Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  AN 17 K 17.36034

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21322
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4 Abs. 1, § 38 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3
GRCh Art. 4

 

Leitsatz

1. Im Asylverfahren vorgelegte Dokumente können zwar einen glaubhaften Vortrag stützen, ihnen kommt aber selbst bei Vorlage eines Originals kein Beweiswert zu, wenn es an einem stimmigen und glaubhaften Vortrag mangelt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Berufung auf die negative Religionsfreiheit kann nur erfolgreich sein, wenn diese bei einer Rückkehr in asylrechtlich relevanter Weise eingeschränkt wäre, was eine schwerwiegende Verletzung dieser Freiheit erfordert. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas weist kein so hohes Niveau an willkürlicher Gewalt auf, dass man bereits alleine durch die Anwesenheit im Gouvernement Gaza oder im Gazastreifen ernsthaft und individuell bedroht wäre und sich die allgemeine Gefahr in einer Person zum beachtlichen Risiko verdichten würde. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Damit eine Abschiebung wegen schlechter humanitärer Verhältnisse als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet wird und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK erfüllt, muss die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG. Er ist nicht Flüchtling in diesem Sinne. Ein Ausländer ist Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will, § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG. Nach § 3a Abs. 3 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung vom Staat (§ 3c Nr. 1 AsylG), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. auch VG Augsburg, U. v. 20.2.2018 – Au 5 K 17.31812 – juris Rn. 25; U.v. 2.10.2017 – Au 5 K 17.31438 – juris).
Maßstab für die Beurteilung der Furcht des Klägers vor Verfolgung als begründet im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist das Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr („real risk“) der Verfolgung. Erforderlich ist also, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer angenommenen Rückkehr Verfolgung droht (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – NVwZ 2020, 161 Rn. 15; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936 Rn. 32; BVerwG, U.v. 22.11.2011 – 10 C 29/10 – NVwZ 2012, 1042 Rn. 23 ff.; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – NVwZ 2011, 51 Rn. 22). Es ist Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass bei verständiger Würdigung die geschilderte Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris), so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel die Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 2.10.2017 – Au 5 K 17.31438 – juris). Von dem Asylsuchenden kann verlangt werden, dass er zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 10.5.1994 – 9 C 434.93 – juris; BVerwG, B.v. 19.3.1991 – 9 B 56/91 – juris).
1) Die vom Kläger geschilderte Vorverfolgung durch die Hamas begründet keine begründete Furcht vor Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland, denn die Ausführungen des Klägers sind nach Überzeugung der Kammer nicht glaubhaft. Der widersprüchliche und von Steigerungen geprägte Vortrag des Klägers ist in sich nicht schlüssig. In der mündlichen Verhandlung äußerte sich der Kläger oft nur schleppend zu seinem Fluchtvorbringen.
Bereits die geschilderten Ereignisse im Zusammenhang mit der Diskussionsrunde am 5. Februar 2016 sind nach Ansicht der Kammer nicht glaubhaft und vermögen eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht zu begründen. Der Kläger gab vor dem Bundesamt an, dass er nach dieser Diskussionsrunde, bei der er sich besonders kritisch über den Islam geäußert habe, einen Anruf erhalten habe, dass er wegen Islamfeindlichkeit getötet werden würde. Auch … habe einen solchen Anruf bekommen. Der Kläger habe … verlassen und sei noch am selben Tag heimlich nach … zu seinem Cousin. In … habe er am 6. Februar 2016 von der Ladung Kenntnis genommen und am nächsten Tag von dem Haftbefehl. In seine Hände seien die Ladungsschreiben jedoch erst in Deutschland gelangt. Sein Cousin habe ihm diese geschickt. In … habe nur sein Cousin die Ladungen entgegengenommen und ihm lediglich mündlich Bescheid gesagt. Es erscheint realitätsfern, dass der Cousin des Klägers, bei dem dieser untergekommen sein will, dem Kläger die beiden Schreiben nicht aushändigte, sondern dieser ihm nur davon erzählt habe. Weiter konnte der Kläger nach Auffassung der Kammer nicht überzeugend darlegen, wie die Hamas innerhalb eines Tages erfahren konnte, dass er nach … geflohen sei. In der mündlichen Verhandlung führte er hierzu erstmals an, dass er seiner Mutter eine SMS über seinen Aufenthaltsort in … geschrieben habe. Noch in dieser Nacht habe man die Wohnung in … durchsucht und nach ihm gesucht. Seine Mutter sei dabei gewesen. Man habe alles an sich genommen. Er nehme an, dass die Personen die SMS gelesen hätten und deshalb gewusst hätten, dass er in … sei. Als Erklärung für das erstmalige Vorbringen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung nur an, dass er vieles nicht erzählt habe. Er habe nochmals darüber nachgedacht, mit seiner Mutter darüber gesprochen und sich erinnert. Dieser Erklärungsversuch für das gesteigerte Vorbringen vermag das Gericht nicht überzeugen.
Der Vortrag ist weiter auch in zeitlicher Hinsicht in mehrfacher Hinsicht nicht glaubhaft. Vor dem Bundesamt führte der Kläger zunächst noch aus, dass er in … von der Ladung am 6. Februar 2019 und vom Haftbefehl am nächsten Tag Kenntnis erlangt habe, gegen Ende der Befragung nennt er dagegen den 5. Februar 2016 (Ladung) und den 6. Februar 2016 (Haftbefehl). In der mündlichen Verhandlung gab er wiederum an, dass er erst in der Türkei erfahren habe, dass er gesucht und verhaftet werden würde. In … habe er nur von der Ladung Kenntnis erlangt. Er habe die Ladung in … erhalten. Erst als er bereits auf der Flucht gewesen sei, habe ihn sein Cousin angerufen und mitgeteilt, dass er nun einen Haftbefehl erhalten habe. Der Kläger konnte weiter nicht überzeugend erklären, warum es nicht bereits in … zu seiner Festnahme kam, wenn doch die Hamas ihn bereits für den 6. Februar 2019, also einen Tag nach der Diskussionsrunde, in …, seinem Fluchtort, vorgeladen und somit gewusst habe, wo er sei. Vielmehr schilderte der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung, dass die Hamas ihn bereits in … gesucht hätte, er aber ins Nachbarhaus geflüchtet sei. Dieser späte Vortrag ist umso erstaunlicher, als der Kläger bereits vor dem Bundesamt zu der Thematik befragt wurde und hier keine Erklärung fand.
Auch die weiteren Angaben in der mündlichen Verhandlung zu den abgehaltenen Diskussionsrunden vermögen den Vortrag des Klägers nicht zu stützen. Vor dem Bundesamt führte er noch aus, dass er sich mit seinem Bruder Diskussionsrunden veranstaltet habe. Weiter habe sich … daran beteiligt und am 5. Februar 2016 habe dieser eine weitere ihm unbekannte Person mitgebracht. In der mündlichen Verhandlung schilderte der Kläger dann, dass er die Diskussionsrunden bereits seit 2011 zusammen mit … wöchentlich abgehalten habe. Sie hätten sich in einem Gebäude getroffen, dass … gehört habe. Es seien immer fünf, sechs, sieben bis zehn Leute gekommen. Man habe versucht, weitere Leute für diese Veranstaltungen zu gewinnen. Auf Vorhalt, dass er vor dem Bundesamt angegeben habe, dass die Diskussionsrunden bei ihm zu Hause stattgefunden hätten, gab der Kläger an, dass die Diskussionen an verschiedenen Orten stattgefunden hätten. Wenn fremde Leute gekommen wären, hätten sie sich im Haus von … getroffen. Damit konnte der Kläger den Widerspruch nicht ausräumen, denn auch bei der vor dem Bundesamt geschilderten Diskussionsrunde ist nach seinen Angaben eine fremde Person mitgekommen. Weiter ist unklar, warum der Kläger die Häufigkeit der Diskussionsrunden und die Vielzahl der Besucher nicht bereits vor dem Bundesamt geschildert hat. Überdies trug der Kläger vor dem Bundesamt nur vor, man habe in den Diskussionsrunden über Religion gesprochen, während der Kläger in der mündlichen Verhandlung darlegt, dass man auch über Politik und Sport diskutiert habe. Widersprüchlich ist weiter, warum der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärte, dass man auch bei Anwesenheit fremder Personen über Religion gesprochen habe, da er Angst vor niemanden habe, während er dennoch befürchtet, wegen seiner religionskritischen Äußerungen verfolgt und getötet zu werden. Auch der Erklärungsversuch in der mündlichen Verhandlung, dass man nie wissen könne, wer zur Hamas gehört und der pauschale Hinweis, dass sein Vater für die Fatah gearbeitet habe, deshalb in die Türkei sei und es daher bestimmt Leute gegeben habe, die ihn beobachteten, ist nicht überzeugend. Zum einen handelt es sich um einen gesteigerten, erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Vortrag, zum anderen ist er zu detailarm. Zudem ist es umso unverständlicher, dass sich der Kläger, wenn er doch unter der Beobachtung der Hamas stand, von 2011 bis 2016 unverfolgt kritisch über den Islam und Politik äußern konnte.
Auch die vorgelegten Kopien einer Ladung und eines Haftbefehls, nach Angaben des Klägers ausgestellt durch die Hamas, vermögen das Gericht nicht vom Vorliegen einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung zu überzeugen. Unerheblich ist, dass nach Aussage der Beklagten nicht mehr nachvollziehbar sei, ob der Kläger beim Bundesamt Originale eingereicht habe und die Klägerbevollmächtigte angesichts dessen moniert, dass die Unauffindbarkeit nicht zu Lasten des Klägers gehen dürfe. Selbst wenn der Kläger die Originale dieser Bescheinigungen vorgelegt hätte, hätte dies an der Einschätzung des Gerichts nichts geändert. So erscheint schon die Echtheit der Dokumente zweifelhaft. Der Kläger konnte nicht überzeugend darlegen, warum Haftbefehl und Ladung auf die Adresse seines Cousins in … ausgestellt wurden. Weiter fehlen auf den Dokumenten wesentliche Angaben. So ist beim Haftbefehl zwar ein § 146 genannt, aber nicht das maßgebliche Gesetz, auch Name, Position und Dienstzeichen wurden nicht ausgefüllt. Ohnehin geht das Gericht davon aus, dass in Asylverfahren vorgelegte Dokumente zwar einen glaubhaften Vortrag stützen können, während ihnen, selbst bei Vorlage eines Originals, kein Beweiswert zukommt, wenn es an einem stimmigen und glaubhaften Vortrag mangelt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2019 – AN 18 K 16.31262 – juris Rn. 18; VG Saarlouis, U.v. 6.2.2019 – 5 K 179/17 – juris Rn. 34), wie es hier nach oben Gesagtem der Fall ist.
Nach alledem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger sein Heimatland unverfolgt verlassen hat.
2) Unabhängig von der geschilderten, nach Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaften Vorverfolgung, siehe 1), besteht zudem keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr in die Palästinensischen Autonomiegebiete eine Verfolgung aufgrund des von ihm vorgetragenen Atheismus droht. Zwar ist die begründete Furcht vor Verfolgung aufgrund der Religion grundsätzlich ein beachtlicher Verfolgungsgrund. Die Hamas wäre auch ein relevanter Akteur, § 3 c AsylG, denn sie beherrscht einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets der Palästinensischen Autonomiegebiete, § 3 c Nr. 2 AsylG, nämlich den Gazastreifen. Nach früheren gewaltsamen Auseinandersetzungen einigten sich Hamas und Fatah am 23. März 2014 auf die Bildung einer Einheitsregierung und am 12. Oktober 2017 erfolgte ein weiteres Versöhnungsabkommen. Westjordanland und Gazastreifen unterstehen damit derselben Exekutivgewalt. Dennoch übt die Hamas im Gazastreifen de facto die Kontrolle aus (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Österreich, Länderinformationsblatt Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 6 ff.). Im Gazastreifen ansässige Palästinenser können grundsätzlich auch nicht ins Westjordanland reisen noch bieten UNRWA oder andere Organisationen im Gazastreifen Schutz vor gezielter Verfolgung durch die Hamas (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Bundesamt vom 7.3.2019). Grundsätzlich finden zwar die Gesetze der Palästinensischen Autonomiebehörde im Gazastreifen Anwendung. Deren Verfassung etabliert den Islam als offizielle Religion und bestimmt, dass die Regeln der Scharia die Hauptquelle der Gesetzgebung sind, gewährt jedoch Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und erlaubt die Ausübung religiöser Riten, sofern die öffentliche Sicherheit oder Moral nicht beeinträchtigt wird. Außerdem ist es verboten, aufgrund von Religion zu diskriminieren und festgelegt, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind (vgl. Department of State, 2018 Report on International Religious Freedom: Israel, Westbank and Gaza, 21.6.2019, S. 1). De facto übt jedoch, wie bereits ausgeführt, die Hamas die Kontrolle im Gazastreifen aus und legt der Bevölkerung Restriktionen gemäß ihrer Interpretation des Islam und der Scharia auf (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Österreich, Länderinformationsblatt Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 17; Department of State, 2018 Report on International Religious Freedom: Israel, Westbank and Gaza, 21.6.2019, Section II). Christliche Gruppen berichten dagegen, dass die Hamas die christliche Minderheit toleriert und ihnen das Islamische Recht nicht aufzwingt. Die Hamas behindert danach im Allgemeinen weder die privaten noch gemeinschaftlichen religiösen Aktivitäten der christlichen Minderheit. Auch sei muslimischen Schülern erlaubt, von christlichen Trägern betriebene Schulen zu besuchen. Andererseits hat die Hamas in 2017 einen Sozialarbeiter verhaftet und gegen ihn wegen der Verletzung religiöser Gefühle ermittelt (vgl. Department of State, 2018 Report on International Religious Freedom: Israel, Westbank and Gaza, 21.6.2019, Section II).
Es kann letztlich offenbleiben, ob Atheisten Verfolgung und gar der Tod droht. Denn letztlich konnte der Kläger nicht glaubhaft machen, dass er sich aus einer festen Grundüberzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel heraus von seinem sunnitischen Glauben abgewandt hat. Die Berufung auf die negative Religionsfreiheit kann nur erfolgreich sein, wenn diese bei einer Rückkehr in asylrechtlich relevanter Weise eingeschränkt wäre, was eine schwerwiegende Verletzung dieser Freiheit erfordert (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2019 – 14 ZB 17.31930 Rn. 15 unter Verweis auf EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11, EuGRZ 2012, 638 Rn. 56 ff.; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – Rn. 23 ff., B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 Rn. 11). Für die Annahme einer Verfolgungsgefahr wegen Apostasie (ohne Annahme eines neuen Glaubens) bzw. Atheismus sind keine geringeren Anforderungen zu stellen, als bei einer Apostasie (unter Annahme eines neuen Glaubens), also einem Glaubenswechsel. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 23. Januar 2019 in überzeugender Weise ausdrücklich klargestellt, dass die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich auch auf Personen anzuwenden ist, die vom Islam abfallen, ohne sich einer anderen Religion zuzuwenden. Dementsprechend kommt es für die Frage einer Verfolgungsgefahr im Herkunftsland maßgeblich darauf an, ob die vom Glauben abgefallene Person ihre Religionslosigkeit für sich selbst als verpflichtend bzw. unverzichtbar empfindet, um ihre nicht-religiöse Identität zu wahren und deshalb im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat davon auszugehen ist, dass sie ihre Religionslosigkeit – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – aktiv ausüben oder nur erzwungenermaßen, unter dem Druck drohender Verfolgung, auf die ihre allein entsprechende Lebensform verzichten wird (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2019 – 14 ZB 17.31930 Rn. 16 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Rn. 11, BayVGH, B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 Rn. 21). Die religiöse bzw. nicht-religiöse Identität des Asylbewerbers als innere Tatsache kann nur anhand seines Vorbringens sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen festgestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 14). Welche Anforderungen dabei im Einzelnen an das Vorbringen des Schutzsuchenden zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Von einem Erwachsenen ist aber im Regelfall zu erwarten, dass dieser schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion bzw. Abkehr vom Glauben machen kann (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 14).
Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen gelangt die Kammer im konkreten Fall des Klägers nicht zu der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Überzeugungsgewissheit, dass sich dieser aus einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel heraus von seinem sunnitischen Glauben abgewandt hat. Aus dem sehr pauschalen und auch widersprüchlichen Vorbringen des Klägers zu seinem vorgetragenen Atheismus vermag das Gericht nicht den Schluss auf einen ernst gemeinten und die religiöse Identität des Klägers prägenden Einstellungswandel ziehen. Unklar ist schon, warum der Kläger seinen Atheismus nicht bereits bei seiner Asylantragstellung im Juli 2016 angab. Dort äußerte er noch, Sunnit zu sein, während er vor dem Bundesamt im November 2016 darlegte, konfessionslos zu sein und bereits im Heimatland, also vor seiner Flucht, zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Religion etwas Persönliches sei und mit dem Gott nichts zu tun habe. Widersprüchlich ist weiter, dass der Kläger wiederum vor dem Bundesamt ausführte, dass es einen Gott gebe, in der mündlichen Verhandlung dagegen ausführt, dass niemand wisse, ob es einen Gott gebe. Auch die weiteren pauschalen Äußerungen des Klägers, dass es keine Religion gebe, diese von Menschen gemacht sei und zu Kriegen führe, bringen nach Überzeugung des Gerichts lediglich zum Ausdruck, dass sich der Kläger seinen Glauben nicht vorschreiben lassen will, da Glaube etwas Persönliches sei. Die Kammer hat den Eindruck gewonnen, dass es dem Kläger, der zwar angab, Atheist zu sein, nicht um den als unverzichtbar oder verpflichtend empfundenen Nichtglauben als einen die nicht-religiöse Identität prägenden Einstellungswandel geht, sondern um die strengen Regeln des Islam, so wie sie im Gazastreifen gelebt werden, also eine von Menschen gemachte Religion, die er ebenso ablehnt wie die Kriege, die im Namen der Religion geführt wurden und werden. Der Kläger zieht es vor, in einer freien und selbstbestimmten Gesellschaft zu leben. So führte er, als er angibt, Atheist zu sein, im selben Atemzug aus, dass allgemein bekannt sei, dass Leute in Haft seien, die gegen die Hamas protestiert hätten. Jemand habe seine freie Meinung geäußert, der auch Mitglied der Fatah gewesen sei. Er sei in Haft gewesen und vor einer Woche dort ums Leben gekommen. Die Erwähnung der angeblichen Abkehr vom Islam, die äußert detailarm und widersprüchlich ist und zudem sehr unpersönlich wirkt, erscheint vor allem asyltaktisch motiviert.
II.
Der Anspruch auf Asylanerkennung, Art. 16 a GG, scheitert aus denselben Gründen wie unter I. ausgeführt und zudem bereits daran, dass der Kläger auf dem Landweg aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften, einem sicheren Drittstaat, eingereist ist, Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 2 AsylG.
III.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
1) Dem Kläger droht bei einer Rückkehr weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG, noch ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, denn die Ausführungen des Klägers sind nicht glaubhaft. Insoweit wird auf I. verwiesen. Auch im Hinblick auf die humanitäre Situation sind die Voraussetzungen der Norm nicht gegeben, denn es fehlt schon an einem Akteur (vgl. zur Thematik: VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 167 ff.).
2) Der Kläger hat zudem keinen Anspruch auf die Zuerkennung des hilfsweise begehrten Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 1 AsylG. Dieser ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt als ernsthafter Schaden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 1 AsylG). Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, so dass dem Ausländer der subsidiäre Schutz insbesondere nicht zuerkannt wird, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG droht und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG). Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist – wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft – der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris). Für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist tatbestandliche Voraussetzung neben dem Vorliegen eines innerstaatlichen bzw. internationalen bewaffneten Konflikts das Bestehen einer individuellen Bedrohungssituation (vgl. OVG Münster, B.v. 10.10.2017 – 13 A 2235/17.A – juris).
Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und Art. 15 Buchst. c der Qualifikations-RL 2011/95/EU zwischen Fatah und Hamas liegt bereits tatsächlich nicht vor, da sich die den Gazastreifen beherrschende Hamas und die im Westjordanland regierende Fatah nach früheren gewaltsamen Auseinandersetzungen am 23. März 2014 auf die Bildung einer Einheitsregierung geeinigt haben, die der erste Schritt auf dem Weg zu einer Aussöhnung sein sollte. Die für Anfang 2015 angedachten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden jedoch bislang nicht statt. Am 12. Oktober 2017 folgte ein weiteres Versöhnungsabkommen zwischen Hamas und Fatah. Nachdem der Premier der Einheitsregierung, Rami Hamdalla, bei einem Besuch im Gazastreifen beinahe Opfer eines Attentats geworden wäre, fror die Fatah die Finanzen für den Gazastreifen ein und forderte die Übergabe der Sicherheitsverantwortung für den Gazastreifen, was die Hamas ablehnte. Zwar stagnieren die Versöhnungsbemühungen derzeit, gleichwohl wird nicht von einem Wiederaufflammen gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Fatah berichtet (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 6 ff.).
Die Sicherheitslage ist vielmehr im Wesentlichen vom israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt. So wurden im Jahr 2019, Stand November, 1378 Raketen durch bewaffnete palästinensische Gruppen aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossen und bei Angriffen vier israelische Zivilisten getötet und 123 verletzt (vgl. Human Rights Watch, World Report 2020 – Israel and Palestine, S. 3 Druckversion). Umgekehrt kamen beim Einsatz von Gewalt durch die israelischen Streitkräfte im Gazastreifen 2019 108 Palästinenser ums Leben und wurden 11.845 verletzt (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 24.12.2019 – 6.1.2020).
Letztlich kann dahinstehen, ob es sich hierbei um einen bewaffneten internationalen (oder innerstaatlichen) Konflikt im Sinne der § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und Art. 15 Buchst. c der Qualifikations-RL 2011/95/EU zwischen Israel und Palästina beziehungsweise der den Gazastreifen beherrschenden Hamas handelt, denn für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 1 AsylG ist tatbestandliche Voraussetzung neben dem Vorliegen eines innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikts das Bestehen einer individuellen Bedrohungssituation (vgl. OVG Münster, B.v. 10.10.2017 – 13 A 2235/17.A – juris). Eine solche individuelle Bedrohungssituation ist für den Kläger nicht gegeben. Der Kläger ist bei seiner Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt. In der Person des Klägers selbst liegen keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände vor. Diese sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Er ist insbesondere keinen berufstypisch bedingten sachlichen oder örtlichen Gefährdungen ausgesetzt. Seinen eigenen Angaben nach hat er zwar ein Studium der Medienwissenschaften absolviert und im Praktikum als Kameramann gearbeitet. Jedoch führte der Kläger selbst aus, dass Kameramann zu sein lediglich ein Hobby sei. Tatsächlich in seinem Beruf gearbeitet hat der Kläger nicht.
Weiter kann die Gewährung subsidiären Schutzes unabhängig von individuellen gefahrerhöhen-den Umständen nur ausnahmsweise in Betracht kommen, nämlich bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahrenlage, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Maß erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. zu den Voraussetzungen einer individuellen Bedrohungssituation EuGH, U.v. 17.2.2009 – Rs. C 465/07 (Elgafaji) – juris, Rn. 35 und 39 und U.v. 30.1.2014 – Rs. C 285/12 (Diakité) – juris, Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32 und U.v. vom 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris, Rn. 18 ff.). Zur Feststellung, ob eine solche Bedrohung gegeben ist, ist eine jedenfalls annähernde quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris) sowie der medizinischen Versorgungslage (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris) erforderlich. In diesem Zusammenhang geht die Rechtsprechung allerdings davon aus, dass – bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres – ein Risiko von 1:800 verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht mehr auszuwirken vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.). Diesen Maßstab zugrunde gelegt liegt keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des aus … stammenden Klägers im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG alleine durch seine Anwesenheit in … bzw. im Gouvernement Gaza als maßgeblicher Herkunftsregion (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 31.3.2013 – 10 C 15.12 – juris; U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – juris; VGH BW U.v. 17.1.2017 – A 11 S 241/1 – juris, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 100; U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 202) bzw. im Gazastreifen vor.
Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas weist kein so hohes Niveau an willkürlicher Gewalt auf, dass der Kläger bereits alleine durch seine Anwesenheit in … bzw. im Gouvernement Gaza oder im Gazastreifen ernsthaft und individuell bedroht wäre und sich die allgemeine Gefahr in seiner Person zum beachtlichen Risiko verdichten würde (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – juris Rn. 13). Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Zwar handelt es sich bei den errechneten Wahrscheinlichkeiten nur um Näherungen, da beispielsweise bei der Erfassung der Daten, in Bezug auf die einzelnen Erhebungszeitpunkte sowie bezüglich der Zuordnung der Opfer zu den einzelnen Anschlägen Unschärfen bestehen. Insoweit ist in der Rechtsprechung jedoch geklärt, dass eine annäherungsweise Ermittlung der entsprechenden, zueinander ins Verhältnis gesetzten Zahlen ausreichend ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris). Selbst unter Einbeziehung eines gewissen Sicherheitszuschlags wird die kritische Gefahrendichte hier bei weitem nicht erreicht.
Im Jahr 2019 wurden im Gazastreifen durch israelische Kräfte 108 Palästinenser getötet und 11.845 verletzt (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 4.2.2020 – 17.2.2020). Ein Jahr zuvor, 2018, waren 260 getötete und 25.641 verletzte Palästinenser zu verzeichnen (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 26.3.2019 – 8.4.2019). Daraus ergibt sich bei einer Bevölkerungszahl im Gazastreifen von etwa 1,9 Millionen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 7), wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass sämtliche Opfer keine Kombattanten waren, für palästinensische Zivilisten im Gazastreifen ein Risiko durch israelische Streitkräfte getötet oder verletzt zu werden von etwa 1,36% im Jahr 2018 und von etwa 0,63% im Jahr 2019. Damit liegen beide Werte deutlich über dem genannten Verhältnis von 1:800 (0,125%), allerdings handelt es sich dabei um keinen starren Richtwert des Bundesverwaltungsgerichts dergestalt, dass bei einem Überschreiten automatisch eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG anzunehmen wäre. Zum einen sah das Bundesverwaltungsgericht ein Risiko von 1:800 als weit weg von der Schwelle der Erheblichkeit an (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – NVwZ 2012, 454 Rn. 22 f.), weshalb ein Überschreiten dieses Wertes nicht sogleich zur Erheblichkeit führt. Zum anderen ist die quantitative Betrachtung, wie oben bereits ausgeführt, in eine wertende (qualitative) Gesamtbetrachtung einzubetten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Risiko getötet zu werden, weit unterhalb der genannten Werte liegt, nämlich für das Jahr 2018 bei etwa 0,014% und für das Jahr 2019 bei etwa 0,006%, sprich die Gefahr (nicht tödlich) verletzt zu werden, im Vordergrund steht. Des Weiteren steht das Risiko, getötet oder verletzt zu werden, in signifikantem Zusammenhang mit den Massenprotesten („Great March of Return“) am Grenzzaun/Pufferzone zwischen dem Gazastreifen und Israel. Der Bau des Grenzzauns durch Israel begann 1994. Nachdem er im Jahr 2000 im Zuge der zweiten Intifada angegriffen wurde, ersetzte Israel den Zaun durch eine Sicherheitsbarriere mitsamt einer Pufferzone im Bereich des Gazastreifens, die bis zu 300 Metern breit sein kann und variabel festgelegt wird. In sie darf nach israelischen Einsatzregeln scharf hineingeschossen werden (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 10). Die Proteste („Great March of Return“) an dieser Grenzanlage zu Israel begannen am 30. März 2018 (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 10) und zielen auf ein Rückkehrrecht vertriebener Palästinenser in heute zum israelischen Staat gehörende Gebiete sowie die Blockade des Gazastreifens durch Israel (vgl. Amnesty International, Human Rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Israel and the Occupied Palestinian Territories, Stand 26. Februar 2019, S. 2). Zwar wurden die Proteste am 26. Dezember 2019 durch das Organisationskomitee ausgesetzt, allerdings nur bis zum 30. März 2020, dem zweiten Jahrestag des Protestbeginns. Danach sollen sie auf monatlicher Basis und auch als Adhoc Proteste fortgeführt werden (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 24.12.2019 – 6.1.2020). Im Rahmen der Grenzproteste kommt es zu gewaltsamen Konfrontationen mit Todesopfern zwischen der israelischen Armee und den Demonstranten, wobei inzwischen von einer Kontrolle der Proteste durch die Hamas auszugehen ist, die zur Gewaltausübung animiert (vgl. United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018 – West Bank and Gaza, S. 1 [S. 61 d. Gesamtversion zu Israel, Golan Heights, West Bank and Gaza]; s.a. United Kingdom Home Office, Country Policy and Information Note, Occupied Palestinian Territories, Stand Dezember 2018, S. 15: Die Hamas hat eingeräumt, dass eigene Mitglieder bei den Protesten getötet wurden). Etwa werden seitens der Palästinenser mit Brandsätzen ausgestattete Drachen und Molotov-Cocktails eingesetzt (vgl. Amnesty International, Human Rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Israel and the Occupied Palestinian Territories, Stand 26. Februar 2019, S. 2; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 10).
So wurden im Zuge der Grenzproteste im Jahr 2019 33 Palästinenser getötet (vgl. UN OCHA, Casualities: Thousands killed in conflict-related incidents, 12.2.2020) und 11.523 (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 24.12.2019 – 6.1.2020) verletzt, bei einer Gesamtzahl im Gazastreifen getöteter Palästinenser in 2019 von 108 und einer Gesamtzahl im Gazastreifen verletzter Palästinenser in 2019 von 11.845 (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 4.2.2020 – 17.2.2020). Fasst man die Jahre 2018 und 2019 zusammen, so liegt die Zahl der bei den Protesten am Grenzzaun getöteten Palästinenser seit deren Beginn am 30. März 2018 bei 212, die der Verletzten bei 36.134 (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 24.12.2019 – 6.1.2020), bei einer Gesamtzahl getöteter Palästinenser im Gazastreifen in 2018 und 2019 von insgesamt 368 und einer Gesamtzahl verletzter Palästinenser von 37.486. Bei einer wertenden Betrachtung zeigt sich somit, dass zwar das Risiko, durch israelische Streitkräfte getötet, insbesondere aber verletzt zu werden, vor allem in der Nähe des Grenzzauns zu Israel und in Zusammenhang mit dem „Great March of Return“ erhöht ist, jedoch nicht auf den Gazastreifen als Ganzes bezogen. Gerade das erhöhte Verletzungsrisiko, welches erst die Signifikanz des Gesamtrisikos, verletzt oder getötet zu werden, mit Blick auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG begründet, ist nahezu vollständig auf die Auseinandersetzungen anlässlich der Zaunproteste zurückzuführen und somit räumlich isoliert. Lässt man die bei den Grenzzaunprotesten Getöteten und Verletzten bei der Betrachtung außen vor, bleiben für den gesamten Gazastreifen im Jahr 2019 75 Tote und 322 Verletzte. Selbst wenn man zugunsten des Klägers diese Opferzahl allein dem Gouvernement Gaza bzw. … als seiner Herkunftsregion zuordnen würde, ergibt sich ein Risiko, Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, das weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegt. Bei einer Einwohnerzahl im Gouvernement Gaza von 625.824 Einwohnern und in … von … Einwohnern liegt das Risiko, durch israelische Streitkräfte verletzt oder getötet zu werden, bei ca. 0,06% bzw. 0,07% im Jahr 2019.
Insofern muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, sich nicht unmittelbar in die Pufferzone zum Grenzzaun hin zu begeben, beziehungsweise jedenfalls innerhalb des Gazastreifens mit größerem Abstand zur Grenze als sein Heimatort … Schutz zu suchen, etwa in den größeren Städten Khan Yunes oder Rafah im Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten. Die Hamas unterbindet die interne Bewegungsfreiheit im Gazastreifen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 23). Dies ergibt sich auch aus den Regelungen zur inländischen Fluchtalternative des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG, die dem Ausländer zumuten, in einem Teil seines Herkunftslandes Aufenthalt zu nehmen, in dem ihm keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens droht, er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (vgl. hierzu auch die Ausführungen unter IV.).
IV.
Auch besteht kein nationales Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers.
1) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gründen, die ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK rechtfertigen, sind nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Bezug auf Gefahren, die dem Kläger individuell durch einen konkret handelnden Täter drohen, ergibt sich keine andere Bewertung als bei der Prüfung der §§ 3, 4 AsylG. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Darüber hinaus kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte eine Verletzung des Art. 3 EMRK auch ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn der Kläger im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft im Ausnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Hierbei ist es nicht ausreichend, dass bei seiner Rückführung die Lage des Ausländers einschließlich seiner Lebenserwartung beeinträchtigt würde (vgl. BVerwG, U.v. 31.01.2013 – 10 C 15/12 – juris). Dies bedeutet, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung muss ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist relativ und hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, etwa der Dauer der erniedrigenden Behandlung, ihren physischen und psychischen Wirkungen, sowie von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Klägers (vgl. EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 – NVwZ 2011, 413 Rn. 219; s.a. EGMR, U.v. 13.12.2015 – Paposhvili/Belgien, 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 Rn. 174). Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK ist auf den gesamten Abschiebestaat abzustellen und primär die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung, der Herkunftsregion des Klägers, zu prüfen (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 31.01.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 38, 14).
Diese hohen Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht erfüllt. Dabei verkennt das Gericht nicht die schlechten Lebensbedingungen im Gouvernement Gaza bzw. im Gazastreifen allgemein. So sind im Gazastreifen 80% der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen (vgl. Amnesty International, Human Rights in the Middle East and North Africa: Review in 2018, Palestine, 26.2.2019, S. 1). Es gibt wegen der Stromknappheit Probleme mit der Wasserversorgung und dem Abwasserkreislauf (vgl. Human Rights Watch, World Report 2020 – Israel and Palestine, S. 2), einigen Erkenntnismitteln nach haben 95% der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Wasser (vgl. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Palestinian territories occupied since 1967, 15.3.2019, S. 3 f.). Hinsichtlich der Abwasserbelastung soll jedoch eine 2018 fertiggestellte neue Kläranlage Abhilfe schaffen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 28). Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage sowie hohen Lebensmittelpreisen sind circa 39% der Haushalte im Gazastreifen von schwerer oder moderater Lebensmittelunsicherheit betroffen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 27). Im Gazastreifen lag die Arbeitslosenquote im 2. Quartal 2018 bei 53,7%, das Durchschnittseinkommen pro Tag bei 14,64 Euro (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 27), das moderate Wirtschaftswachstum reicht nicht aus, die Arbeitslosenquote zu senken, sondern führt vielmehr zu einem weiteren Anstieg (vgl. United Kingdom Home Office, Country Policy and Information Note, Occupied Palestinian Territories, Stand Dezember 2018, S. 26). Hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung sinken zwar die Kapazitäten des medizinischen Sektors im Allgemeinen, gleichwohl funktionieren die wesentlichen Abteilungen in den Krankenhäusern im Gazastreifen. Nichtsdestotrotz sind Patienten häufig auf eine Behandlung im Ausland angewiesen, weil etwa Medikamente, medizinische Ausrüstung und Personal fehlen. So waren Ende Januar 2018 40% der lebensnotwendigen Medikamente des Basisgesundheitskorbs der WHO ausverkauft, für weitere 43% bestanden nur Vorräte bis zu einem Monat (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 29 f.). Wegen der genannten erheblichen Defizite bei der Versorgung der Bevölkerung kommt den Hilfsleistungen der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) große Bedeutung bei der Gewährleistung eines Minimalstandards zu. Das UNRWA agiert, was die Versorgung anbelangt, als de facto Regierung und betreibt im Gazastreifen acht Flüchtlingslager, 267 Schulen, 21 Gesundheitszentren, 16 Unterstützungs- und Sozialeinrichtungen, drei Büros zur Vergabe von Mikrokrediten und zwölf Verteilungszentren für Nahrungsmittel (vgl. United Kingdom Home Office, Country Policy and Information Note, Occupied Palestinian Territories, Stand Dezember 2018, S. 30 ff.).
Hinsichtlich der Rückkehrperspektive im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG ist für den Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von einer gemeinsamen Rückkehr als Kernfamilie auszugehen, zusammen mit seiner Lebensgefährtin und Kindsmutter sowie mit dem gemeinsamen, am 4. Februar 2020 in Deutschland geborenen Kind. Zwischen Vater, Mutter und Kind liegt auch eine gelebte familiäre Gemeinschaft vor. Zum einen liegt eine im Verfahren der Lebensgefährtin (Az: AN 17 K 19.31331) vorgelegte urkundliche Erklärung beider Elternteile vom 4. November 2019 vor dem Landratsamt … über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge vor. Zum anderen lebten der Kläger und seine Lebensgefährtin zwar zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht zusammen, was allerdings der Zuweisung der Lebensgefährtin in eine Asylunterkunft geschuldet ist, die allerdings im Wohnort des Klägers liegt. Es wurde bereits Antrag auf Auszug in eine gemeinsame Privatwohnung gestellt. Des Weiteren äußerte der Kläger in der zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen mündlichen Verhandlung, dass sich beide vorstellten, in Zukunft zusammenwohnen und gegebenenfalls heiraten zu wollen. Auch die Lebensgefährtin gab an zu planen mit dem Kläger zusammenzuleben. Die Klage der ebenfalls aus dem Gazastreifen stammenden Lebensgefährtin des Klägers (Az. AN 17 K 19.31331) gegen den ablehnenden Asylbescheid des Bundesamtes wurde ebenso wie die des Klägers abgewiesen. Davon abgesehen wäre nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wohl selbst dann auf eine gemeinsame Rückkehrperspektive abzustellen, wenn einem Mitglied der Kernfamilie bereits Schutzstatus zuerkannt oder ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden wäre (zum Ganzen BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris Rn. 15 ff., B.v. 15.8.2019 – 1 B 33/19 – juris).
In einer Gesamtschau der persönlichen Umstände des Klägers sowie der vor allem durch das UNRWA gewährleisteten Grundversorgung ist bei seiner Rückkehr in das Gouvernement Gaza bzw. den Gazastreifen nicht mit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zu rechnen, bei einer unterstellten alleinigen Rückkehr des Klägers gilt dies umso mehr. Zunächst sind sowohl der Kläger als auch seine Lebensgefährtin gesund und arbeitsfähig. Beide verfügen über eine akademische Ausbildung, die Lebensgefährtin erwarb nach einem Studium an der …Universität in … einen Bachelor-Abschluss in Anglistik und Englischer Literatur und der Kläger studierte dort Medienwissenschaften. Zudem arbeitete der Kläger nach seiner Ankunft in Deutschland etwa eineinhalb Jahre als Bühnenbauer und seither nach einer IHK-Schulung als Security. Dessen Lebensgefährtin wiederum erzielte noch während ihrer Zeit im Gazastreifen durch die Arbeit in einer Hotelverwaltung 500 US-Dollar im Monat. Als ein als Familie zusammenlebendes Paar mit einem kleinen Kind steht jedenfalls ein Erwachsener als Erwerbstätiger zur Verfügung und ist der andere Elternteil in der Lage, für die Angelegenheiten des täglichen Lebens und vor allem die notwendige Kinderbetreuung zu sorgen. Darüber hinaus ist auch eine finanzielle Unterstützung durch die teilweise im Gazastreifen, teilweise im Ausland lebende Familie und Verwandtschaft jedenfalls des Klägers nicht ausgeschlossen. Eine Unterstützung des Klägers durch seine Familie erscheint auch realistisch, denn es ist im Kulturkreis des Klägers üblich, dass in Notsituationen Unterstützung geleistet wird und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. Ohnehin gab der Kläger an, dass seine Familie in … eine Wohnung habe, in der er bereits vor seiner Ausreise gelebt habe, und dass er bereits im Heimatland von seinen Eltern finanziell unterstützt worden sei. Weiter kann auf die durch das UNRWA gewährleistete Grundversorgung zurückgegriffen werden.
Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK folgt auch nicht aus einer dem Kläger bei Rückkehr drohenden allgemeinen Situation der Gewalt, die der EGMR nur in äußerst extremen Fällen annimmt (vgl. EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, 8319/07 – NVwZ 2012, 681 Rn. 218). Diese Voraussetzungen liegen nach den Ausführungen unter III. nicht vor (vgl. hierzu auch: BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 38).
2) Ferner kann der Kläger kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG geltend machen. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen, § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, liegt bei dem Kläger nicht vor. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage – kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60 ff.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 ff.).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
3) Ebenso wenig ergibt sich ein Abschiebungshindernis aufgrund des Infektionsgeschehens im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. Eine die Rückkehr unzumutbar machende Situation hat der Kläger weder vorgetragen noch hat sich diese im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG im erforderlichen Maß verdichtet.
V.
Der Kläger ist schließlich auch nicht durch die im angefochtenen Bescheid ergangene Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung gemäß § 38 Abs. 1 AsylG und § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG in seinen Rechten verletzt. Das Gericht schließt sich der Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts an, dass eine Abschiebungsandrohung auch hinsichtlich der Palästinensischen Autonomiegebiete erfolgen kann, obschon deren völkerrechtlicher Status als Staat wenigstens umstritten ist (vgl. Nds. OVG, U.v. 14.12.2017 – 8 LC 99/17 – juris Rn. 27 ff.).
Auch ist die Verbindung der ablehnenden Asylentscheidung mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung europarechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – NVwZ 2018, 1625). Allerdings muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Lichte der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungs-RL) und der Asylverfahrensrichtlinie (heute RL 2013/32/EU) sowie des Grundsatzes der Nichtzurückweisung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) durch das nationale Recht gewährleistet sein, „dass alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ausgesetzt werden, dass der Antragsteller während dieses Zeitraums in den Genuss der Rechte aus der RL 2003/9/EG [heute: RL 2013/33/EU] des Rates vom 27.1.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten kommen kann und dass er sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände berufen kann, die im Hinblick auf die RL 2008/115/EG und insbesondere ihren Art. 5 erheblichen Einfluss auf die Beurteilung seiner Situation haben kann; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts“ (vgl. EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – NVwZ 2018, 1625 Rn. 67).
Diese Vorgaben sind hier nach nationalem Recht erfüllt (im Einzelnen: BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202 Rn. 15 ff.). Die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 28. November 2019, durch den der Asylantrag des Klägers als einfach unbegründet abgelehnt wurde, hat gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung. Durch die aufschiebende Wirkung wiederum wird, so lange sie anhält, wegen § 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 AsylG das Erlöschen der Aufenthaltsgestattung verhindert. Für die Dauer der aufschiebenden Wirkung können weiter Leistungen nach dem AsylbLG bezogen werden. Zudem kann sich der Kläger wegen § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung grundsätzlich auch auf neue Umstände, die nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetreten sind, berufen.
Unschädlich ist im Ergebnis auch, dass die Ausreisefrist von 30 Tagen in Ziffer 5 des Bescheides Bundesamtes vom 28. November 2019 zunächst mit Bekanntgabe des Bescheides in Lauf gesetzt worden ist. Dies widerspricht zwar den Vorgaben der Gnandi-Entscheidung des EuGH, der zufolge zunächst alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ausgesetzt werden müssen, wovon auch die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs umfasst ist. Die vorgesehene Frist zu freiwilligen Ausreise darf nicht beginnen, solange der Betroffene ein Bleiberecht hat (vgl. U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – NVwZ 2018, 1625 Rn. 61 f., 67). Rechtsmittelfrist und Ausreisefrist dürfen also nicht gleichzeitig laufen. Diese Grundsätze kollidieren mit der Vorgabe des § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG, der erkennbar an die Bekanntgabe des ablehnenden Bescheides des Bundesamtes anknüpft und ab dann die Frist von 30 Tagen in Gang setzt, sowie mit Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes vom 28. November 2019, nach dem der Kläger zunächst aufgefordert wird, „die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen (…)“ (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202 Rn. 27).
Allerdings ist der Kläger durch die anfängliche objektive Unionsrechtswidrigkeit der Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise nach § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides seit Klageerhebung nicht mehr beschwert. Denn nach § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylG und der im Bescheid formulierten Bedingung, dass im Falle einer Klageerhebung die Ausreisefrist von 30 Tagen erst nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens beginnt, wird nachträglich Unionsrechtskonformität hergestellt und der Kläger ist nicht mehr im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202 Rn. 28).
Schließlich führt auch die unionsrechtliche vorgegebene, aber nicht vollständig erfüllte Informationspflicht im Falle der Verbindung der ablehnenden Asylentscheidung mit der Rückkehrentscheidung nicht zur (teilweisen) Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. Der Kläger hätte nach den Vorgaben der Gnandi-Entscheidung des EuGH in transparenter Weise über die oben genannten Garantien – unter anderem die Aussetzung aller Wirkungen der Rückkehrentscheidung, den Nichtlauf der freiwilligen Ausreisefrist, solange ein Bleiberecht besteht, ein Bleiberecht bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung, den Ausschluss der Abschiebehaft, den Genuss der Rechte aus der Aufnahmerichtlinie sowie die Möglichkeit, sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände berufen zu können, die in Anbetracht insbesondere des Art. 5 der Rückführungs-Richtlinie erheblichen Einfluss auf die Beurteilung ihrer Situation haben kann – informiert werden müssen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202 Rn. 28; EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – NVwZ 2018, 1625 Rn. 65). Eine so weitreichende Unterrichtung enthalten die Rechtsbehelfsbelehrung:des Bescheides des Bundesamtes vom 28. November 2019 und sonstige aktenkundig ausgehändigte Informationsblätter nicht.
Die Nichterfüllung der unionsrechtlichen Informationspflicht hat indes nicht die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG zur Folge, weil sie nicht zu deren tatbestandlichen Voraussetzungen gehört, auch sonst nicht in einem Rechtmäßigkeitszusammenhang mit ihr steht und zudem nicht geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers nach Klageerhebung zu beeinträchtigen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202 Ls. 4 und Rn. 34 ff.). Insbesondere ist ausgeschlossen, dass die Rückkehrentscheidung ohne eine Verletzung der Informationspflicht hätte anders ausfallen können oder von ihrem Erlass abgesehen worden wäre. Auch ist nicht erkennbar, dass die Verletzung der europarechtlichen Informationspflicht des Klägers, der auf Basis der nationalen Rechtsbehelfsbelehrung:bereits Klage erhoben und seine Rechte umfassend gewahrt hat, ihn in irgendeiner Art in seiner Rechtsverteidigung beschränkt oder ihm gar einen Rechtsbehelf nähme. Daran zeigt sich, dass die europarechtlichen Garantien und erst recht die Information über sie lediglich unterstützende Funktion haben. Zudem hat der EuGH selbst in der Gnandi-Entscheidung keine Verknüpfung der Informationspflichten mit den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rückkehrentscheidung vorgenommen, was sich in die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger als Priorität für die Mitgliedstaaten nach der Rückführungs-Richtlinie einpasst (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202 Rn. 43 ff., 47).
VI.
Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in Ziffer 6 des Bescheides keinen rechtlichen Bedenken. Auch unter Berücksichtigung des nunmehr geltenden § 11 Abs. 1 AufenthG, wonach das Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht mehr aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung eintritt, sondern es hierfür vielmehr einer behördlichen Entscheidung bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 71), bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ziffer 6 des Bescheides. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist in unionsrechtskonformer Auslegung regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu sehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72). Eine solche hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid wirksam getroffen und in Ausübung des ihr nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeräumten Ermessens eine Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung vorgesehen. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind auch unter Berücksichtigung des maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG, im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden. Zwar befinden sich Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind ebenfalls in Deutschland. Allerdings verfügen weder die Lebensgefährtin noch das Kind über einen gesicherten Aufenthaltsstatus; die Klage der Lebensgefährtin wurde ebenfalls abgewiesen (Az.: AN 17 K 19.31331).
VII.
Das Gericht nimmt im Übrigen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Gründe des angefochtenen Bescheides der Beklagten Bezug. Die Klage ist mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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