Verwaltungsrecht

Herkunftsland Nigeria, gesunde und erwerbsfähige Mutter mit Kindern, Sohn geistig behindert, volljährige Tochter, Zwangsprostitution, Rückkehr im Familienverband, innerstaatliche Fluchtalternative, Corona-/SARS-CoV2-/COVID-19-Pandemie, kein Abschiebungsverbot

Aktenzeichen  W 10 K 19.32043

Datum:
14.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40173
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 101
AsylG § 3
AsylG § 3e
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte durch den Einzelrichter entscheiden, nachdem diesem das Verfahren durch Beschluss der Kammer zur Entscheidung übertragen worden ist, § 76 Abs. 1 AsylG.
Die zulässige Klage, über die nach § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden durfte, ist unbegründet. Die Kläger haben zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die begehrten Entscheidungen des Bundesamts zu ihren Gunsten. Der streitgegenständliche Bescheid vom 23. September 2019 ist deshalb rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Zur Begründung nimmt das Gericht Bezug auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids vom 23. September 2019, denen es aufgrund eigener Überzeugung folgt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065, S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Lands (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Dem Ausländer muss eine Verfolgungshandlung drohen, die mit einem anerkannten Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) eine Verknüpfung bildet, § 3a Abs. 3 AsylG. Als Verfolgungshandlungen gelten gemäß § 3a AsylG solche Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1) oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Die für eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG relevanten Merkmale (Verfolgungsgründe) sind in § 3b Abs. 1 AsylG näher definiert. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung sowohl von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft allerdings nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2) (interner Schutz bzw. innerstaatliche Fluchtalternative).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb des Heimatlands befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der dem Maßstab des „real risk“, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bei der Prüfung des Art. 3 EMRK anwendet, entspricht (vgl. EGMR, U.v. 28.2.2008 – 37201/06, NVwZ 2008, 1330 Rn. 125 ff.; U.v. 23.2.2012 – 27765/09, NVwZ 2012, 809 Rn. 114). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist die Furcht des Ausländers begründet, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32; U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 3.11.2016 – A 9 S 303/15 – juris Rn. 32 ff.; NdsOVG, U.v. 21.9.2015 – 9 LB 20/14 – juris Rn. 30).
Wurde der betroffene Ausländer bereits verfolgt oder hat er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten bzw. war er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht und weisen diese Handlungen und Bedrohungen eine Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund auf, greift zu dessen Gunsten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL, wonach die Vorverfolgung bzw. Vorschädigung einen ernsthaften Hinweis darstellt, dass sich die Handlungen und Bedrohungen im Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 15). Die Vorschrift privilegiert den betroffenen Ausländer durch eine widerlegliche Vermutung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine Widerlegung der Vermutung ist möglich, wenn stichhaltige Gründe gegen eine Wiederholung sprechen. Durch Art. 4 Abs. 4 QRL wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte davon befreit, stichhaltige Gründe dafür vorzubringen, dass sich die Bedrohungen erneut realisieren, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt.
Dem Ausländer obliegt gleichwohl die Pflicht, seine Gründe für die Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen, was bedeutet, dass ein in sich stimmiger Sachverhalt geschildert werden muss, aus dem sich bei Wahrunterstellung und verständiger Würdigung ergibt, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht. Dies beinhaltet auch, dass der Ausländer die in seine Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse, die geeignet sind, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, wiedergeben muss (vgl. § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO; OVG NW, U.v. 2.7.2013 – 8 A 2632/06.A – juris Rn. 59 f. mit Verweis auf BVerwG, B.v. vom 21.7.1989 – 9 B 239.89 – juris Rn. 3 f.; B.v. 26.10.1989 – 9 B 405.89 – juris Rn. 8; B.v. 3.8.1990 – 9 B 45.90 – juris Rn. 2).
Der Asylsuchende muss dem Gericht glaubhaft machen, weshalb ihm in seinem Herkunftsland die Verfolgung droht. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 – m.w.N.).
b) Unter Berücksichtigung vorgenannter Voraussetzungen und Maßstäbe sind die Voraussetzungen des § 3 AsylG schon deshalb nicht erfüllt, weil die Kläger nicht glaubhaft gemacht haben, sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlands zu befinden. Die Ausführungen der Klägerin zu 1) werden insgesamt nicht geglaubt (aa)). Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags der Klägerin zu 1) droht dieser in Nigeria nach ihrem eigenen Vortrag weder Re- noch Sekundär-Viktimisierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, so dass auch stichhaltige Gründe im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU gegen eine erneute Verfolgung sprechen (bb)). Jedenfalls kann die Klägerin zu 1) bei Rückkehr mit ihren zwei Söhnen und der Tochter, die bei lebensnaher Betrachtung anzunehmen ist, zumutbaren internen Schutz im Sinne des § 3e Abs. 1 AsylG in Anspruch nehmen (cc)).
Für den Kläger zu 2) wurde zudem schon kein eigenes Verfolgungsschicksal geltend gemacht.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung zwar den Bericht „The New Humanitarian, Nigerians returned from Europe face stigma and growing hardship“ vom 28. Juli 2020 vorgelegt hat, aus dem hervorgeht, dass Zurückkehrende oft von der Gemeinschaft ausgegrenzt und zurückgewiesen werden. Ein individueller Vortrag zum Einzelfall der Kläger ist damit jedoch nicht verbunden, ein konkreter Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c AsylG wird nicht benannt. Dies steht der Gewährung der Flüchtlingseigenschaft sowie der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus entgegen (§§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c AsylG).
aa) Der erkennende Einzelrichter konnte nicht die notwendige Überzeugung gewinnen, dass sich die Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Herkunftslands befinden. Unter Anwendung der bereits dargestellten Grundsätze wird der Klägerin zu 1) der Vortrag insgesamt nicht geglaubt.
Die Klägerin zu 1) hat in wesentlichen Punkten bereits widersprüchliche Angaben gemacht, ohne dass sie diese plausibel auflösen konnte. Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt hat sie erklärt, dass sie neben ihren Eltern noch ihre Geschwister sowie die ganze Großfamilie in Nigeria habe, mit der sie noch Kontakt habe. Auf entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zu 1) hingegen, ihre Großmutter habe ihr erzählt, dass sie noch eine Mutter habe, diese habe sie jedoch nicht gesehen. Auf Vorhalt des Gerichts zog sich die Klägerin zu 1) auf die unsubstantiierte Behauptung zurück, dies habe sie vor dem Bundesamt nicht gesagt, vielleicht habe die aufnehmende Person alles falsch aufgenommen. Auch auf weiteren Vorhalt des Gerichts, dass ihr ausweislich des Protokolls die Bedeutung der Anhörung erläutert und rückübersetzt worden sei (Bl. 173 ihrer Bundesamtsakte), erklärte die Klägerin zu 1) lediglich pauschal, an eine Rückübersetzung könne sie sich nicht erinnern. Sie könne sich noch daran erinnern, dass die anhörende Frau ihr gesagt habe, dass alles okay gewesen sei, ihr Kind habe gestört. Zwar findet sich in ihrer Bundesamtsakte der Vermerk, dass es sich bei dem in der Anhörung eingesetzten Sprachmittler nicht um einen Muttersprachler gehandelt habe (Bl. 174 der Bundesamtsakte), allerdings erklärt dies nicht, warum die Klägerin zu 1) dennoch bestätigte, es habe keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben (Bl. 173 ihrer Bundesamtsakte), zumal sie ausweislich der mündlichen Verhandlung der englischen Sprache mächtig ist.
Der Vortrag der Klägerin zu 1) weist zudem in wesentlichen Punkten Ungereimtheiten auf, die nicht von ihr ausgeräumt werden konnten. Die Klägerin zu 1) hat beim Bundesamt erklärt, dass sie 2009 in Nigeria gewesen sei, um Dokumente für ihren Ehemann zu besorgen. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zu 1), dies sei nicht so gewesen. In ihrem Pass sei kein Visum eingetragen. In ihrem nigerianischen Reisepass (Bl. 304 ff. ihrer Ausländerakte) finden sich tatsächlich keine Eintragungen, ein italienischer Reisepass fand sich weder in ihrer Bundesamts-, noch in ihrer Ausländerakte. Selbst wenn die Klägerin zu 1) jedoch, wie sie nunmehr angibt, tatsächlich nicht 2009 in Nigeria gewesen sein sollte, bleibt offen, warum sie dies dann beim Bundesamt angegeben und detaillierte Ausführungen zu ihrem Aufenthaltszweck gemacht hat. Auf Frage des Gerichts, warum sich die Aussage im Bundesamtsprotokoll befinde, erklärt die Klägerin zu 1) wiederum lediglich pauschal, deswegen habe sie vorhin gemeint, dass die Dolmetscherin sie nicht richtig verstanden habe. Auch auf Vorhalt des Gerichts, dass sie angegeben habe, sie habe dort Dokumente für ihren Ehemann besorgt, erklärte die Klägerin zu 1) nur, dieser sei Ghanaer. Unabhängig davon, ob die Klägerin zu 1) wie behauptet 2009 tatsächlich nicht im Herkunftsland gewesen sein sollte, weist der diesbezügliche Vortrag in jedem Fall Ungereimtheiten auf, die die Klägerin zu 1) nicht plausibel auflösen konnte. Das Gericht weist insoweit auf seine vorgehenden Ausführungen zu den Formalien des Anhörungsprotokolls hin.
Die Klägerin zu 1) hat ihren Vortrag in der mündlichen Verhandlung zudem gesteigert, ohne dass sie dies plausibel auflösen konnte. Die Klägerin zu 1) hat beim Bundesamt erklärt, sie habe nach ihrer Flucht keinen Kontakt mehr zur Person, vor der sie die Verfolgung fürchte, gehabt. Auf Frage des Gerichts nach dem letztmaligen Kontakt erklärte die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung hingegen, als sie in Italien mit ihrer dortigen Familie Unterlagen für ihren Aufenthalt habe besorgen wollen, hätte sie die Familie zu dieser Person gebracht, diese sei jedoch verschwunden, vielleicht da sie gedacht habe, ihre Familie sei die Polizei. Warum sie die Familie zu dieser Person, von der sie doch die Verfolgung fürchtet, zur Erlangung von Unterlagen hätte führen sollen, erschließt sich für den erkennenden Einzelrichter nicht und konnte auch von der Klägerin zu 1) nicht plausibel aufgelöst werden.
Hinzu kommt, dass die Klägerin zu 1) nach dem Eindruck des erkennenden Einzelrichters bei ihren Antworten zögerlich wirkte und Fragen erst auf nochmalige Nachfrage beantwortete. So erklärte die Klägerin zu 1) etwa auf Frage des Gerichts, ob sie in Nigeria, auf der Flucht oder in Deutschland gearbeitet habe, zunächst nicht, dass sie in Deutschland sechs Monate als Reinigungskraft gearbeitet habe. Dies gab sie erst auf Nachfrage an. Zudem blieb der Vortrag der Klägerin zu 1) in wesentlichen Punkten vage, es war stets von der Frau/Person, die sie nach Europa gebracht habe, die Rede. Nähere Angaben zum Verfolgungsakteur hat die Klägerin zu 1) nicht gemacht.
Aufgrund der vorgenannten Ausführungen und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks des erkennenden Einzelrichters von der Klägerin zu 1) geht dieser deshalb davon aus, dass den Aussagen der Klägerin zu 1) insgesamt nicht geglaubt werden kann.
bb) Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags der Klägerin zu 1) droht dieser in Nigeria nach ihrem eigenen Vortrag weder Re- noch Sekundär-Viktimisierung, so dass auch stichhaltige Gründe im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU gegen eine erneute Verfolgung sprechen.
Der Handel von nigerianischen Frauen und Kindern zu sexuellen Zwecken ist in Nigeria ein weit verbreitetes Phänomen und ein Problem großen, jedoch schwer bezifferbaren Ausmaßes. Die meisten Opfer des Menschenhandels stammen aus dem Bundesstaat Edo, insbesondere aus Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaats Edo, sowie nahegelegenen Dörfern. Es gibt Berichte, dass die Menschenhändler Edo wegen der besonders dort in den letzten Jahren durchgeführten Programme zur Bekämpfung des Menschenhandels verlassen und ihre Aktivitäten in anderen Bundesstaaten entfalten (vgl. Bundesamt, Nigeria – Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung vom Juni 2020, S. 8; European Asylum Support Office [im Folgenden: EASO], Bericht über Herkunftsländer – Informationen, Nigeria: Sexhandel mit Frauen vom Oktober 2015, S. 14 ff. m.w.N.). Bislang wurden die Opfer in der Rekrutierungsphase durch Täuschung oder falsche Versprechungen dazu bewegt, nach Europa (überwiegend nach Italien und Spanien) zu gehen, um dort als Prostituierte zu arbeiten. Häufig wurde den Frauen, die meist aus ärmlichen Verhältnissen stammen, in Aussicht gestellt, in Europa einen gut bezahlten Arbeitsplatz oder Bildungschancen zu erhalten. Die Verbesserung der Lebensverhältnisse ist nach wie vor ein Hauptgrund für die Ausreise aus Nigeria. Allerdings ist unter anderem aufgrund von Sensibilisierungskampagnen, die seit 10 bis 15 Jahren in Edo stattfinden, mittlerweile in Nigeria allgemein bekannt, dass sehr viele Nigerianerinnen, die nach Europa reisen, dort als Prostituierte tätig sind. Die genaueren Bedingungen, unter denen sie in Europa im Prostitutionsgewerbe tätig sein müssen, ist den Frauen jedoch nicht bekannt. Dies erfahren sie erst, wenn sie in Europa angekommen sind. Zentrale Figuren und Anführer der Menschenhandelsnetzwerke sind in der Regel die sogenannten „Madams“, die oft selbst frühere Opfer der Zwangsprostitution sind. In den letzten Jahren sind auch von sog. Studentenkulten kontrollierte Netzwerke entstanden. Die Madams rekrutieren die Opfer und überwachen den gesamten Prozess des Menschenhandels. Sie sind häufig auch die Personen, welche die Reise nach Europa finanzieren. Eine Aufklärung über die tatsächliche Schuldenhöhe erfolgt erst nach der Ankunft in Europa. Den zur Prostitution gezwungenen Frauen wird in der Regel ein Schuldenbetrag in Höhe von 50.000,00 bis 70.000,00 EUR in Rechnung gestellt, den sie bei der Madam abbezahlen müssen, wobei die Schuldenhöhe zwischenzeitlich auf 20.000,00 bis 30.000,00 EUR gesunken ist. Teilweise müssen die Frauen vor ihrer Weiterreise nach Europa bereits in Libyen als Prostituierte arbeiten (vgl. Bundesamt, Nigeria – Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung vom Juni 2020, S. 8 ff., 16 ff.; Bericht EASO über Sexhandel mit Frauen vom Oktober 2015, S. 26 m.w.N.). Um die Zwangslage der zur Prostitution gezwungenen Frauen zu verstärken, kommt Voodoo-Ritualen eine besondere Bedeutung zu. Der Glaube an Voodoo ist in Nigeria, insbesondere im Bundesstaat Edo, weit verbreitet. Bei Voodoo, zuweilen auch als „Juju“ bezeichnet, handelt es sich um eine traditionelle westafrikanische Glaubensrichtung, die durch schwarze Magie und rituelle Schwüre geprägt ist. Dies machen sich die Menschenhändler zunutze, um die Opfer aufgrund ihres Glaubens an die Madam und die Schleuser zu binden und psychischen Druck auf die Opfer auszuüben. Die betroffenen Frauen müssen in einer rituellen Zeremonie einen sog. „Juju“-Schwur ablegen, durch welchen sie sich dazu verpflichten, das geschuldete Geld zurückzuzahlen, die Identität der Menschenhändler nicht preiszugeben und sich diesen bedingungslos zu untergeben. Es wird daran geglaubt, dass der Bruch des Schwurs Krankheit, Wahnsinn oder den Tod der Frauen und deren Familien zur Folge habe, egal wo sich die Opfer aufhalten. Am 9. März 2018 hob Oba (ein traditioneller Titel) Ewuare II, der traditionelle König und höchstes Oberhaupt des historischen Königreichs Benin alle Eide auf, die von „Juju“-Priestern den Menschenhandelsopfern auferlegt worden waren. Gleichzeitig verbot er jegliche Beteiligung an Ritualen, mit deren Hilfe die Auswanderung ins Ausland befördert werden soll. Da sich dies jedoch nur auf das Gebiet des Königreichs Benin beschränkt, sind die Menschenhändler auf andere Gebiete ausgewichen (vgl. Bundesamt, Nigeria – Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung vom Juni 2020, S. 12 ff.; ACCORD, Nigeria – Traditionelle Religion, Okkultismus, Hexerei und Geheimgesellschaften, Bericht vom 17.6.2011, S. 7 f.; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Nigeria: Zwangsheirat, Innerstaatliche Fluchtalternative für alleinstehende Frau, Einfluss von Voodoo-Praktiken, 4.4.2014).
Das Gericht folgt zudem grundsätzlich der Auffassung, dass nach Nigeria zurückkehrende Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind und sich hiervon befreit haben, eine soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG darstellen (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.11.2015 – W 2 K 14.30213 – juris Rn. 29 f. m.w.N.).
Allein die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe genügt jedoch nicht, um einen Anspruch der Klägerin zu 1) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG zu begründen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Klägerin zu 1) im Fall der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung nach § 3 AsylG droht, denn es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Re- oder Sekundär-Viktimisierung der Klägerin zu 1).
Die Klägerin zu 1) hat in ihrer Anhörung sowie in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie habe sich der Prostitution erfolgreich entzogen, sie habe sich nie prostituiert. Der letzte persönliche Kontakt mit der Madam fand ausweislich ihrer Bundesamtsanhörung im Jahr 2002, nach ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung vor sehr vielen Jahren statt. Es erscheint als äußerst unwahrscheinlich, dass die Madam ein derartiges (finanzielles) Interesse an der Klägerin zu 1) haben sollte, dass sie über einen solch langen Zeitraum erfolglos nach ihr suchen und ihr Geld einfordern sollte. Denn es wäre für sie wesentlich einfacher und mit weniger Aufwand verbunden, sich ein neues Opfer zu suchen. Das gilt auch für den Fall, dass die Klägerin zu 1) nach Nigeria zurückkehrt. Es ist bereits nicht ersichtlich, wie die Madam angesichts des nicht funktionsfähigen Meldesystems in Nigeria davon erfahren sollte (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [im Folgenden: BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Nigeria, Stand: 23.11.2020, Version 2 [im Folgenden: Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria], S. 65 ff., 78). Insbesondere unter der Voraussetzung, dass eine betroffene Person die gebotene Zurückhaltung beim Gebrauch sozialer Medien und der Preisgabe persönlicher Daten übt, ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass potentielle Verfolger diese Person in der Anonymität einer Großstadt ohne Meldepflicht auffinden und bedrohen bzw. ihr Schaden zufügen können. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin zu 1) durch ihre Familie und die Gesellschaft eine Stigmatisierung drohen würde. Die Klägerin zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe nur ihrer Großmutter davon erzählen wollen, habe es jedoch nicht gemacht. Die Klägerin zu 1) hat sich zudem nie prostituieren müssen, da sie sich der Prostitution bereits zuvor erfolgreich entziehen konnte. Aufgrund vorgenannter Ausführungen sprechen jedenfalls auch stichhaltige Gründe im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU gegen eine erneute Verfolgung der Klägerin zu 1).
Das Gericht verkennt dabei nicht das grundsätzliche Problem des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung von Frauen nach Europa, auf das auch die Klägerbevollmächtigte unter Verweis auf verschiedene Urteile und Normen (VG Stuttgart, U.v. 4.4.2016 – A 7 K 3376/14; U.v. 27.9.2019 – A 7 K 2540/17; VG Magdeburg, U.v. 28.1.2020 – 6 A 40/19 MD; EGMR, U.v. 7.10.2010 – Ransev/Zypern und Russland, Nr. 25965/04; Erwägungsgrund 1 der RL 2011/36/EU; Art. 5 Abs. 3 EU-Grundrechtecharta) hinweist. Die Konstellation ist jedoch vorliegend schon deshalb eine andere, da der Klägerin zu 1) ihr Vortrag insgesamt nicht geglaubt wird. Zudem handelt es sich stets um eine Einzelfallentscheidung. Im vorliegenden Einzelfall hält es das Gericht jedoch unter Verweis auf vorgehende Ausführungen für nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin zu 1) bei Rückkehr nach Nigeria erneut Opfer des Menschenhandels werden würde.
cc) Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags der Kläger ist nach Ansicht des Gerichts jedenfalls keine landesweit bestehende Gefahr anzunehmen, so dass die Kläger auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) zu verweisen wären, § 3e AsylG. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln über die Lage im Bundesstaat Nigeria sowie einschlägiger Rechtsprechung besteht grundsätzlich in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Lands auszuweichen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 5. Dezember 2020 [im Folgenden: Lagebericht Nigeria], S. 17). Dies gilt auch für Frauen, die Opfer der Zwangsprostitution geworden sind (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria, S. 54). Den Klägern ist es möglich und zumutbar, sich in einem anderen Teil Nigerias aufzuhalten. Die Klägerin zu 1) stammt eigenen Angaben zufolge aus Benin City und ist christlichen Glaubens. Sie kann sich daher mit ihrer Tochter und den beiden Söhnen beispielsweise in eine der zahlreichen Großstädte, etwa nach Lagos, begeben, wo sie sich dem Schutz von Nichtregierungsorganisationen für Frauen anvertrauen kann (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, S. 51 ff.). Die Kläger genießen Freizügigkeit in ganz Nigeria, so dass sie ihren Wohn- und Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen können. Wenn sie nicht von sich aus den Kontakt zu ihren Verfolgern aufnehmen, ist es unwahrscheinlich, dass sie nach einem derart langen Zeitraum der Abwesenheit der Klägerin zu 1) außerhalb ihrer Heimatregion aufgefunden werden, zumal Nigeria inzwischen annähernd 200 Millionen Einwohner hat, eine Fläche von 925.000 Quadratkilometern aufweist und dabei nicht über ein funktionsfähiges Meldesystem verfügt. Daher ist eine landesweite Verfolgung nicht zu erwarten, erst recht nicht von Privatpersonen (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria, S. 78 f.).
Zwar geht aus den vorliegenden Erkenntnismitteln hervor, dass ein Umzug in einen anderen Landesteil unter Umständen mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein kann, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem sie kein soziales Umfeld haben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, S. 17). Von der Klägerin zu 1) ist jedoch vernünftigerweise zu erwarten, dass sie sich mit ihren Kindern in dem Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative niederlässt.
Der erkennende Einzelrichter geht dabei davon aus, dass die Klägerin zu 1) bei lebensnaher Betrachtung im Familienverband mit dem Kläger zu 2), der Klägerin im Verfahren W 10 K 21.30395 und dem Kläger im Verfahren W 10 K 19.32328 (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18, juris Rn. 16) – jedoch ohne ihren Ehemann, von dem sie getrennt lebt – nach Nigeria zurückkehren wird und es der gesunden und erwerbsfähigen Klägerin zu 1) zusammen mit der volljährigen, gesunden und erwerbsfähigen Tochter möglich sein wird, den Lebensunterhalt der Familie auch trotz der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 2) in einer der nigerianischen Großstädte, etwa in Lagos, sicherzustellen.
Zwar geht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hervor, dass die Regelvermutung gemeinsamer Rückkehr eine familiäre Gemeinschaft voraussetzt, die grundsätzlich zwischen den Eltern und ihren minderjährigen Kindern (Kernfamilie) bereits im Bundesgebiet tatsächlich als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft besteht und infolgedessen die Prognose rechtfertigt, sie werde bei einer Rückkehr in das Herkunftsland dort fortgesetzt werden. Für eine in diesem Sinne „gelebte“ Kernfamilie reichen allein rechtliche Beziehung, ein gemeinsames Sorgerecht oder eine reine Begegnungsgemeinschaft nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 18 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich bei Vorliegen einer solchen Familieneinheit bestehend aus Eltern und minderjährigen Kindern jedoch nur um eine Regelvermutung, was aber nicht ausschließt, dass die Tochter, die erst während des gerichtlichen Verfahrens volljährig wurde, vorliegend als Bestandteil der als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft ausgestalteten Kernfamilie anzusehen ist. Aus dem Attest des Universitätsklinikums W* … vom 4. März 2020 geht hervor, dass sie mit dem Kläger zu 2) lesen übe, mit ihrer Mutter und ihren beiden Halbgeschwistern in einem Zimmer in einer Unterkunft lebe und die Mutter im Alltag sehr intensiv unterstütze. In der mündlichen Verhandlung hat die Tochter zudem erklärt, sie lebten zusammen in einer Unterkunftsräumlichkeit in B** K* … und sie versuche so viel wie möglich, um ihre Mutter zu unterstützen. Mit dem Kläger zu 2) mache sie Hausaufgaben und helfe ihm auch sonst, sie zeichne auch mit ihm. Wenn sie so wie jetzt in den Ferien zu Hause sei, helfe sie, koche und passe auf ihren Bruder auf. Sie erklärte zudem, sie gehe in Deutschland zur Schule, sie habe ein Praktikum in einem Supermarkt und ein Jahr in einem Restaurant gearbeitet. Aufgrund des beschriebenen familiären Zusammenhalts geht das Gericht davon aus, dass die Tochter ihre Mutter auch in Nigeria weiter unterstützen wird und durch Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit bzw. durch Betreuung des Klägers zu 2) zur Sicherstellung des Lebensunterhalts der Familie beitragen wird. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Kinder der Klägerin zu 1) in Spanien, Italien bzw. Deutschland geboren wurden, zumal sie nur im Familienverband zurückkehren müssten. Insbesondere die Tochter ist der Landessprache Englisch ausweislich der mündlichen Verhandlung mächtig und kann sich im Alltagsleben verständigen, nach den Attesten des Universitätsklinikums W* … vom 4. März 2020 und 13. Juni 2019 ist die Familiensprache Englisch. Bei dem Kläger im Verfahren W 10 K 19.32328 handelt es sich um ein Kleinkind, das in Nigeria ohnehin mit der dortigen Kultur und Landessprache aufwächst. Auch der Kläger zu 2) beherrscht einige Wörter auf Englisch.
Das Gericht verkennt dabei auch nicht die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 2). Aus den vorgelegten Unterlagen und Attesten, insbesondere aus dem Attest des Universitätsklinikums W* … vom 4. März 2020, geht hervor, dass die behandelnden Fachärzte vom Vorliegen einer Störung aus dem autistischen Spektrum, am ehesten von frühkindlichem Autismus, ausgehen, auch wenn ausweislich der Ausführungen auf Seite 3 dieses Attests diesbezüglich gerade keine feststehende Diagnose getroffen wird, wofür auch spricht, dass ein entsprechender ICD-Code nicht benannt wird. Dem Kläger zu 2) ist vom Kinderarzt wegen der starken Unruhe Risperidon verschrieben worden (Seite 2 des Attests des Universitätsklinikums W* … vom 4. März 2020). Der Kläger zu 2) benötige umfangreiche Hilfestellung, Förderung und auch Aufsicht. Die derzeit besuchte Schule stelle einen adäquaten Förderort dar. Autismusspezifische Förderansätze seien bereits initiiert und sollten auch in der Zukunft weiterverfolgt werden. Mittelfristig sei eine Betreuung in der Tagesstätte am Nachmittag sinnvoll und notwendig, damit der Kläger zu 2) soziale Fähigkeiten unter Gleichaltrigen ausbauen könne. Eine Wiedervorstellung zur Verlaufskontrolle in ca. einem Jahr werde empfohlen.
Die vorgelegten Atteste und Unterlagen enthalten jedoch keine feststehende Diagnose, die Erkrankung des Klägers zu 2) kann ausweislich der vorgelegten Atteste nur abstrakt dem autistischen Spektrum zugeordnet werden. Die vorgelegten Atteste enthalten auch keine Ausführungen dazu, welche gesundheitlichen Auswirkungen es außer einer nicht altersgerechten psychischen Entwicklung hätte, wenn der Kläger zu 2) im Herkunftsland die entsprechende Betreuung nicht mehr erhalten würde. In der mündlichen Verhandlung sowie in den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus dem Zwischenzeugnis der Jahrgangsstufe 3 der F* … Schule (B** K* …*) vom 5. März 2021, wurde deutlich, dass sich der Kläger zu 2) nur bis 14:00 Uhr in der Schule befindet und im Übrigen durch seine Familie betreut wird. Hinsichtlich des verschriebenen Medikaments Risperidon wird ebenfalls nicht klar, welche gesundheitlichen Auswirkungen ein Verzicht hierauf hätte, zumal dies ausweislich des Attests des Universitätsklinikums W* … vom 4. März 2020 wegen der starken Unruhe durch den Kinderarzt verschrieben worden sei. Jedenfalls ist der Wirkstoff auch in Nigeria, etwa in Apotheken in Lagos, vorhanden und für die Familie – jedenfalls bei Benutzung eines Nachahmerpräparats – bezahlbar, zumal der Familie potentiell zwei erwerbsfähige Personen, insb. die gut ausgebildete Tochter, zur Verfügung stehen werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigeria: Erkrankung von psychischen Erkrankungen vom 10. November 2017, S. 11).
Es ist dabei nichts dafür ersichtlich, dass im Südwesten Nigerias die reale Gefahr droht, in einen gewaltsamen Konflikt hineingezogen zu werden (vgl. VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A – juris). Das Gericht verkennt nicht, dass alleinstehende Frauen (mit Kindern) insbesondere im konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen diskriminiert werden. Ein Umzug in eine der südwestlichen Großstädte trifft alleinstehende Frauen in der Regel gleichwohl nicht übermäßig hart, zumal sie dort eher Akzeptanz erfahren. Zudem ist es auch für Frauen und alleinstehende Mütter üblicherweise möglich, Arbeit zu finden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, S. 16; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria, S. 53 ff.).
Auch wenn staatliche Unterstützungsleistungen nicht gewährt werden, ist das Gericht auch in Anbetracht der persönlichen Situation der Klägerin zu 1) davon überzeugt, dass diese unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten bei Unterstützung durch die Tochter die Möglichkeit haben wird, sich und ihrer Familie eine Existenzgrundlage aufzubauen und so jedenfalls ihre elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen. Dies wird Ihnen erst recht möglich sein, wenn der Klägerin zu 1) noch die Großfamilie in Nigeria zur Verfügung stehen sollte. Die Klägerin zu 1) hat in ihrer Anhörung erklärt, dass sie in Nigeria noch ihre gesamte Großfamilie habe und zu diesen Kontakt pflege. Dass die Klägerin zu 1) nunmehr vorträgt, sie habe keinen Kontakt mehr nach Nigeria, erscheint unter Verweis auf obige Ausführungen als unglaubhaft und asyltaktisch motiviert, zumal sie in der mündlichen Verhandlung keinen plausiblen Grund dafür vorbringen konnte, weshalb der Kontakt nicht mehr bestehe.
Die Klägerin zu 1) verfügt nach ihren Angaben über eine grundlegende Schulbildung und hat bereits im Herkunftsland im informellen Sektor gearbeitet, zudem hat sie in Deutschland als Reinigungskraft Geld verdient. Die im nigerianischen Vergleich gut ausgebildete Klägerin im Verfahren W 10 K 21.30395 hat in Deutschland ausweislich des Schriftsatzes des Bevollmächtigten vom 18. Mai 2020 die Berufsintegrationsklasse besucht, in der mündlichen Verhandlung hat sie zudem erklärt, ein Praktikum in einem Supermarkt zu haben und ein Jahr in einem Restaurant gearbeitet zu haben. Es ist somit nicht ersichtlich, dass es den gesunden und erwerbsfähigen Frauen nicht möglich sein wird, Fuß zu fassen und den Lebensunterhalt für sich und die Familie zu erwirtschaften. Dies wird ihnen erst recht möglich sein, wenn der Klägerin zu 1) noch die Großfamilie in Nigeria zur Verfügung stehen sollte.
Zudem gibt es in Nigeria zahlreiche Tätigkeiten, für deren Aufnahme kaum eigene Mittel erforderlich sind und die mit der Mutterrolle verbunden werden können und auch keiner besonderen Aus- oder Vorbildung bedürfen, da sie im Wege der Berufspraxis erlernt werden können (vgl. etwa BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria, S. 71 f.). Erforderlich und ausreichend ist insoweit zudem, dass die Klägerin zu 1) und ihre Tochter durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zum notwendigen Lebensunterhalt ihrer Familie Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; OVG NW, U.v. 17.11.2008 – 11 A 4395/04.A – juris Rn. 47). Durch ihre in Europa gesammelten Erfahrungen befinden sich die Klägerin zu 1) und ihre Tochter zudem in einer vergleichsweise guten Position, da sie und ihre Familie von diesen auch zukünftig in Nigeria profitieren können. Das Gericht hat daher keine Zweifel daran, dass es der Klägerin zu 1) bei Unterstützung durch die Klägerin im Verfahren W 10 K 21.30395 gelingen wird, die Existenz der Familie zu sichern, selbst wenn unter Umständen nur ein Leben am Rand des Existenzminimums möglich wäre.
Dies gilt umso mehr, als dem Gericht Erkenntnisse über internationale Bemühungen vorliegen, in Nigeria Zentren für Rückkehrer und Migrationsberatungszentren weiter auszubauen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, S. 26; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria, S. 78). Speziell hinsichtlich Frauen verfügt Nigeria über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen kümmern, ihnen bei der Reintegration helfen, als zentrale Anlaufstelle fungieren und auch eine mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) sowie Berufstraining anbieten (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria, S. 54 ff.; siehe dazu auch VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris). Überdies steht es den Klägern frei, ihre finanzielle Situation in Nigeria aus eigener Kraft zu verbessern und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen oder sich an karitative Einrichtungen vor Ort zu wenden, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten und erste Anfangsschwierigkeiten gut überbrücken zu können. So können nigerianische ausreisewillige Personen etwa Leistungen aus dem REAG-Programm, dem GARP-Programm, dem Reintegrationsprogramm ERRIN sowie dem „Bayerischen Rückkehrprogramm“ erhalten (https://www.returningfromgermany.de/de/countries/nigeria; http://www.lfar. bayern.de/assets/stmi/lfar/bayerische_richtlinie_zur_förderung _der_freiwilligen_rückkehr_-_bayerisches_rückkehrprogramm_-_vom_30.08.2019.pdf). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die Kläger nicht darauf berufen können, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es den Klägern möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Nigeria freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
An Vorstehendem ändert auch die weltweite COVID-19-Pandemie nichts, zumal die Kläger nicht substantiiert vorgebracht haben, dass und inwieweit ihnen persönlich aufgrund der Pandemie zum jetzigen Zeitpunkt eine konkrete Gefahr mit beachtlicher bzw. hoher Wahrscheinlichkeit drohen könnte.
Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln bzw. allgemein zugänglichen Quellen gibt es in Nigeria im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt 163.498 bestätigte Corona-Fälle. Davon sind 153.750 Personen genesen. Außerdem gibt es „lediglich“ 2.058 Todesfälle, wobei Nigeria eine zunehmend realistischere Kurve aufweist, auch wenn bei den Angaben die Dunkelziffer nach wie vor hoch sein und die Zahl der an dem Virus Infizierten bzw. Gestorbenen deutlich höher liegen mag (Stand: 9.4.2021; vgl. etwa Nigeria Centre for Disease Control, https://covid19.ncdc.gov.ng/; Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern [im Folgenden: Länderinformation COVID-19-Pandemie] vom Juni 2020, S. 27 ff.; BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage [im Folgenden: Kurzinformation zu COVID-19] vom 9.7.2020, S. 1, 3, 12 sowie vom 10.6.2020, S. 2; EASO, Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 10, 14 ff.). Jedoch bleibt der nigerianische Staat nicht tatenlos, wobei in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden (vgl. Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 27 ff.; BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 9.7.2020, S. 12 sowie vom 23.3.2020, S. 2). Eine landesweite nächtliche Ausgangssperre gilt nicht mehr, vielmehr gilt eine solche nur noch im Hauptstadtbezirk Federal Capital Territory und in Lagos von 0:00 bis 4:00 Uhr. Die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum gilt weiterhin. Bars und Nachtklubs bleiben weiterhin geschlossen. Menschenansammlungen mit mehr als 50 Personen bleiben grundsätzlich untersagt. Die Bundesstaaten können religiöse Versammlungen von mehr als 50 Personen unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen zulassen. Die Behörden können die Einhaltung der Maskenpflicht und von Bewegungsbeschränkungen jederzeit überprüfen, Verstöße sanktionieren und Temperaturmessungen an öffentlichen Orten durchführen. Einzelne Bundesstaaten haben Bewegungsbeschränkungen und Auflagen innerhalb der Bundesgrenzen verhängt. Für den Inlandsflugverkehr gelten bis auf die gängigen Abstands- und Hygieneregeln und eine Maskenpflicht derzeit keine Einschränkungen mehr. Die Flughäfen Abuja und Lagos wurden zwischenzeitlich auch für den regulären internationalen Flugverkehr wieder geöffnet. Auch die nigerianischen Landgrenzen sind mittlerweile offiziell wieder geöffnet, bei Grenzübertritt ist mit Behinderungen zu rechnen. Bei der Einreise sind Vorgaben etwa zu negativen Tests bzw. Quarantäne zu beachten (vgl. Auswärtiges Amt, Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 29.3.2021, abgerufen am 9.4.2021 unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788; Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 28 f.; BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 9.7.2020, S. 2 f., 6 ff. und vom 10.6.2020, S. 2 f., 4 ff.).
Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Nigeria aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert und wohl mehr als die Hälfte der geplanten Staatseinnahmen verloren gehen (vgl. Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 28 f.; BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 9.7.2020, S. 6 sowie vom 10.6.2020, S. 3, 8 f.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 15), hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung ausgegangen werden kann. Für den Eintritt einer dahingehenden Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Nigeria fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern des nigerianischen Staates erkennbar ist. So wurden verschiedene Maßnahmen zur Koordinierung und Unterstützung des „Nigeria Centre for Disease Control“ ergriffen. Ebenso gibt es Konjunkturpakete, um die Auswirkungen für Haushalte und Betriebe zu lindern; außerdem wurden Nahrungsmittel und Saatgut verteilt. Insbesondere Geschäfte, Banken, Märkte, Hotels und Unternehmen dürfen tagsüber mit Auflagen öffnen. Bei der Lebensmittelversorgung ist es zu keinen überdurchschnittlichen Engpässen gekommen, auch wenn in manchen Bereichen ein erheblicher Preisanstieg verzeichnet wurde (vgl. BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 9.7.2020, S. 9, 13 sowie vom 10.6.2020, S. 3, 8 f.; Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 28 f.; Auswärtiges Amt, Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 29.3.2021, abgerufen am 9.4.2021 unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788). Darüber hinaus hat der Internationale Währungsfonds Soforthilfen für Nigeria in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar gewährt (vgl. IWF vom 28.4.2020, https://www.imf.org/en/News/Articles/2020/04/28/pr20191-nigeria-imf-executive-board-approves-emergency-support-to-address-covid-19, abgerufen am 9.4.2021). Das Gericht geht zudem davon aus, dass gerade der für viele Nigerianer als Einnahmequelle bedeutende informelle Sektor nach dem Aufheben der vorübergehenden, nicht landesweit gleich strikten und im Übrigen bereits wieder gelockerten Ausgangsbeschränkungen, auch der Klägerin zu 1) und ihrer Tochter wieder zur Verfügung stehen wird (vgl. Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 28 f.; BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 9.7.2020, S. 6 ff., 12 f. und vom 10.6.2020, S. 3 ff., 8 f.). In der zweiten Jahreshälfte 2020 war bereits ein Wiederanziehen der Konjunktur feststellbar und für 2021 wird ein Wirtschaftswachstum von 2,2% erwartet (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria, S. 5 f., 69; Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 28 f.; BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 10.6.2020, S. 3 ff., 8 f.).
Gegebenenfalls können die Kläger auf private Hilfsmöglichkeiten oder Hilfsorganisationen zurückgreifen, so dass sie nicht völlig mittellos wären und sich in Nigeria etwa auch mit Medikamenten, Desinfektionsmitteln oder Gesichtsmasken versorgen könnten. Zudem könnten ihnen bei Bedarf diese Dinge für eine Übergangszeit mitgegeben werden (vgl. OVG NW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris; BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
2. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die hilfsweise beantragte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Weder die Vollstreckung oder die Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen vorliegend in Betracht. Für den erkennenden Einzelrichter bestehen überdies nach dem Vorgesagten keine Zweifel daran, dass den Klägern in Nigeria keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Weiterhin müssen sich die Kläger jedenfalls auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG. Auf obige Ausführungen wird vollumfänglich verwiesen.
Das Gericht verkennt dabei auch nicht, dass der Kläger zu 2) in Nigeria aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen möglicherweise Stigmatisierung erfahren kann.
In Nigeria leben nach WHO-Schätzungen (von 2011) 25 Mio. Menschen mit Behinderungen unterschiedlicher Art, was etwa 15% der Bevölkerung entspricht. Aussagekräftige Statistiken gibt es jedoch nicht. Nigeria unterstützt zwar offiziell die Bestrebungen der Vereinten Nationen zur Gleichbehandlung und Förderung von Behinderten. In der Realität sind jedoch Menschen mit Behinderungen weiterhin ein nicht voll anerkannter Teil der Gesellschaft und werden oft ausgegrenzt. Das geschieht umso öfter, je mehr die jeweilige Behinderung erkennbar ist. Zwar bemühen sich auch Nichtregierungsorganisationen bzw. nigerianische Dachorganisationen durch Hilfsprogramme und Lobbyarbeit, die Situation von Behinderten in Nigeria zu verbessern. Es handelt sich aber nur um punktuelle Hilfe, eine flächendeckende Verbesserung der medizinischen Versorgung und Fortschritte hinsichtlich der Integration von Behinderten in der Gesellschaft sind nicht festzustellen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, S. 23 f.).
Eine bloß mögliche Stigmatisierung allein genügt jedoch nicht, um für den Kläger zu 2) eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können, zumal ein konkreter Verfolgungsakteur weder vorgetragen noch ersichtlich ist (§§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c AsylG). Zwar waren die Beeinträchtigungen des Klägers zu 2) in der mündlichen Verhandlung für das Gericht erkennbar, er war sehr lebhaft, jedoch nie aggressiv, und hat hin und wieder laute Geräusche von sich gegeben. Der Kläger zu 2) wird bei lebensnaher Betrachtung jedoch auch nicht allein, sondern nur im Familienverband nach Nigeria, etwa in die Großstadt Lagos, zurückkehren, was eine Stigmatisierung für das Gericht nicht beachtlich wahrscheinlich erscheinen lässt.
3. Den Klägern steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung unterworfen werden. Insbesondere genügt nach der Rechtsprechung des EGMR der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht auszugleichen (EGMR, U.v. 27.5.2008 – Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich – NVwZ 2008, 1334 Rn. 44). Etwas anderes gilt nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen. Ein Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, liegt beispielsweise dann vor, wenn die Versorgungslage im Herkunftsland völlig unzureichend ist (vgl. EGMR, a.a.O. Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 – Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 – NJOZ 2012, 952).
Zwar ist dem Gericht bekannt, dass das Leben der Menschen in Nigeria von problematischen wirtschaftlichen Verhältnissen, einer schwierigen Versorgungslage und hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist. Etwa zwei Drittel der nigerianischen Bevölkerung lebt in extremer Armut (vgl. EASO, Special Report: Asylum Trends and COVID-19 vom 11.6.2020, S. 16). Der größte Teil der Bevölkerung ist von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist ungleichmäßig zwischen einer kleinen Elite, die von dem Ölreichtum des Lands profitiert, und der Masse der Bevölkerung verteilt. Viele Menschen haben keinen oder nur erschwerten Zugang zu Wasser und Strom. Ein staatlich organisiertes Hilfsnetz für Mittellose existiert ebenso wenig wie kostenlose medizinische Versorgung, die allen nigerianischen Staatsangehörigen zugänglich ist. Mittellose Personen sind regelmäßig auf die Unterstützung der Familie angewiesen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, S. 17, 24 f.). Gleichwohl liegt keine derart unzureichende Versorgungslage vor, die einen besonderen Ausnahmefall im genannten Sinne begründet, zumal die allgemeine Versorgungslage zwar deutlich hinter europäischen Standards zurückbleibt, sich insbesondere in den Großstädten aber tendenziell verbessert.
Das erkennende Gericht hat jedoch, wie ausgeführt, keine durchgreifenden Zweifel daran, dass es der gesunden und erwerbsfähigen Klägerin zu 1) mit der Unterstützung ihrer volljährigen, gesunden und erwerbsfähigen Tochter gelingen wird, die Existenz der Familie zu sichern, selbst wenn unter Umständen nur ein Leben am Rand des Existenzminimums möglich wäre. Dies hat die Klägerin zu 1) – wenn auch ohne ihre Kinder – bereits im Herkunftsland sowie auf der Flucht nach Europa unter Beweis gestellt, bei einer Rückkehr werden ihr die in Europa gemachten Erfahrungen ebenfalls zum Vorteil gereichen.
An vorgenannter Ansicht vermag der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bericht „The New Humanitarian, Nigerians returned from Europe face stigma and growing hardship“ vom 28. Juli 2020 wiederum nichts zu ändern. Ein einzelfallbezogener Vortrag, warum gerade im Fall der Kläger ein Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprächen, vorliegen sollte, fehlt. Darüber hinaus ist ein Ausnahmefall im dargestellten Sinne für den Einzelfall der Kläger auch nicht ersichtlich.
b) Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei ist unerheblich, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, die Regelung stellt alleine auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab, unabhängig davon, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – BVerwGE 99, 324). Es gilt der Gefahrenmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
aa) § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt das Vorliegen einer zielstaatsbezogenen Gefahr voraus, die den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betrifft. Eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheidet allerdings dann aus, wenn die Gefahr eine Vielzahl von Personen im Herkunftsland in gleicher Weise betrifft, so z.B. allgemeine Gefahren im Zusammenhang mit Hungersnöten oder Naturkatastrophen, § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Diese allgemeinen Gefahren sind stattdessen bei Aussetzungsanordnungen durch die obersten Landesbehörden nach § 60 Abs. 7 Satz 5 i.V.m. § 60a Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigen. Gleichwohl kann ein Ausländer nach der Rechtsprechung des BVerwG im Hinblick auf die im Herkunftsland herrschenden Existenzbedingungen trotz Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz beanspruchen, wenn er im Fall der Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG, dem betroffenen Ausländer im Wege verfassungskonformer Auslegung Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09, NVwZ 2011, 48 Rn. 14 f.). Wann sich allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot verdichten, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Es muss sich aber jedenfalls um Gefahren handeln, die nach Art, Ausmaß und Intensität von erheblichem Gewicht sind. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 ff. m.w.N.; BayVGH. U.v. 17.2.2009 – 9 B 08.30225 – juris m.w.N.; für den Fall einer schlechten Lebensmittelversorgung, die den Betroffenen im Fall der Rückkehr nach seiner speziellen Lebenssituation in die konkrete Gefahr des Hungertods bringen würde vgl. etwa: BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 -; BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 -; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 -; BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 -; BayVGH, U.v. 16.1.2014 – 13a B 13.30025 – alle juris). Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen.
Wie bereits dargestellt, ist die Versorgungslage in Nigeria problematisch. Die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage in Nigeria kann aber kein generelles Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen, da es sich hierbei um eine allgemeine Gefahr handelt, die einen Großteil der nigerianischen Bevölkerung betrifft, mit der Folge, dass grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG eingreift. Gleiches gilt für die derzeitige COVID-19-Pandemie. Ausgehend von den oben dargestellten Maßstäben kann alleine in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehende Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit angenommen werden, welche die allgemeine Gefahr zu einem Abschiebungsverbot verdichtet.
Dies gilt auch in Bezug auf zurückkehrende alleinstehende Frauen. Obwohl die nigerianische Verfassung die Gleichberechtigung von Frau und Mann garantiert, leiden viele Frauen in Nigeria unter geschlechtsspezifischer Diskriminierung. Insbesondere alleinstehende Frauen sind in besonderem Maß von dieser problematischen Lage in Nigeria und Diskriminierungen betroffen. Sie finden meist nur schwer eine Unterkunft und eine berufliche Tätigkeit in Nigeria, dies umso weniger, je geringer die Schul- bzw. Berufsausbildung ist. Mangels finanzieller oder sozialer Unterstützung durch den Staat sind häufig insbesondere junge Menschen und alleinstehende Frauen von der Unterstützung durch Familienangehörige oder Freunde abhängig. Die allgemein schwierigen Bedingungen werden auch im Urteil des VG Osnabrück vom 20. August 2020 (Az.: 4 A 304/17) betont, auf das die Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat Aus den vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt sich allerdings, dass es auch für den Personenkreis der alleinstehenden Frauen nicht gänzlich unmöglich bzw. ausgeschlossen ist, sich eine wirtschaftliche Grundexistenz zu schaffen, so etwa in größeren Städten im Südwesten des Lands, in denen alleinstehende Frauen eher akzeptiert werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, S. 16). Mancherorts existieren auch Hilfseinrichtungen bei verschiedenen Kirchengemeinden oder Nichtregierungsorganisationen, die verschiedene Hilfestellungen anbieten, deren Inanspruchnahme jedoch von dem persönlichen Wissen und Engagement der betroffenen Frau bzw. ihrer Zugehörigkeit zur jeweiligen Gemeinschaft abhängig ist. Ansonsten droht dieser Personengruppe nicht selten Prostitution und Menschenhandel. Dennoch ist davon auszugehen, dass auch in Nigeria die Möglichkeit, wirtschaftlich eigenständig alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter zu überleben, gegeben ist. Allein in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen kann sich deshalb die allgemeine Gefahr zu einem Abschiebungsverbot verdichten (vgl. dazu auch VG Augsburg, U.v. 3.9.2018 – Au 7 K 17.34983 -; VG Aachen, U.v. 3.7.2018 – 2 K 209/17.A -; U.v. 28.12.2017 – 2 K 2224/15.A -; VG München, U.v. 28.4.2014 – M 21 K 11.30680 -, jeweils juris). Eine solche Sachlage ergibt sich dabei nach obigen Ausführungen noch nicht allein daraus, dass es sich bei der Klägerin zu 1) um eine alleinstehende und alleinerziehende Frau handelt (vgl. etwa auch VG Augsburg, U.v. 20.2.2020 – Au 9 K 17.35117; U.v. 13.3.2019 – Au 7 K 17.35717; VG München, B.v. 29.5.2019 – M 32 S 18.30208; VG Würzburg, U.v. 21.12.2018 – W 10 K 18.31682 – jeweils juris).
Im Fall der Kläger kann eine derartige Extremgefahr nicht prognostiziert werden. Auch insoweit gilt, wie bereits ausgeführt, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass es der Klägerin zu 1) bei Unterstützung durch ihre volljährige, gesunde und erwerbsfähige Tochter möglich sein wird, die Lebensgrundlage der Familie – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern, auch wenn es sich bei diesen um Rückkehrer handelt. Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr für die Kläger, sich in Nigeria mit SARS-CoV-2 zu infizieren, nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht ist, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung die begründete Furcht ableiten lässt, sie würden in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage.
Eine solche extreme, konkrete Gefahrenlage ist für die Kläger im Hinblick auf die Verbreitung des „Coronavirus“ auch vor dem Hintergrund des erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrads für das Gericht nicht erkennbar. Die 1982 bzw. 2011 geborenen Kläger ohne erkennbare relevante Vorerkrankungen gehören nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19-Erkrankung, die nach den vorgelegten Attesten wohl im Bereich der autistischen Störungen anzusiedelnde Erkrankung des Klägers zu 2) führt nicht per se zur Zugehörigkeit zu einer Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren Verlauf (vgl. Robert Koch-Institut, Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html, Stand: 29.10.2020, abgerufen am 9.4.2021). Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in Nigeria derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher die Kläger angehören. Sie müssen sich letztlich, wie etwa Malaria, HIV, Masern, Cholera, Lassa-Fieber, Meningitis oder Tuberkulose, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs teilweise um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Coronavirus“ (vgl. Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 25 f.; EASO, Special Report: Asylum Trends and COVID-19 vom 11.6.2020, S. 14 f.; vgl. zu Malaria OVG NW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris), im Bedarfsfall auf die Möglichkeiten des – zugegebenermaßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems verweisen lassen, § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG (vgl. Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 25 f.; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Nigeria, S. 69 ff. und 73 ff.; Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, S. 23 ff.).
Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Ansteckungsgefahr mit dem „Coronavirus“ auch in Nigeria nicht in allen Landesteilen gleich hoch ist. Vielmehr gibt es erhebliche regionale Unterschiede beim Risiko, angesteckt zu werden (vgl. Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 27 f.; BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 9.7.2020, S. 6 ff. und 12 f. sowie vom 10.6.2020, S. 5 f., 8). Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuell persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske oder die Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Wie schon ausgeführt hat das Gericht weiter keine triftigen Anhaltspunkte, geschweige denn konkrete Belege, dass sich die Lebensverhältnisse und die humanitären Lebensbedingungen in Folge der COVID-19-Pandemie in Nigeria in der Weise verschlechtert hätten oder alsbald verschlechtern würden, dass generell für jeden Rückkehrer eine extreme Gefahr im oben zitierten Sinn mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen würde. Gerade angesichts der regionalen Unterschiede und dem unterschiedlichen Vorgehen der einzelnen Bundesstaaten bestehen weiterhin ausreichende Möglichkeiten, sich ein Existenzminimum zu erwirtschaften, so dass eine Rückkehr nach Nigeria zumutbar ist. Bei der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung kommt es zudem zu keinem Mangel, der über das übliche Maß hinausgehen würde (vgl. BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 9.7.2020, S. 9, 13 sowie vom 10.6.2020, S. 3, 8 f.; Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie vom Juni 2020, S. 28 f.; Auswärtiges Amt, Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 29.3.2021, abgerufen am 9.4.2021 unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788).
Nach alledem gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich Wirtschafts- und Versorgungslage der Bevölkerung trotz internationaler humanitärer Hilfe, trotz Gegensteuerns des nigerianischen Staats und trotz lokaler Hilfsbereitschaft infolge der Pandemie derart verschlechtern würde, dass die Klägerin zu 1) bei Unterstützung durch ihre volljährige Tochter nicht mehr in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie sicherzustellen (ebenso VG Würzburg, B.v. 1.7.2020 – W 8 S 20.30762; VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris; U.v. 29.5.2020 – 9 K 112/19.A – juris). Das Gericht verkennt dabei – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Nigeria. Diese betreffen jedoch nigerianische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
bb) Der Kläger zu 2) kann Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch nicht aufgrund gesundheitlicher Probleme beanspruchen.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen kann ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, angenommen werden. Erforderlich ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u. a. – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Insbesondere muss medizinische Versorgung im Herkunftsland nicht mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig sein, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
An die Substantiierung von Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet sind dabei wegen der erhöhten Missbrauchsgefahr strenge Anforderungen zu stellen. Auch schwerwiegende psychische Erkrankungen können nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: März 2017, § 60 AufenthG Rn. 90; OVG NW, B.v. 6.9.2004 – 18 B 2661/03 – NVwZ-RR 2005, 359).
Nach diesen Grundsätzen sind die in den vorgelegten Unterlagen und Attesten zum Ausdruck kommenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zu 2) nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot zu begründen. Die vorgelegten Atteste bescheinigen dem Kläger zu 2) das Vorliegen einer den Anforderungen des § 60 Abs. 7 AufenthG genügenden Erkrankung nicht. Im Attest des Universitätsklinikums Würzburg vom 13. Juni 2019 findet sich die bloße Verdachtsdiagnose, dass eine Intelligenzminderung unklaren Ausmaßes (F79.1) sowie frühkindlicher Autismus vorliege. Auch im Attest des Universitätsklinikums W* … vom 4. März 2020 findet sich zunächst die Verdachtsdiagnose, dass eine Intelligenzminderung unklaren Ausmaßes (F79.1) vorliege. Zwar findet sich unter der Überschrift „Diagnosen nach MBS“ die Diagnose frühkindlicher Autismus, ausweislich der Ausführungen auf Seite 3 des vorgelegten Attests handelt es sich dabei jedoch nicht um eine sicher feststehende Diagnose. Es wird festgehalten, dass die behandelnden Ärzte aus der Zusammenschau aus dem klinischen Eindruck und den anamnestischen Angaben vom Vorliegen einer Störung aus dem autistischen Spektrum, am ehesten von einem frühkindlichen Autismus ausgehen. Der Mangel einer sicher feststehenden Diagnose kommt auch darin zum Ausdruck, dass ein ICD-Code der Erkrankung nicht benannt wird. Auch im vorgelegten ärztlichen Bericht von Herrn S* … vom 11. April 2019 wird lediglich eine Verdachtsdiagnose gestellt. An dieser Einschätzung vermögen auch die sonstigen vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Bescheid des ZBFS vom 27. Februar 2020, nichts zu ändern. Im Bescheid des ZBFS vom 27. Februar 2020 wird zwar auf der Grundlage von „Autismus“ eine Behinderung mit einem Grad der Behinderung von 80 festgestellt, der Bescheid entfaltet jedoch keine Bindungswirkung für die vorliegende Prüfung eines Abschiebungsverbots. Es bleibt für das Gericht zudem unklar, welche ärztlichen Unterlagen dem Feststellungsbescheid zugrunde gelegt wurden, zumal es sich bei den vorgelegten Attesten im Wesentlichen um Verdachtsdiagnosen aus dem Spektrum autistischer Störungen handelte.
Selbst wenn man das Vorliegen einer autistischen Störung annehmen sollte, geht das Gericht nicht davon aus, dass sich die vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt. In den vorgelegten Attesten und Unterlagen finden sich bereits keine Ausführungen dazu, wie sich die geistige Behinderung des Klägers zu 2) bei Rückkehr ohne die hier gewährte Förderung auswirken würde. Zwar ist nach den in den Attesten beschriebenen Verhaltensweisen des Klägers zu 2) davon auszugehen, dass dieser einen besonderen Förderbedarf für eine altersgerechte Entwicklung aufweist. Die Atteste, insbesondere das Attest des Universitätsklinikums W* … vom 4. März 2020, stellen dabei in den Vordergrund, dass eine Betreuung in der Tagesstätte notwendig sei, damit der Kläger zu 2) soziale Fähigkeiten unter Gleichaltrigen ausbauen könne. Dies genügt jedoch nicht, um für den Kläger zu 2) eine konkrete erhebliche Gefahr im oben genannten Schweregrad annehmen zu können. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass die Nichtgewährung der Fördermaßnahmen zu einer Verschlimmerung im notwendigen Schweregrad führen würde, zumal es sich um ein dauerhaftes Leiden handelt. Inwiefern zielstaatsbezogene Umstände das dauerhafte Leiden des Klägers zu 2) im notwendigen Schweregrad verschlimmern würden, ist für das Gericht nicht ersichtlich.
Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die begonnene Medikation mit Risperidon im Herkunftsland nicht zur Verfügung stehen würde. Aus den vorgelegten Unterlagen geht für das Gericht schon nicht hervor, wie oft und in welchen Dosen der Kläger zu 2) das Medikament erhält. Der Wirkstoff Risperidon ist in Nigeria jedenfalls mit einer Dosierung von 2 mg erhältlich, in Apotheken in Lagos kostet eine Packung von 20 Tabletten mit einer Dosierung von 2 oder 3 mg 1500 Naira (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigeria: Behandlung von psychischen Erkrankungen vom 10. November 2017, S. 11). Zwar hat die Klägerin zu 1) in ihrer Anhörung beim Bundesamt angegeben, ihre finanzielle Lage sei sehr schlecht gewesen. Allerdings stehen der Klägerin zu 1) zur Finanzierung eines etwaigen Bedarfs potentiell zwei erwerbsfähige Personen zur Verfügung. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Tochter mit ihren in Deutschland erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten über eine im nigerianischen Vergleich weit überdurchschnittliche Bildung und damit die Möglichkeit zur Erwirtschaftung eines höheren Einkommens verfügt. Darüber hinaus finden sich in den vorgelegten Attesten und Unterlagen keine Hinweise darauf, welche Wirkungen die Medikation im Falle des Klägers zu 2) zeitigt und mit welchen Folgen zu rechnen wäre, sollte dieser die Medikamente nicht mehr erhalten.
Für das Gericht bestand auch weder aufgrund der vorgelegten Unterlagen, noch aufgrund des unmittelbaren Eindrucks in der mündlichen Verhandlung Anlass für eine weitere gerichtliche Amtsermittlung. Das Gericht ist in Anbetracht der persönlichen Situation des Klägers zu 2) und des Eindrucks, der von ihm in der mündlichen Verhandlung gewonnen werden konnte, vielmehr davon überzeugt, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) jedenfalls nicht den für die Zuerkennung eines Abschiebeverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG notwendigen Schweregrad aufweisen. Damit bleibt es bei der Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, dass der Abschiebung des Klägers zu 2) gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen.
Auch soweit die Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf verschiedene Urteile (BayVGH, U.v. 24.8.2010 – 11 B 08.30320; VG Göttingen, U.v. 10.12.2019 – A 4 66/18) zu dieser Problemstellung hingewiesen hat, vermögen diese Ausführungen an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern. Zwar ist der Klägerbevollmächtigten insoweit zuzugestehen, dass den Klägern in den zitierten Urteilen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG gewährt wurde. Bei der Frage, ob eine Erkrankung den nach § 60 Abs. 7 AufenthG erforderlichen Schweregrad aufweist, handelt es sich jedoch um Einzelfallentscheidungen. Im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. August 2010 (Az.: 11 B 08.30320) wurde für den Abschiebezielstaat Türkei ein Abschiebungsverbot für eine Person, die unter frühkindlichem Autismus litt und die Landessprache nicht sprach, gewährt. Wie aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. März 2019 (Az.: 10 ZB 18.33190 – juris Rn. 13 f.) hervorgeht, wurde damit jedoch gerade kein abstrakter Rechtssatz oder ein verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz aufgestellt, es bleibt bei einer Einzelfallbetrachtung, bei dem das Gericht vorliegend zu dem Ergebnis kommt, dass der für die Gewährung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG notwendige Schweregrad nicht vorliegt, zumal nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 10.12.2019 (Az.: A 4 66/18, am 9.4.2021 abgerufen unter https://www.asyl.net/rsdb/m27965/) ändert an vorgenannter Einschätzung nichts, auch insoweit handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Soweit im vorgenannten Urteil argumentiert wird, dem Kläger drohe ohne die ihm zuteilwerdenden Hilfsmaßnahmen eine ausgeprägte geistige Behinderung, die bis zu einer Verelendung führen werde, ist dem im vorliegenden Fall nicht zu folgen. Die Folgen einer mangelnden Behandlung im Herkunftsland wurden in den vorgelegten Attesten schon nicht in ausreichender Weise beschrieben, das Gericht ist auch in Anbetracht des Eindrucks, der von dem Kläger zu 2) in der mündlichen Verhandlung gewonnen werden konnte, vielmehr davon überzeugt, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht den für die Zuerkennung eines Abschiebeverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG notwendigen Schweregrad aufweisen.
4. Letztlich bestehen auch an der Rechtmäßigkeit der Ausreiseaufforderung und der auf § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG beruhenden Abschiebungsandrohung nach Nigeria keine Bedenken. Dies gilt auch im Hinblick auf die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) sind weder ersichtlich, noch vorgetragen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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