Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsverbot für Afghanistan

Aktenzeichen  13a ZB 18.30203

Datum:
17.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58409
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4, § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO § 166
ZPO § 114

 

Leitsatz

Es ist in der Rechtsprechung des VGH geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende volljährige, alleinstehende und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer Gefahrenlage auszugehen ist, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG führen würde (vgl. VGH München, Urt. v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918, BeckRS 2018, 37517, in Fortführung der bish. Rspr.). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 26 K 17.33887 2017-11-30 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag aus nachstehenden Gründen bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 30. November 2017 hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 AsylG sind nicht gegeben.
Der Kläger hat seinen Zulassungsantrag damit begründet, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). So sei klärungsbedürftig, „ob seit November 2017 in eine erneute Risikobewertung hinsichtlich der weiter verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan eingetreten werden muss.“ Er sei Volkszugehöriger der Hazara und ab dem zweiten Lebensjahr im Iran aufgewachsen; er habe in Afghanistan, wo er ohnehin nur einmal kurz nach einer Abschiebung aus dem Iran gewesen sei, keine Verwandten mehr. Das Verwaltungsgericht gehe in seinem klageabweisenden Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bis zum 31. August 2017 davon aus, dass für Rückkehrer nach Afghanistan im Allgemeinen weder die Voraussetzungen subsidiären Schutzes noch jene eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in entsprechender Anwendung gegeben seien. Laut UNHCR sei jedoch von 2015 bis 2016 die Zahl ziviler Opfer allein in Kabul um 68 v.H. gestiegen. Bis Juli 2017 habe sie sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um weitere 59 v.H. erhöht. 2017 hätten 16 Anschläge des IS allein in Kabul mehr als 270 Todesopfer gefordert; die Anschläge des IS hätten in Afghanistan zuletzt massiv zugenommen. Auch weitere Anschläge im Dezember 2017 und am 4. Januar 2018 hätten zahlreiche Todesopfer gefordert (vgl. Zeit-Online v. 31.12.2017; FAZ v. 4.1.2018). In jüngster Zeit habe sich der Konflikt in Afghanistan also zugespitzt. Während des ersten Halbjahres 2017 habe die UNO mehr zivile Todesopfer und Verletzte registriert als je zuvor seit 2009; Tod und Verstümmelung drohten in fast jeder Lebenssituation (UNAMA, Halbjahresbericht 2017; Amnesty International v. 5.10.2017). Nach alledem sei nunmehr von einer extremen Gefahrenlage auszugehen, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führe.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 4; B.v. 13.8.2013 – 13a ZB 12.30470 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Hiervon ausgehend hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
Unabhängig davon, ob vorliegend die Darlegungsanforderungen aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erfüllt sind, ist die klägerseitig angesprochene Frage jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Es ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende volljährige, alleinstehende und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer Gefahrenlage auszugehen ist, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung; vgl. auch BayVGH, B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die genannte Rechtsprechung gilt auch für Volkszugehörige der Hazara, selbst wenn sie im Ausland – etwa im Iran – geboren oder aufgewachsen sind oder eine längere Zeit dort gelebt haben, soweit sie eine der afghanischen Landessprachen beherrschen (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 6). Insbesondere unterliegen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Hazara in Afghanistan keiner an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung (BayVGH, B.v. 21.3.2019 – 13a ZB 18.32786 – n.v.; B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 17; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris; U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris). Auch ergibt sich kein individueller gefahrerhöhender Umstand aus der bloßen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara (BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris Rn. 36).
Der Zulassungsantrag gibt insoweit keinen Anlass zu einer erneuten Überprüfung. Soweit der Kläger auf diverse Berichte zur Situation in Afghanistan im Kern aus 2016 und 2017 Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof im oben genannten Urteil vom 8. November 2018 (13a B 17.31918 – juris) explizit im Kontext eines Klägers der Hazara mit den neuesten Erkenntnismitteln – wie etwa dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018, den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018, dem UNAMA-Bericht vom 10. Oktober 2018 und dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 – auseinandergesetzt und diese bei seiner Bewertung berücksichtigt hat. Auch aus dem UNAMA-Bericht vom 24. Februar 2019 ergibt sich insoweit kein erneuter Überprüfungsbedarf; denn die hier ausgewiesenen zivilen Opferzahlen für das Jahr 2018 bewegen sich auf einem mit den Vorjahren vergleichbaren Niveau, das auch dem genannten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. November 2018 (13a B 17.31918 – juris Rn. 24) zugrunde lag (konfliktbedingtes Schädigungsrisiko für Afghanistan insgesamt von 1:2456 bei 10.993 zivilen Opfern und einer Einwohnerzahl von 27 Mio. Menschen). Laut dem neuesten UNAMA-Bericht vom 24. April 2019 sind die zivilen Opferzahlen im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um 23 v.H. zurückgegangen und haben den niedrigsten Stand für ein erstes Quartal seit 2013 erreicht.
Sollte der Kläger vorliegend auch und gerade rügen, dass das Verwaltungsgericht in seinem Fall zu Unrecht die Voraussetzungen eines Schutzstatus verneint habe, ist darauf hinzuweisen, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils keinen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG darstellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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