Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Festsetzung eines bestimmten konstitutiven Anforderungsprofils

Aktenzeichen  M 5 E 19.4017

Datum:
25.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37232
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
GG Art. 33 Abs. 2
BayLlbG Art. 16 Abs. 1 S. 3, S. 4

 

Leitsatz

1. Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen (Rn. 30). (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit dem Grundsatz der Bestenauslese ist eine Einengung des Bewerberfelds an Hand der Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar (Rn. 33). (redaktioneller Leitsatz)
3. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (Rn. 35). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 16.897,68 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner schrieb im Mitteilungsblatt 6/2019 vom 1. April 2019 (Nr. 11.6) im Bereich des Bayerischen Landeskriminalamtes ab 1. Juni 2019 den Dienstposten als Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter 3. Qualifikationsebene (QE) zgl. kriminaltechnische Sachverständige/kriminaltechnischer Sachverständiger Formspuren im Sachgebiet … (A 12/13) aus. Diese Ausschreibung enthielt folgenden Zusatztext:
„Bewerben können sich ausschließlich Beamtinnen/Beamte mit einer Qualifikation für Ämter ab der 3. QE, die besondere Fachkenntnisse erworben haben. Nachgewiesen werden diese durch ein erfolgreich abgeschlossenes an einer Hochschule/Fachhochschule aus den Bereichen Elektrotechnik, Maschinenbau, Fahrzeugtechnik, Mechatronik, Feinwerk- und Mikrotechnik, physikalische Technik, physikalische Chemie, Physik, technische Physik, Luft- und Raumfahrttechnik und den Erwerb der Qualifikation für die entsprechende Fachlaufbahn.
Die Tätigkeit umfasst die Untersuchung und Begutachtung von Werkzeug-, Schuh-, ReifenHandschutzspuren, von mechanischen Sicherungseinrichtungen und allen dazugehörigen Komponenten sowie die Rekonstruktion von Individualkennzeichnungen. In diesen Bereichen erfolgt die Erstellung von forensischen Gutachten, bedarfsweise verbunden mit Tatortarbeit, und deren Vertretung als Sachverständiger vor Gericht sowie die Lehrtätigkeit gegenüber Polizeibeamten. Es wird deshalb erwartet, dass die Bewerberin/der Bewerber bereit ist, die Ausbildung zum Sachverständigen für Werkzeugspuren und sonstige Formspuren gemäß der Ausbildungsund Fortbildungsordnung für Sachverständige (AFOS) des BKA zu absolvieren.“
Auf diese Stelle bewarben sich unter anderem der Antragsteller (* … – Besoldungsgruppe A 12; Dienstliche Beurteilung zum 31.5.2018 mit 13 Punkten), der bereits mehrere Jahre als Sachbearbeiter 3. QE Formspuren im Sachgebiet . tätig ist, und der Beigeladene (* … – Besoldungsgruppe A 12; Dienstliche Beurteilung zum 31.5.2018 mit 14 Punkten).
In einem Aktenvermerk vom 28. Juni 2019 schlug das Sachgebiet C3 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (Staatsministerium) die Bestellung des Beigeladenen vor. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass unter den in der aktuellen Beurteilung 2018 beurteilten Beamten der Beigeladene mit 14 Punkten das beste Gesamturteil erreicht habe. Er erfülle zudem die geforderten Voraussetzungen. Er befinde sich in der Fachlaufbahn Polizei- und Verfassungsschutz mit fachlichem Schwerpunkt technischer Polizeivollzugsdienst und könne ein erfolgreich abgeschlossenes Fachhochschulstudium der Elektrotechnik nachweisen.
Der Hauptpersonalrat Staatsministerium stimmte dieser geplanten Personalmaßnahme mit Schreiben vom 11. Juli 2019 zu.
Das Staatsministerium teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 22. Juli 2019 mit, dass es beabsichtige, den Dienstposten dem Beigeladenen zu übertragen. Dieser erfülle die geforderten Voraussetzungen und erreiche in der aktuellen Beurteilung ein um einen Punkt besseres Gesamturteil als der Antragsteller. Er sei hier, wie der Antragsteller, in der Besoldungsgruppe A 12 beurteilt worden und damit als leistungsstärker einzuschätzen.
Dagegen legte die Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom *. August 2019 Widerspruch ein, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
Am *. August 2019 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen beim Verwaltungsgericht München beantragt,
I. Dem Antragsgegner wird es bis zur rechtskräftigen Ent scheidung über die Bewerbung des Antragstellers um den ausgeschriebenen Dienstposten eines Sachbearbeiters 3. QE zgl. kriminaltechnischer Sachverständiger Formspuren im Sachgebiet . beim Bayerischen Landeskriminalamt untersagt, diesen Dienstposten endgültig dem ausgewählten Bewerber zu übertragen.
II. Hilfsweise zu dem unter I. gestellten Antrag:
Dem Antragsgegner wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers um den Dienstposten eines Sachbearbeiters 3. QE zgl. kriminaltechnischer Sachverständiger Formspuren im Sachgebiet . beim Bayerischen Landeskriminalamt untersagt, den ausgewählten Bewerber nach A 13 zu befördern.
Der Anordnungsgrund bestehe darin, dass das Staatsministerium beabsichtige, die Bestellung des ausgewählten Bewerbers nach dem 8. August 2019 zu verfügen und diesen nach kurzer Wartefrist nach A 13 zu befördern.
Der Anordnungsanspruch ergebe sich daraus, dass die Ausschreibung des streitgegenständlichen Dienstpostens rechtswidrig gewesen sei. In der Stellenausschreibung würden konstitutive Anforderungen genannt, die nicht ausreichend seien, um die Aufgaben, die auf diesem Dienstposten zu erledigen seien, auch tatsächlich wahrnehmen zu können. Es sei unverzichtbar, bereits in der Ausschreibung als konstitutives Anforderungsmerkmal eine mindestens zweijährige Erfahrung auf dem Gebiet der Formspuren zum Erwerb spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten zu verlangen. Auf diese speziellen Fähigkeiten, über die der Antragsteller im Gegensatz zum ausgewählten Bewerber verfüge, könne nicht verzichtet werden. Da diese in der Ausschreibung nicht verlangt worden seien, gehe der Antragsteller davon aus, dass diese Entscheidung des Dienstherrn, in der Ausschreibung und damit bei der Auswahl der Bewerber hierauf zu verzichten, auf sachfremden Erwägungen beruhe. Diese Rechtswidrigkeit des Anforderungsprofils in der Stellenausschreibung führe auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens selbst, da die Auswahlerwägungen, die das Staatsministerium hier angestellt habe, infolge dieses Fehlers auf sachfremden und letztlich nicht am Leistungsgrundsatz orientierten Gesichtspunkten beruhten. Damit werde der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass er bei ordnungsgemäßer Ausschreibung ausgewählt werde.
Das Staatsministerium sicherte am 9. August 2019 dem Verwaltungsgericht telefonisch zu, die Stelle bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung nicht zu besetzen.
Mit Beschluss vom 29. August 2019 wurde der ausgewählte Bewerber zum Verfahren beigeladen. Dieser hat sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Das Staatsministerium hat für den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 6. September 2019 unter Aktenvorlage beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Vorliegend sei ein fachspezifischer Dienstposten ausgeschrieben worden. Solche Dienstposten würden mit einem konstitutiven Anforderungsprofil ausgeschrieben. Die streitgegenständliche Ausschreibung sei rechtmäßig, weil der Text den in der Bestellungsrichtlinie ausgeführten Anforderungen entspreche. Im Rahmen der Ausschreibung kumulativ zu diesen Voraussetzungen, wie vom Antragsteller gewünscht, konstitutiv eine mindestens zweijährige Erfahrung auf dem Gebiet der Formspuren zu verlangen, würde die Bewerberauswahl und damit den Grundsatz der Bestenauslese weiter einschränken. Da Dienstposten mit konstitutiven Anforderungsprofil die Ausnahme darstellten und Ziel sei, Ausschreibungen mit konstitutiven Anforderungsprofil auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken, habe sich der Dienstherr im Rahmen seines Organisationsermessen entschieden, dass eine Ausbildung in diesem Bereich, auf die auch im Rahmen der Ausschreibung hingewiesen worden sei, mögliche Wissenslücken ausreichend fülle. Entsprechend seien bei der Festlegung des konstitutiven Anforderungsprofils keine sachfremden Erwägungen angestellt worden. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf ein konkretes konstitutives Anforderungsprofil bei einer Ausschreibung durch den Dienstherren. Die unter Berücksichtigung des rechtmäßigen Anforderungsprofils getroffene Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen sei rechtmäßig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet und hat insgesamt keinen Erfolg.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung – vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen – notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragspartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung ist gegeben. Das Auswahlverfahren für die streitgegenständliche Stelle ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung des Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers als übergangenem Bewerber lässt sich nur vor der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95). Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Dienstherr die Ernennung des Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
3. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Der Antragsteller hat einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 Verfassung für den Freistaat Bayern (BV) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746; B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194; BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 36.04 – juris).
Die Ermittlung des – gemessen an den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung – am besten geeigneten Bewerbers hat stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt zu erfolgen. Maßgeblich ist insoweit der Aufgabenbereich des Amtes, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen sind und anhand dessen die Auswahlentscheidung vorzunehmen ist (BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 6).
Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Kandidaten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Der Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Auswahl (BVerwG, U.v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
Aus der Verletzung dieses Anspruches folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Einstellung oder Beförderung. Vielmehr ist es im Hinblick auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – juris).
Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746). Aufgrund der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechts und der Garantie von Art. 19 Abs. 4 GG sind die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95).
b) Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
Hierbei ist darauf zu achten, dass die dem Vergleich der Konkurrenten zugrunde gelegten Beurteilungen untereinander vergleichbar sind; das ist i.d.R. der Fall, wenn die Beurteilungen – wie hier – im selben Statusamt erzielt worden sind.
c) Der Dienstherr kann über die Eignung des Bewerberfeldes auch in einem gestuften Auswahlverfahren befinden. Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden.
Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und, soweit – wie hier – eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht, auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet. Hiermit ist eine Einengung des Bewerberfelds an Hand der Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar. Anderes gilt nur dann, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt (BVerwG, B.v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14 – juris Rn. 20 ff.; B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 7).
Die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung darf daher grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen. Zwar entscheidet der Dienstherr über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten innerhalb der ihm zukommenden Organisationsgewalt nach seinen Bedürfnissen. Die Organisationsgewalt ist aber beschränkt und an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, wenn mit der Dienstpostenzuweisung Vorwirkungen auf die spätere Vergabe des Amts im statusrechtlichen Sinn verbunden sind und die hierauf bezogene Auswahlentscheidung damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird. In diesen Fällen sind die Vorgaben des Anforderungsprofils den Maßstäben aus Art. 33 Abs. 2 GG unterworfen. Da der Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt ist, ist es mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar, einen Bewerber vom Auswahlverfahren auszuschließen, nur weil er den besonderen Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens nicht entspricht.
Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (BVerwG, B.v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14 – juris Rn. 26; B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 31).
Dem trägt Art. 16 Abs. 1 Satz 3 Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) Rechnung, nach dem das Vorliegen für den Dienstposten zwingend erforderlicher Anforderungen zu beachten ist.
Das Anforderungsprofil muss dabei zwingend vor Beginn der Auswahlentscheidung festgelegt und dokumentiert werden, damit die Gründe für diese Entscheidung transparent sind und die Entscheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 22.11.2016 – 3 CE 16.1912 – juris Rn. 20 ff.; B.v. 15.2.2016 – 3 CE 15.2405 – juris Rn. 75; B.v.4.2.2015 – 6 CE 14.2477 – juris Rn. 16).
4. Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung entspricht diesen Grundsätzen und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Dokumentation der Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen im Aktenvermerk vom 28. Juni 2019 (Auswahlvermerk) genügt den formellen rechtlichen Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Auswahlerwägungen. Der Hauptpersonalrat wurde ordnungsgemäß beteiligt und hat zugestimmt. In dieser Hinsicht trägt der Antragsteller auch keine Einwände vor.
b) Die Auswahlentscheidung ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Gegen die hier ausweislich des Auswahlvermerks vom 28. Juni 2019 gewählte Vorgehensweise, zunächst die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber um die streitgegenständliche Stelle in den Blick zu nehmen und dann erst in der Reihenfolge der sich daraus ergebenden Leistungsreihung zu prüfen, ob die Voraussetzungen des konstitutiven Anforderungsprofils erfüllt sind, ist nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze rechtlich nichts zu erinnern. In einem gestuften Auswahlverfahren kann je nach Zweckmäßigkeit entweder erst das Erfüllen der Voraussetzungen eines konstitutiven Anforderungsprofils geprüft und dann unter den verbliebenen Bewerbern ein Leistungsvergleich anhand der dienstlichen Beurteilungen vorgenommen werden, oder aber auch umgekehrt.
bb) Dass der Beigeladene an der Spitze des Bewerberfeldes gereiht wurde, ist angesichts des Vergleichs der dienstlichen Beurteilungen nicht zu beanstanden.
Alle fünf Bewerber befanden sich in der Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz in einem Statusamt der Besoldungsgruppe A 12. Die Beurteilungen sind zudem deswegen untereinander vergleichbar, weil die dienstliche Beurteilung nach § 3 Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (FachV-Pol/VS) abweichend von Art. 58 Abs. 2 Satz 1 LlbG im Vergleich zu den anderen Beamten und Beamtinnen derselben Besoldungsgruppe über die fachlichen Schwerpunkte Polizeivollzugsdienst, Wirtschaftskriminaldienst, Technischer Computer- und Internetkriminaldienst und Technischer Polizeivollzugsdienst hinweg erfolgt.
Der Beigeladene erwies sich im Bewerberfeld mit einem Gesamturteil in der dienstlichen Beurteilung zum Beurteilungsstichtag 31. Mai 2018 von 14 Punkten als der leistungsstärkste Bewerber gegenüber dem Antragsteller mit 13 Punkten und den übrigen Bewerbern mit 13, 12 und 11 Punkten.
cc) Die Stellenausschreibung vom 1. April 2019 enthält in dem Absatz beginnend mit „Bewerben können sich ausschließlich .“ ein rechtmäßiges konstitutives Anforderungsprofil, das der Beigeladene auch erfüllt.
(1) Nach Nr. 2.2.3 Satz 1 Richtlinien über die Bestellung auf Dienstposten der Bayerischen Polizei (Bestellungsrichtlinien – RBestPol) vom 26. Oktober 2018, in Kraft seit 1. November 2018 – die sämtlichen Angehörigen der bayerischen Polizei zugänglich sind – dürfen bei der Ausschreibung freier und besetzbarer Dienstposten nur Zusätze verwendet werden, die sich aus diesen Richtlinien in Verbindung mit Anlage 2 ergeben. Ausnahmen im Einzelfall können vom Staatsministerium unter Mitwirkung des Hauptpersonalrats zugelassen werden (Satz 2).
Gemäß Nr. 4.1 Satz 1 werden – wie hier – fachspezifische Dienstposten mit einem konstitutiven Anforderungsprofil ausgeschrieben. Nach Satz 2 stellen sie die Ausnahmen dar und kommen insbesondere in Betracht, wenn das Aufgabenprofil so spezifisch ist, dass die zur Erfüllung notwendigen Kenntnisse und/oder Fähigkeiten von den regulär ausgebildeten Bewerbern oder Bewerberinnen nicht in einem dienstbetrieblich vertretbaren Zeitraum erlernt und/oder erworben werden können, oder das Aufgabengebiet für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung so kritisch ist, dass die bei Dienstpostenwechseln übliche Einarbeitungszeit vertretbarerweise nicht eingeräumt werden kann. Die fachspezifischen Dienstposten mit dem jeweiligen konstitutiven Anforderungsprofil sind in der Anlage 2 abschließend aufgeführt (Satz 3). In Satz 8 ist das Ziel formuliert, Ausschreibungen mit konstitutivem Anforderungsprofil auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.
In Anlage 2 sind unter Nr. 1.4 „Landeskriminalamt“ die fachspezifischen Dienstposten „Leiter und Leiterin Sachgebiet . Formspuren“ und „Sachverständige 3. QE Sachgebiet . Formspuren ab einer Bewertung des Dienstpostens mit A 09/11 (12)“ aufgeführt (Nr. 1.4.14). Das hierzu formulierte konstitutive Anforderungsprofil entspricht dem im Sachverhalt zu der hier streitgegenständlichen Stellenausschreibung dargestellten Zusatztext.
Damit hat das Staatsministerium eine grundsätzliche und abschließende Vorgabe für den hier strittigen Dienstposten eines Sachbearbeiters im Sachgebiet . Formspuren (um den Dienstposten des Sachgebietsleiters geht es entgegen den Ausführungen der Bevollmächtigten des Antragstellers in ihren Schriftsätzen vom .9.2019 und .10.2019 nicht) gemacht. Es hat dadurch in nicht zu beanstandender Weise generell von seinem Organisationsermessen Gebrauch gemacht.
(2) Der Beigeladene erfüllt dieses konstitutive Anforderungsprofil nach Aktenlage, was vom Antragsteller auch nicht in Abrede gestellt wird.
(3) Bereits der Ausgangspunkt der Argumentation der Antragstellerpartei – das konstitutive Anforderungsprofil sei zu Unrecht nicht eng genug bestimmt – kann nicht verfangen. Wie oben dargelegt, hat die Besetzung einer Beamtenstelle mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG mit dem leistungsfähigsten Bewerber zu erfolgen. Der Leistungsvergleich zwischen den Konkurrenten ist das zentrale Entscheidungskriterium. Das konstitutive Anforderungsprofil stellt eine Ausnahme von dem grundsätzlich erforderlichen Leistungsvergleich aller Bewerber für den Fall dar, dass die Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern. Bewerber, die diese zwingenden stellenbezogenen Anforderungsprofile nicht erfüllen, scheiden schon auf einer ersten Stufe aus und nehmen nicht am Leistungsvergleich teil. Ist das konstitutive Anforderungsprofil zu eng gefasst, werden Bewerber vom Leistungsvergleich ausgeschlossen, die in diesen Vergleich einbezogen werden müssten. In dem von der Antragstellerpartei gerügten umgekehrten Fall – es hätten weniger Konkurrenten in den Leistungsvergleich einbezogen werden dürfen, da der „Filter“ des konstitutiven Anforderungsprofils nicht eng genug gezogen sei – kann aber keine Verletzung der Rechte als Bewerber liegen. Denn einem Leistungsvergleich als zentralem Element der Auswahl kann sich ein Konkurrent um eine Stelle nicht entziehen. Ergibt ein rechtlich nicht zu beanstandender Leistungsvergleich den Vorsprung eines anderen Bewerbers, ist dem Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Beamten Genüge getan.
(4) Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass das Staatsministerium unter Mitwirkung des Hauptpersonalrats von dem ihm in Nr. 2.2.3 Satz 2 RBestPol eröffneten Ermessen, im Einzelfall Ausnahmen von den Vorgaben in Anlage 2 zuzulassen, dahingehend Gebrauch macht, dass konstitutive Anforderungsprofil betreffend den hier strittigen Dienstposten weiter im Sinne der Forderungen des Antragstellers zu verengen. Das würde konkret im Hinblick auf den hier strittigen Dienstposten eine Ermessensreduzierung auf Null – auch für den Hauptpersonalrat – erfordern, die jedenfalls aus den Ausführungen des Antragstellers nicht abzuleiten ist.
Das Staatsministerium hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise generell entschieden, konstitutive Anforderungsprofile in Ausschreibungen auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken (vgl. Nr. 4.1 Satz 8 RBestPol). Dies entspricht der oben dargestellten Rechtsprechung. Eine Abweichung von den dem Rechnung tragenden Vorgaben der Anlage 2 soll nur in besonderen Ausnahmefällen und auch dann nur unter Mitwirkung des Hauptersonalrats erfolgen, um eine grundsätzlich gleichmäßige Ausschreibungspraxis zu gewährleisten. Das beugt einer Ausschreibungspraxis vor, die konstitutive Anforderungsprofile im Einzelfall – womöglich im Hinblick auf potentielle Bewerber – variieren könnte.
Für den hier strittigen Dienstposten bedeutet das, dass es Sache des Staatsministeriums wäre, das konstitutive Anforderungsprofil in Nr. 1.4.14 der Anlage 2 generell anders, gegebenenfalls auch enger zu fassen. Dass es dies bislang nicht getan hat, unterfällt seinem weiten Organisationsermessen. Jedenfalls für die hier streitgegenständliche Stellenausschreibung hat es damit sein Bewenden. Es obliegt allein dem Staatsministerium zu entscheiden, ob es das bisherige in der Bestellungsrichtlinie ausdrücklich formulierte konstitutive Anforderungsprofil hinsichtlich des hier strittigen Dienstpostens zukünftig verändert.
5. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten selbst, da er sich mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
6. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, nämlich ein Viertel der ruhegehaltsfähigen Jahresbezüge des Antragstellers im angestrebten Amt einschließlich der jährlichen Sonderzahlung (67.590,72 EUR lt. Mitteilung des Staatsministeriums vom 23.8.2019; davon ¼ = 16.897,68 EUR; vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 26).


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