Verwaltungsrecht

Kein Wiederaufgreifen des Verfahrens

Aktenzeichen  AN 3 K 14.30912

Datum:
17.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 42929
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG §§ 28 II, 71
VwVfG VwVfG § 51 III
AufenthG AufenthG § 60 V, VII 1
VwGO VwGO § 113 I 1, V 1

 

Leitsatz

1 Gründe für das Wiederaufgreifen sind innerhalb der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG geltend zu machen, wobei für jeden Wiederaufnahmegrund die Frist erneut zu laufen beginnt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Nachfluchtaktivitäten für die EPPF und die EPCOU in der Bundesrepublik Deutschland sind nicht so herausgehoben, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Äthiopien staatliche Verfolgungsmaßnahmen drohen.  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 3 K 14.30912
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 17. Februar 2016
3. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 0710 01
Hauptpunkte: Folgeverfahren; Nachfluchtaktivitäten EPPF, EPCOU; Zeitpunkt der Geltendmachung
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…,
– Klägerin –
bevollmächtigt: …
gegen
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch …, …
– Beklagte –
wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer, durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Kokoska-Ruppert aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Februar 2016 am 17. Februar 2016 folgendes Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Die nach eigenen Angaben 1987 geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Amharen an. Sie ist orthodoxe Christin.
Die Klägerin hat unter dem Aktenzeichen AN … bereits ein Klageverfahren gegen ihre Ablehnung als Asylberechtigte (Bescheid des Bundesamtes vom 3.2.2014) durchgeführt. In diesem Bescheid wurde der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, der Antrag auf Asylanerkennung wurde abgelehnt, der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt, es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen und die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen.
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Mai 2014 wurde die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs München im Berufungszulassungsverfahren (…) am 25. Juli 2014 rechtskräftig.
In dem genannten Verfahren hat die Klägerin geltend gemacht, aufgrund ihres exilpolitischen Engagements für die EPPF und die EPCOU in Deutschland drohe ihr im Heimatland politische Verfolgung. Auf die Entscheidung im Verfahren … wird Bezug genommen.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 17. September 2014 beantragte die Klägerin die Durchführung eines Folgeverfahrens. Sie machte im Verfahren vor dem Bundesamt für Migra-tion und Flüchtlinge geltend, sie engagiere sich exilpolitisch und legte hierzu entsprechende Bescheinigungen vor, so eine Bescheinigung der EPCOU über die Teilnahme an einer Demonstration in … am 17. Mai 2014, eine Teilnahmebescheinigung der EPPF Germany vom 10. Mai 2014 über die Teilnahme an einer Veranstaltung der EPPF am 3. Mai 2014 in … und eine Bescheinigung der EPPF Germany vom 12. Juli 2014 über die Teilnahme an Mitgliederversammlungen der EPPF.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014, der laut Aktenvermerk der Beklagten (Bl. 51 der Akte) als Einschreiben am 31. Oktober 2014 zur Post gegeben wurde, lehnte das Bundesamt den Asylfolgeantrag ab (Ziffer 1) und lehnte den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 3. Februar 2014 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ebenfalls ab (Ziffer 2).
Zur Begründung wird ausgeführt, es sei bereits die Frist des § 51 VwVfG nicht eingehalten worden, da der Antrag wirksam erst am 14. Oktober 2014 gestellt worden sei. Abgesehen davon habe die Klägerin vorgetragen, an einer oppositionellen Veranstaltung am 3. Mai 2014 teilgenommen zu haben. Diesen Sachvortrag hätte sie in dem Erstverfahren geltend machen können. Die letzte mündliche Verhandlung habe erst am 8. Mai 2014 stattgefunden. Weiterhin habe sie keinen Nachweis über die von ihr nunmehr behauptete exponierte Teilnahme an Veranstaltungen der EPPF bzw. EPCOU am 17. Mai 2014 und 12. Juli 2014 erbracht. Hier sei grundsätzlich der volle Nachweis zu fordern. Die nunmehrigen Aktivitäten der Klägerin seien nicht anders zu beurteilen, als dies schon im Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Mai 2014 geschehen sei.
Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten, der am 17. Januar 2014 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, Klage erheben. Sie macht geltend, sie habe zweifellos neue Beweismittel für ihre hervorgehobene Tätigkeit in der Exilorganisation vorgelegt. Bei anderen Klägern, die eine absolut vergleichbare Position in der Organisation EPCOU hätten, habe die 3. Kammer z. B. am 28. November 2013 und am 25. Februar 2014 die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen. Die Kläger in diesen Verfahren (AN … und AN …) seien ebenfalls im Vorstand der EPCOU Deutschland gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Oktober 2014 zu verpflichten, die Klägerin als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m.
§ 3 AsylG anzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass in ihrer Person die Voraussetzungen als subsidiär Schutzberechtigte § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 AsylG vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
Mit Schreiben vom 27. November 2014 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezog sie sich auf die angefochtene Bescheidung.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2015 zeigten sich die nunmehrigen Bevollmächtigten für die Klägerin an.
Mit Schreiben vom 10. April 2015 wurde zur Begründung der Klage weiterhin ausgeführt, dass die Klägerin ihre exponierten exilpolitischen Aktivitäten fortgesetzt habe. Die Klägerin habe am 8. März 2015 aktiv an der Veranstaltung zum 119. ADWA-Feier in … teilgenommen. Hierzu wurde eine Bestätigung der EPCOU von März 2015 vorgelegt. Auch wurde ein Auszug aus YouTube beigefügt, der am 9. März 2015 veröffentlicht wurde. Hierauf sei die Klägerin auf dem Podium im Rahmen der Veranstaltung zu sehen. Weiterhin habe die Klägerin seit dem 21. September 2014 die Position als „Women’s Affaire Head in Bayern“ bei der EPPF G aktiv begleitet. Hierzu wurde eine Bestätigung der EPPF G vom 22. September 2014 vorgelegt. Außerdem habe die Klägerin am 3. Dezember 2014 an der Demonstration der EPCOU in Berlin teilgenommen. Hierzu wurde eine Bestätigung der EPCOU vom 9. Dezember 2014 vorgelegt.
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten, der am 2. Februar 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, legte die Klägerin weitere Bescheinigungen über ihre Tätigkeit in der EPPFG und der EPCOU vor. Zwischenzeitlich sei die Klägerin neben ihrer Position als “Women’s Affair Head in Bayern“ auch noch „Vice Head of Public Relation“ der EPPFG. Hierzu legte sie eine Bestätigung vom 10. Januar 2016 vor. Außerdem sei die Klägerin bei der EPCOU als „Bayer Social Affair Head“ tätig. Hierzu legte sie eine Bestätigung der EPCOU vom 25. Januar 2015 vor.
Am 4. Juli 2015 habe die Klägerin zudem als stellvertretende Leiterin die Demonstration der EPCOU in Nürnberg mit organisiert und verantwortet. Am 11. Juli 2015 habe die Klägerin an einem Treffen der EPPFG teilgenommen. Ferner habe sie am 14. Januar 2016 an der Demonstration der EPCOU in … aktiv teilgenommen. Am 2. Mai 2015 habe die Klägerin an dem Menschenrechtstreffen der EPCOU in … teilgenommen. Am 4. Juni 2015 habe die Klägerin an der Demonstration der EPCOU in … teilgenommen. Entsprechende Bescheinigungen legte die Klägerin vor.
Die Klägerin sei eine exponierte Person der politischen Opposition und ihr drohe bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgungsgefahr in Form von willkürlicher Verhaftung und Inhaftierung, unfairem Gerichtsverfahren, Folter und Misshandlungen bis hin zur Todesstrafe. Bei der Klägerin sei aufgrund ihrer exponierten und engagierten exilpolitischen Aktivitäten eine asylrelevante Verfolgungsgefahr gegeben, so dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorlägen.
Es sei auch wegen der allgemeinen Situation in Äthiopien für eine alleinstehende Frau nahezu unmöglich, eine Unterkunft und einen Arbeitsplatz zu finden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, das sich vorliegend nach dem allein maßgeblichen Klageantrag aus der mündlichen Verhandlung zulässigerweise (vgl. §§ 13 Abs. 1, 31 AsylVfG) auf die begehrte Feststellung des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG (sowie hilfsweise auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylVfG bzw. das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) beschränkt, sind nicht erfüllt.
Gemäß § 71 AsylVfG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Vorausset-zungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Hierfür ist erforderlich, dass der Folgeantrag binnen drei Monaten nach Bekanntwerden des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt wird (§ 51 Abs. 3 VwVfG) und der Antragsteller ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG).
Als Wiederaufgreifensgründe kommen nach § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG nur eine nachträg-liche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen, das Vorliegen neuer Beweismittel oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO in Betracht.
Werden als Wiederaufnahmegründe erst nach unanfechtbarem Abschluss des früheren Verfah-rens eingetretene Veränderungen geltend gemacht, sind diese substantiiert und glaubhaft dar-zulegen (BVerwG, U. v. 23.6.1987 – 9 C 251/86, BVerwGE 77, 323; U. v. 30.8.1988 – 9 C 47/87, NVwZ 1989,161). Die Verwaltungsgerichte sind im Übrigen nicht befugt, andere als vom Antragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, U. v. 21.4.1982 – 8 C 75/80, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 11).
Die Zulässigkeit des Antrags an die Behörde erfordert bei dem insoweit einschlägigen Wieder-aufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zunächst die schlüssige und fristgerechte Be-hauptung, dass sich die Sach- und Rechtslage geändert habe. Begründet ist der Antrag so-dann, d. h., er vermag die Bestandskraft des ursprünglichen Verwaltungsaktes zu durchbrechen, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage tatsächlich vorliegt und diese geeignet ist, eine neue für den Asylbewerber günstigere Sachentscheidung herbeizuführen (vgl. BVerwG v. 3.5.2000 – 8 B 352.99, DVBl 2001, 305; v. 25.6.1991 – 9 C 33.90, EZAR, 212 Nr. 8, und vom 23.6.1987 – 9 C 251.86, EZAR 224 Nr. 16; BayVGH v. 24.4.1997 – 8 B 96.30918).
2. Vorliegend beruft sich die Klägerin auf die Änderung der Sachlage nach Abschluss ihres ersten Asylverfahrens am 25. Juli 2014.
Sie hat jedoch die Gründe für das Wiederaufgreifen erst nach Ablauf der Frist § 51 Abs. 3 VwVfG geltend gemacht.
Abzustellen ist für die Berechnung dieser Frist auf die wirksame Stellung des Folgeantrags am 14. Oktober 2014. Gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 AsylG muss der Antragsteller den Folgeantrag grundsätzlich persönlich stellen, d. h. er muss selbst, ohne dass eine Vertretung zulässig ist, bei der nach § 71 Abs. 2 Satz 1 AsylG zuständigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erscheinen. Das Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin, mit dem dieser unter dem Datum 17. September 2014 einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 71 AsylG/§ 51 VwVfG stellte, ist aus diesem Grund unbeachtlich. Hierauf wies das Bundesamt mit Schreiben vom 29. September 2014 hin. In diesem Schreiben nannte es die Außenstelle … als zuständige Stelle für die Aufnahme des Folgeantrags und wies darauf hin, dass nach derzeitiger Sachlage von einer wirksamen Antragstellung nicht ausgegangen werde. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass Gründe für eine schriftliche Antragstellung nach § 71 Abs. 2 Satz 2 oder Satz 3 AsylG innerhalb von 14 Tagen mitzuteilen seien. Ausweislich der Behördenakte erschien die Klägerin am 14. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und stellte dort persönlich den Folgeantrag. Demgemäß sind die von ihr vorgelegten Bescheinigungen vom 3. Mai 2014, vom 10. Mai 2014, vom 17. Mai 2014 und vom 12. Juli 2014 nicht mehr innerhalb der 3-Monats-Frist vorgelegt worden, weshalb die Voraussetzung des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht erfüllt ist.
Hinzu kommt, dass auch für eine Vielzahl der während des gerichtlichen Verfahrens vorgelegten Bescheinigungen die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG, die für jeden Wiederaufnahmegrund nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erneut zu laufen beginnt (BVerwG, B. v. 11.12.1989 – 9 B 320/89, NVwZ 1990, 359) bereits abgelaufen war, so dass der Tatsachenvortrag zu der aus der Sicht der Klägerin veränderten Qualität ihrer politischen Arbeit nur teilweise in dem Verfahren überhaupt berücksichtigt werden könnte. Ihr Engagement im Zeitraum September bis Dezember 2014, insbesondere die Bescheinigung der EPPF-G, wonach die Klägerin seit dem 21. September 2014 die Position als „Women’s Affaire Head in Bayern“ inne habe, wurde erst mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10. April 2015 geltend gemacht. Gleiches gilt für ihre Arbeit für die exilpolitischen Parteien im Zeitraum Januar bis Juli 2015. Dies wurde erst mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 2. Februar 2016 geltend gemacht und belegt. Auch die von der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragene Tätigkeit für die nach ihren Angaben im Januar 2015 verstärkte Zusammenarbeit zwischen der EPPF und Ginbot 7 (EPPFG) wurde von ihr nicht fristgerecht ins Verfahren eingeführt und ist daher unbeachtlich. Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Klägerin am 4. Juli 2015 als stellvertretende Leiterin eine Demonstration der EPCOU mit organisiert und mit verantwortet habe. Dieser Sachverhalt wurde ebenfalls erst mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 2. Februar 2016 ins Verfahren eingeführt.
3. Darüber hinaus sind weder die im behördlichen noch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Bescheinigungen ihrem Inhalt nach geeignet, zu einer Änderung der Sach- oder Rechtslage i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu gelangen, da sie die Qualität ihrer Arbeit nicht höher und exponierter als im Erstverfahren erscheinen lassen. Im Wesentlichen wird lediglich die Teilnahme an Veranstaltungen der EPCOU bzw. der EPPF bescheinigt. Insofern wiederholt die Klägerin damit ihr Vorbringen aus dem Erstverfahren, was grundsätzlich nicht dazu geeignet ist, eine für sie günstigere Entscheidung herbeizuführen.
Nach ihrem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung setzt die Klägerin lediglich das zu Beginn ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland begonnene Engagement für die EPPF und die EPCOU fort. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die am 2. Februar 2016 vorgelegte Bestätigung der EPPFG vom 10. Januar 2016, wonach die Klägerin zwischenzeitlich auch „Vice Head of Public Relation“ sei, nicht eine solche Bedeutung aufweisen kann, dass von einer maßgeblichen Qualitätsänderung des politischen Engagements ausgegangen werden könnte. Denn im Wesentlichen wird ausgeführt, dass die Klägerin seit dem Jahr 2012 für die EPPFG tätig ist.
4. Die von der Klägerin geschilderten und nachgewiesenen Nachfluchtaktivitäten für die genannten Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland sind nicht so herausgehoben, dass die Klägerin zu dem Personenkreis gehört, dem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Äthiopien staatliche Verfolgungsmaßnahmen droht. Zwar geht die Einzelrichterin davon aus, dass für das Vorbringen der Klägerin – sofern es nicht wegen der Fristversäumung des § 51 Abs. 3 VwVfG unbeachtlich bleibt – nicht die gesetzliche Vermutung des § 28 Abs. 2 AsylG greift. Denn die Klägerin hat gerade nicht vorgetragen, ihre bisherigen Aktivitäten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens intensiviert zu haben.
Nach dieser Vorschrift wird die risikolose Verfolgungsprovokation für Nachfluchtgründe, die der Asylbewerber nach Abschluss des Erstverfahrens selbst geschaffen hat, regelhaft unter Missbrauchsverdacht gestellt (BVerwG, B. v. 31.1.2014 – 10 B 5/14 – juris Rn. 5 m. w. N.; BVerwG, U. v. 24.9.2009 – 10 C 25/08 -, juris). Demnach ist die gesetzliche Missbrauchsvermutung nur dann widerlegt, wenn der Asylbewerber den Verdacht ausräumen kann, er habe Nachfluchtaktivitäten nach Ablehnung des Erstantrags nur oder aber hauptsächlich mit Blick auf die erstrebte Flüchtlingsanerkennung entwickelt oder intensiviert. Bleibt das Betätigungsprofil des Betroffenen nach Abschluss des Erstverfahrens unverändert, liegt die Annahme einer missbräuchlichen Verknüpfung von Nachfluchtaktivitäten und begehrtem Status eher fern. Wird der Asylbewerber jedoch nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmals exilpolitisch aktiv oder intensiviert er seine bisherigen Aktivitäten, muss er dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, dies geschehe in erster Linie, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen.
Dem Auswärtigen Amt liegen aber keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch angesehen wird und welche Art exilpolitischer Aktivität festgestellt wird (führende Position, Organisationen, gewaltsame Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich eine zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt, soweit bekannt, ohne Konsequenzen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. März 2015, 1.9.). Insgesamt ist den Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Diaspora genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Spitzenpolitiker von Exilparteien, die der Regierung missliebig sind, müssen deshalb im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien mit Verfolgung rechnen. Auch Aktivisten, die sich im Ausland gegen die Regierung aussprechen, drohen in Äthiopien Verfolgungen aufgrund revolutionärer Absichten. Aktivitäten einfacher Parteimitglieder werden hingegen von den äthiopischen Behörden nicht registriert, da den Behörden dazu die Ressourcen fehlen. Es sind allerdings Einzelfälle bekannt geworden, in denen es trotzdem bei Rückkehr zu Verhaftungen gekommen ist. Andererseits sind zahlreiche Fälle von Mitgliedern von Exilparteien bekannt, die nach ihrer Rückkehr nach Äthiopien nicht belangt worden sind. Insgesamt lässt sich den Erkenntnisquellen im Wesentlichen entnehmen, dass jedenfalls Personen, die bereits in Äthiopien dem äthiopischen Staat regimekritische aufgefallen sind und die sich hier in der Bundesrepublik Deutschland exponiert politisch betätigt haben und sich nicht nur als einfache Mitglieder oder bloße Mitläufer darstellen, bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben, zumal der äthiopische Staat in der Bundesrepublik Deutschland die Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger genau überwacht ( BayVGH, U. v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 17.8.2010 – 8 A 4063/06.A, juris).
Unter Würdigung der Auskunftslage ist daher nicht davon auszugehen, dass sich die Verfolgungswahrscheinlichkeit aufgrund der nunmehr im Folgeverfahren geltend gemachten Aktivitäten gegenüber der Sachlage erhöht hat, wie sie sich im abgeschlossenen Erstverfahren dargestellt hat.
5. Gründe für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 AufenthG sind weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass auch insoweit die Durchführung eines Folgeverfahrens ausscheidet.
6. Die Klägerin hat auch gemäß § 51 Abs. 5, § 48 Abs. 1, § 49 Abs. 1 VwVfG keinen Anspruch auf eine gerichtliche Abänderung des ablehnenden Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Hinblick auf die begehrte Feststellung, dass in ihrer Person internationale bzw. nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG zurückgenommen bzw. widerrufen wird (§ 13 Abs. 2 AsylG); insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung (vgl. BayVGH, U. v. 6.6.2002 – 23 B 02.30222, juris; BVerwG, U. v. 21.3.2000 – 9 C 41/99 und U. v. 20.10.2004 – 1 C 15/03, juris). Die Ermessensentscheidung kann vom Gericht nur in den Grenzen des § 114 VwGO überprüft und beanstandet werden.
Eine abschließende gerichtliche Entscheidung zugunsten des Ausländers ist nur dann geboten, wenn ein Festhalten an der bestandskräftigen negativen Entscheidung zum Bestehen von na-tionalen Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde und das Ermessen deshalb auf Null reduziert ist. Dies kommt in Betracht, wenn der Ausländer bei einer Abschiebung einer extremen individuellen Gefahrensituation – der Schwere nach vergleichbar einer extremen allgemein Gefahrensituation im Sinne der Rechtsprechung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG a. F. – ausgesetzt würde und das Absehen von einer Abschiebung daher verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.
Für das Bestehen einer solchen extremen Gefährdungssituation für die Klägerin im Heimatland wurde nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich.
Insbesondere ist nicht zu befürchten, dass die Klägerin als alleinstehende Frau im Heimatland sich keine Existenz aufbauen könnte. Denn nach ihrem eigenen Vorbringen leben ihre Eltern immer noch am Ort ihres eigenen letzten Aufenthalts in Äthiopien in Addis Abeba. Deswegen kann sie in der Anfangszeit mit familiärer Unterstützung im Heimatland rechnen. Im Übrigen nimmt das Gericht Bezug auf die Begründung des Bescheides des Bundesamtes und folgt dieser Begründung (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR (§ 30 Abs. 1 Satz 1 RVG).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde angreifbar, § 80 AsylG.


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