Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter

Aktenzeichen  W 1 K 18.31053

Datum:
12.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37521
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3b, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban stellen allenfalls ein Randphänomen dar, da sich die Menschen ihnen in aller Regel schon aus wirtschaftlicher Not anschließen.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 15. Februar 2017 ist einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf seine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG. Ein solcher Anspruch scheitert bereits an Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, wonach sich auf Abs. 1 der Vorschrift nicht berufen kann, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Nachdem der Kläger im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt selbst geschildert hat, auf dem Landweg nach Europa gereist zu sein und überdies nicht erwähnt hat, auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist zu sein, kann der Kläger nicht als Asylberechtigter anerkannt werden.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl I S. 2780 ff.) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Der Kläger hat im Kern vorgetragen, dass bei einer Rückkehr wiederum die Gefahr für ihn bestünde, von den Taliban zwangsrekrutiert zu werden.
1. Die Erkenntnismittellage zu Zwangsrekrutierungen durch die Taliban stellt sich wie folgt dar:
Der UNHCR erläutert im fraglichen Zusammenhang, dass in Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen die Kontrolle über die Bevölkerung ausübten, eine Vielzahl von Mechanismen bestehe, um Kämpfer zu rekrutieren, einschließlich durch Zwangsmaßnahmen. Es gebe Berichte, dass regierungsfeindliche Gruppen weiterhin auch Kinder, sowohl Jungen als auch Mädchen, für ihre Zwecke rekrutierten. Daher könnten Männer im kampffähigen Alter oder Kinder, die sich einer zwangsweisen Rekrutierung widersetzt hätten, des internationalen Flüchtlingsschutzes aufgrund deren (unterstellter) politischer Meinung oder aus anderen relevanten Gründen bedürfen. (UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 44 ff.).
Das Bundesasylamt der Republik Österreich hat in seiner Staatendokumentation vom 2. April 2012 zu Afghanistan betreffend die Rekrutierung durch die Taliban ausgeführt, es gebe eine Vielzahl von Gründen, warum sich in Afghanistan Menschen den Taliban anschließen. Ein wesentlicher Faktor seien Armut, Arbeitslosigkeit und schlechte Ausbildung. So werde die Beteiligung am Aufstand als Möglichkeit gesehen, sich und die eigene Familie zu versorgen. Bis zu 70% der Taliban sollen aus jungen arbeitslosen Männern bestehen, die versuchten, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Vor allem Flüchtlingslager in Afghanistan und Pakistan und die dortigen schlechten Lebensumstände schienen die Rekrutierung zu begünstigen. Ein weiterer Grund, sich den Taliban anzuschließen, könne auch in der persönlichen Rache für die Tötung von Angehörigen liegen. Außerdem gelinge es den Taliban immer wieder geschickt, lokale Konflikte auszunutzen, um neue Verbündete zu finden. Vor diesem Hintergrund einer Vielzahl ökonomischer, machtpolitischer und ideologischer Beweggründe, sich den Taliban anzuschließen, basiere die tatsächliche Rekrutierung jedoch im Wesentlichen auf den persönlichen Kontakten zu lokalen Kommandanten und Mullahs bzw. es würden Personen in Koran-Schulen angeworben und indoktriniert. Eine Facette der Politik der Taliban gegenüber der Bevölkerung liege in der Vermeidung lokaler Konflikte. So suchten die Taliban die Unterstützung der Dorfältesten, bevor sie in ein Gebiet eindringen würden. Seit ihrem Sturz versuchten die Taliban, alle zu rekrutieren, die ihre Herrschaft in den 1990er Jahren unterstützt und mit der Vertreibung der Taliban im Jahr 2001 an Einfluss verloren hätten. In einigen Fällen seien das auch Nicht-Paschtunen. Grundsätzlich scheine die Zwangsrekrutierung im Sinne einer Rekrutierung durch Waffengewalt eher ein Randphänomen zu sein. Es müsse jedoch festgehalten werden, dass die allgemeine Quellenlage über Rekrutierung durch die Taliban rar sei. Auffällig sei, dass die Fälle von Zwangsrekrutierung mit Waffengewalt sich nach den vorliegenden Quellen ausschließlich in Pakistan zugetragen hätten. Es gebe keine Berichte über konkrete Fälle aus jüngerer Zeit. Die Mehrheit der Kämpfer scheine sich freiwillig den aufständischen Gruppen anzuschließen. Gehe man davon aus, dass die Taliban in einem nicht geringen Ausmaß auf die Unterstützung der lokalen Bevölkerung beim Kampf gegen die Regierung und die internationalen Gruppen angewiesen seien und die Zuverlässigkeit von zwangsrekrutierten Kämpfern sehr zweifelhaft sei, sei eine Politik der Zwangsrekrutierung auch kontraproduktiv. Dies würde die eigene Schlagkraft schwächen und den Widerstand der Bevölkerung provozieren. Dieser Befund decke sich auch mit der Feststellung, dass die Taliban bemüht seien, Konflikte mit der lokalen Bevölkerung weitestgehend zu vermeiden, indem sie die lokalen Würdenträger vor dem Beginn ihrer Aktivitäten in einem bestimmten Gebiet in Kenntnis setzten und ihre Zustimmung einholten. Wenn überhaupt, gehe man davon aus, dass es nur in von Taliban kontrollierten Gemeinschaften zu Zwangsrekrutierungen gekommen sein könne.
Das European Asylum Support Office stellt in seinem Herkunftsländer-Report zu Afghanistan „Taliban Strategies – Recruitment“ vom Juli 2012 u.a. dar, die Basis für die Rekrutierung durch die Taliban stelle die lokale Zelle dar. Dies könne eine Koran Schule, ein Mullah, ein örtlicher Kommandant oder ein Stammesältester sein. Die Taliban versuchten, besser ausgebildete Menschen von den Schulen und Universitäten in den großen Städten zu rekrutieren, um die Kommunikation sowie das technische und medizinische Know How der Organisation weiterzuentwickeln. Zwangsrekrutierungen hätten in der Vergangenheit in Afghanistan stattgefunden. Quellen aus den Jahren 2010 bis 2012 erwähnten, dass Zwangsrekrutierungen in der Provinz Helmand stattgefunden hätten, ebenso in Marjah sowie in Camps, in denen sich Binnenvertriebene aufhielten. Berichte über Ängste vor Vergeltung wegen verweigerter Rekrutierung gebe es aus Kunduz, Kunar und Gebieten in Pakistan. Zwei Quellen erwähnten den Gebrauch von Zwang und Einschüchterung zum Zwecke der Rekrutierung in der Provinz Uruzgan. Andere Quellen berichteten explizit, dass Gewalt und Zwang in ihren Provinzen nicht für Rekrutierungsmaßnahmen angewendet worden seien, nämlich in Ghazni, Herat und Logar. Quellen, die die generelle Situation in Afghanistan diskutierten, würden feststellen, dass Zwang beim Rekrutierungsprozess selten sei. Vorkommen könne dies in Flüchtlingscamps und Gebieten unter dem starken Einfluss der Taliban. Einige Quellen erwähnten Argumente, die gegen Zwangsrekrutierungen sprächen. So würde diese die Bevölkerung verstimmen, zum anderen bestehe hierfür auch keine Notwendigkeit, da die Taliban auf ausreichend Freiwillige zurückgreifen könnten. Zusammenfassend wird festgestellt, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban als außergewöhnlich anzusehen seien. Eine Vielzahl glaubwürdiger Quellen stelle dies explizit heraus und gebe plausible Argumente für diese Einschätzung.
Auch im EASO-Bericht vom September 2016 (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan: Recruitment by armed groups, September 2016, S. 22) sowie vom Juni 2018 (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan – Guidance note and common analysis, S. 46) wird bestätigt, dass Fälle von Zwangsrekrutierungen in Afghanistan als außergewöhnlich zu bezeichnen sind.
Dr. M. D. führt in seinem Gutachten vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zu der Frage, ob in den letzten Jahren in Afghanistan Fälle von Rückkehrern aus dem Ausland oder von Binnenflüchtlingen bekannt geworden seien, die in der Stadt Kabul von den Taliban aufgespürt und getötet oder bestraft worden seien, weil sie sich durch Flucht einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, und wenn ja, wie häufig dies vorkomme, aus, ihm seien drei Personen bekannt geworden, die hätten zwangsrekrutiert werden sollen und nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan erneut von den Taliban behelligt worden und daraufhin ein weiteres Mal geflohen seien. Des Weiteren berichtet er über zwei weitere Fälle von Binnenflüchtlingen, die aus ihrer Heimatregion geflohen und in der Hauptstadt Kabul von den Taliban wiederum bedroht worden seien. Es gebe keine Statistik über solche Fälle, aber Informanten berichteten, dass es häufig zu Fällen komme, in denen junge Männer getötet würden und Gerüchte wollten wissen, dass es sich um Racheakte der Taliban handele. Konkret könne er die Frage nach der Häufigkeit solcher Racheaktionen nicht beantworten. Zur weiteren Frage, ob die Taliban in Kabul über Netzwerke verfügten, mittels derer sie gezielt Nachforschungen anstellten, ob sich unter Rückkehrern und Binnenflüchtlingen Personen befinden, die sich in ihrer Heimatregion einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, erklärt Herr Dr. D., konkret könne er diese Frage nicht beantworten, seine Informanten hätten bei ihren Recherchen nicht feststellen können, ob innerhalb der Informationszentren der Taliban Strukturen existierten, die dazu dienten, nach solchen Personen zu suchen. Seine Kollegen seien jedoch der Überzeugung, dass die Taliban selbst in der Hauptstadt zwangsrekrutierten. Ob die Taliban in den genannten Fällen, in denen sie abgeschobene Personen ein zweites Mal zu rekrutieren versuchten, gezielt nach ihnen gesucht hätten, könne er nicht beantworten. Er müsse davon ausgehen, dass die Taliban mindestens in der Lage seien, viele der Personen, die eine Zwangsrekrutierung abgelehnt hätten, zu finden. Auf die weitere Frage, ob Rückkehrer und Binnenflüchtlinge, die sich einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, einer erhöhten Gefahr ausgesetzt seien, in Kabul von den Taliban entdeckt zu werden, wenn sie aus einer Region im näheren Umkreis von Kabul stammten, führt Dr. D. aus, dass es vor allem darauf ankomme, ob sie einem paschtunischen Stamm angehörten, aus dem viele Taliban kämen. Dann sei eine solche Person in Kabul leichter zu identifizieren als jemand, der aus einem nicht-paschtunischen Volk stamme.
2. Dies zugrunde gelegt besteht nach Überzeugung des Gerichts keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan befürchten müsste, durch die Taliban zwangsrekrutiert oder im Falle der Ablehnung einer Zusammenarbeit bestraft oder gar getötet zu werden. Der Erkenntnismittellage lässt sich nämlich insoweit zusammenfassend entnehmen, dass derartige Vorkommnisse zwar nicht auszuschließen sind, dass es sich jedoch bei Zwangsrekrutierungen um seltene Fälle handelt, da sich die Menschen in aller Regel freiwillig den Taliban anschließen, wobei insbesondere finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Dies scheint aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in Afghanistan und der hohen Arbeitslosigkeit auch zwanglos nachvollziehbar. Die Taliban sind also in der Lage, auf einen sehr großen Pool an freiwilligen Kämpfern und Unterstützern zurückzugreifen. Auch die Tatsache, dass der Rückhalt in der Bevölkerung für die Taliban unverzichtbar ist, stützt die Annahme, dass es sich bei zwangsweisen Rekrutierungen allenfalls um ein Randphänomen in Afghanistan handelt. Schließlich ist auch für die Taliban vorhersehbar, dass zwangsweise rekrutierte Menschen allenfalls eine eingeschränkte Motivation und Zuverlässigkeit bieten und daher für die eigenen Zwecke wenig zielführend sind. Diese Einschätzung wird auch nicht durch die Darstellung des Dr. D. erschüttert. Er berichtet in seinem Gutachten von insgesamt fünf konkreten Personen, die nach einem erfolglosen Zwangsrekrutierungsversuch durch die Taliban erneut von diesen behelligt worden seien, sich dann aber erneut durch Flucht entzogen hätten. Dass derartige Fälle im Einzelfall vorkommen, ergibt sich jedoch bereits aus den anderen ausgewerteten Erkenntnismitteln. Die darüber hinausgehenden Aussagen des Dr. D. sind jedoch ausgesprochen vage und geben teilweise nur Gerüchte wieder. Sie beruhen nach Auffassung des Gerichts nicht auf einer gesicherten Tatsachengrundlage und lassen keinen tragfähigen Erkenntnisgewinn über die anderweitigen Erkenntnismittel hinaus zu. Auch ist der Umstand, dass sich aus sämtlichen Erkenntnismitteln keine eingehenden konkreten Informationen zu Zwangsrekrutierungen entnehmen lassen, als starkes Indiz dafür zu werten, dass es sich bei derartigen Vorfällen tatsächlich nur um eine Randerscheinung handelt. Das verbleibende Restrisiko, nach einer Rückkehr nach Afghanistan zwangsweise von den Taliban rekrutiert oder nach einer Verweigerung derselben bestraft zu werden, ist nach alledem als gering einzustufen, jedenfalls besteht nach Überzeugung des Gerichts nicht die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit hierfür.
3. Eine abweichende Risikobewertung für den Kläger ergibt sich auch nicht aus den von ihm geschilderten Vorfluchtereignissen, so dass diesem auch nicht die Vermutungsregelung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zugutekommt. Der Kläger hat bereits nicht glaubhaft darlegen können, dass er sein Heimatland vorverfolgt verlassen hat. Bereits der Vortrag des Klägers beim Bundesamt war sehr vage, oberflächlich und unsubstantiiert. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung versucht hat, seinen Vortrag zu präzisieren, erscheint auch dies aufgrund Ungereimtheiten und Widersprüchen konstruiert und nicht glaubhaft. So hat der Kläger beim Bundesamt noch angegeben, dass zunächst seine Eltern aufgefordert worden seien, einen Sohn zu den Taliban zu schicken. In der mündlichen Verhandlung will jedoch der Kläger selbst nach neun Monaten seiner Mutter das erste Mal von den Anrufen berichtet habe. Nicht lebensnah und daher nicht nachvollziehbar erscheint auch, dass die Taliban innerhalb von neun Monate lediglich zweimal beim Kläger anrufen und nach elf Monaten die erste „offizielle Einladung“ per Brief aussprechen und anschließend einen weiteren Monat zuwarten, um lediglich einen weiteren Brief zu übergeben. Anschließend will der Kläger noch fünf Monate bei seiner Schwester bzw. seiner Tante gelebt haben, wobei dort wieder lediglich durch die Taliban angerufen worden sei. Es erscheint wenig lebensnah, dass die Taliban ernsthaft eine Zusammenarbeit mit dem Kläger gewollt haben sollen, da sie in diesem Falle sicherlich nicht weitere fünf Monate hätten ins Land gehen lassen, ohne sich des Klägers zu bemächtigen oder ihn für die mangelnde Kooperation zu bestrafen, zumal sie gewusst hätten, wo sich der Kläger aufhält, wie die Telefonanrufe zeigten. Es ist hierbei zu bedenken, dass der Kläger bereits zwei Briefe und eine Vielzahl von Telefonanrufen, mithin eine Vielzahl von Aufforderungen und Bedrohungen erhalten haben will, er jedoch sämtlichen Aufforderungen nicht nachgekommen sei. Ein ernsthaftes Interesse der Taliban, des Klägers habhaft zu werden, erscheint bei dieser Sachlage nicht realistisch und glaubhaft, selbst wenn sich der Verwandte des Klägers schützend für den Kläger eingesetzt haben will, was jedoch gerade den vorherigen Aussagen, wonach von diesem die Zwangsrekrutierung ausgegangen sein soll, widersprechen würde.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den in der mündlichen Verhandlung ergänzend zum Vorbringen vor dem Bundesamt vorgebrachten Gründen. Soweit der Kläger erklärt, dass sein Vater nach seiner Ausreise mehrfach von den Taliban bedroht und durch die Rasur seiner Kopfhaare bestraft worden sei, so vermag auch dieses Vorbringen nicht zu überzeugen und ist nicht in der Lage, das bisherige Vorbringen vor dem Bundesamt zu stützen. Vielmehr ist auch dieser neuerliche Vortrag sehr pauschal und detailarm gehalten und nach dem Eindruck der erkennenden Einzelrichterin aus der mündlichen Verhandlung nur zu dem Zweck vorgetragen worden, dem klägerischen Begehren nach Flüchtlingsschutz nach Ablehnung durch das Bundesamt doch noch zum Erfolg zu verhelfen. Unglaubhaft erscheint der neue Vortrag gerade auch vor dem bereits oben angeführten Hintergrund, dass es den Taliban bereits in der Vergangenheit – quasi jederzeit – möglich war, sich des Klägers, aber auch des Bruders des Klägers zu bemächtigen. Der jetzige Vortrag im zeitlichen Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung erscheint vor diesem Hintergrund vielmehr rein asyltaktisch geprägt.
4. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert zudem auch daran, dass vorliegend keiner der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe einschlägig ist. Nach Überzeugung des Gerichts ist anzunehmen, dass Personen, die zwangsrekrutiert werden sollen, keine bestimmte soziale Gruppe nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bilden, da diese bereits keine deutlich abgegrenzte Identität in Afghanistan besitzen und auch von der sie umgebenden Gesellschaft nicht als andersartig betrachtet werden. Darüber hinaus ist auch das Merkmal der politischen Überzeugung nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG vorliegend nicht einschlägig; dies gilt auch unter Berücksichtigung von Abs. 2 der genannten Vorschrift, wonach eine vom Verfolger unterstellte politische Überzeugung ausreichend ist. Die alleinige Nichtbeteiligung an einer Organisation, ohne dass hierfür die Beweggründe näher zutage getreten wären, kann noch nicht zu der Annahme einer dem Kläger von Seiten der Taliban zugeschriebenen politischen Überzeugung gegen diese Organisation führen. Eine gegenteilige Einschätzung ist der Erkenntnismittellage nicht zu entnehmen. Es ist vielmehr nichts dafür ersichtlich, dass die geltend gemachte Verfolgung gerade aus Gründen einer dem Kläger unterstellten politischen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung gegen die Taliban erfolgt, was Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wäre.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
III.
Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
1. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist bereits nicht ausreichend dargelegt worden. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen werden.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Baghlan. In der Nordostregion, zu der die Provinz Baghlan gehört, wurden im Jahre 2017 758 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Annual Report 2017 Afghanistan, Februar 2018, S. 7). Die Anschlagswahrscheinlichkeit lag damit für die Nordostregion im Jahr 2017 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht vom 31.5.2018) hat sich die Bedrohungslage für Zivilisten in jüngster Zeit nicht wesentlich verändert. Das Risiko, als Angehöriger der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet zu werden, liegt immer noch im Promillebereich. Auch aus dem Midyear Report von UNAMA ergibt sich nichts Abweichendes, nachdem sich die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im ersten Halbjahr 2018 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum insgesamt um 3% verringert hat. Damit ist derzeit noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den Abhandlungen von Frau Friederike Stahlmann (vgl.: Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, in: ZAR 5-6/2017, S. 189 ff.; Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018). Soweit diese darauf hinweist, dass in den UNAMA-Berichten eine Untererfassung der zivilen Opfer zu besorgen sei (vgl. in diesem Zusammenhang auch Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 31.5.2018, S. 18: Dunkelziffer in für die Berichterstattung wenig zugänglichen Gebieten), so ist darauf hinzuweisen, dass anderes geeignetes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht und zum anderen auf die von Frau Stahlmann alternativ genannte Zahl der kriegsbedingt Binnenvertriebenen angesichts der klaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) nicht abgestellt werden kann. Insoweit weist Frau Stahlmann eingangs ihrer Abhandlung auch selbst darauf hin, dass ihre Diskussion nicht den Anspruch habe, die Kriterien einer juristischen Prüfung zu erfüllen (vgl. Fußnote 1). Aber selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht. Soweit Frau Stahlmann in ihrem Gutachten vom 28. März 2018 (vgl. S. 9) ausführt, es bestehe allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan im gesamten Staatsgebiet die Gefahr, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, so handelt es sich hierbei um eine allein dem erkennenden Gericht vorbehaltene rechtliche Würdigung, der auch keine Indizwirkung zukommen kann. Die von ihr darüber hinaus geschilderten Tatsachen betreffen weit überwiegend Umstände, die allein bei der qualitativen Gesamtbetrachtung zu würdigen sind, die sich hier jedoch aufgrund der – gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – verhältnismäßig niedrigen Opferzahlen unter keinen Umständen auswirken können (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris).
IV.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; BayVGH, B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652; VGH Baden-Württemberg, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17- juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die hier eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan stellt sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 31. Mai 2018 aus, dass Afghanistan trotz der Verbesserung der Lebensbedingungen für viele Afghanen in den letzten 15 Jahren weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2016 lediglich Rang 169 von 188 im Human Development Index belegt habe. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt von den Nachwirkungen des Abzugs bis 2014 in größerer Zahl präsenter internationaler Truppen, der schwierigen Sicherheitslage sowie schwacher Investitionstätigkeit. Zugleich gebe es erhebliche Bemühungen internationaler Partner zur Wirtschaftsbelebung. In 2017 habe das Wirtschaftswachstum 2,6% betragen. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 39% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum von rund 2,4% im Jahr (d.h. Verdopplung der Bevölkerung innerhalb einer Generation) sowie die große Zahl der Binnenvertriebenen und Rückkehrer aus den Nachbarländern stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25% auf 39% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch (vgl. diesbezüglich: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 22). Die Ausweichmöglichkeiten würden maßgeblich vom Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie und der finanziellen Lage abhängen. Die sozialen Netzwerke vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielten eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz (so auch BFA Österreich, Fact Finding Mission Report Afghanistan, April 2018). Die afghanische Regierung habe 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. IOM biete Unterstützung bei der Ankunft in Kabul mit bis zu zweiwöchiger Unterkunft und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits. Auch die Bundesrepublik Deutschland fördere Reintegrationsprojekte.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Gefährdungsprofile vom 12.9.2018, S. 14 ff.) führt aus, dass die Armutsrate in Afghanistan weiter angestiegen sei und inzwischen 54,5% betrage; 8,7 Millionen Menschen lebten in chronischer Not. Die Lebensmittelunsicherheit sei von 30% auf 45% (2016/17) angestiegen, 1,9 Millionen Menschen lebten in gravierender Lebensmittelunsicherheit. Sämtliche Provinzen seien betroffen, insbesondere umkämpfte Gebiete sowie Städte. 76% der afghanischen Bevölkerung lebten in ländlichen Gebieten und seien von der wenig produktiven Landwirtschaft abhängig. 2018 habe eine Dürre im ganzen Land zu einer Verschärfung der Situation beigetragen. Rund 24% aller potentiell Erwerbstätigen seien arbeitslos; zudem herrschten Unterbeschäftigung, Jobunsicherheit und schlechte Arbeitsbedingungen. Auch liege die Armutsrate der Erwerbstätigen in Vollzeit kaum tiefer als die der Arbeitslosen. Unterkunftsmöglichkeiten seien äußerst dünn gesät und die Mietpreise insbesondere in Kabul nach einem zwischenzeitlichen Rückgang wieder stark angestiegen. 72% der städtischen Bewohner lebten in Slums oder nicht adäquaten Unterkünften. 68% der afghanischen Bevölkerung hätten keinen Zugang zu adäquaten Sanitärinstallationen und fast 45% keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 10 Millionen Afghanen hätten einen nur eingeschränkten oder gar keinen Zugang zur gesundheitlichen Grundversorgung. Zudem fehle es im Gesundheitssystem an Infrastruktur und qualifiziertem Personal. Die interne Vertreibung sowie Rückkehrerströme und die Arbeitsmigration verschärften die ohnehin schwierige Lage im Land. Im Jahr 2017 seien rund 550.000 Menschen aus Pakistan und dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt und der Druck zur Rückkehr durch die Gastländer bleibe auch aktuell bestehen. Die Rückkehrer ließen sich hauptsächlich in Städten nieder, was einen zusätzlichen Wettbewerb um die ohnehin wenigen Jobmöglichkeiten schaffe und zu sinkenden Löhnen führe. Die Rückkehrer seien häufig gezwungen, in informellen Siedlungen mit nur behelfsmäßigen Bauten zu leben, die meist nur einen schlechten oder keinen Zugang zu Elektrizität, Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Gesundheitseinrichtungen etc. hätten. Daher seien 84% dieses Personenkreises von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrende schafften, sich wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt von den verschiedenen Netzwerken ab, über die sie verfügten. Wenn diese Personen nicht in ihre Heimatregion zurückkehren könnten, würden sie oft zu intern Vertriebenen, deren Zahl sich in weniger als fünf Jahren bis Ende 2016 auf 1,5 Millionen verdreifacht habe und deren Lebenssituation sich ähnlich wie die der anderweitigen Rückkehrer darstelle. Der rasante Anstieg der Bevölkerung speziell in Kabul habe rasch zu einer Überforderung der dortigen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Etwa 70% der Bevölkerung Kabuls lebten in informellen Siedlungen, auch die Armut sei angestiegen. Auch andere Städte wie Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar wirkten wie Magnete für vertriebene Menschen, weshalb sich die humanitäre Lage auch dort zuspitze. Afghanistan kämpfe damit, die enormen und noch steigenden Rückkehrströme zu absorbieren. Die Aufnahmekapazität insbesondere in den größeren Städten sei bereits stark in Anspruch genommen und äußerst eingeschränkt.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen allgemeinen Verhältnisse nicht in eine Art. 3 EMRK verletzende besondere Ausnahmesituation, wie sie Art. 60 Abs. 5 AufenthG entsprechend obiger Ausführungen erfordert, geraten würde. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 24-jährigen Kläger – in urbanen und semiurbanen Gebieten eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 30.8.2018, S. 110; so auch: EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 106 f.), wobei der UNHCR – unter Zugrundelegung seiner eigenen Maßstäbe – eine interne Schutzmöglichkeit, die hier keine Rolle spielt, speziell in Kabul nicht für gegeben erachtet (a.a.O., S. 114). Der UNHCR weist in seinen Richtlinien darauf hin, dass die Sicherheitslage in Afghanistan volatil bleibe. Es sei eine kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitssituation und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in den Jahren nach dem Rückzug der internationalen Truppen in 2014 zu verzeichnen gewesen. Die Taliban setzten ihre Offensive zur Erreichung der Kontrolle über eine größere Zahl von Distrikten fort, während sich die Regierung auf die Verteidigung der Bevölkerungszentren und strategischen ländlichen Gebiete beschränke. Die zivilen Opferzahlen lägen trotz der Tatsache, dass die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im Jahre 2017 gegenüber dem Vorjahr um 9% gesunken sei, auf einem hohen Niveau. Die Zahl der konfliktbedingt intern Vertriebenen habe am Ende des Jahres 2017 bei geschätzt über 1,8 Millionen gelegen, 2017 sei hierbei ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr bei den neu Vertriebenen zu verzeichnen gewesen. Zusätzlich seien im Jahr 2016 über 1 Million Afghanen aus den Nachbarländern Iran und Pakistan zurückgekehrt und weitere 620.000 im Jahre 2017. Die wirtschaftliche Situation habe sich seit 2013/2014 aufgrund der Unsicherheit und dem hohen Bevölkerungswachstum verschlechtert. Zwar habe sich das Wirtschaftswachstum in 2017 gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht, allerdings leide der Landwirtschaftssektor unter einer schweren anhaltenden Trockenzeit, vor allem in den nördlichen und westlichen Regionen des Landes. Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben müsse, habe sich von 38,3% in 2011/2012 auf 55% in 2016/2017 erhöht. Die Arbeitslosenrate habe sich von 22 auf 24% erhöht. 3,3 Millionen Afghanen würden 2018 einen akuten humanitären Bedarf aufweisen, 1,9 Millionen müssten mit ernsthafter Nahrungsunsicherheit leben. 4,5 Millionen Menschen hätten keinen Zugang zu primären essenziellen Gesundheitsdienstleistungen. Afghanistan bleibe eines der ärmsten Länder der Welt und liege daher auf Rang 169 von 188 Ländern im UN Human Development Index. In den größeren Städten sei zudem zu berücksichtigen, dass sich dort eine sehr hohe Zahl von Rückkehrern und intern Vertriebenen ansiedle, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe. Dies gelte insbesondere für die Stadt Kabul, wo zusätzlich die Gefahr von Anschlägen mit hohen Opferzahlen zu berücksichtigen sei. Dort übersteige das Bevölkerungswachstum die Kapazitäten der erforderlichen Infrastruktur, Hilfs- und Arbeitsmöglichkeiten, so dass geschätzte 70% der Bevölkerung in informellen Siedlungen leben müssten. Trotz dieser Einschätzung, für die der UNHCR seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser daran fest, dass bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht auch bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Der Kläger befindet sich vorliegend nicht in einer ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigenden Ausnahmesituation. Vielmehr ist bei dem Kläger positiv individuell zu berücksichtigen, dass dieser die Schule in Pakistan bis zur elften Klasse besucht hat und damit über einen Bildungsstand verfügt, mit dem er gegenüber den vielen Analphabeten und geringer qualifizierten jungen Menschen in Afghanistan im Vorteil und auch in der Lage ist, ein breiteres Spektrum an beruflichen Tätigkeiten auszuüben. Zudem hat der Kläger eine Berufsausbildung als Schneider absolviert und diesbezüglich bereits berufliche Erfahrungen gesammelt. Auch in Deutschland geht er einer Arbeit nach. All diese Kenntnisse und Erfahrungen wird der Kläger sicherlich auch nach seiner Rückkehr in sein Heimatland gewinnbringend einsetzen können. Er hat darüber hinaus als Erwachsener 2 Jahre in Afghanistan gelebt und kennt damit die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in ausreichender Weise, um sich auch nach einer Rückkehr dort zurechtzufinden. Ohne dass es von Rechts wegen noch hierauf ankäme, könnte der Kläger in Afghanistan auch auf die Unterstützung von Familienangehörigen und Verwandten zurückgreifen. Der Kläger hat noch einen familiären Anknüpfungspunkt bei seinen Eltern. Gründe, die einer Rückkehr dorthin entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Überdies halten sich nach Angaben des Klägers beim Bundesamt noch zwei verheiratete Schwestern und drei Onkel in Afghanistan auf. Ein Onkel sei finanziell sehr gut gestellt und unterstütze die Eltern des Klägers, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat. Es erscheint vor diesem Hintergrund realistisch, dass der Kläger bei seinen Eltern bzw. sonstigen Verwandten unterkommen könnte und diese ihn erforderlichenfalls auch unterstützen würden. Denn es ist im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass in Notsituationen über derartige Kontakte Unterstützung geleistet wird und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde.
Auch nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris; U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris; U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris), der sich das Gericht anschließt, scheitert eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen befindet sich der Kläger vielmehr in einer vergleichsweise guten Position. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Dies ist vorliegend der Fall.
Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700,00 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann und Amnesty International, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt bzw. überholt sei (vgl. Friederike Stahlmann, Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff.; Amnesty International, Auskunft an das VG Leipzig vom 8.1.2018 und an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018). Denn Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen nicht vor. Zwar lassen sich auch schwerwiegende Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche in Afghanistan durchaus nicht ausschließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris). Nach Überzeugung des Gerichts bieten die vorliegend geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Afghanistan zumutbar erscheinen zu lassen.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris; B.v. 21.8.17 – 13a ZB 17.30529 – juris; B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N.; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG Baden-Württemberg, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG bestehen ebenfalls keine Bedenken.
V.
Der Hilfsantrag, die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu verkürzen, ist ebenfalls unbegründet. Die Entscheidung in Ziffer 6 des angegriffenen Bundesamtsbescheides, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate festzusetzen, basiert auf § 11 AufenthG. Nach Abs. 3 der genannten Vorschrift wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Vorliegend wurde eine Frist von 30 Monaten festgesetzt. Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Insbesondere liegt kein Ermessensausfall vor. Gründe für eine Ermessensreduzierung dahingehend, die Frist auf null Monate festzusetzen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger wurde im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt zu schutzwürdigen Belangen hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbotes befragt und hat keine schutzwürdigen Belange vorgetragen. Insofern erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, die Frist auf 30 Monate und damit auf die Hälfte der Maximalfrist nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463 – juris). Die Formulierung (nach dem Zitat des Gesetzestextes des § 11 Abs. 3 AufenthG): „Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist im vorliegenden Fall angemessen. (…) Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung, aufgrund schutzwürdiger Belange, wurden weder vorgetragen noch liegen sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Der Antragsteller verfügt im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären“, erscheint im vorliegenden Falle ausreichend, um das Ermessen auszuüben. Weitere Erwägungen waren nicht anzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich zwischenzeitlich Änderungen hinsichtlich schutzwürdiger Aspekte ergeben haben.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben