Verwaltungsrecht

Kein vorläufiger Rechtsschutz gegen Abschiebung in den Kosovo im Asylfolgeverfahren

Aktenzeichen  M 16 E 16.30782; M 16 E 16.30780

Datum:
17.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 77 Abs. 2, § 80, § 83b
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO VwGO § 123
VwVfG VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Begehrt ein Asylantragsteller im Folgeverfahren vorläufigen Rechtsschutz gegen die bereits im Erstverfahren angedrohte Abschiebung in seinen Heimatstaat, richtet sich der statthafte Antrag nach § 123 VwGO darauf, das Bundesamt zu verpflichten, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass er vorläufig nicht in seinen Heimatstaat abgeschoben werden darf (wie VGH München BeckRS 2015, 45768). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ein Hämangiom am Nasenrücken begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bezüglich des Kosovo. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Die Verfahren M 16 E 16.30780 und M 16 E 16.30782 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Die Anträge werden abgelehnt.
III.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind kosovarische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit.
Der Antragsteller zu 1 stellte erstmals im Jahr 1998 einen Asylantrag, der bestandskräftig abgelehnt wurde. Am 4. Februar 2015 stelle er erneut einen Asylantrag. Dabei trug er vor, er wolle hier leben und arbeiten. Seine Tochter solle eine bessere Zukunft haben und hier ärztlich behandelt werden.
Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 stellten am 20. April 2015 Asylanträge. Diese wurden mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24. Juli 2015 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht.
Mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 12. Februar 2016 wurde der Asylantrag des Antragstellers zu 1 und der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragsteller zu 1 wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht. Außerdem wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Am 22. März 2016 stellten die Antragsteller Anträge auf Durchführung weiterer Asylverfahren.
Mit Bescheid vom 1. April 2016, zugestellt am 5. April 2016, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Durchführung weiterer Asylverfahren sowie die Anträge auf Abänderung bezüglich der Feststellungen zu § 60 Absätze 5 und 7 AufenthG der Antragstellerinnen zu 2 und 3 ab und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens oder eines Wiederaufgreifens lägen nicht vor. Eine nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erforderliche Änderung der Sach- oder Rechtslage sei nicht gegeben. Auch Gründe, die unabhängig vom Vorliegen des § 51 Absätze 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung rechtfertigen würden, lägen nicht vor. Beim Vorbringen der Antragstellerin zu 2 handle es sich lediglich um die Wiederholung der bereits im Erstantrag geltend gemachten Fluchtgründe. Der Vortrag lasse ausschließlich auf wirtschaftliche Motive schließen.
Mit Bescheid vom 4. April 2016, zugestellt am 7. April 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie den Antrag auf Abänderung bezüglich der Feststellungen zu § 60 Absätze 5 und 7 AufenthG des Antragstellers zu 1 ab. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens oder eines Wiederaufgreifens lägen nicht vor. Eine nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erforderliche Änderung der Sach- oder Rechtslage sei nicht gegeben. Auch Gründe, die unabhängig vom Vorliegen des § 51 Absätze 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung rechtfertigen würden, lägen nicht vor. Bei dem Vorbringen des Antragstellers zu 1 handle es sich lediglich um die Wiederholung der bereits im ersten Folgeantrag geltend gemachten Fluchtgründe. Der Antragsteller halte sich hauptsächlich zur medizinischen Behandlung seiner Tochter in Deutschland auf.
Am 13. April 2016 erhob der Antragsteller zu 1 zur Niederschrift der Urkundsbeamtin Klagen gegen die Bescheide vom 1. April 2016 (M 16 K 16.30781) und 4. April 2016 (M 16 K 16.30779) und stellte gleichzeitig Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung wurde u. a. unter Vorlage eines ärztlichen Attests ausgeführt, die Antragstellerin zu 3 leide an einem Hämangiom am Nasenrücken. Mit einer Therapie sei bereits begonnen worden. Für den 12. August 2016 sei ein Vorstellungstermin bei einem plastischen Chirurgen geplant, um zu entscheiden, ob eine Operation notwendig sei. Eine Vollmacht der Antragstellerin zu 2 wurde am 18. April 2016 nachgereicht.
Das Bundesamt hat die Behördenakten vorgelegt, ein Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten der vorliegenden Verfahren, der Verfahren M 16 K 16.30779 und M 16 K 16.30781 sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.
Die Anträge der Antragsteller werden gemäß § 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass beantragt wird, das Bundesamt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Antragsteller vorläufig nicht nach Kosovo abgeschoben werden dürfen. Ein solcher Antrag ist statthaft, wenn – wie hier – bei einem Antrag auf Wiederaufgreifen im Sinne des § 51 VwVfG Abschiebeschutz gegen eine ablehnende Entscheidung des Bundesamts geltend gemacht wird (vgl. BayVGH, B. v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810, 10 C 15.813 – juris Rn. 5).
Die Anträge bleiben in der Sache ohne Erfolg.
Eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das Bundesamt ist in seiner Entscheidung vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen der Verfahren nach § 51 VwVfG nicht gegeben sind und auch keine Gründe vorliegen, die unabhängig hiervon eine Abänderung der Entscheidungen zu § 60 Absätze 5 und 7 AufenthG rechtfertigen. Auf die zutreffenden Gründe der streitgegenständlichen Bescheide, denen das Gericht folgt, wird verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend bleibt auszuführen, dass insbesondere die Antragstellerin zu 3 wegen ihres unstreitig vorhandenen Hämangioms nicht das Vorliegen der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebeverbots i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG glaubhaft gemacht hat. Insoweit kann auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im Bescheid vom 24. Juli 2015 verwiesen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Anträge waren daher mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO abzulehnen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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