Verwaltungsrecht

“Kaum vertretbar” in Prüfungsarbeit

Aktenzeichen  AN 2 K 18.00169

Datum:
21.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34338
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JAPO § 12 Abs. 2
StGB § 249 Abs. 1, § 253 Abs. 1, § 255
BGB § 130, § 133, § 358 Abs. 3, § 826
BayBO Art. 66 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Klage auf Aufhebung des Prüfungsbescheids wegen Nichtbestehens der Ersten juristischen Staatsprüfung ist zulässig, aber sachlich nicht begründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Verfahrens- oder Bewertungsfehler liegen nicht vor. (Rn. 27 – 60) (redaktioneller Leitsatz)
2. Formelle Verfahrensfehler unterliegen der vollständigen gerichtlichen Überprüfung und müssen substantiiert vorgetragen werden. Ein Prüfungsmangel, der durch Störgeräusche eines in der Nähe der Klausurräume angebrachte Metalldetektor auftritt, muss rechtzeitig schriftlich gerügt werden, § 12 Abs. 2 JAPO. Er ist verspätet, wenn seit dem Abschluss des Teils des Prüfungsverfahrens, der mit Mängeln behaftet war, ein Monat verstrichen ist.  (Rn. 36 – 38, 29 und 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die prüfungsspezifischen Bewertungen wie z. B. die Einschätzung des Schwierigkeitsgrads der konkreten Aufgabe sowie die Einordnung der konkreten Prüfungsleistung in das Beurteilungssystem des Prüfers, sind dagegen aufgrund des Grundsatzes der Chancengleichheit im Prüfungsrecht nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Die Grenze findet sich im Willkürverbot. Zudem muss der Fehler kausal für das Ergebnis sein.  (Rn. 30 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Bewertung einer Prüfungsleistung ist es ausreichende, wenn die tragenden Gründe für die Bewertung der Klausuren zum Ausdruck kommen. Eine Bewertung muss keine ausführliche, auf alle Rechtsfragen eingehende Lösung implizieren, sondern den Prüfling in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam geltend zu machen und konkrete Einwendungen anbringen zu können. Angaben zum Schwierigkeitsgrad und der Gewichtung der einzelnen Teile zueinander müssen nicht vom Prüfer gemacht werden. So ist es nicht die Aufgabe eines Prüfers, beanstandete Fehler in einer Klausur im Einzelnen zu belegen und die Konsistenz der von ihm erwarteten und zugrunde gelegten richtigen Lösung im Einzelnen nachzuweisen und zu dokumentieren, z.B. eine falsch berechnete Frist vorzurechnen. (Rn. 40 – 42, 44, 46 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
5. Weichen die beiden Korrektoren wesentlich in ihrer Bewertung voneinander ab, z. B. bewegen sie sich nicht innerhalb der gleichen Notenstufe, sind höhere Anforderungen an die Begründungspflicht zu stellen als wenn die Beurteilung innerhalb der gleichen Notenstufe verbleibt. So ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Zweitbewerter dem Erstkorrektor anschließt, z. B. mit der Bemerkung „einverstanden“. Auch die Bezeichnung „kaum vertretbar“ ist neutral, da damit weder eine als falsch und somit als negativ zu bewertende Aussage getroffen wird.  (Rn. 43) (Rn. 47) (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheids des Staatsministeriums der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – vom 2. Januar 2018 sowie die Verpflichtung, sie den staatlichen Teil der Prüfung ganz oder teilweise wiederholen zu lassen, hilfsweise eine Neubewertung der Aufsichtsarbeiten Nrn. 1, 2, 3, 4 und 6 zu veranlassen. Diese Klage ist zulässig, sachlich aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die angegriffenen Verfahrens- und Bewertungsfehler liegen im Ergebnis nicht vor.
Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Berufszugangsprüfungen verpflichtet die Untersuchungsmaxime das Gericht zur Erforschung des Prüfungsgeschehens, soweit der klägerische Vortrag in konkreter und substantiierter Form Indizien für Verfahrensfehler oder Bewertungsmängel enthält.
Wenn der Substantiierungspflicht gegenüber dem Gericht Genüge getan ist oder sich Hinweise auf Fehler dem Gericht anderweitig aufdrängen, sind hinsichtlich der verschiedenen Fehlertypen unterschiedliche Kontrollmaßstäbe anzuwenden. Der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegen insbesondere formale Aspekte, z. B. Verfahrensfehler in den Phasen der Leistungsermittlung und -bewertung. Hierzu zählen insbesondere Rügen im Hinblick auf Prüfungsunfähigkeit des Prüflings, Befangenheit eines Prüfers, das Vorliegen äußerer Störungen sowie das Fehlen einer hinreichenden schriftlichen Begründung des Prüfungsergebnisses.
Hinsichtlich vorgetragener materieller Bewertungsfehler ist zu differenzieren:
Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG garantiert jedem Bürger die tatsächliche Wirksamkeit gerichtlicher Kontrolle, woraus grundsätzlich die Pflicht der Verwaltungsgerichte abgeleitet wird, angefochtene Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen (BVerwGE 84, 34/49). Da Prüfungsnoten nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern von einem durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer aus ihrer Examenspraxis entwickelten Bezugssystem abzuleiten sind, wäre die durch einen Verwaltungsprozess eröffnete singuläre Kontrolle außerhalb und unabhängig des Vergleichsrahmens der übrigen Prüflinge mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar, der Prüflingen soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien garantiert. Demzufolge gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht für prüfungsspezifische Wertungen einen die gerichtliche Kontrolle einschränkenden administrativen Entscheidungsspielraum.
Danach unterliegen mangels Vorliegens prüfungsspezifischer Wertungen bestimmte materielle Rügen, z. B. die Verkennung des anzuwendenden Rechts sowie die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts bzw. die nicht vollständige Kenntnisnahme der zu beurteilenden Leistung der richterlichen Vollkontrolle. Demgegenüber betreffen Rügen, wie z. B. die Einschätzung des Schwierigkeitsgrads der konkreten Aufgabe sowie die Einordnung der konkreten Prüfungsleistung in das Beurteilungssystem des Prüfers, prüfungsspezifische Wertungen, die der Letztentscheidungskompetenz der Prüfungsbehörden überlassen bleiben.
Derartige Wertungsfragen sind aber nicht gänzlich gerichtlicher Kontrolle entzogen, sondern müssen sich an allgemeinen Bewertungsgrundsätzen messen lassen und unterliegen der Willkürkontrolle. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden.
Auch bei festgestellten Prüfungsfehlern kommt eine gerichtliche Korrektur durch Aufhebung des Prüfungsbescheides nur dann in Betracht, wenn sich die festgestellten Fehler auf die Notengebung und damit auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt haben können.
Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich für die Rügen der Klägerin Folgendes:
I.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf Fehler im Prüfungsverfahren berufen und hat demzufolge weder einen Anspruch auf Wiederholung der gesamten schriftlichen Prüfung noch auf eine Wiederholung der Aufgabe 6. Im Rahmen ihrer Klagebegründung hat sie vorgetragen, es habe sich während sämtlicher Aufsichtsarbeiten ein Metalldetektor in unmittelbarer Nähe der Klausurräume befunden, der immer wieder für ca. zehn Minuten erhebliche Störgeräusche verursacht und die Konzentrationsfähigkeit der Klägerin dadurch deutlich beeinträchtigt habe. In der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2018 hat die Klägerin diesen Vorwurf dahingehend präzisiert, dass die Lärmbeeinträchtigung sich während der 6. Klausur ereignet habe. Zu Beginn der Klausur, aber auch während der Klausur, sei jeweils für mehrere Minuten ein unangenehmer Lärm aufgrund des Einsatzes des Detektors bei einzelnen Prüflingen entstanden. Die Prüfungsaufsicht habe im Anschluss an die reguläre Arbeitszeit eine Schreibzeitverlängerung von zehn Minuten gewährt.
Der Sache nach wird hierdurch ein Mangel im Verfahren zur Ermittlung der Leistungen und Fähigkeiten des Prüflings geltend gemacht. Ein derartiger Prüfungsmangel hat jedoch grundsätzlich nur dann rechtserhebliche Konsequenzen, wenn er von dem betroffenen Prüfling rechtzeitig gerügt worden ist. Dementsprechend sieht auch die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) in § 12 Abs. 2 vor, dass ein Antrag auf Wiederholung der Staatsprüfung oder einzelner Teile bei Vorliegen von Verfahrensmängeln unverzüglich schriftlich beim Landesjustizprüfungsamt zu stellen ist und ausgeschlossen ist, wenn seit dem Abschluss des Teils des Prüfungsverfahrens, der mit den Mängeln behaftet war, ein Monat verstrichen ist. Die schriftlichen Prüfungen fanden vorliegend im Zeitraum vom 6. September 2017 bis 13. September 2017 statt. Ein entsprechender Antrag wurde von der Klägerin nicht gestellt und ist mittlerweile verfristet. Ein Prüfling ist – selbst dann, wenn dies durch die einschlägige Prüfungsordnung nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist – verpflichtet, Prüfungsmängel, die sich seiner Meinung nach zu seinem Nachteil auswirken, unverzüglich zu rügen. Dies ergibt sich aus der Pflicht des Prüflings, an der ordnungsgemäßen Durchführung des Prüfungsverfahrens mitzuwirken. Er handelt widersprüchlich und gegen den auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben, wenn er sich der Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Prüfungsverfahrens entzieht. Das Erfordernis, Prüfungsmängel im Rahmen des Zumutbaren unverzüglich zu rügen, soll nach Sinn und Zweck zum einen für eine zuverlässige, zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts Gewähr bieten, zum anderen spekulatives Verhalten des Prüflings weitestgehend ausschließen. Entgegen dem klägerseitigen Vorbringen kann auch nicht von einer Unzumutbarkeit einer unverzüglichen Rüge ausgegangen werden, da die Prüfungsbehörde die ihr nicht unbekannt gebliebene Lärmbeeinträchtigung im Wege des Nachteilsausgleichs durch eine Schreibzeitverlängerung von zehn Minuten kompensiert hat und mithin von der Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Ablaufs im Prüfungsverfahren ausgehen konnte. Die Klägerin wäre daher mit ihrer Behauptung, die Schreibzeitverlängerung sei unzureichend gewesen, verpflichtet gewesen, sich nach den oben genannten Grundsätzen mit ihrer Rüge an die Prüfungsbehörde zu wenden.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die behauptete Lärmbeeinträchtigung und den aus ihrer Sicht unzureichenden Nachteilsausgleich erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses im Rahmen der Klagebegründung und somit eindeutig verspätet beanstandet.
II.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsarbeiten 1, 2, 3, 4 und 6 zu, da deren materielle Bewertung nicht zu beanstanden ist.
Prüfungsarbeit Nr. 1
Die zivilrechtliche Klausur 1 wurde sowohl vom Erstkorrektor als auch vom Zweitkorrektor jeweils mit 2 Punkten (mangelhaft) bewertet.
Unzutreffend ist die Auffassung der Klägerin, die Erstkorrektur sei nicht ausreichend begründet worden. Die Begründungspflicht dient dem Zweck, es dem Prüfling zu ermöglichen, Einwände gegen die Benotung wirksam vortragen zu können und eine gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen. Hierbei sind allerdings keine überspannten Anforderungen, etwa an die Ausführlichkeit der Begründung, zu stellen. Es genügt auch eine kurze Begründung, wenn die tragenden Punkte für die Bewertung zum Ausdruck kommen. Die Bewertung des Erstkorrektors besteht im vorliegenden Fall aus einem dreiseitigen Begründungsblatt, welches eine mit Randbemerkungen versehene Lösungsskizze und eine abschließende handschriftliche, zusammenfassende Würdigung beinhaltet. Insbesondere aus der Lösungsskizze wird ersichtlich, dass der Großteil der im Sachverhalt angelegten Probleme von der Klägerin nicht bearbeitet wurde. Dies wird durch die Verwendung von Fehlzeichen auf den beiden Seiten der Lösungsskizze ersichtlich. Auf diese nimmt die am Ende auf Seite 3 der Begründung verfasste zusammenfassende Würdigung Bezug, wenn dort auf „weitreichende Lücken, Fehler und Mängel“ hingewiesen wird. Entgegen dem klägerseitigen Sachvortrag muss eine Bewertung keine ausführliche, auf alle Rechtsfragen eingehende Lösung implizieren, sondern den Prüfling lediglich in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam geltend machen und konkrete Einwendungen anbringen zu können, was die Klägerin jedoch im Rahmen der Klagebegründung unterlassen hat. Der Vortrag beschränkt sich im Wesentlichen auf abstrakt-generelle Floskeln über eine behauptete Unzulänglichkeit der Bewertungsbegründung. Nicht erforderlich ist es auch, dass der Bewerter ausdrücklich Angaben zum Schwierigkeitsgrad und der Gewichtung der einzelnen Teile zueinander macht. Eine Gewichtung ergibt sich im Übrigen für die streitgegenständliche Klausur bereits anhand des Bewertungsbogens, der den Umfang der zu bearbeitenden Probleme erkennen lässt.
Der Erstkorrektor hat ferner auch Abweichungen der Klägerin von der erwarteten Lösung erkannt und in die Bewertung mit einbezogen, da er entsprechende Vermerke in der Lösungsskizze angebracht hat. Dies wird erkennbar durch die Randbemerkungen in Teil I, Frage 1, A.1., wo er die Annahme des Dienstvertrages einträgt oder unter Teil II, A., 1., wo er die Prüfung des § 826 BGB vermerkt.
Nachdem der Zweitbewerter nicht von der Note der Erstkorrektur abgewichen ist, ist es auch nicht rechtsfehlerhaft, dass er sich zur Begründung seines Votums mit der Bemerkung „einverstanden“ begnügte (vgl. Niehues/Fischer, Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl., Rn. 605).
Prüfungsarbeit Nr. 2
Soweit mit der Klage erneut die fehlende Angabe des Schwierigkeitsgrads und der Schwerpunkte der Klausur moniert wird, kann auf die vorstehenden Ausführungen zu Aufgabe 1 verwiesen werden.
Die Bewertung ist auch nicht deswegen fehlerhaft, weil der Erstkorrektor auf Seite 3, 5. Absatz seiner Bewertung vorab darlegt, dass die Klägerin von den Rechtsfragen der Klausur zu wenige Punkte erkannt hat. Dieser einleitende Satz kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Der Erstkorrektor beurteilt in seiner vierseitigen Begründung die Leistung der Klägerin vielmehr ausführlich und geradezu vorbildlich, indem er zunächst einen allgemeinen Erwartungshorizont voranstellt, um dann im Einzelnen auf die generellen Klausurprobleme sowie auf die individuelle Lösung der Klägerin einzugehen.
Die Feststellung des Erstprüfers auf Seite 3 der Bewertung, dass die Klägerin entgegen der Aufgabenstellung mit der Frage nach der Entstehung eines Anspruchs beginne, ist nicht zu beanstanden. Insoweit verkennt die Klage den wie folgt lautenden Bearbeitervermerk: „Das Gutachten von Rechtsanwalt R. ist zu erstellen. In dem Gutachten, in dem – gegebenenfalls hilfsgutachterlich – auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen ist, ist zu prüfen, ob zwischen Berger und der L-GmbH ein Vertrag besteht und welche Möglichkeiten Berger gegebenenfalls hat, sich von diesem Vertrag zu lösen.“ Damit ist nach Auffassung des Gerichts eindeutig klargestellt und somit auch zu Recht kritisiert, dass das Gutachten zunächst das Bestehen des Vertrages und in einem weiteren Schritt die Möglichkeiten des Lösens von diesem Vertrag beinhalten soll. Die Klägerin beginnt hingegen die Klausurlösung mit dem Punkt „wirksamer Vertrag zwischen B und L“, um dann unter „A. Anspruch entstanden“ weiter zu prüfen, ohne dass insofern klar ist, was die Klägerin mit dem Prüfungspunkt „Anspruch entstanden“ darstellen will, da sie keine Rechtsgrundlage nennt und auch in der späteren Bearbeitung darauf nicht mehr eingeht. Zu Recht wird ihr auch vorgehalten, dass sie eine „unnötig ausführliche Prüfung des Vertragsschlusses durch Angebot und Annahme zwischen B und L“ vorgenommen habe. Hinsichtlich des Vertragsschlusses waren im Klausursachverhalt keine größeren Probleme angelegt, weshalb eine derart ausführliche Erörterung nicht notwendig war. Auch wenn ein Gutachten zu erstellen war, das auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen hatte, hätte die Klägerin sich entweder kürzer fassen oder ihre Ausführungen zweckmäßigerweise in das Hilfsgutachten verlagern müssen. In welchem Umfang eine Rechtsfrage aufgeworfen und mit einer Begründung versehen zu beantworten ist, ist dem eigentlichen Bewertungsvorgang, d. h. der Zuordnung der festgestellten Leistungen zu einem standardisierten Leistungsbild, einer gerichtlichen Kontrolle entzogen und beruht allein auf den persönlichen Einschätzungen der Prüfer. Vorliegend kann sich jedoch auch zur Überzeugung der Kammer die Klägerin der Kritik, einer angemessenen Schwerpunktsetzung in der Aufgabenstellung nicht mächtig zu sein, nicht entziehen.
Fehlerfrei ist auch die Bewertung der Ausführungen der Klägerin zur Anwendung des § 358 BGB als „kaum vertretbar“. Insoweit verkennt die Klägerin, dass aus Sicht von B nur eine Beteiligung an einem der Verträge (Leasingvertrag) besteht. Ein Abstellen auf den Kaufvertrag des Leasinggebers (L-GmbH) und dem Lieferanten der Leasingsache (AV-OHG) ist dabei wegen der nur zwischen den Vertragsparteien bestehenden Wirkung des Vertrages nicht möglich. Zudem hat der Prüfer auch nur festgestellt, dass unnötigerweise das Vorliegen verbundener Verträge im Sinne von § 358 Abs. 3 BGB geprüft worden und kaum vertretbar das Vorliegen der Voraussetzungen bejaht worden sei, was im Sachverhalt nicht als Problem angelegt gewesen sei, da laut Bearbeitervermerk nur das Loslösen von einem Vertrag zu prüfen gewesen sei. Dass der Korrektor die Darstellung der Klägerin nicht als falsch und somit als negativ bewertet hat, erschließt sich gerade auch aus dem Wortlaut „kaum vertretbar“. Insofern dürfte dieser Aspekt auch nicht für das Klausurergebnis als kausal anzusehen sein.
Ebenfalls zu Recht kritisieren die Bewerter, dass die Klägerin fehlerhafte Ausführungen zur Widerrufsfrist gemacht hat. Zum einen verkennt die Klägerin, dass das Widerrufsrecht der B auf §§ 506 Abs. 1 Satz 1, 495 Abs. 1 BGB beruht, nicht jedoch wegen eines „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags“ besteht. Ein Widerrufsrecht besteht für einen solchen Vertrag gemäß § 312 g Abs. 3 BGB nicht, wenn dem Verbraucher bereits aufgrund der §§ 495, 506 BGB ein Widerrufsrecht zusteht. Bei dem Leasingvertrag handelt es sich um eine entgeltliche Finanzierungshilfe im Sinne des § 506 Abs. 1 Satz 1 BGB. In diesem Fall wird die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB durch § 356 b BGB modifiziert. Da im Klausursachverhalt in dem Leasingvertrag kein Hinweis auf das Widerrufsrecht enthalten ist, mangelt es an den Pflichtangaben der §§ 506 Abs. 1 Satz 1, 492 Abs. 2 BGB. Die Widerrufsfrist beginnt nach § 356 b Abs. 2 Satz 1 BGB erst mit Nachholung dieser Angaben zu laufen. Eine Nachholung fand jedoch nicht statt. Im Übrigen ist auch die Fristberechnung der Klägerin auf Seite 8 ihrer Ausführungen unzutreffend. Als Vertragsschluss wird hierbei der 30. Juli 2017 benannt. Eine Erläuterung von Fristbeginn und -ende erfolgt jedoch nicht. Der Korrektor ist zudem in seiner Bewertung nicht verpflichtet, eine zu Unrecht angenommene und im Ergebnis falsch berechnete Frist entsprechend vorzurechnen. Maßgeblich ist allein die Pflicht des Bewerters, die Fehler der Bearbeitung zu benennen und die Arbeit insgesamt einer Bewertung zuzuführen.
Ebenfalls ohne Erfolg beanstandet die Klage die Feststellung des Erstkorrektors als fehlerhaft, wonach das Ergebnis der Klägerin, dass es sich bei dem Kraftfahrzeug nicht um eine neu hergestellte Sache im Sinne von § 309 Nr. 8 b BGB handle, nicht vertretbar sei. Der Klausursachverhalt enthält keine Informationen darüber, ob das Fahrzeug alters- oder nutzungsbedingte Gebrauchserscheinungen hatte. Ebenso wenig ist eine Nutzung als Ausstellungsfahrzeug sowie eine Straßenzulassung vorgegeben. Zudem lässt die Lösung der Klägerin auch nicht erkennen, dass sie von dem Vorliegen eines Ausstellungsfahrzeugs ausgegangen ist. Sie begründet ihre Auffassung ausschließlich mit dem Zusatz „da Auslaufmodell“, was aber in dieser Zwangsläufigkeit nicht vertretbar ist.
Prüfungsarbeit Nr. 3
Soweit die Klage hier wiederum fehlende Angaben zum Schwierigkeitsgrad, dem Erwartungshorizont der Prüfer sowie der Gewichtung der Aufgabenstellungen moniert, kann auf die vorstehenden Ausführungen, insbesondere zu Aufgabe 1, verwiesen werden. Die zweiseitige Lösungsskizze mit den handschriftlichen Bemerkungen sowie die abschließende Würdigung lassen die Bewertung nachvollziehbar erscheinen und machen Aussagen deutlich, wo die Stärken und die Schwächen der Bearbeitung lagen. Auch die geltend gemachten Einwendungen bezüglich der Zweitbewertung vermögen nicht durchzudringen. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich nicht um eine wesentliche Abweichung der Bewertung handelt, da die vergebenen 9 bzw. 7 Notenpunkte sich innerhalb der gleichen Notenstufe „befriedigend“ bewegen. Höhere Anforderungen an die Begründungspflicht können nach der Rechtsprechung der Kammer bei diesen geringen Abweichungen allenfalls zwischen zwei verschiedenen Notenstufen gestellt werden, insbesondere zwischen 4 und 3 Punkten, die unter Umständen, wenn es um die Einhaltung der Hälfteklausel geht, zwischen Bestehen und Nichtbestehen entscheiden können. Zudem lässt auch die Zweitkorrektur in ihrer zusammenfassenden Würdigung hinreichend erkennen, aus welchen Gründen von der Erstbewertung abgewichen wird. Der Zweitkorrektor stellt besonders heraus, dass für ihn die Ausführungen zum Rücktritt eine erhebliche Schwäche der Arbeit darstellen und eine Herabwürdigung um 2 Notenpunkte rechtfertigen.
Prüfungsarbeit Nr. 4 Wie auch bei den vorangegangenen Prüfungsarbeiten verkennt auch hier die Klagebegründung in grundsätzlicher Weise die Obliegenheiten und Anforderungen eines Prüflings im Rahmen der Anfechtung der Bewertung einer Prüfung mit Berufszugangscharakter. Es ist gerade nicht die Aufgabe eines Prüfers, beanstandete Fehler in einer Klausur im Einzelnen zu belegen und die Konsistenz der von ihm erwarteten und zugrunde gelegten richtigen Lösung im Einzelnen nachzuweisen und zu dokumentieren. Vielmehr ist der Prüfling gehalten, gegebenenfalls unter Angabe einschlägiger Fundstellen die Vertretbarkeit der vom Bewerter kritisierten Ausführungen in substantiierter Weise nachzuweisen. Daran fehlt es auch hinsichtlich der Prüfungsarbeit Nr. 4.
Die dem schriftlichen Votum vorangestellte Lösungsskizze ist nicht zu beanstanden. In dieser sind die in der Klausur angelegten Probleme aufgezählt und mit entsprechenden Randbemerkungen versehen, welche bezeichnen, ob die einzelnen Problematiken von der Klägerin zutreffend behandelt wurden. Auch inhaltlich stößt die vom Erstkorrektor vorgenommene Bewertung nicht auf rechtliche Bedenken. Der Erstkorrektor hat zutreffend die Verneinung der Fremdheit des Geldes im Rahmen der Prüfung der §§ 253 Abs. 1, 255 StGO als mangelhaft eingestuft. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die offensichtlich sittenwidrig getroffene Vereinbarung auch auf das dingliche Erfüllungsgeschäft durchgreift und es sich deshalb nicht um eine fremde Sache handele. Insoweit verkennt sie das Abstraktionsprinzip, auf das sie bei der von ihr vertretenen Lösung zumindest hätte eingehen müssen. Es kann somit offenstehen, ob die Lösung der Klägerin vertretbar ist, da sie jedenfalls nicht mit gewichtigen Gründen versehen wurde bzw. das Problem von ihr erst gar nicht erkannt wurde. Zudem verkennt sie auch den Bearbeitervermerk, der deutlich macht, dass das Geld nicht mehr im Eigentum von Adrian steht und folgendermaßen formuliert ist: „Bei der Bearbeitung ist zu unterstellen, dass Adrian gegen Zarka zivilrechtlich einen fälligen und einredefreien Anspruch auf Rückgabe und Rückübereignung der Geldscheine hat“. Hieraus hätte die Klägerin ohne weiteres ersehen können, dass es zur Eigentumsübertragung gekommen ist und Adrian nicht mehr Eigentümer der Geldscheine war.
Die vom Klägervertreter im Rahmen der Klagebegründung abgegebene ausführliche Begründung zu dieser rechtlichen Problematik vermag die fehlenden Ausführungen der Klägerin im Rahmen ihrer Klausurbearbeitung nicht zu ersetzen. Vor dem Hintergrund des allgemeinen Grundsatzes der Trennung zwischen Verpflichtungs- und grundsätzlich wertneutralem Verfügungsgeschäft ist es nicht ausreichend, dass das vom Prüfling präsentierte Ergebnis mehr oder minder zufällig mit dem übereinstimmt, was im wissenschaftlichen Meinungsstreit ebenfalls als Resultat vertreten werden könnte. Vielmehr ist es erforderlich, dass eine derartige Ansicht vom Prüfling mit einer entsprechenden Argumentation begründet wird, zumal es sich bei der vorliegenden Frage um elementares Grundlagenwissen handelte.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die fehlende Prüfung einer Versuchsstrafbarkeit im Hinblick auf die „Erpressung“ des Geldes von der Bewertung als fehlend gekennzeichnet wurde. Auch wenn man mit der Klägerin die Fremdheit des Geldes ablehnt, stellt sich die Frage einer Versuchsstrafbarkeit, die allerdings von der Klägerin nicht angesprochen wurde. Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf einen ihr nicht zur Last zu legenden Folgefehler berufen, da nach dem Bearbeitervermerk in einem Gutachten auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen war. So wäre es der Klägerin jedenfalls möglich gewesen, den Versuch im Hilfsgutachten zu prüfen, was auch nicht als widersprüchlich zu ahnden gewesen wäre.
Aufgrund der vom Erstkorrektor monierten mangelhaften Begründungen bezüglich des Raubs und der räuberischen Erpressung sowohl auf Seite 1 des Begründungsblatts wie auch im Rahmen der zusammenfassenden Würdigung liegt auch keine unzulässige Doppelbewertung ein und desselben Fehlers vor. Die (erneute) stichpunktartige Hervorhebung wesentlicher, die Bewertung tragender Beanstandungen ist vielmehr Ausdruck einer sorgfältigen und umfassenden Begründung einer Bewertung.
Prüfungsarbeit Nr. 6
Der Einwand, die Korrektur habe der Klägerin zu Unrecht vorgehalten, sie sei mit nicht überzeugender Argumentation davon ausgegangen, der Widerruf des Nachbarn sei verspätet erfolgt, vermag nicht durchzugreifen. Kritisiert wurden nicht ihre zutreffenden Ausführungen zur entsprechenden Anwendung der §§ 130, 133 BGB im Rahmen des Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO, sondern, dass sie unzutreffenderweise auf einen Zugang bei der Gemeinde im Hinblick auf die Entscheidung des Gemeinderats über die Erteilung des Einvernehmens anstatt auf die Baugenehmigungsbehörde als richtige Adressatin abstellt.
Zutreffend ist ferner die Kritik des Prüfers, dass sich Schwächen bei der Erfassung des Sachverhalts zeigen, soweit die Klägerin davon ausgegangen ist, dass die Bauunterlagen dem Nachbarn per E-Mail zugesandt wurden. Die zugehörige Passage im Sachverhalt lautete folgendermaßen: „Im Baugenehmigungsverfahren wird Norbert ordnungsgemäß beteiligt. Noch vor Einreichung des Antrags bei der Gemeinde hatte Norbert die ihm von Emil vorgelegten Bauunterlagen am 22. Juni 2017 unterschrieben“. Dies stellt ersichtlich einen Flüchtigkeitsfehler der Klägerin beim Erfassen des Sachverhalts dar, der sich jedoch nicht weiter kausal für das Klausurergebnis ausgewirkt hat, da sich hieraus keine weiteren Fehler und Probleme bei der Zulässigkeitsprüfung ergeben haben.
Zutreffenderweise bemängelt der Erstkorrektor auch die unsystematische Prüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung. In der Bearbeitung der Klägerin findet sich kein Hinweis auf eine Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Genehmigung. Es wird lediglich auf Seite 10 unter 2. Verfahren auf die Vorschriften der Art. 64 BayBO, § 36 BauGB und Art. 66 Abs. 1 BayBO eingegangen. Demgegenüber finden sich keine Ausführungen zur Frage der Rechtsgrundlage sowie der zuständigen Baugenehmigungsbehörde. Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit macht die Klägerin ferner keine Angaben zur Anwendbarkeit der §§ 33 bis 37 BauGB, sondern setzt deren Anwendbarkeit schlicht voraus. Der Aufbau entspricht damit nicht dem gängigen Prüfungsaufbau einer Baugenehmigung.
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet auch die Feststellung des Erstkorrektors, der einen deutlichen Hinweis darauf vermisst, dass drittschützende Normen verletzt sein müssen. Im Rahmen einer Drittanfechtungsklage ist es notwendig, herauszuarbeiten, dass die Klage nur Aussicht auf Erfolg haben kann, wenn eine drittschützende Norm verletzt ist, es eben gerade auch im Unterschied zu § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf diesen Drittschutz ankommt. Die Ausführungen, die die Klägerin hierzu im Rahmen der Klagebefugnis getroffen hat, vermögen diese Auslassung nicht zu kompensieren, weil die tatsächliche Verletzung drittschützender Normen eine Frage der Begründetheit ist. Die wenigen Ausführungen der Klägerin hierzu auf Seite 17 der Klausur durften die Korrektoren – da es sich um einen sich aufdrängenden Schwerpunkt der Aufgabenstellung handelt – im Rahmen des ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums mithin zu Recht als nicht ausreichend erachten.
Insgesamt war daher die Klage mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenfolge abzuweisen.


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