Verwaltungsrecht

Kein vorläufiger Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren gegen bereits fertiggestellte Straßenbaumaßnahmen

Aktenzeichen  8 CE 17.2182

Datum:
18.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 510
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 146
BGB § 1004

 

Leitsatz

Räumen die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutzes gegen Bauarbeiten zur Herstellung einer Erschließungsstraße im Beschwerdeverfahren ein, dass die streitgegenständliche Straße fertiggestellt erscheine und führt die Antragsgegnerseite dazu unwidersprochen aus, dass die Erschließungsanlage fertiggestellt sei und dass lediglich für Eigentümerwege im südlichen Baugebiet noch die bituminösen Schichten fehlen, ist nicht dargelegt, warum dessen ungeachtet noch eine Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der von ihnen geltend gemachten Nachbarrechte drohen sollte. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 2 E 17.872 2017-10-10 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren die vorläufige Einstellung von Bauarbeiten zur Herstellung einer Erschließungs Straße.
Die Antragsteller machen geltend, die Antragsgegnerin lasse derzeit eine Erschließungs Straße im Geltungsbereich eines Bebauungsplans errichten, die zu hoch angelegt werde. Es sei zu befürchten, dass ihr Grundstück daher in Zukunft von erheblichen Wasserzuflüssen betroffen sei. Derzeit werde die Entwässerungssituation im Plangebiet in einem wasserrechtlichen Verfahren geklärt, dessen Ergebnis abgewartet werden solle.
Den Antrag, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die im Gang befindlichen Straßenbauarbeiten vorläufig einzustellen, bis zu einer Änderung des Bebauungsplans oder bis zum Abschluss des laufenden wasserrechtlichen Verfahrens, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass kein Anordnungsgrund dargelegt worden sei.
Im Beschwerdeverfahren verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter. Sie machen geltend, ein Anordnungsgrund im Sinn einer Eilbedürftigkeit sei „nunmehr gegeben“.
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Auf Basis der von den Antragstellern innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO; vgl. dazu auch Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 25), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt hat.
1. Die seitens der Antragsteller vorgetragenen Gründe vermögen die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht infrage zu stellen. Die Antragstellerseite hat eine Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, nicht glaubhaft gemacht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt die Glaubhaftmachung eines derartigen Anordnungsgrunds voraus (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein solcher glaubhaft gemacht ist, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ist das Verfahren in der Beschwerdeinstanz anhängig, so ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgebend (BayVGH, B.v. 11.1.1994 – 12 CE 92.3726 – BayVBl 1995, 116 = juris Rn. 23; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, § 25 Rn. 429 ff., m.w.N.).
Die Antragsteller wenden im Wesentlichen ein, dass der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Sie führen aber zugleich aus, dass die Arbeiten zum Zeitpunkt der Einreichung des Antragsschriftsatzes zwar unterbrochen gewesen seien, danach aber fortgesetzt worden seien und dass der Straßenkörper am 15. November 2017, dem Tag auf den die am 17. November 2017 bei Gericht eingegangene Beschwerdebegründung datiert, „fertig“ erscheine.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass zum Entscheidungszeitpunkt kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden war, wird dadurch nicht in Zweifel gezogen. Es fehlt an der Darlegung, dass der Anordnungsgrund im erstinstanzlichen Verfahren glaubhaft gemacht worden ist. Angesichts des Vortrags in der Beschwerdebegründung zur Unterbrechung der Bauarbeiten wäre dies erforderlich gewesen.
Ob und in welchem Umfang neues Vorbringen in der Beschwerdeinstanz berücksichtigt werden kann (vgl. dazu Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., § 25 Rn. 409 ff., m.w.N.), bedarf hier keiner Entscheidung. Selbst wenn der Vortrag in der Beschwerdebegründung zur Fortsetzung der Bauarbeiten Berücksichtigung findet, fehlt es nämlich an einem Anordnungsgrund. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt noch die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Sie räumen in der Beschwerdebegründung, die am letzten Tag der Begründungsfrist eingegangen ist, vielmehr selbst ein, dass die streitgegenständliche Straße fertiggestellt erscheine. Die Antragsgegnerseite hat in ihrer Antragserwiderung dazu unwidersprochen ausgeführt, dass die Erschließungsanlage fertiggestellt ist und dass lediglich für Eigentümerwege im südlichen Baugebiet noch die bituminösen Schichten fehlen. Die Antragsteller haben nicht dargelegt, warum dessen ungeachtet noch eine Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der von ihnen geltend gemachten Nachbarrechte drohen sollte.
2. Daneben fehlt es auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs, worauf die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung zutreffend hinweist.
Zwar prüft der Verwaltungsgerichtshof in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei Beschwerden gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich nur die rechtzeitig und in der gebotenen Weise dargelegten Gründe. Erweisen sich die Beschwerdegründe aber als berechtigt, hat die Beschwerde nicht schon aus diesem Grund Erfolg. Vielmehr darf sich die angefochtene Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweisen (BayVGH, B.v. 8.5.2017 – 8 CS 17.432 – juris Rn. 11, m.w.N.). Dies wäre aber angesichts des nicht glaubhaft gemachten und auch sonst nicht erkennbaren Anordnungsanspruchs der Fall.
Die Antragsteller stützen ihren Antrag im Wesentlichen auf vermeintlich drohende Beeinträchtigungen ihres Grundstücks durch eine veränderte Entwässerungssituation. Ein daraus resultierender öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch (etwa aus § 1004 BGB analog; vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2010 – 8 ZB 10.192 – BayVBl 2011, 476 = juris Rn. 5) in Bezug auf die Herstellung der Erschließungs Straße wurde jedoch nicht glaubhaft gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vor allem die Kausalität des Straßenbaus für die nur sehr pauschal behaupteten Beeinträchtigungen wurde nicht dargelegt. Die Antragstellerseite trägt im Antragsschriftsatz (Akte des Verwaltungsgerichts S. 5) vielmehr selbst vor, dass die Entwässerungsfragen, bei Beachtung bestimmter Vorgaben, im Ergebnis nicht unlösbar erschienen und dass ein laufendes wasserrechtliches Verfahren, das die gesamte Entwässerungssituation im Plangebiet klären solle, noch nicht abgeschlossen sei. Aus der Stellungnahme des Bauträgers vom 6. April 2017, auf die die Antragsgegnerseite im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht verwiesen hat, sowie aus den in den Akten befindlichen Lageplänen ergibt sich, dass die Höhendifferenz zwischen der streitgegenständlichen Erschließungs Straße und dem mehr als 20 m entfernten klägerischen Grundstück nur rund 1 m beträgt (vgl. Behördenakte S. 1601 ff., 1631 und Akte des Verwaltungsgerichts S. 49), so dass auch insofern Beeinträchtigungen durch die Entwässerung der Straße nicht ersichtlich sind. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Streitgegenstand weder der Bebauungsplan als solcher ist, an dessen Wirksamkeit im Hinblick auf die Ausfertigung (vgl. dazu BayVGH, U.v. 4.8.2017 – 15 N 15.1713 – juris Rn. 18 ff. und B.v. 4.7.2017 – 2 NE 17.989 – juris Rn. 17, jeweils m.w.N.) sowie im Hinblick auf die Bezugnahme auf technische Regelwerke in den textlichen Festsetzungen (vgl. dazu BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 15 N 15.1201 – juris Rn. 39 m.w.N.; U.v. 28.2.2017 – 15 N 15.2042 – BayVBl 2017, 594 = juris Rn. 38, jeweils m.w.N.) Zweifel bestehen könnten, noch bau- oder wasserrechtliche Genehmigungen.
Selbst wenn – ungeachtet der fehlenden Geltendmachung eines Anordnungsanspruchs – zugunsten der Antragsteller von offenen Erfolgsaussichten ausgegangen werden könnte, würde eine Interessenabwägung zum Überwiegen der Interessen der Antragsgegnerin führen, angesichts des von ihr geltend gemachten Schadens von 200.000 Euro monatlich im Fall eines Baustopps.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird der Streitwert gegenüber der Hauptsache halbiert (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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