Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zulassung zum Studium trotz Überbuchung der Studienplätze um 36 Prozent

Aktenzeichen  7 CE 20.10001 u.a.

Datum:
11.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2838
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV aF § 10 Abs. 1 S. 4, S. 25

 

Leitsatz

1. Durch eine Überbuchung wird kein subjektives Recht der Antragsteller verletzt und es entsteht kein Rechtsanspruch auf Zuweisung von außerkapazitären Studienplätzen. (BeckRS 2013, 48649).Dies gilt auch dann, wenn diese rechtsmissbäuchlich oder willkürlich ist (BeckRS 2020, 1261). (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Überbuchung der berechneten Studienplätze um 36 Prozent ist nicht ohne weiteres rechtsmissbräuchlich oder willkürlich. Erfolgt die Überbuchung aufgrund eines nachvollziehbaren prognostizierten aktiven und passiven Annahmeverhaltens der vergangenen Jahre (BeckRS 2013, 50154), ist sie zulässig. Rechtsmissbrauch könnte erst dann vorliegen, wenn in einem zulassungsbeschränkten Studiengang über mehrere aufeinander folgende Zulassungstermine hohe Überbuchungen vorgenommen werden. (Rn. 9 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 8 E 19.10009 2019-12-11 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. Dezember 2019 werden in Nummern I und II aufgehoben. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen jeweils die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin und der Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Psychologie (B.Sc.) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (im Folgenden: OFU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2019/2020. Sie machen geltend, dass mit der in der Satzung der OFU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2019/2020 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber vom 7. Juni 2019 (Zulassungszahlsatzung) festgesetzten Zulassungszahl von 66 Studienanfängerinnen und Studienanfängern (Studienanfänger) die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Die OFU hat die Studienplätze für das Wintersemester 2019/2020 in Zusammenarbeit mit der Stiftung für Hochschulzulassung im Dialogorientierten Serviceverfahren (im Folgenden: DoSV) vergeben. Aufgrund von Überbuchungen sind im Fach Psychologie (B.Sc.) insgesamt 90 Studierende immatrikuliert. Die Bewerbungen der Antragsteller auf einen Studienplatz blieben erfolglos.
Das Verwaltungsgericht gab dem Antragsgegner mit Beschlüssen vom 11. Dezember 2019 auf, die Antragsteller vorläufig zum Studium der Psychologie (B.Sc.) an der OFU im 1. Fachsemester zum Wintersemester 2019/2020 zuzulassen. Die Hochschule habe die festgesetzte Zulassungszahl um 24 Studierende überschritten. Diese Überbuchung sei rechtswidrig und lasse in der Gesamtschau der Würdigung aller Umstände zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts den Schluss zu, dass weitere Kapazitäten zur Verfügung stünden. Die Universität habe die Ursachen der Überbuchung nicht nachvollziehbar dargelegt. Die im Verfahren hierzu gemachten Angaben erklärten nicht, wie es zu der erheblichen Überbuchung gekommen sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Er rügt im Wesentlichen, dass sich die Antragsteller nicht darauf berufen könnten, dass innerhalb der festgesetzten Kapazität die vorhandenen Studienplätze fehlerhaft vergeben worden seien. Das Verwaltungsgericht sei unrichtigerweise davon ausgegangen, dass die Überbuchung rechtswidrig gewesen sei. Die Überbuchung rechtfertige nicht den Schluss, dass an der OFU weitere Kapazität vorhanden sei.
Die Antragsteller widersetzen sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts halten einer Überprüfung anhand der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Antragsgegner vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nicht stand. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts haben die Antragsteller keinen Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium der Psychologie (B.Sc.) im 1. Fachsemester an der OFU nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Wintersemester 2019/2020. Nr. I und II der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts sind daher aufzuheben und die Anträge abzulehnen.
Die im Wintersemester 2019/2020 im Studienfach Psychologie (B.Sc.) im 1. Fachsemester erfolgte Zulassung von weiteren 24 Studienanfängern über die hierfür in der Zulassungszahlsatzung festgesetzten 66 Studienanfänger verletzt keine subjektiven Rechte der Antragsteller und vermittelt ihnen keinen Rechtsanspruch auf Zuweisung eines außerkapazitären Studienplatzes. Die OFU hat durch ihr Überbuchungsverhalten nicht zu erkennen gegeben, dass sie mehr als die im Studiengang Psychologie (B.Sc.) in der Zulassungszahlsatzung festgesetzten 66 Studienplätze vergeben kann. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche oder willkürliche Vergabe dieser zusätzlichen Studienplätze sind nicht zu erkennen (nachfolgend 1.). Die Überbuchung der Zulassungszahl mit 24 Studienplätzen ist als kapazitätswirksam hinzunehmen (nachfolgend 2.).
1. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts war die Vergabe von 24 weiteren Studienplätzen im Studienfach Psychologie (B.Sc.) weder rechtsmissbräuchlich noch willkürlich.
a) Hochschulen können bei der Durchführung ihrer Auswahlverfahren durch Überbuchung der Zulassungszahlen berücksichtigen, dass Studienplätze voraussichtlich nicht besetzt werden (§ 25 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 4 HZV i.d. bis 30.11.2019 geltenden Fassung – HZV a.F.). Da insbesondere aufgrund von Mehrfachbewerbungen häufig nicht alle zugelassenen Bewerberinnen und Bewerber den ihnen zugewiesenen Studienplatz annehmen, würde ohne Überbuchung ein Teil der vorhandenen Ausbildungskapazität ungenutzt bleiben, oder müsste – soweit es wie vorliegend kein Nachrückverfahren gibt – durch Losverfahren vergeben werden.
Daher kann aus dem Umstand einer Überbuchung grundsätzlich nicht geschlossen werden, dass die Beschränkung der Zulassungszahlen aufgrund der konkret errechneten Ausbildungskapazität nicht stichhaltig oder gar entbehrlich wäre. Durch die Überbuchung wird gerade keine Kapazität neu erschlossen, sondern lediglich die in der Zulassungszahl erfasste Kapazität wirksam genutzt. Die Zulassung weiterer Studienanfänger über die Zulassungszahl hinaus ist hinzunehmen, solange sich die Hochschule dabei am Annahmeverhalten der Bewerber in der Vergangenheit orientiert hat und die darauf gestützte Prognose nachvollziehbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2013 – 7 CE 13.10002 – juris Rn. 10; vgl. auch VGH BW, B.v. 17.1.2012 – NC 9 S 2775.10 – juris Rn. 10; NdsOVG, B.v. 20.2.2013 – 2 NB 386.12 – juris Rn. 20 ff.).
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Frage, wie viele Studierende die ihnen im DoSV (vgl. § 37a HZV a.F.) angebotenen Studienplätze tatsächlich annehmen werden, um eine Prognoseentscheidung handelt, die erheblichen Unsicherheiten unterliegt. Daher lässt auch eine – in der ex-post-Betrachtung – fehlerhafte Prognose nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass die Hochschule vorhandene Ausbildungskapazität verschwiegen hätte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Hochschule bei der Vergabe der überbuchten Studienplätze willkürlich oder rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, etwa um tatsächlich vorhandene Kapazitäten zu verschleiern (vgl. NdsOVG, B.v. 20.2.2013 – 2 NB 386.12 – juris Rn. 23) oder um die Führung von Prozessen, die eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung festgesetzter Zulassungszahlen ermöglichen, zu konterkarieren (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2011 – 6 CN 3.10 – juris Rn. 36). Der Senat hat hierzu mit Beschluss vom 4. April 2013 – 7 CE 13.10002 – (juris Rn. 11 f.) festgestellt, dass Anlass zur Prüfung einer Überbuchung dann bestehen kann, wenn eine Hochschule in einem zulassungsbeschränkten Studiengang über mehrere aufeinander folgende Zulassungstermine hohe Überbuchungen vornimmt. Dann muss geprüft werden, ob sich das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten auch unter Berücksichtigung aller hierbei bestehenden Unsicherheiten noch hinreichend auf Erfahrungswerte der letzten Jahre stützen lässt, oder ob die Hochschule selbst davon ausgeht, dass über die festgesetzte Zulassungszahl hinaus noch nutzbare Ausbildungskapazität vorhanden ist. Von Letzterem wird allerdings nur in Ausnahmefällen auszugehen sein. Eine punktgenaue Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazität wird sich kaum erreichen lassen.
Die gerichtliche Kontrolle ist auf die Frage beschränkt, ob die OFU bei ihrer Prognose und der daraus resultierenden Überbuchung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und den erwarteten Verlauf der Entwicklung vertretbar, d.h. nicht offensichtlich fehlerhaft eingeschätzt hat (OVG Bremen, B.v. 14.2.2017 – 2 B 312.16 – juris Rn. 72; NdsOVG, B.v. 20.2.2013 – 2 NB 386.12 – juris Rn. 23). Bei der Überprüfung dieser Prognoseentscheidung ist kein enger Maßstab anzulegen, da eine großzügige Überbuchung grundsätzlich kapazitätsfreundlich ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2013 – 7 CE 13.10002 – juris Rn. 12; NdsOVG, B.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 24; OVG Bremen a.a.O. Rn. 72). Darauf folgt, dass die Hochschule die Grundlagen ihrer Prognose möglichst umfassend und nachvollziehbar darzulegen hat.
b) Gemessen hieran ist nicht erkennbar, dass die OFU durch die streitgegenständliche Überbuchung die vorstehend dargelegten Grenzen überschritten hat. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liegen keine Anhaltspunkte dafür vor – und auch die Antragsteller haben hierzu im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert vorgetragen -, dass die OFU im Wintersemester 2019/2020 den Studiengang Psychologie (B.Sc.) im 1. Fachsemester unter Missachtung des bisherigen Annahmeverhaltens überbucht hätte oder die Überbuchung aufgrund rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Erwägungen erfolgt wäre.
Zwar hat die OFU mit 90 vergebenen Studienplätzen die von ihr festgesetzte Zahl von 66 Studienplätzen in erheblichem Umfang überbucht (36 Prozent). Der Antragsgegner hat jedoch im Beschwerdeverfahren glaubhaft aufgezeigt, warum und wie die einmalige Überbuchung von 24 Studienplätzen zustande gekommen ist. Er hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass im vorgehenden Wintersemester 2018/2019 im Rahmen des DoSV trotz Überbuchung 13 Studienplätze (Zulassungszahl 76) nicht besetzt werden konnten und im Wege eines Losverfahrens vergeben werden mussten. Dies habe man im Wintersemester 2019/2020 verhindern wollen. Man sei bei der Prognoseentscheidung davon ausgegangen, dass „aktive“ Annahmen zu einer Annahmequote (also zu einer Immatrikulation) von 90 Prozent und „passive“ Annahmen (also automatische Zuweisungen von Studienplätzen) zu einer Annahmequote von nur 25 Prozent führen würden. Im Laufe des Verfahrens für das Wintersemester 2019/2020 habe sich zum Ende der Koordinierungsphase 1 gezeigt, dass sich das Annahmeverhalten bezüglich der „aktiven Annahmen“ eher schleppend entwickelte. Es hätten bei 49 „aktiven“ Annahmen zum Ende der Koordinierungsphase 1 am 15. August 2019 nur 20 Immatrikulationen vorgelegen. Dies habe daran gelegen, dass nur wenige Bewerberinnen und Bewerber die OFU als erste oder zweite Priorität angegeben hätten. Daher sei von einem schlechten weiteren Annahmeverhalten auszugehen gewesen. Man habe deshalb im weiteren Verfahren eine höhere Anzahl von Angeboten ausgesprochen. Anders als prognostiziert, hätten sich dann von 79 „passiv“ Zugelassenen 33 Studierende (43 Prozent) eingeschrieben. Dies sei so für die OFU aufgrund des Annahmeverhaltens der vorangegangenen Jahre nicht vorhersehbar gewesen.
Bereits im erstinstanzlichen Verfahren wurde plausibel dargelegt, dass die OFU ihre Prognose auf die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren gestützt hat und das geänderte Annahmeverhalten für das Wintersemester 2019/2020 nicht vorhersehbar war. Auch die Ausführungen im Beschwerdeverfahren belegen, dass sich die OFU bei ihrer Prognoseentscheidung an den Erfahrungen der Vergangenheit orientiert hat. Erkennbares Ziel der Erhöhung der ausgesprochenen Angebote während des DoSV – und damit im Ergebnis der deutlichen Überbuchung im Wintersemester 2019/2020 – war allein, die vorhandene Kapazität durch Verteilung der Studienplätze nach Maßgabe der Rangfolge auszunutzen und eine erneute Verlosung zu vermeiden. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die OFU bei der Vergabe der überbuchten Studienplätze willkürlich oder rechtsmissbräuchlich gehandelt hätte, sind nicht ersichtlich. Es ist insbesondere nichts dafür erkennbar, dass die OFU die von ihr festgesetzte Zulassungszahl lediglich als variable Größe betrachtet hat, die sie von vornherein durch Überbuchung habe überschreiten wollen. Die Überbuchung erfolgte unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem Vorjahr und dem zunächst schlechten Annahmeverhalten zum Ende der Koordinierungsphase 1 des DoSV und damit auf einer sachgerechten Grundlage. Substantiierte Einwände hiergegen haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Dass die Prognoseentscheidung am Ende insbesondere hinsichtlich der Zahl der Immatrikulationen von passiv Zugelassenen unzutreffend war, ist unschädlich (vgl. OVG Bremen, B.v. 14.2.2017 – 2 B 312.16 – juris Rn. 72).
Die vom Verwaltungsgericht geforderte exakte Differenzierung nach der Anzahl der Angebote und dem jeweiligen Annahmeverhalten in den verschiedenen Phasen des DoSV in diesem und im Vorjahr ist nicht zwingend geboten. Denn auch damit wäre mit Blick auf die Belastbarkeit der prognostizierten Annahmewahrscheinlichkeit nichts gewonnen. Das Zulassungs- und Überbuchungsverfahren würde bei geringem praktischem Ertrag für die Kapazitätserschöpfung mit methodisch aufwändigen prognostischen Differenzierungsaufgaben überfrachtet, wenn man den Hochschulen eine Feinsteuerung der Prognose unter noch genauerer Auswertung vorangegangener Zulassungsverfahren auferlegte (vgl. NdsOVG, B.v. 20.2.2013 – 2 NB 386.12 – juris Rn. 25).
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liegen im vorliegenden Verfahren auch keinerlei greifbare Anhaltspunkte vor, die eine Überprüfung der Belastbarkeit der universitären Prognoseentscheidung aus sonstigen Gründen nahelegen würden. Ob allein aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen unzureichenden Darlegung der Ursachen der erfolgten Überbuchung auf ungenutzte Kapazitäten im Studiengang Psychologie (B.Sc.) im Wintersemester 2019/2020 geschlossen werden kann, ist zweifelhaft, bedarf aber im Hinblick auf die obigen Ausführungen keiner Entscheidung mehr. Besondere Umstände, wie sie der Senat im Beschluss vom 4. April 2013 – 7 CE 13.10002 – (juris Rn. 11) aufgezeigt hat, liegen nicht vor. Die OFU hat gerade nicht über mehrere Zulassungstermine hinweg hohe Überbuchungen vorgenommen.
2. Die Antragsteller haben die Überbuchung der Zulassungszahl mit 24 Studienplätzen als kapazitätswirksam hinzunehmen. Es bedarf auch im Beschwerdeverfahren keiner Prüfung, ob im Studiengang Psychologie (B.Sc.) an der OFU über die im Wintersemester 2019/2020 im 1. Fachsemester tatsächlich besetzten Studienplätze hinaus noch ungenutzte Kapazität vorhanden war.
a) Die Bindung der Hochschule an die Zulassungszahl dient – ausgehend davon, dass die Zulassungszahl entsprechend den Vorgaben der Kapazitätsverordnung kapazitätserschöpfend festgesetzt ist – der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Hochschulbetriebs, also dem Schutz der Rechte von Hochschule, Hochschullehrern und eingeschriebenen Studenten. Die infolge eines – auch verfahrensfehlerhaft durchgeführten – Überbuchungsverfahrens erfolgte Besetzung von Studienplätzen jenseits der festgesetzten Kapazität führt deshalb grundsätzlich weder zu einer Rechtsverletzung des Bewerbers um einen außerkapazitären Studienplatz, noch vermittelt sie diesem einen Rechtsanspruch auf Zuweisung eines solchen (vgl. OVG NW, B.v. 15.3.2013 – 13 B 177.13 – juris Rn. 3).
Liegen nicht ausnahmsweise besondere Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Überbuchung rechtsmissbräuchlich oder willkürlich sein könnte, ist die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit einer Überbuchung grundsätzlich nur dann von Belang für die Frage, ob den Antragstellern ein Recht auf Zuteilung eines Studienplatzes zusteht, wenn tatsächlich freie Kapazität vorhanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2020 – 7 CE 19.10082 – juris Rn. 11). Ausschließlich dann, wenn infolge unzureichender Kapazitätsermittlung vorhandene Studienplätze nicht in das Vergabeverfahren einbezogen worden sind, und als ein mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbares Ergebnis das Freibleiben eines Studienplatzes droht, ist dieser freie Studienplatz an einen gegen die Hochschule klagenden Bewerber – unabhängig von seiner Rangziffer – zu vergeben (OVG Berlin-Bbg, B.v. 3.11.2014 – OVG 5 NC 1.14 – juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 28.11.2014 – 13 B 1119.14 – juris Rn. 3).
b) Zwar hat das Verwaltungsgericht im streitgegenständlichen Verfahren die Kapazitätsberechnung der OFU für Psychologie (B.Sc.) im 1. Fachsemester im Wintersemester 2019/2020 nicht überprüft. Ob die Aufnahmekapazität der OFU tatsächlich erschöpft war, bedarf auch im Beschwerdeverfahren keiner Überprüfung. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine über die festgesetzte Zulassungszahl hinausgehende Vergabe von Studienplätzen kapazitätserschöpfend zu berücksichtigen (BayVGH, B.v. 1.12.2020 – 7 CE 19.10135 – juris Rn. 15 m.w.N.; so auch OVG Bremen, B.v. 14.2.2017 – 2 B 312.16 – juris Rn. 72; OVG NW, B.v. 28.11.2014 – 13 B 1119.14 – juris Rn. 3; OVG LSA, B.v. 3.11.2014 – OVG 5 NC 1.14 – juris Rn. 6 f.). Im Hinblick auf die Höhe der Überbuchung mit 24 Studienanfängern ist ausgeschlossen, dass die Antragsteller nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2019/2020 vorläufig zum Studium der Psychologie (B.Sc.) im 1. Fachsemester an der OFU zugelassen werden können.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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