Verwaltungsrecht

Keine Berufungszulassung mangels grundsätzlicher Bedeutung

Aktenzeichen  9 ZB 19.31740

Datum:
4.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13835
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2

 

Leitsatz

1 Die Geltendmachung von Zweifeln an der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung stellt keinen Grund für die Zulassung der Berufung in Asylstreitigkeiten dar, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 78 Abs. 3 AsylG kein Zulassungsgrund sind. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Frage, ob eine bestimmte Diagnose für Staatsangehörige eines bestimmten Staates im Hinblick auf die erforderliche Medikation und Schwere der Erkrankung zu einem Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen muss, ist gesetzlich geregelt und weist keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 17.33397 2019-03-27 Ent VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30057 – juris Rn. 2 m.w.N.).
a) Die Frage, „ob Staatsangehörigen Sierra Leones wie der Kläger, die als ‚unreine Kinder‘ angesehen werden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in ihrer Heimat droht“, ist nicht klärungsfähig. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen und hat dazu ausgeführt, dass der erwachsene Kläger den Umstand seiner unehelichen Geburt, weswegen er in Guinea Diskriminierungen erfahren habe, in Sierra Leone jedenfalls verbergen könne. Mit den im Zulassungsvorbringen geäußerten Zweifeln kritisiert der Kläger die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG aber kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 9 ZB 17.31736 – juris Rn. 4).
b) In Bezug auf die weiter aufgeworfene Frage, „ob Staatsangehörigen Sierra Leones wie der Kläger, die unter Hepatitis B leiden, sich hinreichend wahrscheinlich in ihrer Heimat ein Leben am Rande des Existenzminimums erwirtschaften können werden oder ob in solchen Fällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG festzustellen ist“, fehlt es an der Darlegung der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit. Es wird schon nicht aufgezeigt, wie sich diese Frage allgemein, über den Einzelfall des Klägers hinaus klären ließe. Zudem hat das Verwaltungsgericht auf die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in Sierra Leone abgestellt und ist davon ausgegangen, dass der Kläger in der Lage sein wird, bei Rückkehr nach Sierra Leone seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Medikamente zur Behandlung von Hepatitis seien in Sierra Leone verfügbar und nach dortigen Maßstäben eher preisgünstig. Ihr Erwerb stelle keine außergewöhnliche Belastung dar. Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen dem nicht substantiiert entgegentritt, setzt es sich nicht mit den eingeführten Erkenntnismitteln auseinander und legt auch nicht anhand überprüfbarer Hinweise auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte, andere Gerichtsentscheidungen) dar, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren zu einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Entscheidung führen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2018 – 9 ZB 18.32733 – juris Rn. 13). Indem der Kläger kritisiert, das Verwaltungsgericht habe keine Überlegungen zu Behandlungs- und Verschreibungskosten angestellt, wendet sich der Kläger erneut gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, womit er im Zulassungsverfahren jedoch nicht durchdringen kann.
c) Soweit der Kläger außerdem noch die Frage stellt, „ob die Diagnose einer Hepatitis-B-Erkrankung für Staatsangehörige Sierra Leones im Hinblick auf die erforderliche Medikation und Schwere der Erkrankung zu einem Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen muss“, fehlt es an der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit. Die Frage könnte nicht unabhängig vom Einzelfall beantwortet werden. Außerdem ist gesetzlich geregelt und somit bereits geklärt, unter welchen grundsätzlichen Voraussetzungen krankheitsbedingte Gefahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen können. Mit § 60 Abs. 7 Satz 2 und Satz 3 AufenthG hat der Gesetzgeber dabei im Wesentlichen der bisherigen Rechtsprechung zu den Abschiebungshindernissen aus gesundheitlichen Gründen Rechnung getragen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15): Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche Gefahr kann auch bestehen, wenn der Ausländer an einer Erkrankung leidet, die sich aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat voraussichtlich verschlimmern wird (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Erforderlich ist dann aber, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 a.a.O.). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn in dem Abschiebezielstaat dringend erforderliche Behandlungsmöglichkeiten fehlen oder wenn solche Behandlungsmöglichkeiten zwar vorhanden, für den betreffenden Ausländer aber aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht erreichbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9). Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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