Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ausgewiesenen Asylberechtigten

Aktenzeichen  10 ZB 17.1614

Datum:
20.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133204
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 25 Abs. 1, Abs. 2,  Abs. 3,  Abs. 5

 

Leitsatz

§ 25 Abs. 1 S. 2 AufenthG ersetzt bezüglich der Wirkungen einer Ausweisungsverfügung § 11 Abs. 1 AufenthG und stellt eine höhere Hürde für die Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis als § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dar. Zum einen führen nur schwerwiegende Ausweisungsgründe zu einer Titelerteilungssperre, zum anderen reicht das bloße Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nicht aus (Rn. 8). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 15.5908 2017-05-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage weiter, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen und die Wirkungen des sich aus dem Ausweisungsbescheid vom 15. Juli 2005 ergebenden Einreise- und Aufenthaltsverbots auf Null zu befristen.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 9. Dezember 2015 hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 10. Mai 2015 abgelehnt und das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufgrund der Ausweisungsverfügung auf acht bzw. zehn Jahre befristet.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht wegen der fehlenden Bezeichnung eines konkreten Zulassungsgrundes unzulässig, jedoch unbegründet. Zwar benennt der Kläger in den Schreiben vom 20. und 24. Juli und 16. August 2017 keinen der in § 124 Abs. 2 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe ausdrücklich. Aus seinem Vorbringen ergibt sich jedoch, dass er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend machen will. Solche ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeigt er mit seinem Zulassungsvorbringen, das allein der rechtlichen Überprüfung durch den Senat unterliegt, aber nicht auf.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG habe, weil die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 2 (bzw. § 25 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstehe. Der Kläger sei mit Bescheid vom 15. Juli 2005 aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG am 3. November 2009, die zuletzt bis 29. November 2013 verlängert worden sei, beseitige die Erteilungssperre des § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung vom 15. Juli 2005 auf Null, weil von ihm nach wie vor eine erhebliche Wiederholungsgefahr ausgehe. Dies ergebe sich aus der jüngsten Stellungnahme des Klinikums vom 16. Mai 2017. Auch gemäß Art. 6 GG im Hinblick auf den deutschen Sohn, zu dem kein Kontakt bestehe, und gemäß Art. 8 EMRK im Hinblick auf die in Deutschland lebenden Eltern und Geschwister des Klägers sei keine Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null geboten. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Bezogen auf die Sollregelung des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG liege beim Kläger ein atypischer Ausnahmefall vor, da er sich weigere, seine Straftaten therapeutisch aufzuarbeiten. Es sei mit den allgemeinen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbaren, bei einem solchen Sachverhalt eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen.
Der Kläger bringt insoweit vor, dass sich die Gefahrenprognose zum Jetztzeitpunkt gegenüber der Prognose zum Tatzeitpunkt erheblich verbessert habe. Der Kläger arbeite an sich. Die schizophrene Psychose sei vollständig remittiert. Es bestehe eine gute Medikamentencompliance. Er verweist insbesondere auf die ärztlichen Stellungnahmen vom 9. Oktober 2012 und vom 10. November 2016. Weiter legt er Arbeitsbescheinigungen für die Zeit von 2004 bis 2012 vor und erklärt, dass er sich nach der Entlassung aus dem Klinikum um eine Fortsetzung seiner Therapie bemühe. Zudem habe das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 30. Januar 2007 festgestellt, dass ihm eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 1 AufenthG erteilt werden müsse. Sein Asylstatus und die darauf beruhende Aufenthaltserlaubnis seien nicht befristet. Die am 3. November 2009 erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis widerspreche daher dem Urteil des Verwaltungsgerichts München. Zudem werde auf § 25 Abs. 3 Satz 3 Ziffer 2 AufenthG verwiesen. Der strafrechtliche Freispruch müsse auch im Ausländerrecht als Freispruch anerkannt werden.
Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger jedoch die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2017 nicht ernsthaft in Zweifel. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 AufenthG ergibt sich nicht, wie der Kläger meint, aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2007. Der Kläger wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 8. Juli 1999 als Asylberechtigter anerkannt. Zugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 Satz 1 AuslG hinsichtlich Burundis vorliegen. Diesen Bescheid widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 27. Juli 2006 und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Den Bescheid vom 27. Juli 2006 hat das Verwaltungsgericht München mit dem vom Kläger angeführten Urteil aufgehoben. Das Urteil hat somit (nur) zur Folge, dass der Bescheid vom 8. Juli 1999, mit dem der Kläger als Asylberechtigter anerkannt wurde, aufrechterhalten bleibt.
Aus dem Bescheid vom 8. Juli 1999 ergibt sich jedoch kein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 AufenthG, weil insoweit § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegensteht. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ersetzt bezüglich der Wirkungen einer Ausweisungsverfügung § 11 Abs. 1 AufenthG und stellt eine höhere Hürde für die Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis als § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dar. Zum einen führen nur schwerwiegende Ausweisungsgründe zu einer Titelerteilungssperre, zum anderen reicht im Unterschied zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG das bloße Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nicht aus (Maaßen/Kluth in Beck-OK AuslR, Stand: 1.2.2017, § 25 Rn. 8). Eine Ausweisungsentscheidung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG solange entgegen, bis die Wirkungen der Ausweisung entweder nach § 11 Abs. 4 AufenthG oder § 11 Abs. 2 AufenthG befristet worden sind (Dienelt/Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 25 Rn. 20).
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 24. Mai 2017 ausführlich dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Befristung der sich aus der Ausweisung ergebenden Titelerteilungssperre auf Null nicht vorliegen. Der Kläger hat sich mit den diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Zulassungsvorbringen nicht auseinandergesetzt. Er bringt lediglich bezüglich der Wiederholungsgefahr vor, dass von einer erheblich verbesserten Prognose ausgegangen werden müsse. Dies reicht jedoch nicht aus, um die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, das sich bei der Einschätzung der Wiederholungsgefahr im Wesentlichen auf das Gutachten vom 16. Mai 2017 stützt, das dem Kläger eine ungünstige Legalprognose bescheinigt, in Frage zu stellen. Mit dem Verweis auf ärztliche oder gutachterliche Stellungnahmen, die im Vorfeld des Gutachtens vom 16. Mai 2017 abgegeben wurden, vermag der Kläger die aktuellen Feststellungen zur Wiederholungsgefahr nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
Soweit das Verwaltungsgericht die Abweisung der Klage darauf stützt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG habe, fehlen diesbezüglich jegliche Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrags. Das Vorbringen des Klägers, es bestehe eine günstigere Prognose als in der Stellungnahme vom 16. Mai 2017 dargestellt, er habe gearbeitet und bemühe sich weiterhin um eine Therapie, sowie seine Ausführungen zu § 25 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 Ziffer 2 AufenthG sind für die Frage, ob er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG hat, nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Klageabweisung alleine damit begründet, dass ein Ausnahmefall von der Sollvorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorliege, weil der Kläger laut Stellungnahme vom 16. Mai 2017 jegliche Therapie verweigere und ein solches Verhalten nicht mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis belohnt werden dürfe. Die vom Kläger vorgelegte Bestätigung des Evangelischen Hilfswerks vom 4. Juni 2017, wonach er angefragt habe, ob er nach seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug dort weiter betreut werden könne, vermag die Feststellungen zur mangelnden Therapiewilligkeit nicht in Frage zu stellen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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