Verwaltungsrecht

Kein Absehen vom Erfordernis eines konkreten Arbeitsplatzangebots auch in den Fällen des § 18 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG möglich

Aktenzeichen  10 CS 20.675

Datum:
8.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14527
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG nF § 18 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Von den Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG in der seit dem 1. März 2020 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vom 15. August 2019 (BGBl I S. 1307) kann nicht nach § 18 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 AufenthG ausnahmsweise abgesehen werden. (Rn. 5)

Verfahrensgang

M 25 S 19.5900, M 25 K 19.5899 2020-02-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Oktober 2019 gerichteten Klage (M 25 K 19.5899) weiter. Mit diesem Bescheid hat die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihr unter Bestimmung einer Ausreisefrist die Abschiebung in die Ukraine angedroht. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 17. Februar 2020 abgelehnt.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen weder die Aufhebung noch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Klage der Antragstellerin werde voraussichtlich erfolglos bleiben, weil der Ablehnungsbescheid bei summarischer Prüfung rechtmäßig sei und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletze. Einen Anspruch auf weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis habe die Antragstellerin nicht. Eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Studienzwecke komme nicht in Betracht, weil die Antragstellerin ihr Studium erfolgreich abgeschlossen habe. Eine (nochmalige) Verlängerung zur Suche einer angemessenen Erwerbstätigkeit sei gesetzlich ausgeschlossen, nachdem der Antragstellerin nach Abschluss ihres Studiums bereits eine solche Aufenthaltserlaubnis für den (Höchst-)Zeitraum vom 28. November 2017 bis zum 6. Mai 2019 erteilt worden sei. Die Voraussetzungen für die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit lägen nicht vor, da die Antragstellerin kein konkretes Arbeitsplatzangebot vorgelegt habe.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Antragstellerin verweist im Wesentlichen auf die zum 1. März 2020 in Kraft getretenen Regelungen über die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für Fachkräfte mit Berufsausbildung und Fachkräfte mit akademischer Ausbildung nach § 18a und § 18b AufenthG in der Fassung des Art. 1 Nr. 12 des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vom 15. August 2019 (BGBl I S. 1307). Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach diesen Vorschriften sind jedoch derzeit offensichtlich nicht erfüllt. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG n.F. setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu Erwerbszwecken voraus, dass ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt. Dass dies bei der Antragstellerin nicht der Fall ist, räumt sie selbst ein, wenn sie vortragen lässt, dass sie „demnächst sicher konkrete Arbeitsplatzangebote vorlegen“ könne.
Von der Voraussetzung eines konkreten Arbeitsplatzangebotes in § 18 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG n.F. kann nicht abgesehen werden. Insbesondere eröffnet § 18 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 AufenthG n.F. keine Möglichkeit, von den Erfordernissen nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG n.F. abzuweichen (so aber Nusser in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 18 AufenthG Rn. 18; wie hier wohl Burkert/Kolb, ZAR 2019, 308/309). § 18 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG macht die erstmalige Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken an Ausländer, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, regelmäßig – über die Erfordernisse der Nrn. 1 bis 4 hinaus – von einem bestimmten Mindestgehalt abhängig. Die Regelung war im ursprünglichen Gesetzesentwurf (BR-Drs. 7/19 insb. S. 13) nicht enthalten und beruht auf einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat (BT-Drs. 19/10714 S. 9). Das Mindestgehalt soll sicherstellen, dass der Lebensunterhalt auch nach Erreichen der rentenversicherungsrechtlichen Regelaltersgrenze gesichert ist (BT-Drs. 19/10714 S. 22). Die Erläuterung des Ausschusses, es könne „im Einzelfall von der Erfüllung der Gehaltsgrenze abgesehen werden, wenn an der Beschäftigung ein öffentliches Interesse besteht“ (ebd.), bezieht sich unzweideutig auf das zusätzliche Erfordernis in § 18 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1 AufenthG n.F. und belegt, dass gerade keine Ausnahmemöglichkeit hinsichtlich der übrigen in § 18 Abs. 2 AufenthG n.F. geregelten Voraussetzungen geschaffen werden sollte. Die Ausnahmemöglichkeit in § 18 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 AufenthG n.F. bezieht sich daher ausschließlich auf § 18 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1 AufenthG n.F. und nicht auf einen – so nicht existenten – § 18 Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F.
Sieht das Gesetz demnach keine Ausnahme vom Erfordernis des konkreten Arbeitsplatzangebotes in § 18 Abs. 2 Nr. 1 AufehtG n.F. vor, sind die weiteren Ausführungen der Antragstellerin zu den besonderen Schwierigkeiten der Arbeitsplatzsuche im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie und ihrer Schwerbehinderung von vornherein unbehelflich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 8.1 und Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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