Verwaltungsrecht

Interne Schutzmöglichkeit vor einer drohenden Genitalverstümmelung in Nigeria

Aktenzeichen  W 8 K 20.30551

Datum:
5.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28976
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, S. 6
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. In Nigeria besteht eine interne Schutzmöglichkeit vor einer drohenden Genitalverstümmelung, indem man sich in einem städtischen Gebiet niederlässt, in welchem die Beschneidungspraxis nicht mehr verbreitet ist, wie etwa in Lagos, wo die Genitalverstümmelung die absolute Ausnahme darstellt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nigeria verfügt speziell für Frauen über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen kümmern, ihnen bei der Reintegration helfen, als zentrale Anlaufstelle fungieren und auch eine mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) sowie Berufstraining anbieten. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Möglichkeit der Ansteckung mit Infektionskrankheiten für in Deutschland geborene Kleinkinder mit einem schlechter entwickelten Immunsystem stellt in Nigeria mangels einer solchen Abschiebestopp-Anordnung allenfalls eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 6 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG grds. nicht rechtfertigen kann.  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 12. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht kommt aufgrund der zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismittel auf der Basis des Vorbringens der Klägerin, ebenso wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, dass der Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria keine politische Verfolgung nach § 3 AsylG oder ein ernsthafter Schaden gemäß § 4 AsylG bzw. eine erhebliche Gefahr nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines ernsthaften Schadens liegt dann vor, wenn die dafürsprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr eines ernsthaften Schadens entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Der Klägerin ist es nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin bzw. ihrer Eltern sowie der weiteren zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine (politische) Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden drohte oder bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Das Bundesamt für … hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt: Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass der Klägerin im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Genitalverstümmelung drohe. Die Eltern seien gegen die Beschneidung. Die Hauptrolle spiele in erster Linie die Mutter. Dass Mädchen ohne Einwilligung der Mutter von Verwandten einer weiblichen Genitalverstümmelung unterzogen würden, sei zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Grundsätzlich sei von der Schutzfähigkeit und -willigkeit des nigerianischen Staates auszugehen. Für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht seien, gebe es Schutz und/oder Unterstützung staatlicher Stellen und NGOs. Betroffene könnten auch auf sichere Weise in andere Teile Nigerias übersiedeln, wo es unwahrscheinlich sei, dass sie von Familienangehörigen aufgespürt werden würden. Somit bestehe die Möglichkeit internen Schutzes. Die Klägerin könne keinen Schutz von ihren Eltern oder ihrem Bruder ableiten. In Nigeria existierten Hilfseinrichtungen. Es gebe die Möglichkeit von Rückkehr- und Starthilfen sowie von Reintegrationsprogrammen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit bestehe, ökonomisch eigenständig und alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter zu überleben. Die Eltern der Klägerin seien arbeitsfähig. Ihnen könne zugemutet werden, für sich und die Klägerin durch Gelegenheitsarbeiten das erforderliche Existenzminimum zu erwirtschaften. Zudem verfügten die Eltern über verwandtschaftliche Beziehungen, auf deren Hilfe und Unterstützung sie bei einer Rückkehr zurückgreifen könnten.
Diese Ausführungen decken sich mit den vorliegenden Erkenntnissen bzw. Erkenntnisquellen des Gerichts, insbesondere zur Gefahr, Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung – FGM – (vgl. dazu auch Entscheiderbrief 7/2020 S. 4 ff.) in Nigeria zu werden. In einigen Regionen – meist ländlichen Regionen – im Südwesten und der Region Süd-Süd ist die Genitalverstümmelung noch weit verbreitet; hingegen kommt sie im Norden eher weniger vor. Die weibliche Genitalverstümmelung ist in Nigeria mittlerweile durch Bundesgesetz unter Strafe gestellt. Außerdem wird in Nigeria durch Aufklärungskampagnen versucht, einen Bewusstseinswandel einzuleiten, wobei es erhebliche regionale Unterschiede gibt. Die Genitalverstümmelung ist insgesamt rückläufig – landesweit unter 20%. Für Opfer von Genitalverstümmelungen gibt es Schutz und/oder Unterstützung durch staatliche Stellen und NGOs. Je gebildeter die Eltern sind, desto unwahrscheinlicher ist, dass sie ihre Kinder beschneiden lassen. Wenn der Vater – wie hier – die Mutter bei ihrer Weigerung unterstützt, das gemeinsame Kind beschneiden zu lassen, dann können die Eltern dies im Regelfall auch verhindern (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 44 f.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 15; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Nigeria: Verbreitung von FGM, rechtliche Bestimmungen und Organisationen vom 9.3.2020). Aufgrund dieser Erkenntnislage und gerade angesichts der Beteuerung der Eltern der Klägerin, diese nicht beschneiden lassen zu wollen, ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass in Nigeria eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr einer Genitalverstümmelung der Klägerin besteht (ebenso VG Augsburg, U.v. 20.2.2020 – Au 9 K 17.35117 – juris; BayVGH, B.v. 20.11.2019 – 10 ZB 19.33495 – juris; jeweils m.w.N.).
Nach Überzeugung des Gerichts steht der Klägerin bei einer Rückkehr jedenfalls eine interne Schutzmöglichkeit zur Verfügung.
Der Klägerin (zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder) ist es jedenfalls möglich und zumutbar, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen, in welchem sie (wie auch ihre Eltern) vor eventuellen privaten Personen – insbesondere im Hinblick auf eine eventuell drohende Gefahr der Genitalverstümmelung – sicher wäre (vgl. § 3e, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Die Klägerin kann sich beispielsweise in einer der zahlreichen Großstädte Nigerias niederlassen. Sie genießt Freizügigkeit in ganz Nigeria, so dass sie ihren Wohn- und Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen kann. Wenn die Klägerin den jeweiligen Heimatort ihrer Eltern meidet, ist es unwahrscheinlich, dass diese in einer anonymen Großstadt nach mehrjähriger Abwesenheit außerhalb der Heimatregion aufgefunden würden, zumal Nigeria etwa 200 Millionen Einwohner hat, eine Fläche von 925.000 m² aufweist und dabei nicht über ein funktionsfähiges Meldesystem verfügt. Grundsätzlich besteht nach der Erkenntnislage in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Der Klägerin ist ein Umzug in einen anderen Landesteil Nigerias auch zumutbar. Zwar geht aus den vorliegenden Erkenntnissen hervor, dass ein Umzug in einen anderen Landesteil unter Umständen mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein kann, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem sie kein soziales Umfeld haben. Insbesondere familiären Bindungen kommt in der nigerianischen Gesellschaft eine gesteigerte Bedeutung zu (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 53 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 16, 21). Die Klägerin könnte jedoch im Fall der Rückkehr nach Nigeria – wie auch schon vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid zutreffend ausgeführt – auch ohne solche Bindungen zusammen ihren Eltern oder einem Elternteil in einer der zahlreichen Großstädte ziehen, in denen ihre Eltern bzw. ein Elternteil eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit aufnehmen und ihren Lebensunterhalt erwirtschaften könnten. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin bzw. ihre Eltern im Falle einer freiwilligen Rückkehr sowohl Start- als auch Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen können. Zudem haben sich ihre Eltern auch schon in der Vergangenheit mit einfachen Arbeiten beholfen. Sie haben berufliche Erfahrungen gesammelt und sind auch mit den Umständen in Nigeria vertraut. Somit ist davon auszugehen, dass sich die Eltern für sich und die Klägerin ihren Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums erwirtschaften können (VG Augsburg, U.v. 6.8.2020 – Au 9 K 20.30436 – juris; U.v. 23.7.2020 – Au 9 K 20.30569 – juris; U.v. 22.7.2020 – Au 9 K 20.30375 – juris; B.v. 12.5.2020 – Au 9 S 20.30507 – juris; B.v. 10.3.2020 – Au 9 S 20.30327 – juris; B.v. 4.3.2020 – Au 7 K 18.31993 – juris; B.v. 20.2.2020 – Au 9 K 17.35117 – juris; B.v. 16.1.2020 – Au 9 K 19.30382 – juris; VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris; U.v. 29.5.2020 – 9 K 112/19.A – juris; OVG NRW, B.v. 15.4.2020 – 19 A 915/19.A – juris; B.v. 18.3.2020 – 19 A 147/20.A – juris; B.v. 2.1.2020 – 19 A 183/18.A – juris; VG München, B.v. 20.3.2020 – M 8 S 19.34200 – juris; B.v. 13.12.2019 – M 12 S 19.34141 – juris; VG Karlsruhe, B.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris; VG Kassel, B.v. 21.1.2020 – 6 L 2648/19.KS.A – juris).
Vorstehendes gilt insbesondere auch für eine interne Schutzmöglichkeit vor einer drohenden Genitalverstümmelung, indem man sich in einer sonstigen Gegend oder in einem städtischen Gebiet niederlässt, in welchem die Beschneidungspraxis nicht mehr verbreitet ist, wie etwa in Lagos, wo die Genitalverstümmelung die absolute Ausnahme darstellt (so ausdrücklich VG Augsburg, U.v. 20.2.2020 – Au 9 K 17.35117 – juris m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.11.2019 – 10 ZB 19.33495 – juris).
Ergänzend ist anzumerken, dass Nigeria speziell für Frauen über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen verfügt, die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen kümmern, ihnen bei der Reintegration helfen, als zentrale Anlaufstelle fungieren und auch eine mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) sowie Berufstraining anbieten (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria vom 20.5.2020, S. 44 ff.; siehe dazu auch VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris).
Das Gericht geht bei seiner Beurteilung davon aus, dass die Klägerin zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder zurückkehrt. Gerade auch unter diesem Aspekt hält es das Gericht für möglich, dass sich die Mutter der Klägerin bzw. die Eltern der Klägerin eine Existenz für sich und ihre Kinder in zumutbarer Weise sichern können (VG Cottbus, B.v. 11.6.2020, 9 L 231/20.A – juris). Insofern ist bei realitätsnaher Betrachtung im Rahmen der Gefährdungsprognose vom Regelfall der Annahme einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband auszugehen (OVG NRW, B.v. 15.4.2020 – 19 A 915/19.A – juris m.w.N.). Auch und gerade der Vater bzw. die Mutter der Klägerin können zusätzlich durch eigene Erwerbstätigkeit zum Familienunterhalt beitragen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass beide über verwandtschaftliche Beziehungen verfügen, auf die sie nötigenfalls zurückgreifen könnten. Letztlich ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin im Falle einer Rückkehr nach Nigeria in einer extremen Situation befände, dass sie sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre, wenn auch möglicherweise gewisse Anfangsschwierigkeiten zu überwinden sein mögen.
Des Weiteren ist auch in dem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass abgesehen von privaten Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen auch auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgegriffen werden kann. So hat die Klägerin (über ihre Eltern) die Option, ihre finanzielle Situation in Nigeria aus eigener Kraft zu verbessern, um Startschwierigkeiten bei einer Rückkehr besser zu überbrücken. Gegen diese Möglichkeiten kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass Start- bzw. und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehr, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung, erfolgen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris).
Ernstliche Zweifel ergeben sich nach den vorstehenden Ausführungen des Weiteren nicht mit Bezug auf § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, auch nicht im Hinblick auf eventuelle gesundheitlichen Aspekte. Auch insofern kann das Gericht auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides Bezug nehmen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die befürchteten Infektionserkrankungen infolge des schlechten Immunsystems wegen der Geburt in Europa rechtfertigen nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlichen und schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen. Mit der Präzisierung des Gesetzgebers, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern, wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Dass der Klägerin solche Gefahren drohen, ist nicht ersichtlich. Die gesunde Klägerin hat zwar nicht von Beschwerden berichtet, jedoch auf befürchtete Infektionskrankheiten infolge ihres in Europa schlechter ausgebildeten Immunsystems verwiesen. Sie hat aber dazu keine qualifizierten ärztlichen Atteste im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG vorgelegt. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, aber nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, wonach der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Gegebenenfalls ist die Klägerin gehalten, im Bedarfsfall die Möglichkeiten des – zugegebener Maßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 25 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 56 ff. und S. 59 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, v. 16.1.2020, S. 22 ff.) auszuschöpfen. Gegebenenfalls kann sie auch auf private Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen sowie auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgreifen, so dass sie nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch Medikamente besorgen könnte. Abgesehen davon könnten der Klägerin bei Bedarf für eine Übergangszeit auch Medikamente mitgegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Ergänzend wird weiter angemerkt, dass das Vorbringen der Klägerin, dass sie infolge ihres schlechter entwickelten Immunsystems aufgrund ihrer Geburt und ihres Lebens in Europa künftig einer erhöhten Gefahr von Infektionskrankheiten (z.B. Malaria) ausgesetzt wäre, auch deshalb nicht zur Annahme eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führt, weil es sich dabei um eine allgemeine Gefahr handelt.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Die Möglichkeit der Ansteckung mit Infektionskrankheiten für in Deutschland geborene Kleinkinder mit einem schlechter entwickelten Immunsystem stellt in Nigeria mangels einer solchen Abschiebestopp-Anordnung allenfalls eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn es zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke, d.h. zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage erforderlich ist (vgl. etwa BVerwG, 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris; Dollinger in Bergmann/ Dienelt, Ausländerecht, 13. Auflage 2020, § 60 AufenthG, Rn. 100 m.w.N.). Die drohende Gefahr, dass sich die Klägerin in Nigeria mit einer Krankheit, wie etwa Malaria, infiziert, muss nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. – juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage den baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – juris sowie VG Augsburg, U.v. 6.8.2020 – Au 9 K 20.30436 – juris; VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris mit Bezug auf VG Bayreuth, U.v. 21.4.2020 – B 8 K 17.32211; OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.; vgl. auch schon etwa VG Würzburg, U.v. 29.6.2020 – W 8 K 20.30256 – juris m.w.N.).
Die aktuell gesunde Klägerin hat vorgebracht, dass sie als in Deutschland geborenes und aufgewachsenes Kleinkind bei einer Rückkehr nach Nigeria einem erhöhten Risiko einer Infektion ausgesetzt sei. Zwar ist zu berücksichtigen, dass Nigeria ein Hochrisikogebiet für Malariaerkrankungen ist und dass Kinder unter fünf Jahren insoweit besonders gefährdet sind, da ihr Immunsystem noch nicht völlig ausgebildet ist und die statistische Sterblichkeitsrate bei Kindern besonders hoch ist. Gerade in Malaria-Übertragungsgebieten besteht eine erhöhte Gefahr für Kinder, die im Ausland geboren wurden und dort aufgewachsen sind. Gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit an Malaria erkrankt und zusätzlich schwere Folgen davontragen wird. Denn es gibt die Möglichkeit der Prophylaxe, etwa auch durch Mückengitter und Moskitonetze, durch Kleidung oder durch Cremes und Sprays usw. zum Auftragen auf die Haut. Zudem ist Malaria auch behandelbar, wobei nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat der in der Bundesrepublik Deutschland entspricht (vgl. § 60 Abs. 7 Sätze 4 und 5 AufenthG). Die Klägerin beruft sich des Weiteren nur auf das Risiko einer möglichen künftigen Neuerkrankung. Diese allgemeine Gefahr betrifft indes alle gesunden Rückkehrer nach Nigeria in ihrer Altersgruppe (wobei sie in ca. einem halben Jahr ihr fünftes Lebensjahr vollendet) gleichermaßen. Ein Abschiebungsverbot käme – wie ausgeführt – nur bei einer extremen Gefahrenlage in Betracht, wenn die Klägerin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Zudem müsste die Erkrankung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung stehen. Eine solche extreme Gefahrenlage ist nach Auffassung des Gerichts zurzeit nicht feststellbar. Das Gericht schließt sich der Rechtsprechung an, die ein Abschiebungsverbot verneint und nimmt darauf im Einzelnen Bezug (vgl. VG Augsburg, U.v. 6.8.2020 – Au 9 K 20.30436 – juris; OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris; VG Düsseldorf, U.v. 6.8.2019 – 27 K 7378/18.A – juris, jeweils m.w.N.; noch offengelassen, aber mit Bedenken VG Münster, B.v. 24.9.2020 – 5 L 783/20.A – juris).
An der Beurteilung ändert auch die weltweite COVID-19-Pandemie nichts. Insbesondere rechtfertigt die weltweite COVID-19-Pandemie keine andere Beurteilung in Bezug auf das Vorliegen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. zuletzt etwa VG Würzburg, U.v. 21.9.2020 – W 8 K 20.30310 – juris; U.v. 10.8.2020 – W 8 K 20.30485 – juris; ebenso VG Cottbus, U.v. 1.9.2020 – 9 K 507/18.A – juris; U.v. 18.8.2020 – 9 K 1502/19.A – juris; VG Saarland, U.v. 24.8.2020 – 3 K 1819/19 – juris; VG Augsburg, U.v. 6.8.2020 – Au 9 K 20.30436 – juris; U.v. 23.7.2020 – Au 9 K 20.30569 – juris; U.v. 22.7.2020 – Au 9 K 20.30375 – juris; VG Stuttgart, U.v. 29.7.2020 – A 7 K 2895/20 – juris).
Denn die weltweite COVID-19-Pandemie begründet kein Abschiebungshindernis, weil nach der in aktuellen Fallzahlen in Nigeria – auch im Vergleich zu Deutschland -, wie sie das Gericht in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat (siehe Sitzungsprotokoll S. 3), keine hohe Wahrscheinlichkeit der Gefahr der Ansteckung oder sogar eines schweren oder lebensbedrohlichen Verlaufs besteht, so dass nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria krankheitsbedingt einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben oder sonst einer extremen materiellen Not mit der Gefahr der Verelendung ausgesetzt wäre. Dies gilt gerade, wenn die Klägerin die vom nigerianischen Staat getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sowie individuelle Schutzmaßnahmen (Einhaltung von Abstand, Hygieneregeln, Mund-Nasen-Schutz-Masken usw.) beachtet und die bestehende Hilfemöglichkeiten in Anspruch nimmt, zumal der nigerianische Staat nicht tatenlos geblieben ist und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sowie Hilfemaßnahmen getroffen hat.
Konkret hat die Klägerin keinerlei Angaben gemacht, wie sich aktuell die Lage zur Ausbreitung von COVID-19 in Nigeria darstellt, insbesondere wie viele Menschen sich dort mit dem zugrunde legenden Krankheitserreger Sars-CoV-2 infiziert haben, hierdurch schwer erkrankt oder gar verstorben sind, von wie vielen Ansteckungsverdächtigten derzeit auszugehen ist, welche Schutzmaßnahmen mit welcher Effektivität der nigerianische Staat zur Eindämmung der Pandemie ergriffen hat, um beurteilen zu können, ob und welcher Wahrscheinlichkeit für eine möglicherweise befürchtete Ansteckung mit COVID-19 im Fall einer Rückkehr besteht. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen, zu der auch eine eventuelle – bei der Klägerin nicht gegebene – Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe gehört (vgl. OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris).
Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Nigeria aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert (vgl. tagesschau.de, Corona-Pandemie: Kommt Afrika glimpflich davon? vom 20.8.2020; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 15; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 und S. 8 f. bzw. vom 9.7.2020, S. 3 und S. 13; auch Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www…com/politik/international /pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896.html), hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder Art. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden kann.
Für den Eintritt einer dahingehenden Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Nigeria fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern des nigerianischen Staates erkennbar ist. So wurde ein Notfallfonds für das „Nigeria Centre for Disease Control“ eingerichtet, ebenso wie Konjunkturpakete, um die Auswirkungen für Haushalte und Betriebe zu lindern; außerdem wurden Nahrungsmittel verteilt (tagesschau.de, Corona-Pandemie: Kommt Afrika glimpflich davon? vom 20.8.2020; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 und S. 8 f. bzw. vom 9.7.2020, S. 3 und S. 13; https://reliefweb.int/report/nigeria/nigeria-humanitarian-fund-allocation-covid-19-and-humanitarian-response, vom 16.6.2020; https://www…com/26444/coronavirus-recession-in-nigeria-likely-despite-measures-in-place/, vom 20.4.2020). Darüber hinaus hat der internationale Währungsfonds Soforthilfen für Nigeria in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar gewährt (https://www…org/en/News/Articles/2020/ 04/28/pr20191-nigeria-imf-executive-board-approves-emergency-support-to-address-covid-19, vom 28.4.2020). Das Gericht geht zudem davon aus, dass gerade der für viele Nigerianer als Einnahmequelle bedeutende informelle Sektor nach dem Aufheben der vorübergehenden, nicht landesweit gleich strikten und im Übrigen bereits wieder gelockerten Ausgangsbeschränkungen (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; etwa https://www…com/2020/06/01/nigeria-coronavirus-hub-updates-covid-19/; https://www…de/de/laenderberichte/detail/-/content/nigeria-seit-vier-wochen-im-lockdown) auch der Klägerin bzw. ihren Eltern wieder zur Verfügung stehen wird (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 ff. und 8 f. bzw. 9.7.2020, S. 1 ff. und 12 f.; Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www…com/politik/international/pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896.html).
Es gibt keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich Wirtschaft und Versorgungslage der Bevölkerung trotz internationaler humanitärer Hilfe, trotz Gegensteuerns des nigerianischen Staates und trotz lokaler Hilfsbereitschaft infolge der Pandemie derart verschlechtern würde, dass die Eltern der Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, den Lebensunterhalt und das Existenzminimum für sich und die Klägerin sicherzustellen (ebenso VG Cottbus, U.v. 1.9.2020 – 9 K 507/18.A – juris; U.v. 18.8.2020 – 9 K 1502/19.A – juris; B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris; U.v. 29.5.2020 – 9 K 112/19.A – juris; VG Saarland, U.v. 24.8.2020 – 3 K 1819/19 – juris; VG Stuttgart, U.v. 29.7.2020 – A 7 K 2895/20 – juris).
Das Gericht verkennt – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Nigeria. Diese betreffen jedoch nigerianische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Anordnung und Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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