Verwaltungsrecht

Informelle Anhörung von Geistlichen im Asylprozess

Aktenzeichen  14 ZB 19.32912

Datum:
1.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14593
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Eine informelle Befragung von Zeugen (hier eines Paters) im Asylprozess begründet jedenfalls keinen asylberufungsrechtlich relevanten Verfahrensfehler iSd § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 VwGO.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein nicht eingeführtes Erkenntnismittel verwertet, ist  zur Darlegung der Gehörsrüge grundsätzlich erforderlich, dass angegeben wird, was im Einzelnen konkret vorgetragen worden wäre, wenn das Erkenntnismittel rechtzeitig in das Verfahren eingeführt worden wäre, und inwieweit ein solcher weiterer Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 2 K 17.32810 2019-06-05 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Gehörsverstoßes (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
1. Entgegen der klägerischen Einschätzung ist die Berufung nicht wegen einer überraschenden Art der Beweiswürdigung zuzulassen, weil das Verwaltungsgericht entgegen ständiger gerichtlicher Praxis, die in widersprüchlichem Vortrag ein Indiz für dessen Unwahrheit sehe, gerade den Gleichlaut der Angaben des Klägers beim Bundesamt und beim Verwaltungsgericht zu Lasten des Klägers gewertet habe.
1.1. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann sich aus dem Erlass einer Überraschungsentscheidung ergeben, wenn das Gericht, das allerdings auf den Inhalt der beabsichtigten Entscheidung regelmäßig nicht vorab hinweisen muss, auf eine rechtliche Sichtweise oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerwG, B.v. 15.10.2018 – 6 A 8.18 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn ein Tatsachengericht Schlussfolgerungen aus dem tatsächlichen Vorbringen zieht, die nicht den Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen und von ihm für unrichtig gehalten werden (BVerwG, B.v. 14.11.2007 – 10 B 47.07 – juris Rn. 16).
Dabei besteht auch im Asylprozess keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in Bezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und bewertet. Das folgt schon daraus, dass in aller Regel die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen der Schlussberatung des Gerichts vorbehalten bleiben und sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten entziehen. Das gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 14.11.2007 – 10 B 47.07 – juris Rn. 16). Selbst soweit ein Verwaltungsgericht gehalten sein sollte, tatsächlichen oder vermeintlichen Widersprüchen im Sachvortrag von Asylbewerbern durch Nachfragen im Einzelnen nachzugehen, folgen daraus keine weitergehende Anforderungen an eine gerichtliche Hinweispflicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 a.a.O. Rn. 5).
1.2. Entgegen der klägerischen Kritik hat das Verwaltungsgericht nicht aus dem Übereinstimmen der klägerischen Aussagen als solchem auf eine Unglaubwürdigkeit des Klägers geschlossen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht als Teil seiner Beweiswürdigung betont, dass der Kläger „sichtlich bemüht“ gewesen sei, seine Ausführungen im Wesentlichen gleichlautend „zu gestalten“ (UA S. 8 vierter Absatz Zeilen 7 bis 9). In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, es sei aufgrund des konkreten Aussageverhaltens davon überzeugt, der Kläger habe eine „erfundene“ Geschichte vorgetragen, „obwohl“ diese in wesentlichen Teilen gleichlautend gewesen sei (UA S. 8 vierter Absatz Zeilen 10 bis 12). An anderer Stelle spricht das Verwaltungsgericht von einer „konstruierten“ Vorfluchtgeschichte (UA S. 13 erster Absatz Zeile 7). All das spricht dafür, dass das Verwaltungsgericht nicht wegen des Gleichlauts der Aussagen als solchem, sondern – unter anderem (vgl. UA S. 8 ff.) – wegen der aus seiner Sicht „konstruierten“ Art des klägerischen Vortrags, bei dem der Kläger sich aus Sicht des Verwaltungsgerichts um den Gleichlaut der Aussagen sichtlich habe bemühen müssen, die klägerischen Schilderungen seiner Vorfluchtsituation trotz deren Gleichlauts nicht geglaubt hat. Diese verwaltungsgerichtlichen Erwägungen beziehen sich auf die konkrete Art und Weise des Vortrags des Klägers und weichen damit nicht von einer gefestigten verwaltungsgerichtlichen Praxis ab, zumal es keine Praxis und auch keine rechtliche Vorgabe gibt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), bereits aus dem bloßen Gleichlaut von Aussagen auf deren Glaubhaftigkeit zu schließen, und erscheinen insoweit deshalb nicht überraschend. Jedenfalls setzt sich die Antragsbegründung mit diesen Aspekten nicht näher auseinander und genügt insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG.
2. Die klägerische Rüge, das Verwaltungsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung als Zeugen angehörten Pater und seine Aussagen nicht erwähnt, rechtfertigt eine Berufungszulassung wegen eines Gehörsverstoßes in Form übergangenen Sachvortrags nicht.
2.1. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) kann darin liegen, dass entscheidungserheblicher Vortrag von einem Gericht nicht zur Kenntnis genommen wird oder unerwogen bleibt (BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85 u.a. – BVerfGE 83, 216/229 f.). Allerdings sind die Gerichte nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88 – BVerfGE 79, 51/61 m.w.N.). Dies ist nur der Fall, wenn Tatsachen oder Tatsachenkomplexe übergangen werden, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerwG, B.v. 1.10.1993 – 6 P 7.91 – NVwZ-RR 1994, 298 m.w.N.).
2.2. Derartiges ist mit der besagten klägerischen Rüge schon deshalb nicht hinreichend dargelegt, weil die Antragsbegründung verkennt, dass der Pater vom Verwaltungsgericht gerade nicht „förmlich“ als Zeuge vernommen, sondern nur informell gehört worden ist – es wurde kein zugehöriger Beweisbeschluss gefasst, der Pater wurde nicht förmlich zur Person vernommen, nicht belehrt, hinsichtlich seiner Aussagen wurden weder eine Genehmigung noch Einwendungen protokolliert und es wurde nicht über die Frage einer Beeidigung entschieden. Eine derartige informelle Äußerung steht einer Zeugenvernehmung weder formell noch inhaltlich gleich (vgl. BVerwG, B.v. 12.4.2006 – 6 PB 1.06 – juris Rn. 15 m.w.N.), womit sich die Antragsbegründung aber nicht auseinandersetzt und damit nicht darlegt, weshalb es sich dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen sollen, gerade auf diese bloß informelle Anhörung explizit einzugehen. Dabei ist zu sehen, dass der Pater unter anderem betonte, es sei ihm bislang nicht untergekommen, dass jemand bereit sei, hinsichtlich einer Lüge reinen Tisch zu machen, das Verwaltungsgericht aber dem Umstand, dass der Kläger von einer (seinerseits eingeräumten) Lüge seine Registrierung betreffend Abstand genommen hat, gerade keine Bedeutung für die Frage der klägerseits begehrten Flüchtlingsanerkennung beigemessen hat (UA S. 13 erster Absatz Zeilen 9 bis 13), worauf wiederum die Antragsbegründung nicht näher eingeht.
2.3. Der Umstand, dass eine informelle Zeugenbefragung, wie sie das Verwaltungsgericht vorgenommen hat, jedenfalls der Zivilprozessordnung, auf die § 98 VwGO verweist, im Bereich der Beweiserhebung über materiell-rechtlich maßgebliche Vorgänge fremd und dort nur bei dem sog. Freibeweis zugänglichen Themenbereichen wie etwa Zulässigkeitsvoraussetzungen zulässig ist (BGH, U.v. 19.2.1998 – I ZR 20/96 – juris Rn. 33 m.w.N.) und eine informelle Befragung von Zeugen – anders als eine informelle Befragung von Beteiligten (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.2012 – juris Rn. 4 m.w.N.) – auch im Verwaltungsprozess in der Literatur durchgehend für unzulässig gehalten wird (vgl. Raabe, NVwZ 2003, 1193/1194; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 98 Rn. 8; Kothe/Redeker in Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 86 Rn. 12, § 98 Rn. 16), führt vorliegend schon deshalb nicht zur Berufungszulassung, weil selbst bei Annahme eines Verstoßes darin jedenfalls keiner der in § 138 VwGO (i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) genannten Verfahrensfehler liegen würde. Unabhängig davon ist gegen die bloß informelle Anhörung des Paters klägerseits auch keine Rüge erhoben worden.
Der Frage, ob trotz der eindeutigen zivilprozessualen Lage für informelle Zeugenbefragungen im Verwaltungsprozess noch ein Raum bleiben kann, etwa im Hinblick auf § 86 Abs. 1 VwGO, ist deshalb an dieser Stelle nicht weiter nachzugehen.
3. Nicht zur Berufungszulassung wegen eines Gehörsverstoßes in Form übergangenen Sachvortrags führt auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die zahlreichen Stellungnahmen von Christen, die den Kläger längere Zeit kannten und mit ihm lebten, nicht berücksichtigt, weil es diese Stellungnahmen zwar im Tatbestand aufgeführt und darin enthaltene Äußerungen zu christlichen Tätigkeiten des Klägers anerkannt habe, aber auf die dortigen Ausführungen zur Glaubensentwicklung und der Hinwendung des Klägers zu Jesus Christus nicht eingegangen sei.
Insoweit genügt die Antragsbegründung den Darlegungsanforderungen schon deshalb nicht, weil sie nicht präzise benennt, auf welche der im Tatbestand genannten aktenkundigen Stellungnahmen genau sie sich bezieht. Dabei ist zu sehen, dass im Tatbestand (UA S. 3 erster Absatz Zeilen 21-31) insgesamt sieben Dokumente aufgelistet werden und aus der Antragsbegründung selbst nicht eindeutig erkennbar ist, bei welcher dieser Stellungnahmen es sich hätte aufdrängen sollen, darauf noch deutlicher einzugehen als geschehen, zumal in der Antragsbegründung auch nicht explizit festgehalten ist, welche konkreten inhaltlichen Ausführungen der jeweiligen Stellungnahme übergangen worden sein sollen. Soweit in der Antragsbegründung (dort S. 2 bis 7) die Klagebegründung referiert und dabei unter anderem von zahlreichen christlichen Ehrenamtlichen und Pfarrern die Rede ist, die den Kläger seit seiner Ankunft begleitet hätten, sowie benannte Zeugen namentlich aufgelistet werden (Antragsbegründung S. 7 unten), erschließt sich daraus nicht, auf welche dieser Personen sich die besagte Rüge übergangener Stellungnahmen zur Glaubensentwicklung des Klägers (Antragsbegründung S. 9) beziehen soll.
Unabhängig davon befasst sich die Antragsbegründung auch nicht damit, dass das angegriffene Urteil (UA S. 8 dritter Absatz) gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug nimmt, der sich seinerseits (dort S. 9 dritter Absatz) explizit mit vorgelegten kirchlichen Schreiben befasst hat.
4. Soweit die Antragsbegründung eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Klägers als eines eher „schlicht“ denkenden Menschen mit lediglich geringer Schuldbildung vermisst, ist schon unklar, ob sie damit überhaupt einen Gehörsverstoß geltend macht, wobei zu sehen ist, dass im Asylprozess der Berufungszulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gerade nicht vorgesehen ist.
Selbst wenn eine Gehörsrüge auch insoweit vorliegen sollte, würde sich die Antragsbegründung jedenfalls auch insoweit nicht hinreichend mit dem Verweis des angegriffenen Urteils (UA S. 8 dritter Absatz) auf den streitgegenständlichen Bescheid (dort S. 9 dritter Absatz) auseinandersetzen, der sich der in den kirchlichen Schreiben geäußerten Vermutung einer „kindlichen, naiven Einstellung“ des Klägers nicht angeschlossen hatte, womit sich die Antragsbegründung wiederum nicht auseinandersetzt.
5. Schließlich ist die Berufung auch nicht zuzulassen, soweit ein Gehörsverstoß gerügt wird, weil das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil auf eine zuvor nicht in das Verfahren eingeführte Mitteilung der Zentralen Ausländerbehörde vom 13. Juli 2016 gestützt sei.
5.1. In der Antragsbegründung wird im Ausgangspunkt zutreffend kritisiert, dass das angegriffene Urteil (UA S. 12 dritter Absatz) bei seiner Gesamtwürdigung unter anderem darauf abstellt, iranischen Asylbewerbern sei bekannt, dass eine Abschiebung gegen ihren Willen nahezu unmöglich sei, was sich aus einer Auskunft der zentralen Ausländerbehörde vom 13. Juli 2016 ergebe, und dass dieses Erkenntnismittel zuvor weder mit der mit der Ladung übersandten Erkenntnismittelliste noch in der mündlichen Verhandlung noch auf sonstige Weise in das Verfahren einbezogen worden war. Auch der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene streitgegenständliche Bescheid erwähnt dieses Erkenntnismittel nicht.
Damit ist das Verwaltungsgericht dem Gebot, den Beteiligten grundsätzlich zu allen vom Gericht für entscheidungserheblich gehaltenen Erkenntnismitteln rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2 VwGO), nicht gerecht geworden (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 1 B 161.04 – juris Rn. 3).
5.2. Gleichwohl kommt vorliegend eine Zulassung der Berufung aus diesem Grund nicht in Betracht, weil die Antragsbegründung nicht hinreichend darlegt, was seitens der Klagepartei vorgetragen worden wäre, wenn das Verwaltungsgericht seine kritisierte und überraschend dem Schlussurteil zugrunde gelegte Annahme im Rahmen des rechtlichen Gehörs mitgeteilt hätte.
5.2.1. Eine § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügende Darlegung einer Gehörsrüge erfordert neben Ausführungen zu den Umständen, aus denen sich das Vorliegen einer Gehörsversagung ergibt, grundsätzlich auch die substantiierte Darlegung, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre, und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 2.4.1985 – 3 B 75.82 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 165 m.w.N.; B.v. 14.4.2005 – 1 B 161.04 – juris Rn. 3; zu den Ausnahmen vgl. VGH BW, B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 20 m.w.N.).
5.2.2. Entgegen dieser Anforderung hat die Antragsbegründung hier aber nicht näher dargelegt, was klägerseits im Einzelnen konkret vorgetragen worden wäre, wenn das Verwaltungsgericht das besagte Erkenntnismittel rechtzeitig in das Verfahren eingeführt hätte, und inwieweit ein solcher weiterer klägerischer Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
5.2.3. Es ist vorliegend auch kein Grund ersichtlich, von dieser aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG folgenden Darlegungsanforderung ausnahmsweise abzusehen.
So betrifft der gerügte verwaltungsgerichtliche Gehörsverstoß nicht etwa das Gesamtergebnis des Verfahrens, wie es etwa bei einer fehlerhaft ohne mündliche Verhandlung oder bei einer ohne Teilnahmemöglichkeit aller Beteiligten durchgeführten mündlichen Verhandlung oder bei verweigerter Akteneinsicht der Fall sein könnte (vgl. VGH BW, B.v. 4.7.1997 – 13 S 973/97 – ESVGH 47, 275; B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 20 m.w.N.; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 124a Rn. 114 a.E.).
Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es der Klagepartei objektiv unzumutbar gewesen wäre, binnen der Rechtsmittelfrist Ausführungen darüber zu machen, was sie im Falle einer ordnungsgemäßen Gewährung rechtlichen Gehörs insoweit vorgetragen hätte (vgl. zu diesem Kriterium VGH BW, B.v. 18.9.2017 – A 11 S 2067/17 – juris Rn. 20 m.w.N.). Insbesondere ist der gerügte verwaltungsgerichtliche Gehörsverstoß nicht vergleichbar mit Fällen, in denen eine Schlussentscheidung vollständig auf zuvor nicht in das Verfahren einbezogene gerichtliche Entscheidungen und die in diesen genannten Erkenntnismittel gestützt wird und es der Klagepartei dann nicht zumutbar wäre, sich innerhalb der Rechtsmittelfrist von allen herangezogenen Gerichtsentscheidungen Kenntnis zu verschaffen, diese „durchzuarbeiten“ und sich mit ihnen in der Antragsbegründung auseinanderzusetzen (vgl. VGH BW, B.v. 18.8.2017 – A 11 S 1740/17 – DVBl 2017, 1379 Rn. 8).
6. Soweit in der Antragsbegründung die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung als solche gerügt wird, scheidet eine allein darauf gestützte Gehörsverletzung aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grundsätze der Beweiswürdigung in der Regel schon nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 10 B 19.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Nr. 67 Rn. 4 m.w.N.). Zwar kann die Beweiswürdigung ausnahmsweise verfahrensfehlerhaft i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein, wenn sie objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Auch bei einer mit derart schweren Mängeln behafteten Sachverhaltswürdigung liegt aber ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO nur bei spezifisch auf das rechtliche Gehör bezogenen Fehlern vor, etwa wenn bei einer Entscheidung ein aktenwidriger Vortrag zugrunde gelegt wird (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 30.85 – NJW 1988, 275) oder sich das Gericht einer sachlichen Auseinandersetzung mit entscheidungserheblichem Vorbringen entzieht (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 3 B 40.14 u.a. – LKV 2015, 30 Rn. 4).
Vorliegend ist Letzteres aber nicht anzunehmen (siehe 1. bis 4.) bzw. führt im Hinblick auf das nicht eingeführte Erkenntnismittel – wie gezeigt (siehe 5.) – die besagte Kritik an der Beweiswürdigung trotz des Vorliegens einer Überraschungsentscheidung mangels hinreichender Darlegung dessen, was im Fall einer Gehörsgewährung vorgetragen worden wäre, gerade nicht zu einer Berufungszulassung wegen eines Gehörsverstoßes, weshalb die Berufung insoweit auch im Hinblick auf die Beweiswürdigung in diesem Zusammenhang nicht zuzulassen ist.
7. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben