Verwaltungsrecht

Kein Gebrauchmachen einer tschechischen Fahrerlaubnis wegen Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis

Aktenzeichen  11 ZB 16.1419

Datum:
6.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51747
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, § 138 Nr. 6

 

Leitsatz

1 Für die Frage, ob die Begründungspflicht verletzt ist, kommt es nur darauf an, ob für die Beteiligten erkennbar ist, welche Gründe für die Entscheidung wesentlich waren. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Entscheidungsgründe ihre Funktion, die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen. Bezugnahmen auf die Gründe eines anderen Beschlusses, der zwischen den gleichen Beteiligten ergangen ist, sind dabei möglich. (redaktioneller Leitsatz)
2 Verweist ein Gericht wegen Tatbestand und Gründen einer Entscheidung maßgebend auf die Entscheidungen des vorangegangenen Eilverfahrens, liegt hierin keine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG iVm § 138 Nr. 6 VwGO, welche nach 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zur Zulassung der Berufung zwingen würde. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

6 K 15.3386 2016-06-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 17.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, dass er von seiner tschechischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keinen Gebrauch machen darf.
Wegen eines Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis stellte das Landratsamt Pfaffenhofen a. d. Ilm (im Folgenden: Landratsamt) mit Bescheid vom 9. Juli 2015 fest, dass die im Jahr 2009 erteilte tschechische Fahrerlaubnis den Kläger nicht berechtigt, Kraftfahrzeuge im Bundesgebiet zu führen.
Das durchgeführte Eilverfahren (Az. M 6 S 15.4876) und die dagegen erhobene Beschwerde (Az. 11 CS 16.689) waren erfolglos.
Die gegen den Bescheid vom 9. Juli 2015 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 23. Juni 2016 abgewiesen. Hinsichtlich des Sachverhalts verwies das Verwaltungsgericht im Tatbestand des Urteils auf die Beschlüsse im Eilverfahren. In den Entscheidungsgründen nahm das Erstgericht ebenfalls Bezug auf die beiden Beschlüsse.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt. Der Kläger macht geltend, das Urteil sei fehlerhaft ergangen, da sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen nur auf die Beschlüsse verwiesen worden sei. Der Tatbestand müsse auch für Außenstehende ohne weitere Lektüre hinreichend verständlich sein. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor, da das Urteil an einem Begründungsmangel nach § 138 Nr. 6 VwGO leide.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, auch im Eilverfahren, sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGH 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 54), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel (Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils liegen dann vor, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057.11 – BVerfGE 134, 106/118; B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524.06 – NVwZ 2009, 515 m. w. N.). Daran fehlt es hier, denn die Antragsbegründung setzt sich nicht mit den im Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in Bezug genommenen Gründen der beiden im Eilverfahren ergangenen Beschlüsse auseinander.
Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG i. V. m. § 138 Nr. 6 VwGO ist nicht gegeben. Danach ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Eine Verletzung der Begründungspflicht stellt in der Regel zugleich auch einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 138 Rn. 26). Für die Frage, ob die Begründungspflicht verletzt ist, kommt es darauf an, ob für die Beteiligten erkennbar ist, welche Gründe für die Entscheidung wesentlich waren (Kopp/Schenke a. a. O. Rn. 26). Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Entscheidungsgründe ihre Funktion, die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen (st. Rspr.; BVerwG, U.v. 28.11.2002 – 2 C 25.01 – BVerwGE 117, 228; B.v. 3.3.2016 – 3 PKH 3.15 – juris Rn. 12; B.v. 1.6.2016 – 3 B 67.15 – juris). Bezugnahmen auf die Gründe eines anderen Beschlusses, der zwischen den gleichen Beteiligten ergangen ist, sind dabei möglich (Kopp/Schenke a. a. O. Rn. 28). Das Gericht darf sogar wesentliche Teile seiner Urteilsbegründung durch Bezugnahme auf eine gegenüber Dritten ergangene Entscheidung jedenfalls dann ersetzen, wenn die Entscheidung den Beteiligten spätestens bei Zustellung des angefochtenen Urteils bekannt ist (BVerwG, B.v. 1.6.2016 – 3 B 67.15 – juris m. w. N.). Über die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen werden die Beteiligten und der Verwaltungsgerichtshof hier durch die Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 3. Februar 2016 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Juni 2016 hinreichend unterrichtet, die zwischen den gleichen Beteiligten ergangen und damit beiden Parteien bekannt sind.
Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1, Abs. 3 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke a. a. O. Anh. § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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