Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Einreise

Aktenzeichen  M 25 S 19.383

Datum:
28.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2640
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
AufenthG § 14, § 15
AsylG § 18

 

Leitsatz

1. Nach § 15 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, der unerlaubt iSd § 14 Abs. 1 AufenthG einreisen will, an der Grenze zurückgewiesen. Ein Fall des § 15 Abs. 4 S. 2 AufenthG, § 18 AsylG liegt nicht vor, wenn der erste Asylantrag des Antragsstellers bereits bestandskräftig abgelehnt wurde und die Aufenthaltsgestattung abgelaufen ist. (Rn. 18 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 15 Abs. 1 AufenthG ist nicht verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass zum Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG eine Einreise zu ermöglichen wäre. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Als Zielstaat der Zurückweisung kommt nur ein Staat in Betracht, der völkerrechtlich zur Aufnahme des Ausländers verpflichtet ist, unter anderem immer derjenigen Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein pakistanischer Staatsangehöriger, begehrt mit seinem Antrag die vorläufige Einreise in die Bundesrepublik Deutschland.
Der Antragsteller reiste erstmals im Sommer 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 1. September 2017 einen Asylantrag. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 4. Oktober 2017 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Minden wurde zurückgenommen. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 19. März 2018 eingestellt.
Der zwischenzeitlich ausgereiste Antragsteller versuchte am 21. Dezember 2018 um 8:10 Uhr über den ehemaligen Grenzübergang L.-Z. als Insasse eines aus Österreich kommenden Flixbusses erneut in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2018 verfügte die Antragsgegnerin gemäß Art. 14 Schengener Grenzkodex i.V.m. § 15 AufenthG eine Einreiseverweigerung gegenüber dem Antragsteller, da er ohne gültige Ausweisdokumente und ohne gültiges Visum oder gültigen Aufenthaltstitel einreisen wollte.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2019 legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2018 ein. Mit Schreiben vom 12. Februar 2019 half die Antragsgegnerin dem Widerspruch nicht ab.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2019 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 11. Januar 2019 als unzulässig abgelehnt. Der dagegen eingelegte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 5. Februar 2019 abgelehnt (M 23 S 19. 30253).
Am 8. Januar 2019 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht Augsburg,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 2. Januar 2019 gegen die Einreiseverweigerung vom 21. Dezember 2018 anzuordnen, hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller die Einreise in das Bundesgebiet zu gestatten.
Der Zurückweisung des Antragstellers stehe § 15 Abs. 4 S. 2 AufenthG entgegen. Der Antragsteller habe unstreitig einen Asylfolgeantrag gestellt. Asylsuchende seien zwar nicht von der Visumspflicht befreit, dürften aber an der Grenze nicht zurückgewiesen werden. Der Schutz des § 15 Abs. 4 S. 2 AufenthG sei nicht auf Erst-Antragsteller beschränkt, auch der Folge-Antragsteller habe ein verfassungsunmittelbares Recht auf Einreise und vorläufigen Aufenthalt und zwar auch dann, wenn sein Aufenthalt nicht gestattet, sondern lediglich geduldet sei. Bei einem Asylfolgeantrag dürfe eine Abschiebung erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes erfolgen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Insbesondere wollte der Antragsteller nach Deutschland einreisen, um die Familieneinheit wiederherzustellen. Seine Ehefrau und seine 4 Kinder wohnten in Deutschland und seien Asylbewerber. Der Familie könne die Trennung vom Antragsteller nicht zugemutet werden. Dabei sei auch der sich aus Art. 6 GG ergebende Schutz der Familie zu beachten.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2019 wurde der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2019 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Die Einreiseverweigerung sei zu Recht ergangen, da der Antragsteller, nachdem sein Asyl-Erstantrag rechtskräftig abgelehnt worden sei, bei der versuchten Einreise einen Asylfolgeantrag gestellt habe, der nicht zu einer Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG geführt habe. Das Bundesamt habe den Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt. Der Umstand, dass sich Ehefrau und Kinder des Antragstellers zwischenzeitlich in Deutschland aufhielten und hier einen Asylantrag gestellt hätten, verschaffe dem Antragsteller keinen Anspruch auf Gestattung der Einreise.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist soweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs beantragt wird unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Soweit sich der Antrag darauf richtet, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2018 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO anzuordnen, ist dieser Antrag unzulässig. Ihm fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Rechtsschutzziel ist die Einreise in das Bundesgebiet. Damit ist in der Hauptsache die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart (vgl. BayVGH B.v. 3.8.17 – 10 CE 17.1235 – juris; VG München B.v. 19.4.2016 – M 24 S 15.5285 – beckonline, BeckRS 2016, 46843). Im Eilverfahren kann die Einreise nur mittels einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO durchgesetzt werden, § 123 Abs. 5 VwGO.
2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Gewährung der Einreise ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, insbesondere auch, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich sind danach ein Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, also der Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind nach § 123 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Einreise. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2018 ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig.
Nach § 15 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, an der Grenze zurückgewiesen. Gem. § 14 Abs. 1 AufenthG ist eine Einreise u.a. unerlaubt, wenn der Ausländer entweder einen erforderlichen Pass oder Passersatz nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht besitzt, den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt oder eine Einreisesperre nach § 11 Abs. 1, 6 oder 7 AufenthG besteht. Der Antragsteller war am 21. Dezember 2018 weder in Besitz eines gültigen Reisedokuments noch eines gültigen Visums oder Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland. Seine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG war abgelaufen. Zudem bestand auf Grund des Bescheides des Bundesamtes vom 4. Oktober 2017, bestandskräftig seit 19. März 2018, eine Einreisesperre von 30 Monaten.
Der Antragssteller ist auch nicht „faktisch“ eingereist. Dem Antragsteller wurde unmittelbar an der Grenze, am Grenzübergang L.-Z., die Einreise verweigert. Er ist auch nicht dadurch eingereist, dass er nun in der JVA Erding untergebracht ist, weil er sich dort in Zurückweisungshaft und sich aus diesem Grund immer noch unter der Kontrolle der Grenzbehörde i.S.d. § 13 Abs. 2 S. 2 AufenthG befindet (vgl. dazu Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage, 2018, zu § 13, Rn. 15).
Ein Anspruch auf Einreise ergibt sich auch nicht aus § 18 AsylG. Dabei kann offen bleiben, ob § 18 AsylG überhaupt auf Folgeanträge nach § 71 AsylG anwendbar ist. Die Anwendung des § 18 AsylG im Rahmen des § 71 AsylG ist nicht ausdrücklich geregelt (vgl. dazu Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage, 2018, zu § 18 AsylG, Rn. 11). Denn der vom Antragsteller gestellte Folgeantrag wurde bereits mit Bescheid des Bundesamtes vom 11. Januar 2019 abgelehnt. Der dagegen gestellte Eilantrag blieb ebenfalls erfolglos. Der Antragsteller ist damit weiterhin vollziehbar ausreisepflichtig, § 71 Abs. 5, § 75 Abs. 1 AsylG. Dem Antragsteller ist damit zu Recht die Einreise verweigert worden, denn dem Ausländer an der Grenze stehen keine weitergehenden Bleiberechte als einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer gegenüber den Ausländerbehörden im Inland zu.
Ebenoswenig ergibt sich aus § 15 Abs. 4 S. 2 AufenthG ein Anspruch auf Einreise. Ein Fall des § 15 Abs. 4 S. 2 AufenthG, § 18 AsylG liegt nicht vor, da der erste Asylantrag des Antragsstellers bereits bestandskräftig abgelehnt wurde und die Aufenthaltsgestattung abgelaufen ist. Der vom Antragssteller gestellte Asyl-Folgeantrag nach § 71 AsylG führt erst dann zu einer Gestattung des Aufenthalts, wenn das Bundesamt festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, § 71 Abs. 1 AsylG. Dies ist hier nicht der Fall. Das Bundesamt hat den Folgeantrag vom 4. Januar 2019 mit Bescheid vom 11. Januar 2019 als unzulässig abgelehnt. Der dagegen erhobene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 5. Februar 2019 abgelehnt.
§ 15 Abs. 1 AufenthG ist nicht verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass zum Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG eine Einreise zu ermöglichen wäre, wobei vorliegend schon nicht glaubhaft gemacht wurde, dass es sich tatsächlich um die Ehefrau und die Kinder des Antragstellers handelt, zumal die Familie nicht gemeinsam eingereist ist. Aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich nämlich regelmäßig kein Anspruch des Ausländers, die eheliche bzw. familiäre Gemeinschaft gerade in Deutschland zu verwirklichen, weshalb ein unmittelbarer Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung oder auf Familiennachzug grundsätzlich nicht besteht. Die einfachgesetzlichen Regelungen zum Familienasyl nach § 26 AsylG bzw. der § 27ff., § 36a AufenthG zum Familiennachzug gewährleisten in verfassungskonformer Art und Weise den Schutz von Ehe und Familie hinsichtlich Drittstaatsangehörigen. Ein darüberhinausgehender Anspruch auf Einreise und Aufenthalt besteht nicht. Im Übrigen ist der Tatbestand der § 26 AsylG. bzw. der § 27ff., § 36a AufenthG im vorliegenden Fall auch nicht erfüllt.
Schließlich ist die angekündigte Zurückweisung nach Pakistan rechtmäßig. Eine gesetzliche Regelung, in welchen Staat die Zurückweisung erfolgen kann, fehlt. Sie richtet sich damit nach den allgemeinen völkerrechtlichen Regeln. Als Zielstaat kommt dabei nur ein Staat in Betracht, der völkerrechtlich zur Aufnahme des Ausländers verpflichtet ist. Dies ist unter anderem immer derjenigen Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt (vgl. Westphal in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Auflage, 2016, § 15, Rn. 24f.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Nov. 2018, § 15 AufenthG, Rn 4). Beim Antragssteller handelt es sich um einen pakistanischen Staatsangehörigen. Es ist daher ermessensgerecht, den Antragssteller in seinen Herkunftsstaat, Pakistan, zurückzuführen. Die Auswahl zwischen mehreren Zurückweisungszielen hat nach dem Gesichtspunkt einer effektiven Zurückweisung und nach den Belangen der Bundesrepublik Deutschland und der Schengen-Staaten zu erfolgen. Das Asyl-Erstverfahren des Antragstellers ist seit dem 19. März 2018 bestandskräftig abgeschlossen. Der Folgeantrag ist als unzulässig abgelehnt worden. Der dagegen eingelegte Eilrechtsschutz blieb ohne Erfolg. Der Antragsteller hat damit weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in einem anderen EU-Mitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht im Rahmen der Gewährung internationalen Schutzes. Effektiv ist damit nur eine Zurückweisung in seinen Herkunftsstaat.
Bezüglich Pakistans liegen keine in § 15 Abs. 4 S. 1 AufenthG genannte Zurückweisungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 AufenthG vor. Die Zurückweisungsverbote hat das Bundesamt in seinen Bescheiden vom 4. Oktober 2017 und 19. Januar 2019 geprüft und verneint. Weiteres wurde auch vom Antragsteller nicht vorgetragen.
Ebensowenig liegen tatsächliche Zurückweisungshindernisse (z.B. Passlosigkeit, ungeklärte Identität) vor (vgl. Nr. 15.4.2.1. der Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz – AVwV). Es ist nicht ersichtlich, dass die Zurückweisung nicht in absehbarer Zeit auch tatsächlich vollzogen werden könnte.
3. Nach alldem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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