Verwaltungsrecht

Kein Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Beförderung, Vorrang des Primärschutzes

Aktenzeichen  M 21 K 18.2268

Datum:
12.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 17769
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 3, Art. 6, Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2, Art. 34
BGB § 254 Abs. 2 S. 1, § 839 Abs. 3
SG § 3, § 31
SLV § 5a Abs. 3 Nr. 4, § 18, § 44, § 48 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Beförderung scheidet aus, wenn der Beamte untätig zugewartet hat anstatt Prmärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen und über einen gerichtlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO sein Beförderungsbegehren zu verfolgen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, laufbahn- und besoldungsrechtlich so gestellt zu werden, als wäre sie bereits zum 17. Januar 2011 zum Stabsfeldwebel und zum 17. Januar 2013 zum Oberstabsfeldwebel befördert worden. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid des BAPersBw vom 18. Dezember 2017 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 19. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 VwGO.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Soldat von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen kann, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch des Soldaten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, wenn diese Rechtsverletzung für die Nichtbeförderung des Soldaten kausal war, wenn der Beamte es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden und wenn dem Soldaten der Beförderungsdienstposten ohne den Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre. Rechtsgrundlage dieses unabhängig vom Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) bestehenden Anspruchs ist das Dienstverhältnis des Soldaten. Eines Rückgriffs auf die Verletzung der Fürsorgepflicht bedarf es nicht (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 13.1.2010 – 2 BvR 811/09 -, juris -, BVerwG, U.v.5.8.1988 – 2 C 51/86 -, BVerwGE 80, 123). Ob diese Voraussetzungen im Streitfall zu bejahen wären, ist hier indessen nicht entscheidungserheblich.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche selbst dann nicht zu, wenn sie der Beklagten einen schuldhaft rechtswidrig begangenen Pflichtenverstoß vorwerfen könnte, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene Rechtsgedanke zu beachten ist, dass eine Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln nicht eintritt, wenn der Verletzte mögliche, ihm zumutbare Rechtsbehelfe unmittelbar gegen die beanstandete Entscheidung, hier insbesondere gerichtlichen Rechtsschutz nebst vorgeschaltetem Verwaltungsverfahren, ohne hinreichenden Grund nicht in Anspruch genommen hat (vgl. z.B. BVerwG vom 26.04.1968 – VI C 24.67 – BVerwGE 29, 309 = MDR 1968, 951 = RiA 1968, 236 = VerwRspr 19, 797 = DÖD 1968, 213; vom 23.09.1980 – 2 B 52.80 – Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 76; vom 17.10.1985 – 2 C 12.82 – DÖD 1986, 93 = Buchholz 237.90 § 95 LBG Schleswig-Holstein Nr. 2 = NVwZ 1986, 481 = ZBR 1986, 179 = DokBer B 1986, 47; vom 28.05.1998 – 2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29 = DVBl 1998, 1083 = NJW 1998, 3288 = DokBer B 1998, 267 = DÖV 1998, 884 = IÖD 1998, 254 = DÖD 1999, 34 = ZBR 2000, 421 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 67 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/B III 8 Nr. 21 = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40; vom 03.12.1998 – 2 C 22.97 – NVwZ 1999, 542 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 70 = ZBR 1999, 199 = IÖD 1999, 170 = DokBer B 1999, 141 = DÖD 1999, 209 = Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG Nr. 2; vom 09.12.1999 – 2 C 38.98 – DokBer B 2000, 115 = ZBR 2000, 208 = DÖV 2000, 602 = DVBl 2000, 1128 = DÖD 2001, 90 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 77 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/B III 8 Nr. 22 = Buchholz 237.9 § 9 SaarLBG Nr. 2; BGH vom 16.01.1986 – III ZR 77/84 – VersR 1986, 575 = NJW 1986, 1924 = MDR 1986, 650 = NVwZ 1986, 963). Demnach erfordert der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene, mit dem Rechtsinstitut des mitwirkenden Verschuldens nahe verwandte (vgl. insbesondere die zweite Alternative des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) Rechtsgedanke auch im Verwaltungsrecht Geltung, wenn für den Nichtgebrauch des Rechtsmittels ein hinreichender Grund nicht bestand.
Der grundsätzliche Vorrang des primären Rechtsschutzes beansprucht auch und gerade für Ansprüche aus dem Soldatenverhältnis einschließlich des Anspruchs auf Schadensersatz wegen Verletzung einer sonstigen, in § 31 SG verankerten Dienstherrenpflicht Geltung. Denn der zeitnah in Anspruch zu nehmende und durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete gerichtliche Primärrechtsschutz nebst vorgeschaltetem Verwaltungsverfahren ist am ehesten zur Aufklärung und Würdigung komplexer Verwaltungsentscheidungen im Rahmen des Beamtenverhältnisses geeignet (vgl. ausführlich BVerwG vom 28.05.1998, a.a.O.). Komplizierte Betrachtungen mit der Folge, dass teilweise verschiedene theoretisch denkbare Geschehensablaufvarianten überprüft werden müssen – kurzum: Betrachtungen der hier auf S. 6-12 zusammengefassten Art – sollen gerade vermieden werden. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass es der Klägerin auch hier oblegen hätte, ihre etwaige vom Verwaltungshandeln der Beklagten abweichende Auffassung im Wege eines gerichtlichen Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO zur Geltung zu bringen, dass der Dienstherr sie in Beförderungsrunden zu einer Beförderung zum 17. Januar 2011 zum Stabsfeldwebel sowie zum 17. Januar 2013 zum Oberstabsfeldwebel hätte berücksichtigen müssen. Das ist indessen nicht geschehen. Anstatt zumutbaren Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, hat die Klägerin vielmehr untätig zugewartet, bis sie sich hinsichtlich ihres Schadlosstellungsbegehrens vermeintlich auf der sicheren Seite sah.
Der Klägerin stand im Zusammenhang mit ihrer unterlassenen, fiktiven Beförderung verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz offen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Inanspruchnahme von Rechtsschutz wegen unterlassener Beförderung unzumutbar gewesen sei, da entsprechende Normen in der SLV geändert wurden bzw. verfassungswidrig seien. Denn selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Klägerin aufgrund einer Anrechnung von Betreuungs- und Elternzeiten in die entsprechenden Beförderungsrunden miteinbezogen worden wäre, so ist nicht ersichtlich, dass sie auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit befördert worden wäre. Grundsätzlich setzt der für einen soldatenrechtlichen Schadensersatz erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und Schadenseintritt voraus, dass der Soldat ohne den schuldhaften Verstoß tatsächlich befördert worden wäre. Die Berücksichtigung muss nach Lage der Dinge der nachträglichen Beurteilung anhand eines hypothetischen Kausalverlauf ernsthaft möglich gewesen sein. Für diese Annahme muss festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlaufs bei rechtmäßigen Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre (m.w.N. VG Sigmaringen, a.a.O.).
Selbst wenn die Klägerin in die damaligen Beförderungsrunden miteinbezogen worden wäre, so ergibt sich aus den vorgelegten Punktsummenwerten der späteren Jahre sowie der Tatsache, dass im vorherigen Zeitpunkt keine zu berücksichtigenden Beurteilungen vorlagen, keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sie sich gegenüber anderen Bewerbern hätte durchsetzen können. Im Gegenteil: Es ist nichts dafür vorgetragen, dass die Klägerin bei damaligen Auswahlentscheidungen den Vorrang gegenüber anderen Konkurrenten gehabt hätte.
Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben