Verwaltungsrecht

Kein subsidiärer Schutz und keine Abschiebungsverbote wegen der Corona-Pandemie in Nigeria

Aktenzeichen  W 8 K 20.30310

Datum:
21.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25102
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 2
AsylG § 3c, § 3e, § 4, § 25 Abs. 1, Abs. 2, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 6, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

1. Einem Flüchtling ist es möglich und zumutbar, sich in einem anderen Landesteil Nigerias, beispielsweise in einer der zahlreichen Großstädte Nigerias, insbesondere in der Hauptstadt Abuja, oder im christlich geprägten Südwesten des Landes niederzulassen,in welchem er vor eventuellen Verfolgern – gerade auch vor Mitgliedern der anderen Gruppierung oder vor staatlichen Stellen, die ihn wegen eventueller Straftaten suchen sollten – sicher wäre. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist möglich auch ohne familäre Bindungen ohne gravierende gesundheitlichen Einschränkungen in einer der zahlreichen Großstädte eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit aufnehmen, um den Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums zu erwirtschaften. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Bedarfsfall sind die Möglichkeiten des – zugegebener Maßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems auszuschöpfen. Abgesehen davon könnten dem Kläger bei Bedarf für eine Übergangszeit auch Medikamente mitgegeben werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es nicht ersichtlich, dass – bezogen auf eine mögliche COVID-19-Erkrankung – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung einem Akteur iSv § 3c AsylG iVm § 4 Abs. 3 S. 1 AsylG zugeordnet werden kann. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die weltweite COVID-19-Pandemie rechtfertigt keine andere Einschätzung in Bezug auf das Vorliegen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 S. 1 AufenthG. (Rn. 35 – 49) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Februar 2020 ist – in den streitgegenständlichen Nummern 3 bis 6 – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht kommt aufgrund der zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismittel auf der Basis des Vorbringens des Klägers, ebenso wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Nigeria ein ernsthafter Schaden gemäß § 4 AsylG bzw. eine erhebliche Gefahr nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine (politische) Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen, zumal bis kurz vor der mündlichen Verhandlung von Klägerseite – trotz Aufforderung nach § 87b Abs. 3 VwGO – überhaupt keine Klagebegründung oder sonst ein relevantes Vorbringen erfolgte. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht.
Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt, bei der Bedrohung durch die andere Gruppe handle es sich um keine staatliche Verfolgung, sondern um eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure. Der nigerianische Staat sei in der Lage und willens, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Die Bevölkerung könne durch die Regierung Schutz bekommen. Der Kläger könne auch in der Anonymität der Großstadt Schutz finden. Die Großstädte Nigerias seien auf dem Luftweg sicher zu erreichen. Aufgrund des nichtvorhandenen Meldewesens sei nicht ersichtlich, dass der Kläger in einer Großstadt aufgefunden werden könne. Abgesehen von Hilfseinrichtungen sei grundsätzlich davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit bestehe, ökonomisch eigenständig und alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter zu überleben. Der Kläger könne als arbeitsfähiger junger Mann im Falle einer Rückkehr durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen erzielen und sich damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren. Interne Schutzmöglichkeiten bestünden in den Großstädten. Der Kläger könne dort das erforderliche Existenzminimum erlangen. Bei der Augenverletzung handle es sich um keine lebensbedrohliche Krankheit.
Ergänzend ist anzumerken, dass sich der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung explizit eingeräumt hat, selbst aktiv an Tötungen anderer Menschen und an Zerstörungen beteiligt gewesen zu sein und persönlich andere Menschen getötet zu haben, und der deswegen befürchte strafrechtlich belangt zu werden, entgegenhalten lassen muss, dass nach § 60 Abs. 6 AufenthG die allgemeine Gefahr, dass ein Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung drohen könnte und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung einer Abschiebung nicht entgegenstehen (§ 60 Abs. 6 AufenthG).
Soweit der Kläger befürchtet, bei einer Verhaftung und längeren Inhaftierungen entgegen Art. 3 EMRK unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu sein (vgl. zu den Haftbedingungen in Nigeria etwa BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria vom 20.5.2020, S. 32; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 20), droht nach Überzeugung des Gerichts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass der Kläger bei einer Rückkehr inhaftiert werden würde. Denn der Kläger könnte bei einer Rückkehr in jedem Fall einer eventuellen Bedrohung oder auch Verhaftung entgehen, wenn er sich in einen anderen Landesteil Nigerias begibt.
Denn dem Kläger ist es jedenfalls möglich und zumutbar, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen, in welchem er vor eventuellen Verfolgern – gerade auch vor Mitgliedern der anderen Gruppierung oder vor staatlichen Stellen, die ihn wegen eventueller Straftaten suchen sollten – sicher wäre (vgl. § 3e, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Der Kläger kann sich beispielsweise in einer der zahlreichen Großstädte Nigerias, insbesondere in der Hauptstadt Abuja, oder im christlich geprägten Südwesten des Landes, beispielsweise in Lagos oder in einer anderen Stadt niederlassen. Er genießt Freizügigkeit in ganz Nigeria, so dass er seinen Wohn- und Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen kann. Wenn der Kläger seinen Heimatort meidet, ist es unwahrscheinlich, dass er in einer anonymen Großstadt nach mehrjähriger Abwesenheit (seit dem Jahr 2016) außerhalb der Heimatregion aufgefunden würde, zumal Nigeria etwa 200 Millionen Einwohner hat, eine Fläche von 925.000 m² aufweist und dabei nicht über ein funktionsfähiges Meldesystem verfügt. Grundsätzlich besteht nach der Erkenntnislage in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dem Kläger ist ein Umzug in einen anderen Landesteil Nigerias auch zumutbar. Zwar geht aus den vorliegenden Erkenntnissen hervor, dass ein Umzug in einen anderen Landesteil unter Umständen mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein kann, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem sie kein soziales Umfeld haben. Insbesondere familiären Bindungen kommt in der nigerianischen Gesellschaft eine gesteigerte Bedeutung zu (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 53 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 16, 21). Der Kläger könnte jedoch im Fall der Rückkehr nach Nigeria – wie auch schon vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid zutreffend ausgeführt – auch ohne solche Bindungen ohne gravierende gesundheitlichen Einschränkungen in einer der zahlreichen Großstädte eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit aufnehmen, um seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Dies gilt umso mehr, als der Kläger im Falle einer freiwilligen Rückkehr sowohl Start- als auch Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen kann. Zudem hat er sich auch schon in der Vergangenheit mit einfachen Arbeiten beholfen. Er hat berufliche Erfahrungen gesammelt und ist auch mit den Umständen in Nigeria vertraut. Somit ist davon auszugehen, dass sich der Kläger seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums erwirtschaften kann (VG Cottbus, U.v. 1.9.2020 – 9 K 507/18.A – juris; U.v. 18.8.2020 – 9 K 1502/19.A – juris; B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris; U.v. 29.5.2020 – 9 K 112/19.A – juris;; VG Saarland, U.v. 24.8.2020 – 3 K 1819/19 – juris; SächsOVG, B.v. 3.8.2020 – 6 A 249/20 A – juris; VG Stuttgart, U.v. 29.7.2020 – A 7 K 2895/20 – juris; VG Augsburg, U.v. 23.7.2020 – Au 9 K 20.30569 – juris; U.v. 22.7.2020 – Au 9 K 20.30375 – juris; B.v. 12.5.2020 – Au 9 S 20.30507 – juris; B.v. 10.3.2020 – Au 9 S 20.30327 – juris; B.v. 4.3.2020 – Au 7 K 18.31993 – juris; B.v. 20.2.2020 – Au 9 K 17.35117 – juris; B.v. 16.1.2020 – Au 9 K 19.30382 – juris; OVG NRW, B.v. 15.4.2020 – 19 A 915/19.A – juris; B.v. 18.3.2020 – 19 A 147/20.A – juris; B.v. 2.1.2020 – 19 A 183/18.A – juris; VG München, B.v. 20.3.2020 – M 8 S 19.34200 – juris; B.v. 13.12.2019 – M 12 S 19.34141 – juris; VG Karlsruhe, B.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris; VG Kassel, B.v. 21.1.2020 – 6 L 2648/19.KS.A – juris).
Außerdem ist konkret zum Kläger noch anzumerken, dass er auch unter Bezugnahme auf die von ihm vorgelegten Dokumente nicht glaubhaft machen konnte, dass wirklich konkret ein Haftbefehl gegen seine Person vorliegt. Auch auf wiederholte Nachfrage in der mündlichen Verhandlung verwies er nur auf ein Schreiben seines Anwalts an die Sicherheitskräfte bzw. Polizei sowie in der Folge ein Schreiben seines Anwalts an ihn, in dem die allgemeine Aussage zu finden ist, dass die Beteiligte an den – vom Kläger angeführten – gewalttätigen Auseinandersetzungen weiterhin gesucht würden. Ins Gewicht fällt aber die Aussage seines nigerianischen Anwalts, der ihm gerade nicht geraten hat, Nigeria insgesamt zu verlassen, sondern ihm und auch seinen Eltern nur empfohlen hat, den Ort und auch den Wohnort (Benin City) zu verlassen und zu versuchen, in einer anderen Gegend eine Wohnung zu finden, da sonst die Gefahr bestünde, dass der Kläger festgenommen und ins Gefängnis gebracht werde. Im nigerianischen Anwaltsschreiben ist ausdrücklich die Rede davon, an „safer locations“, also an sichere Orte, zu gehen. Offensichtlich hielt es der Anwalt in Nigeria nicht für erforderlich, dass der Kläger sein Heimatland gänzlich verlässt, zumal auch die Eltern des Klägers noch im Land geblieben sind und nur den Wohnort gewechselt haben.
Für eine fehlende Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr spricht weiter die Auskunftslage. Denn nach den vorliegenden Erkenntnissen gibt es in Nigeria weder ein landesweites Meldewesen noch ein zentrales Fahndungssystem, so dass Fahndungsausschreibungen oder kriminalpolizeiliche Erkenntnisse – selbst für den Fall, dass konkret der Kläger von den Sicherheitskräften gesucht werden sollte – nicht zentral überprüft werden könnten. Damit ist es in den allermeisten Fällen möglich, sogar in der näheren Umgebung „unterzutauchen“ (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 28.1.2019; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 53 u. 54). Fahndungsausschreibungen oder kriminalpolizeiliche Erkenntnisse können auch bei der Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers der nigerianischen Seite höchstwahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen, so dass betreffenden Personen keine weitere Strafverfolgung in Nigeria drohen dürfte bzw. eine weitere Strafverfolgung der Personen wenig wahrscheinlich erscheint (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20.2.2020). Bei Rückführungsflügen sind in der Regel nur nigerianische Strafverfolgungsbehörden zugegen, die sich mit Menschenhandel und Drogendelikten beschäftigen. Andere Delikte genießen hingegen bei einer Wiedereinreise nicht das Augenmerk der Behörden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf vom 19.2.2019 und an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 20.2.2020).
Des Weiteren bestehen auch angesichts der Sicherheitslage in Nigeria keine grundsätzlichen Einwände gegen eine Rückkehr des Klägers. Abgesehen davon, dass das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 18. September 2020 mit den Ausführungen aus dem Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung vom 21.2.2020 verspätet nach der gesetzten Frist gemäß § 87b Abs. 3 VwGO eingegangen ist und zudem weitere einschlägige Erkenntnisquellen jüngeren Datums zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind, ist nach Überzeugung des Gerichts den vorliegenden Erkenntnismittel nicht zu entnehmen, dass die angesprochene Bedrohungslage durch Terrorismus und Gewalt in Nigeria landesweit gleichermaßen herrscht. Vielmehr gibt es regionale und örtliche Unterschiede und infolgedessen zahlreiche Landesteile und Städte in Nigeria, in denen sich der Kläger gefahrlos niederlassen kann.
Letztlich ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger bei einer Abschiebung in einer extremen Situation befände, dass er im Falle einer Rückkehr nach Nigeria sehenden Auges mit dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre, wenn auch bei der Reintegration möglicherweise gewisse Anfangsschwierigkeiten zu überwinden sein mögen.
Des Weiteren ist auch in dem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass abgesehen von privaten Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen auch auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgegriffen werden kann. So hat der Kläger die Option, seine finanzielle Situation in Nigeria aus eigener Kraft zu verbessern, um Startschwierigkeiten bei einer Rückkehr besser zu überbrücken. Gegen diese Möglichkeiten kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, dass Start- bzw. und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehr, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung, erfolgen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris).
Ernstliche Zweifel ergeben sich nach den vorstehenden Ausführungen des Weiteren nicht mit Bezug auf § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, auch nicht im Hinblick auf eventuelle gesundheitlichen Aspekte.
Die geltend gemachten Erkrankungen rechtfertigen nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlichen und schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen. Mit der Präzisierung des Gesetzgebers, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern, wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Dass dem Kläger solche Gefahren drohen, ist weder vorgebracht, noch sonst ersichtlich. Der Kläger hat zwar von Beschwerden berichtet, er hat aber dazu keine qualifizierten Atteste im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG vorgelegt. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, aber nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, wonach der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Abgesehen davon ist auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich, dass sich die von ihm angeführten Beschwerden, gerade die auch von ihm hervorgehobene Augenerkrankung, als lebensbedrohlich oder als schwerwiegende Erkrankung darstellen, die eine extreme Gesundheitsgefahr begründen würden, wie auch schon das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt hat. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger lediglich erklärt, dass eine vorgesehene Operation in Deutschland am grauen Star noch nicht erfolgt sei. Weitergehendes ist den ärztlichen Unterlagen und auch den Aussagen des Klägers nicht zu entnehmen.
Im Übrigen ist der Kläger gehalten, im Bedarfsfall die Möglichkeiten des – zugegebener Maßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 56 ff. und S. 59 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 22 ff.) auszuschöpfen. Gegebenenfalls kann er auch auf private Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen sowie auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgreifen, so dass er nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch Medikamente besorgen könnte. Abgesehen davon könnten dem Kläger bei Bedarf für eine Übergangszeit auch Medikamente mitgegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
An der Beurteilung ändert des Weiteren auch die weltweite COVID-19-Pandemie nichts.
Laut den allgemein zugänglichen Quellen gibt es in Nigeria im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt 57.242 (Deutschland 273.422) bestätigte Corona-Fälle; davon sind 48.569 (Deutschland 244.000) Personen genesen; außerdem gibt es 1.098 (Deutschland 9.470) Todesfälle (Stand: 21.9.2020; siehe etwa Nigeria Centre for Disease Control, https://covid19.ncdc.gov.ng/ oder https://www.worldometers.info/coronavirus/country/nigeria/ sowie Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 27 ff.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 2 und vom 9.7.2020, S. 2; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 10 und S. 14 ff.), wenn auch bei den Angaben die Dunkelziffer hoch sein und die Zahl der an dem Virus Infizierten bzw. Gestorbenen deutlich höher liegen mag (siehe Spiegel vom 26.6.2020, https://www.spiegel.de/politik/ausland/coronavirus-in-nigeria-viele-infizierte-und-tote-koennten-nicht-registriert-sein-a-376a1144-607a-4503-9632-236168d397da). Jedoch bleibt der nigerianische Staat nicht tatenlos, wobei in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 27 ff.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, Covid-19 – aktuelle Lage vom 23.3.2020, S. 2 und vom 9.7.2020, S. 1 ff. und S. 11 ff.). So gelten angesichts der Corona-Pandemie in Nigeria in bestimmten Landesteilen bzw. Staaten – gerade in Hotspots – teilweise strenge bzw. strengere Ausgangssperren und Quarantäneregelungen, die von den nigerianischen Sicherheitskräften auch überwacht werden. Die Regierung hat hingegen mittlerweile etwa die Ausgangssperre für Lagos und Abuja wieder aufgehoben, allerdings an anderen Stellen (etwa in Kano) zeitweise verlängert und erweitert (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 1 ff. und S. 7 ff. und vom 9.7.2020, S. 1 ff. und S. 11 ff.; Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896. html; New York Times vom 17.5.2020, https://www.nytimes.com/ 2020/05/17/world/africa/coronavirus-kano-nigeria-hotspot.html; ferner n-tv.de vom 15.4.2020, https://www.n-tv.de/panorama/Corona-Krise-entfacht-Gewalt-in-Nigeria-article21716861.html oder merkur.de vom 16.4.2020 https://www.merkur.de/welt/coronavirus-afrika-news-nigeria-suedafrika-uganda-katastrophe-experte-warnung-pandemie-covid-19-who-zr-13606904.html). Seit 1. Juni 2020 gilt landesweit eine nächtliche Ausgangssperre von 22:00 bis 04:00 Uhr; ebenso gilt die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum. Geschäfte, Banken, Märkte und Unternehmen dürfen tagsüber mit Auflagen öffnen. Einzelne Bundesstaaten haben Bewegungsbeschränkungen und Auflagen innerhalb der Bundesgrenzen verhängt. Menschenansammlungen mit mehr als 50 Personen sind grundsätzlich untersagt. Ausnahmen sind nur unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen zulässig (Auswärtiges Amt, Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ nigeria-node/ nigeriasicherheit/205788).
Dem Gericht fehlen vor diesem Hintergrund jegliche Anhaltspunkte für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes, weil nicht ersichtlich ist, dass – bezogen auf eine mögliche COVID-19-Erkrankung – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG zugeordnet werden kann. Denn subsidiärer Schutz kommt nur in Betracht, wenn die Gefährdung zielgerichtet von einem Akteur ausgeht (BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 – InfAuslR 2020, 363).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach Nigeria ergeben sich nach Vorstehendem des Weiteren nicht im Hinblick auf die Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG durch das Bundesamt.
Insbesondere rechtfertigt die weltweite COVID-19-Pandemie keine andere in Bezug auf das Vorliegen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG (ebenso VG Cottbus, U.v. 1.9.2020 – 9 K 507/18.A – juris; U.v. 18.8.2020 – 9 K 1502/19.A – juris; VG Saarlandes, U.v. 24.8.2020 – 3 K 1819/19 – juris; VG Stuttgart, U.v. 29.7.2020 – A 7 K 2895/20 – juris; VG Augsburg, U.v. 23.7.2020 – Au 9 K 20.30569 – juris; U.v. 22.7.2020 – Au 9 K 20.30375 – juris).
Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Nigeria aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert (vgl. tagesschau.de, Corona-Pandemie: Kommt Afrika glimpflich davon? vom 20.8.2020; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 15; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 und S. 8 f. bzw. vom 9.7.2020, S. 3 und S. 13; auch Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www.handelsblatt.com/politik/ international/ pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896.html), hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann. Schlechte humanitäre Verhältnisse können dabei nur in ganz außergewöhnlichen Fällen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn es sich hierbei um zwingende humanitäre Gründe handelt (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.). Aus der Rechtsprechung des EGMR (U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 und 11449/07 – BeckRS 2012, 8036 – Rn. 278) und des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12) ergibt sich, dass die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraussetzt. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind. Entscheidend ist, dass die Person keiner Situation extremer materieller Not ausgesetzt wird, die es ihr unter Inkaufnahme von Verelendung verwehrt, elementare Bedürfnisse zu befriedigen.
Für den Eintritt einer dahingehenden Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Nigeria fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern des nigerianischen Staates erkennbar ist. So wurde ein Notfallfonds für das „Nigeria Centre for Disease Control“ eingerichtet, ebenso wie Konjunkturpakete, um die Auswirkungen für Haushalte und Betriebe zu lindern; außerdem wurden Nahrungsmittel verteilt (vgl. tagesschau.de, Corona-Pandemie: Kommt Afrika glimpflich davon? vom 20.8.2020; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 und S. 8 f. bzw. vom 9.7.2020, S. 3 und S. 13; https://reliefweb.int/report/nigeria/nigeria-humanitarian-fund-allocation-covid-19-and-humanitarian-response, vom 16.6.2020; https://www.theafricareport.com/26444/coronavirus-recession-in-nigeria-likely-despite-measures-in-place/, vom 20.4.2020). Darüber hinaus hat der internationale Währungsfonds Soforthilfen für Nigeria in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar gewährt (https://www.imf.org/en/ News/Articles/2020/04/ 28/pr20191-nigeria-imf-executive-board-approves-emergency-support-to-address-covid-19, vom 28.4.2020). Das Gericht geht zudem davon aus, dass gerade der für viele Nigerianer als Einnahmequelle bedeutende informelle Sektor nach dem Aufheben der vorübergehenden, nicht landesweit gleich strikten und im Übrigen bereits wieder gelockerten Ausgangsbeschränkungen (vgl. tagesschau.de, Corona-Pandemie: Kommt Afrika glimpflich davon? vom 20.8.2020; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; etwa https://www.africanews.com/2020/06/01/nigeria-coronavirus-hub-updates-covid-19/; https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/nigeria-seit-vier-wochen-im-lockdown) auch dem Kläger wieder zur Verfügung stehen wird (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 ff. und 8 f. bzw. 9.7.2020, S. 1 ff. und 12 f.; Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896.html).
Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der COVID-19-Pandemie.
Zunächst ist insoweit festzustellen, dass der Kläger mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht mit dem neuartigen SARS-CoV-2 („Coronavirus“) infiziert ist bzw. nicht an der hierdurch hervorgerufenen Erkrankung COVID-19 leidet.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Die derzeitige COVID-19-Pandemie stellt in Nigeria mangels einer solchen Abschiebestopp-Anordnung allenfalls eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn es zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke, d.h. zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage erforderlich ist (vgl. etwa BVerwG, 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerecht, 13. Auflage 2020, § 60 AufenthG, Rn. 100 m.w.N.). Die drohende Gefahr, dass sich der Kläger in Nigeria mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert, muss nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. – juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage den baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – juris sowie VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris mit Bezug auf VG Bayreuth, U.v. 21.4.2020 – B 8 K 17.32211; OVG NRW – U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.; vgl. auch schon etwa VG Würzburg, U.v. 29.6.2020 – W 8 K 20.30256 – juris m.w.N.).
Eine solche extreme, konkrete Gefahrenlage ist vorliegend für den Kläger im Hinblick auf die Verbreitung des „Coronavirus“ für das Gericht derzeit nicht erkennbar. Der fast 38 Jahre alte Kläger ohne relevante Vorerkrankungen gehört nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19 Erkrankung (vgl. RKI, Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf; abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html).
Im Übrigen genügt nicht eine allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die Corona-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen. Erforderlich ist, durch Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende etwa zu einer Risikogruppe gehört und in seinem speziellen Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, zu rechnen ist. Anzugeben ist dabei weiter, wie viele Personen im Zielland konkret infiziert sind, einen schweren Verlauf haben und gestorben sind, ob landesweit eine betreffende Gefahr besteht bzw. konkret an dem Ort, an dem der Betreffende zurückkehrt und welche Schutzmaßnahmen der Staat zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat (OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris). An einem entsprechenden substanziierten Vorbringen des Klägers fehlt es. Durchgreifende Gründe für eine relevante Gefahr sind auch sonst nicht ersichtlich.
Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in Nigeria derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher der Kläger angehört. Er muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen, wie etwa Malaria, HIV, Masern, Cholera, Lassa-Fieber, Meningitis oder Tuberkulose, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs teilweise um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Coronavirus“ (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 25 f.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 14 f.; vgl. zu Malaria OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4479/19.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris), im Bedarfsfalle auf die Möglichkeiten des – zugegebenermaßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 25 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 25.5.2020, S. 56 ff. und S. 59 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 22 ff.) verweisen lassen.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Ansteckungsgefahr mit dem „Coronavirus“ auch in Nigeria nicht in allen Landesteilen gleich hoch ist. Vielmehr gibt es erhebliche regionale Unterschiede (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 27 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 5 f. und S. 8 sowie vom 23.3.2020, S. 2 bzw. vom 9.7.2020, S. 1 ff. und S. 12 f.; New York Times vom 17.5.2020, https://www.nytimes.com/2020/05/17/world/africa/coronavirus-kano-nigeria-hotspot.html) beim Risiko, angesteckt zu werden. Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuell persönliche Schutzmöglichkeiten, wie Hygienemaßnahmen (z. B. Hände waschen), das Tragen einer Gesichtsmaske oder die Wahrung von Abstand zu Anderen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Gegebenenfalls kann der Kläger auch auf private Hilfsmöglichkeiten oder Hilfsorganisationen zurückgreifen, sodass er nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch mit Medikamenten, Desinfektionsmitteln oder Gesichtsmasken versorgen könnte. Abgesehen davon könnten dem Kläger bei Bedarf auch Medikamente, Desinfektionsmittel oder Gesichtsmasken für eine Übergangszeit mitgegeben werden (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris; BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Wie schon ausgeführt hat das Gericht weiter keine triftigen Anhaltspunkte, geschweige denn konkrete Belege, dass die Lebensverhältnisse und die humanitären Lebensbedingungen in Folge der Covid-19-Pandemie in Nigeria in der Weise verschlechtert hätten oder alsbald verschlechtern würden, dass generell für jeden Rückkehrer eine extreme Gefahr im oben zitierten Sinn mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen würde. Gerade angesichts der regionalen Unterschiede und dem unterschiedlichen Vorgehen der einzelnen Bundesstaaten bestehen weiterhin ausreichende Möglichkeiten, sich ein Existenzminimum zu erwirtschaften, so dass eine Rückkehr nach Nigeria zumutbar ist. Bei der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung kommt es zudem zu keinem Mangel, der über das übliche Maß hinausgehen würde (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 9 bzw. vom 9.7.2020, S. 12).
Nach alledem es gibt keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich Wirtschaft und Versorgungslage der Bevölkerung trotz internationaler humanitärer Hilfe, trotz Gegensteuerns des nigerianischen Staates und trotz lokaler Hilfsbereitschaft infolge der Pandemie derart verschlechtern würde, dass der Kläger nicht mehr in der Lage wäre, den Lebensunterhalt und das Existenzminimum für sich sicherzustellen (ebenso VG Cottbus, U.v. 1.9.2020 – 9 K 507/18.A – juris; U.v. 18.8.2020 – 9 K 1502/19.A – juris; B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris; U.v. 29.5.2020 – 9 K 112/19.A – juris; VG Saarland, U.v. 24.8.2020 – 3 K 1819/19 – juris; VG Stuttgart, U.v. 29.7.2020 – A 7 K 2895/20 – juris).
Das Gericht verkennt – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Nigeria. Diese betreffen jedoch nigerianische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Anordnung und Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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