Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  Au 9 K 18.31613

Datum:
21.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28786
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Bei einer Einreise auf dem Landweg aus einem sicheren Drittstaat besteht kein Asylrecht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo handelt es sich um einen regional begrenzten und keinen landesweiten Konflikt. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Hinblick auf die Gefahr einer Infizierung mit dem SARS-CoV-2-Virus, kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn die Klägerin bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2020 entschieden werden, obwohl für die Beklagte niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beteiligten sind form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg, da der angegriffene Bescheid des Bundesamts vom 21. September 2018 rechtmäßig ergangen ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Grundgesetz – GG) bzw. auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Sie besitzt auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig. Das Gericht nimmt zunächst hinsichtlich der Gründe auf den Bescheid des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Zur Ergänzung wird Folgendes ausgeführt:
1. Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter i.S.v. Art. 16a Grundgesetz (GG).
Nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG in der seit 30. Juni 1993 verbindlichen Fassung des Gesetzes vom 28. Juni 1993 (BGBl I S. 1002) kann sich nicht auf das Asylrecht des Art. 16 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf welche die Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift zutreffen, werden durch Gesetz bestimmt. Sie sind als sog. sichere Drittstaaten in § 26 a Abs. 2 AsylG und der dazu erarbeiteten Anlage I festgelegt. Danach ist Deutschland allseitig von sog. sicheren Drittstaaten umgeben mit der Folge, dass eine Einreise auf dem Landweg immer ein Asylrecht ausschließt. Die Einreise ohne Kontakt zu einem sicheren Drittstaat, also auf dem Luftweg oder auf dem Seeweg über einen deutschen Flug- oder Seehafen, wird somit zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal des Art. 16 a Abs. 1 GG, die als Vorgang außerhalb des Heimatstaates vom Asylbewerber nicht nur glaubhaft zu machen, sondern zu beweisen ist (BayVGH, U.v. 3.7.1998 – 27 B 98.31806 – juris Rn. 16 f m.w.N.).
Die Klägerin hat die von ihr behauptete Einreise nach Deutschland auf dem Luftweg jedoch nicht bewiesen, denn sie konnte darüber keine Nachweise vorlegen.
2. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen ebenfalls nicht vor.
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. Art. 4 Rl. 2011/95 EU sowie BVerfG, B.v. vom 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.
b) Auf der Grundlage der beim Bundesamt vorgetragenen Tatsachen und der Anhörung in der mündlichen Verhandlung konnte die Klägerin nicht die volle Überzeugung vermitteln (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass sie in engem zeitlichen Zusammenhang vor ihrer Ausreise aus der Demokratischen Republik Kongo eine flüchtlingsrelevante Verfolgung erlitten hat oder ihr eine solche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unmittelbar drohte. Das Gericht ist zu dieser Überzeugung gelangt, weil der Sachvortrag der Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung bei Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung in wesentlichen Punkten widersprüchlich ist und die Klägerin bei ihrer Befragung die Widersprüche nicht zur Überzeugung des Gerichts ausräumen konnte.
Zweifel am Wahrheitsgehalt der von der Klägerin vorgetragenen Fluchtgeschichte ergeben sich bereits aus Ungereimtheiten bezüglich der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland. Nach den Unterlagen reiste die Klägerin mit einem angolanischen Reisepass und einem von den portugiesischen Behörden in Angola erteilten Visum ein, das vom 10. August 2017 bis zum 23 September 2017 gültig war. Dem widerspricht die Angabe der Klägerin, sie sei am 29. September 2017 aus Angola abgeflogen und am 30. September 2017 in Deutschland eingereist. Probleme bei der Einreise habe es nicht gegeben. Eine unbeanstandete Einreise in die Bundesrepublik Deutschland auf dem Luftweg ist nach Ablauf der Gültigkeit des Visums jedoch ausgeschlossen. In diesem Fall wäre der Klägerin die Einreise verwehrt worden. Unglaubwürdig sind auch die zeitlichen Angaben bezüglich des Reisewegs. So hat die Klägerin nicht nachvollziehbar erläutern können, warum sie sich 8 bis 9 Monate in * (Angola) aufgehalten hat und dann noch einmal weitere drei Wochen, nämlich vom 5. September 2017 bis zum Abflugdatum am 29. September 2017, in * (Angola) gelebt hat. Auffallend ist bereits, dass die Klägerin die Daten des Aufenthalts in * auf den Tag genau angeben konnte, den Aufenthalt in * jedoch nur allgemein mit „8 bis 9 Monate“ umschrieb. Warum die Klägerin und ihr Ehemann nach einem acht- bis neunmonatigen Aufenthalt in * sich noch einmal weitere drei Wochen bis zur Ausreise in * aufgehalten hat, konnte die Klägerin nicht überzeugend erklären. Sie trug vor, ihr Schleuser habe sie aufgefordert nach * zu gehen, weil sie von * nicht ausreisen könne. Dies erklärt jedoch den langen Aufenthalt in * nicht, zumal davon auszugehen ist, dass der Schleuser mit den Umständen der Ausreise in Angola vertraut ist. Auch die Einlassung, der Schleuser habe in * gelebt und von dort alles für die Ausreise veranlasst, steht in Widerspruch zu der Behauptung, sie hätten in * gelebt und hätten das Haus nur zusammen mit dem Schleuser verlassen können – dieser lebte aber nach Angaben der Klägerin in *. Auf diese Tatsache angesprochen erklärte die Klägerin, der Schleuser habe in * und in * Häuser. Die zeitlichen Zusammenhänge lassen eher darauf schließen, dass die Klägerin ein tatsächliches Ereignis (Demonstration am 22. Januar 2017) zum Anlass nahm, eine politische Verfolgung zu konstruieren und durch den angeblichen Aufenthalt in * eine zeitliche Lücke für die tatsächlich erfolgte Ausreise im September 2017 zu schließen versuchte. Die Klägerin konnte auch nicht nachvollziehbar erklären, warum sie im September 2017 nach Deutschland weiterreiste, obwohl sie bereits von Januar 2017 bis September 2017 in Angola sicher war.
Auch die Umstände der Befreiung aus der Polizeihaft sind unglaubwürdig. Sie entsprechen der typischen Schilderung kongolesischer Staatsangehöriger. Dem Gericht ist der Vortrag, man habe in der Muttersprache geweint, ein Polizist habe die Herkunft erkannt und die Familie informiert, die eine Befreiung organisierte, aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt. Auch die näheren Umstände, wie sie durch das Erscheinen ihres Vaters am 25 Januar 2017 befreit worden sein soll, konnte die Klägerin nicht nachvollziehbar darlegen.
Weiterhin sind die Schilderungen anlässlich eines Krankenhausaufenthalts unglaubwürdig. Die Klägerin gab an, ein Arzt sei zu ihr gekommen und habe mitgeteilt, dass sie als Mitglied der BDK nicht weiter behandelt werden könne, sie müsse in einer Stunde das Krankenhaus verlassen. Die Klägerin konnte nicht nachvollziehbar erklären, woher der Arzt von ihrer Mitgliedschaft wusste, woher er wusste, dass sie gesucht wird und in welchem Zusammenhang die Mitgliedschaft mit der Behandlung im Krankenhaus stehen sollte. Die Erklärung, ihr Mann habe sie im Krankenhaus mit drei Mitgliedern der BDK besucht, die Krankenschwester habe dies dem Arzt erzählt, ist völlig konstruiert und unglaubwürdig.
Ebenfalls unglaubwürdig ist die Angabe, die Klägerin und ihr Mann hätten vom 30. Januar 2017 bis zum 5. September 2017 das Haus in * (Angola) nicht verlassen dürfen. Es gibt keine nachvollziehbare Erklärung, warum die Klägerin, die sich in Angola aufhielt, wegen eines angeblichen Vorfalls, der sich in der Demokratischen Republik Kongo abgespielt hat, über acht Monate hinweg das Haus nicht verlassen durfte.
Die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen bezüglich Polizeirazzien gegenüber Mitgliedern der Sekte BDK im April 2020 sind nicht geeignet, eine Verfolgungsgefahr für die Klägerin zu begründen. Das Gericht hat bereits ernsthafte Zweifel daran, dass die Klägerin tatsächlich Mitglied dieser Gruppierung ist. Die Angabe, sie sei Mitglied, weil ihr Ehemann Mitglied sei, ist unglaubhaft, zumal diese Gruppierung die Mitgliedschaft an eine besondere ethnische Zugehörigkeit geknüpft. Auch rief die BDK konkret zur Verfolgung von Menschen vom Volk der Muluba auf, eine ethnische Gruppe, zu der die Klägerin zählt. Auch die Angaben der Klägerin bezüglich der Zielsetzungen dieser Gruppierung sind überaus vage und nicht geeignet, zu belegen, dass sie tatsächlich Mitglied dieser Gruppierung ist. Die Behauptung, alle Ethnien könnten Mitglied der BDK sein, widerspricht der Zielsetzung dieser Gruppe, unter Vertreibung anderer Ethnien das Königreich Kongo wieder zu errichten. Aus diesem Grund sind die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen nicht geeignet, für die Klägerin eine begründete Furcht vor Verfolgung zu begründen. Im Übrigen standen die Maßnahmen der Polizei im April 2020 – lange nach der Ausreise der Klägerin – in einem konkreten Zusammenhang mit einem von dem Sektenführer erfolgten Aufruf, der in keinem Zusammenhang mit dem Lebenssachverhalt der Klägerin steht.
Die Klägerin hat des Weiteren nicht nachvollziehbar darlegen können, wieso ihr im Fall einer Rückkehr wegen eines Vorfalls im Jahr 2017 eine konkrete Verfolgung drohen sollte. Die Behauptung, vor zwei Monaten sei ihr Vater von ANR verhaftet worden, weil die Klägerin gesucht wird, ist zur Überzeugung asyltaktisch motiviert. Gleiches gilt für die Behauptung, auch im Jahr 2017 sei ihr Vater verhaftet worden, weil man nach ihr gesucht habe. Dieses habe sie erfahren, als sie – zeitlich vor der Anhörung – wegen TBC im Krankenhaus gewesen sei. Diese Einlassung steht im Widerspruch zu der Angabe bei der Anhörung durch das Bundesamt am 9. Februar 2018, bei der sie angab, sie habe keine Nachrichten darüber, dass sie gesucht werde.
Die Einlassungen der Klägerin bezüglich der Fluchtgründe sind daher zur Überzeugung des Gerichts unglaubwürdig, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheidet.
3. Auch ein Anspruch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG steht der Klägerin nicht zu.
a) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG durch einen Akteur im Sinne des § 3c i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die §§ 3c bis 3e AsylG gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 AsylG). Gemäß § 3e AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat, er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
b) Für eine Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) fehlen vorliegend jegliche Anhaltspunkte. Auch eine unmenschliche oder nicht erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) im Fall einer Rückkehr ist zur Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen, weil – wie bereits ausgeführt wurde – die Klägerin weder glaubhaft gemacht hat, vor der Ausreise von der Regierung verfolgt worden zu sein, noch im Fall einer Rückkehr im Jahr 2020 der Gefahr von Misshandlungen durch die Regierung ausgesetzt werden zu können.
c) Unabhängig davon, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, liegt jedenfalls keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen Konflikts vor. Zwar kommt es im Osten der Demokratischen Republik Kongo, insbesondere auch in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen (vgl. Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo des Auswärtigen Amts vom 27. Februar 2018, Stand: Dezember 2017, S. 5). Bei den andauernden Konflikten im Osten bzw. Nordosten der Demokratischen Republik Kongo handelt es sich u.a. um komplexe soziale Auseinandersetzungen um regionale bzw. lokale Vorherrschaft, Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen, befeuert von inter-ethnischen Spannungen. Angesichts der Gesamteinwohnerzahl der Provinz Nord-Kivu mit etwa 6,6 Mio. Einwohner und Süd-Kivu von etwa 5,7 Mio. Einwohner hat der dem Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt aber kein so hohes Niveau, dass davon ausgegangen werden kann, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Im Übrigen handelt es sich nicht um einen landesweiten Konflikt. Bei der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlichen Gefahrenprognose im Falle eines – wie hier – regional begrenzten, nicht landesweiten Konflikts ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17). Da die Klägerin zuletzt außerhalb der Konfliktregionen lebte, scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus.
4. Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht zu. Das Gericht schließt sich der ausführlichen Begründung im Bescheid des Bundesamts an.
a) Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt. Gemäß § 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 35 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder der ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dabei sind lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen.
Diese Voraussetzungen liegen mangels erkennbarer Vorverfolgung der Klägerin nicht vor.
Eine unmenschliche Behandlung droht der Klägerin auch nicht aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen in der DR Kongo. Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können nur in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot in diesem Sinn begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung „zwingend“ sind. Dies gilt in den Fällen, in denen die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut oder die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen, zurückzuführen sind. Wenn jedoch die Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führen, so ist zu berücksichtigen, ob es dem Betroffenen gelingt, die elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (EGMR, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – NVwZ 2012, 681 ff.; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheiten des Einzelfalles ist hierbei ein sehr hohes Niveau der Gefährdung zu verlangen (BayVGH, U.v. 21.10.2014 – 13a B 14.30285 – juris).
Dies zugrunde gelegt ist hier davon auszugehen, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bei einer Rückkehr in die DR Kongo sichern kann. Die Klägerin hat einen Universitätsabschluss und verfügt sie über ein für die Verhältnisse in ihrem Heimatland weit überdurchschnittliches Bildungsniveau. Auch kann sie auf familiären Rückhalt zurückgreifen. Der Klägerin kann zugemutet werden, zur Sicherung ihres Lebensunterhalts in ihrem Heimatland eine Arbeit zu suchen.
b) Der Abschiebung der Klägerin steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG entgegen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Individuelle, nur der Klägerin drohende Gefahren liegen nicht vor. Das Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung ist nicht glaubhaft.
Aktuelle Unterlagen, die eine Gesundheitsgefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG begründen könnten, wurden nicht vorgelegt. Die Klägerin hat auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt, keine Medikamente zu nehmen. Sie müsse lediglich noch Kontrolltermine wahrnehmen. Eine akute Erkrankung, die ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen begründen könnte, liegt nicht vor.
Auch die Gefahr der Ausbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 in der DR Kongo und die damit verbundene Pandemie begründet keinen Umstand, der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen könnte. Schon die aktuellen Infektionszahlen in der DR Kongo mit einer bestätigten Zahl von 1.537 Infizierten, 372 Genesenen und 61 Todesfällen lassen derzeit nicht auf einen sehr hohen Verbreitungsgrad schließen (Quelle: Wikipedia – Covid-19 pandemic data, Stand: 19. Mai 2020). Bezüglich der allgemeinen Pandemie-Lage liegt mithin keine konkrete Gesundheitsgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG vor, sondern lediglich eine abstrakte Gefahrenlage, der die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist und die nur bei Vorliegen eine Anordnung nach § 60a AufenthG Berücksichtigung finden könnte. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung kann die derzeitige Corona-Pandemie als allgemeine Gefahr aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen. Diese Sperrwirkung kann nur im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Gefahr einer Infizierung mit dem SARS-CoV-2-Virus, kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn die Klägerin bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden.
c) Sofern die Klägerin, wovon das Bundesamt anlässlich der Tatsache ausgeht, dass ihr angolanischer Reisepass als echt bewertet wurde, auch die angolanische Staatsangehörigkeit besitzen sollte, sind Abschiebungsverbote bezüglich Angola nicht erkennbar, solche wurden auch nicht vorgetragen. Die Abschiebungsandrohung ist daher auch bezüglich des Zielstaats Angola nicht zu beanstanden.
5. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Befristung der Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 AufenthG bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und im Rahmen der gerichtlich gemäß § 114 Satz 2 VwGO beschränkten Prüfung ordnungsgemäß ausgeübt. Die erforderliche Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer kann in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes auch in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2011 (§ 11 Abs. 2 AufenthG n.F.) gesehen werden (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris).
6. Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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