Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Aufhebung einer dienstlichen Beurteilung

Aktenzeichen  M 5 K 16.2856

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21963
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLlbG Art. 54, Art. 61 Abs. S. 5

 

Leitsatz

1. Dienstliche Beurteilungen sind persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt nachprüfbar sind. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Beurteiler die anzuwendenden Richtlinien und Verfahrensvorschriften eingehalten sowie den gesetzlichen Rahmen der Beurteilungsermächtigung beachtet hat, von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist und allgemeingültige Wertmaßstäbe zugrunde gelegt hat. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung ihrer periodischen Beurteilung vom 4. Februar 2015 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 sowie des Widerspruchsbescheids vom … März 2016 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Denn die angefochtene Beurteilung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
a) Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 – 2 C 146.62 – BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245 ständige Rechtsprechung).
Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.
Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 – 2 A 6/98 – ZBR 2000, 269).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980, a.a.O.).
Innerhalb des durch die Art. 54 ff. Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaubahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) gezogenen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 – 2 C 69/81 – BayVBl 1982, 348). Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwG, U.v. vom 16.10.1967 – VI C 44.64 – Buchholz 232, § 15 BBG Nr. 1; U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über die Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form miteinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.1990 – 3 B 89.02832 m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 11.1.2017 – M 5 K 16.2729 – juris Rn. 15).
Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 31.12.2014) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 – 2 C 7/99 – NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 – 1 WB 181/88 – BVerwGE 86, 240).
b) Zugrunde zu legen sind hier daher Art. 54 ff. LlbG, die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 18.11.2010 – VV-BeamtR, FMBl. S. 264, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung – allgemeine Beurteilungsrichtlinien; hier maßgeblich zuletzt geändert durch die Dritte Änderung der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat v. 24.4.2014, FMBl. S. 62) sowie die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte an Schulen in Bayern (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2011 [KWMBl S. 306] – nachfolgend: Richtlinien).
c) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene dienstliche Beurteilung vom 4. Februar 2015 rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Es liegt kein Verstoß gegen Formvorschriften darin, dass der Klägerin die ihr am 4. Februar 2015 eröffnete Beurteilung nach Abänderung durch den Ministerialbeauftragten am 24. Juli 2015 dergestalt nochmals eröffnet wurde, dass auf der ursprünglichen Beurteilung die Änderungen handschriftlich vermerkt wurden. Weder Art. 61 Abs. 1 Satz 5 LlbG noch Nr. 4.10 b) der Richtlinien geben eine bestimmte Form hierfür vor. Sie regeln lediglich das Erfordernis nochmaliger Eröffnung als solches. Zwar stellt eine Beurteilung mit handschriftlichen Änderungen kein makelloses Dokument mehr dar. So wird jedoch in zweckmäßiger Weise in der Beurteilung selbst transparent dokumentiert, welche Änderungen sich ergeben haben. Letztlich wird im vorliegenden Fall auch dokumentiert, dass die Klägerin mit einigen ihrer Einwendungen erfolgreich war. Das bedeutet allerdings nicht, dass nur allein eine solche Vorgehensweise im Falle einer Änderung einer Beurteilung rechtmäßig wäre.
bb) In verfahrensrechtlicher Hinsicht, d.h. insbesondere hinsichtlich Unterrichtsbesuchen, wird auf die Ausführungen des Ministerialbeauftragten in seinem Schreiben vom 13. Juli 2015 verwiesen, denen das Gericht folgt, § 117 Abs. 5 VwGO analog.
cc) Auch in materieller Hinsicht ergeben sich keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Zeugin H. – an deren Glaubwürdigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht – hat in der mündlichen Verhandlung ihre maßgeblichen Erwägungen für die Beurteilung der Klägerin im Vergleich mit Lehrern derselben Besoldungsgruppe (A 15) nachvollziehbar dargestellt.
(1) Ihre Angaben plausibilisieren das für die Beurteilung der Klägerin ermittelte Gesamtergebnis „Leistung, die die Anforderungen besonders gut erfüllt – BG“ (zweitbestes Gesamtergebnis bei sieben Bewertungsstufen). Dieses Gesamturteil ist nach Nr. 2.3.2.2 der Richtlinien einer Lehrkraft zu erteilen, die nach Leistung, Eignung und Befähigung die Anforderungen ganz besonders gut erfüllt, die normaler- und billigerweise an Beamtinnen und Beamte ihrer Besoldungsgruppe gestellt werden. Es handelt sich also um eine Lehrkraft, die Engagement und Einsatzbereitschaft zeigt und die sich durch vorzügliche pädagogische und organisatorische, praktische, wissenschaftliche bzw. künstlerische Fähigkeiten auszeichnet und, auch über den Bereich der einzelnen Schule hinaus, verwendbar ist.
Das (beste) Gesamturteil „Leistung, die in allen Belangen von herausragender Qualität ist (HQ)“, ist hingegen einer Lehrkraft zu erteilen, die nach Leistung, Eignung und Befähigung die Anforderungen in außergewöhnlicher Weise übertrifft, die normaler- und billigerweise an Beamtinnen und Beamte ihrer Besoldungsgruppe gestellt werden. Es handelt sich also um eine Lehrkraft, die aufgrund eines herausragenden Fachwissens und außerordentlicher pädagogischer Fähigkeiten stets Spitzenleistungen erbringt, prägenden Einfluss auf das Schulleben hat und die durch ihr Engagement, ihre personale Kompetenz und ihr organisatorisches Geschick die Eignung zeigt, im Schul- und Bildungswesen an leitender Stelle tätig zu sein.
Die Zeugin hat plausibel und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin – neben ihrer unbestrittenen fachlichen Kompetenz – das Schulleben auch nach außen mehr hätte mitgestalten müssen, wie dies auch andere Lehrer und Lehrerinnen, insbesondere Seminarlehrer, auch getan hätten, um das noch bessere Gesamturteil „HQ“ zu erhalten. Das sei bei der Klägerin damals ihrer Einschätzung nach nicht gegeben gewesen. Gegenüber anderen Kollegen habe die Klägerin durchaus gezeigt, dass sie sich für besser gehalten habe. Das entspreche nicht dem erforderlichen wertschätzenden Umgang mit Kollegen. Daher habe sie der Klägerin damals auch keine Verwendungseignung für Leitungsfunktionen zuerkannt. Dies habe sie schon auch an dem damaligen Konflikt festgemacht. Damals hätten drei Seminarlehrer die Schule verlassen. Das sei ihrer Wahrnehmung und auch der anderer Lehrer nach auch mit an der Klägerin gelegen. Sie habe Kenntnis hinsichtlich der Leistungen der Klägerin über den gesamten Beurteilungszeitraum gehabt, nachdem sie bereits seit 2009 stellvertretende Schulleiterin und in den Seminarbetrieb eingebunden gewesen war. Den Beurteilungsbeitrag des vorherigen Schulleiters habe sie berücksichtigt.
Dass die Klägerin für sich das beste Gesamturteil „HQ“ in Anspruch nimmt, ist demgegenüber rechtlich ohne Belang. Bei einer Diskrepanz der Selbstwahrnehmung einer zu beurteilenden Beamtin zur Fremdwahrnehmung durch deren Beurteilerin kommt nach obigen Ausführungen rechtlich letzterer der Vorrang zu.
(2) Nach den Ausführungen der Zeugin lässt sich nicht erkennen, dass die auch für den Beurteilungszeitraum festgestellte Schwerbehinderung der Klägerin auf die Beurteilung negativ durchgeschlagen hätte. Auf ihr Beteiligungsrecht hat die Klägerin im Nachhinein verzichtet.
(3) Auch besteht zur Überzeugung des Gerichts kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit der Zeugin H. als Beurteilerin zu zweifeln. Das Gericht hält die Aussage der Zeugin, sie habe den ganzen Schulbetrieb mit der Klägerin auf sachlicher Ebene abgehandelt, auch nachdem sich das Verhältnis zu ihr verschlechtert habe, und sie würde ihr Verhältnis zur Klägerin als sachliches beschreiben, nach dem persönlichen Eindruck, den sich das Gericht von ihr gemacht hat, für uneingeschränkt glaubhaft. Die Bedenken der Klägerin greifen demgegenüber nicht durch.
2. Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war daher nicht für notwendig zu erklären, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.


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