – Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich – NVwZ 2008, 1334 Rn. 44). Etwas anderes gilt nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen. Ein Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, liegt beispielsweise dann vor, wenn die Versorgungslage im Herkunftsland völlig unzureichend ist (vgl. EGMR, a.a.O. Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 – Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 – NJOZ 2012, 952).
Die – wie dargestellt – ungünstigen humanitären und wirtschaftlichen Bedingungen in Kamerun begründen für sich genommen kein Abschiebungsverbot. Wie ausgeführt, wird die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts im Fall ihrer Rückkehr nach Kamerun in der Lage sein, zumindest das Existenzminimum sicherzustellen. Ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG kommt daher nicht in Betracht.
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei ist unerheblich, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, die Regelung stellt alleine auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab, unabhängig davon, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – BVerwGE 99, 324). Es gilt der Gefahrenmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
aa) § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt das Vorliegen einer zielstaatsbezogenen Gefahr voraus, die den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betrifft. Eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheidet allerdings dann aus, wenn die Gefahr eine Vielzahl von Personen im Herkunftsland in gleicher Weise betrifft, so z. B. allgemeine Gefahren im Zusammenhang mit Hungersnöten oder Naturkatastrophen, § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Diese allgemeinen Gefahren sind stattdessen bei Aussetzungsanordnungen durch die obersten Landesbehörden nach § 60 Abs. 7 Satz 5 i.V.m. § 60a Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigen. Gleichwohl kann ein Ausländer nach der Rechtsprechung des BVerwG im Hinblick auf die im Herkunftsland herrschenden Existenzbedingungen trotz Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz beanspruchen, wenn er im Fall der Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG, dem betroffenen Ausländer im Wege verfassungskonformer Auslegung Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09, NVwZ 2011, 48 Rn. 14 f.). Wann sich allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot verdichten, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Es muss sich aber jedenfalls um Gefahren handeln, die nach Art, Ausmaß und Intensität von erheblichem Gewicht sind. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 ff. m.w.N.; BayVGH. U.v. 17.2.2009 – 9 B 08.30225 – juris m.w.N.; für den Fall einer schlechten Lebensmittelversorgung, die den Betroffenen im Fall der Rückkehr nach seiner speziellen Lebenssituation in die konkrete Gefahr des Hungertods bringen würde: vgl. etwa BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 -; BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 -; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 -; BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 -; BayVGH, U.v. 16.1.2014 – 13a B 13.30025 -, alle juris). Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen.
Wie ausgeführt, ist die Versorgungslage in Kamerun problematisch. Die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage kann aber kein generelles Abschiebungsverbot im Sinne § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen, da es sich hierbei um eine allgemeine Gefahr handelt, die einen Großteil der kamerunnischen Bevölkerung betrifft, mit der Folge, dass grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG eingreift. Gleiches gilt für die derzeitige COVID-19-Pandemie. Ausgehend von den oben dargestellten Maßstäben kann alleine in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehende Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit angenommen werden, welche die allgemeine Gefahr zu einem Abschiebungsverbot verdichtet. Im Fall der Klägerin kann eine derartige Extremgefahr nicht prognostiziert werden. Auch insoweit gilt, wie bereits ausgeführt, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass es ihr möglich sein wird, ihre Lebensgrundlage – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern. Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr für die Klägerin, sich in Kamerun mit SARS-CoV-2 zu infizieren, nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht ist, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung die begründete Furcht ableiten lässt, sie werde in erheblicher Weise ein Opfer einer extremen allgemeinen Gefahrenlage.
Eine solche extreme, konkrete Gefahrenlage ist für die Kläger im Hinblick auf die Verbreitung des „Coronavirus“ für das Gericht derzeit nicht ersichtlich. Es ist bereits nicht erkennbar, dass sich die Klägerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit alsbald nach ihrer Rückkehr mit dem Corona-Virus infizieren wird. Dies ergibt sich daraus, dass trotz der vermutlich hohen Dunkelziffer nicht erkennbar ist, dass die Krankheit mit derzeit 92.303 bestätigten Corona-Fällen (davon 80.433 Genesene und 1.459 Todesfälle, Abruf am 30.9.2021, vgl. etwa Johns Hopkins University, CSSE, COVID 19 Dashboard, https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/dashboards/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6; Coronavirus Worldometer – Kamerun, https://www.worldometers.info/coronavirus/country/cameroon/) in Kamerun so verbreitet wäre, dass man sich jederzeit infizieren würde. Doch selbst wenn dies so wäre, ist weiterhin nicht erkennbar, dass eine entsprechende Infektion bei der Klägerin erhebliche lebensgefährliche Auswirkungen haben würde. Die 20 Jahre alte Klägerin ohne erkennbare relevante Vorerkrankungen gehört nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19-Erkrankung (vgl. Robert Koch-Institut, Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html, Stand: 29.10.2020). Zudem bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuell persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske oder die Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren. Darüber hinaus kann sich die Klägerin mangels entgegenstehender Anhaltspunkte bereits in Deutschland impfen lassen. Das Gericht verkennt – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Kamerun, gerade für Frauen. Diese betreffen jedoch kamerunische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
bb) Die Klägerin kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch nicht auf Grundlage ihrer gesundheitlichen Probleme beanspruchen.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen kann ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG allerdings nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, angenommen werden. Erforderlich ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u. a. – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Insbesondere muss medizinische Versorgung im Herkunftsland nicht mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig sein, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
An die Substantiierung von Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet – insbesondere dem Krankheitsbild der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) – sind dabei wegen der erhöhten Missbrauchsgefahr strenge Anforderungen zu stellen. Auch schwerwiegende psychische Erkrankungen können nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand August 2016, § 60 AufenthG Rn. 90; OVG NW, B.v. 6.9.2004 – 18 B 2661/03 – NVwZ-RR 2005, 359). Eine mittelschwere Depression, Ein- und Durchschlafstörungen, Flashbacks, Albträume, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, psychogene Kopfschmerzen und Anpassungsstörungen reichen daher im Allgemeinen nicht (mehr) aus, um ein Abschiebungshindernis zu begründen. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass eine hinreichend schwerwiegende Erkrankung auch in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden kann (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 18; BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 11 ZB 17.31463 – juris). In Fällen einer PTBS ist daher die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, sie führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung. Zur Substantiierung einer Erkrankung an PTBS gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbilds sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich die erkennende Einzelrichterin auch aus eigener Überzeugung anschließt, muss ein solches fachärztliches Attest gewissen Mindestanforderungen genügen. Dazu gehört, dass sich aus dem Attest nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) Aufschluss geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine nachvollziehbare Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Dieser Grundsatz ist auch für den Fall, dass traumatisierende Ereignisse im Zusammenhang mit der Flucht geltend gemacht werden, anzuwenden, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Flucht und dem Vortrag des Flüchtenden zu seiner Erkrankung ein nicht unerheblicher Zeitraum liegt (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – juris Rn. 15; U.v. 11.9.2007 – 10 C 17.07 – juris Rn. 15).
Diesen Vorgaben werden die vorgelegten ärztlichen Atteste vom 31. Mai, 16. Juli und 16. September 2021 nicht gerecht. In der ärztlichen Bescheinigung vom 31. Mai 2021 wird zwar erklärt, dass sich die Klägerin vom 20. bis 31. Mai 2021 in stationärer Behandlung befunden habe und eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostiziert worden sei. Weitere Ausführungen enthält die Bescheinigung jedoch nicht. Im ärztlichen Attest vom 16. Juli 2021 ist zwar ausgeführt, dass die Klägerin seit dem 12. Februar 2020 wegen eines adynam-ängstlich-depressiven Syndroms bei rez. depressiver Störung, ggw. mittel- bis schwergradige depressiver Episode sowie posttraumatischer Belastungsstörung in ambulanter Behandlung sei. Das Attest enthält jedoch bereits keine Angaben dazu, wie oft bzw. in welchen zeitlichen Abständen die Behandlung stattgefunden hat und wie sie bisher verlaufen ist. Zudem wird nicht ausreichend dargelegt, auf welchen tatsächlichen Umständen diese fachliche Beurteilung erfolgt ist. Vielmehr wird lediglich darauf verwiesen, dass die Klägerin auf der Flucht von mehreren Männern vergewaltigt wurde. Ein derartiger Vorfall lässt sich dem Vortrag der Klägerin allerdings nicht entnehmen. Soweit damit die Vergewaltigung durch die Amba-Boys gemeint sein soll, so ist die Darstellung, dass diese auf der Flucht stattgefunden haben soll, bereits unzutreffend bzw. zumindest unscharf, da die Klägerin angibt, dass die Amba-Boys sie von zu Hause entführt hätten und sie erst danach – auf der Flucht vor den Amba-Boys – spontan beschlossen habe, nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Unabhängig davon ist der diesbezügliche Vortrag der Klägerin nicht glaubhaft, s.o. Darüber hinaus lässt sich den Attesten nicht entnehmen, welche Folgen sich für die Klägerin aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich konkret ergeben. Es wird lediglich pauschal in den Raum gestellt, dass die Klägerin auf die Behandlung durch das Krankenhaus angewiesen sei und davon ausgegangen werden müsse, dass es bei einem Abbruch zur psychischen Dekompensation und Exazerbation der Erkrankung kommen werde. Worauf diese Einschätzung gründet, lässt sich den vorgelegten Schreiben jedoch nicht entnehmen. In der Bescheinigung vom 16. September 2021 ist schließlich lediglich festgehalten, dass die Klägerin seit diesem Tag in teilstationärer Behandlung sei. Unabhängig davon, dass die Bescheinigung keinerlei weitere Ausführungen enthält und bereits deshalb den Vorgaben nicht entspricht, wird aus der Bescheinigung nicht ausreichend deutlich, ob sie überhaupt von einer Ärztin ausgestellt wurde oder lediglich von einer Mitarbeiterin der Verwaltung, worauf der Klammerzusatz „Verwaltung“ unter dem Namen der Unterzeichnenden hindeutet.
Im Übrigen ergibt sich aus den Attesten keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Wie dargestellt wird im Attest vom 16. Juli 2021 lediglich pauschal erklärt, dass die Klägerin auf regelmäßige Behandlung angewiesen sei und bei Abbruch davon ausgegangen werden müsse, dass es zur psychischen Dekompensation und Exazerbation kommen werde. Eine Erklärung hierzu wird nicht gegeben. Darüber hinaus wird ausdrücklich erklärt, dass es keinen Hinweis auf Eigen- oder Fremdgefährdung gebe. Die Klägerin sei aktuell klar und glaubhaft von Suizidalität distanziert. Eine gegenteilige, aktuelle ärztliche Einschätzung liegt nicht vor. Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch aus dem Einwand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nichts Anderes, in Kamerun wäre es so schlimm, dass sie sterben oder sich sogar selbst umbringen würde.
4. Letztlich bestehen auch an der Rechtmäßigkeit der Ausreiseaufforderung und der auf § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG beruhenden Abschiebungsandrohung nach Kamerun keine Bedenken. Dies gilt auch im Hinblick auf die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) sind weder ersichtlich, noch vorgetragen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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