Verwaltungsrecht

Keine deutsche Fahrberechtigung nach tschechischer EU-Fahrerlaubnis ohne nachgewiesenen Wohnsitz

Aktenzeichen  M 26 S 16.2187, M 26 E 16.2214

Datum:
27.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV FeV § 28

 

Leitsatz

Ist der Antragsteller seit 1968 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und trägt selbst nicht vor, einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik tatsächlich innegehabt zu haben, und beauskunftet die tschechische Behörde entsprechende Nachfragen mit “unknown”, kann diese Mitteilung nur dahingehend zu verstehen sein, dass der Antragsteller in der Tschechischen Republik keinen gemeldeten Wohnsitz hatte (Anschluss VG Neustadt BeckRS 2016, 41310). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Verwaltungsstreitsachen M 26 S 16.2187 und M 26 E 16.2214 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Die Anträge werden abgelehnt.
III.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens tragen.
IV.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Feststellung der Inlandsungültigkeit seiner ausländischen EU-Fahrerlaubnis und begehrt, seine vorläufige Fahrberechtigung im Inland festzustellen.
Der Antragsteller ist seit 1968 durchgehend in A… gemeldet. Am … März 2005 wurde ihm nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von a… Promille seine inländische Fahrerlaubnis strafgerichtlich entzogen. Er stellte in den Jahren 2005 und 2006 jeweils … Anträge auf Neuerteilung einer inländischen Fahrerlaubnis, die er sämtlich wieder zurücknahm, nachdem die Fahrerlaubnisbehörde jeweils ein Fahreignungsgutachten gefordert hatte.
Am … Oktober 2007 wurde ihm eine tschechische EU-Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt. Im zugehörigen Führerschein ist ein Wohnsitz in der Tschechischen Republik eingetragen. Auf Nachfrage der deutschen Fahrerlaubnisbehörde teilten die tschechischen Behörden im Jahr 2010 mit, dass der Antragsteller alle nach tschechischem Recht bestehenden Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt habe. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass das Wohnsitzerfordernis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in tschechisches Recht umgesetzt gewesen sei.
Im Jahr 2014 beantragte der Antragsteller bei der Fahrerlaubnisbehörde, ihm das Recht zuzuerkennen, im Inland von der tschechischen Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu dürfen. Im Rahmen dieses Verfahrens wandte sich die Fahrerlaubnisbehörde erneut an die tschechischen Behörden. Diese übersandten u. a. einen von der Fahrerlaubnisbehörde vorgefertigten Fragebogen zurück, nachdem der Ort, an dem der Betroffene gewöhnlich für wenigstens 185 Tage im Kalenderjahr lebe, der Ort, an dem enge Familienangehörige lebten, der Ort, an dem der Betroffene seiner Beschäftigung nachgehe, der Ort, an dem der Betroffene Eigentum besitze und der Ort, an dem der Betroffene in verwaltungsrechtlichen bzw. verwaltungstechnischen Beziehungen zu Behörden oder sozialen Institutionen stehe, jeweils unbekannt („unknown“) sei. Bekannt sei lediglich, dass der Betroffene über eine Unterkunft verfüge.
Mit Bescheid vom 19. April 2016 stellte die Fahrerlaubnisbehörde nach vorheriger Anhörung des Antragstellers u. a. fest, dass dieser nicht berechtigt sei, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Weiter wurde der Betroffene verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche, zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen; insoweit wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage des Führerscheins wurde ein Zwangsgeld in Höhe von a… € angedroht.
Der Antragsteller ließ Anfechtungsklage erheben. Außerdem beantragten seine Bevollmächtigten im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes,
der Antragsgegnerin aufzugeben, durch Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes festzustellen, dass der Antragsteller berechtigt sei, mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Inland vorläufig Kraftfahrzeuge zu führen und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in Bezug auf die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins wiederherzustellen sowie der Antragsgegnerin aufzugeben, den (bereits eingetragenen) Sperrvermerk unverzüglich zu entfernen.
Zur Begründung tragen die Bevollmächtigten des Antragstellers im Wesentlichen vor, es lägen keine unbestreitbaren Informationen vom Ausstellermitgliedstaat vor, die die Nichteinhaltung der Wohnsitzvoraussetzung belegten. Vielmehr hätten die zuständigen Behörden bereits im Jahr 2010 mitgeteilt, dass der Antragsteller sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung der ausländischen EU-Fahrerlaubnis erfüllt habe. Dies habe auch die Antragsgegnerin selbst so gesehen, da sie anschließend bis 2014 untätig geblieben sei. Aber auch die jüngeren Informationen aus der Tschechischen Republik würden die Einhaltung der Wohnsitzvoraussetzung nicht infrage stellen, nachdem die Antwort „unknown“ eben gerade keine Beantwortung der gestellten Fragen darstelle, so dass sich hieraus keine belastbaren Erkenntnisse ableiten ließen. Außerdem sei gerade das Bestehen einer Unterkunft in der Tschechischen Republik bestätigt worden.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
die Anträge abzulehnen.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Anträge sind unbegründet.
1. Soweit eine Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt wird, einen vorläufigen Verwaltungsakt über die vorläufige Fahrberechtigung des Antragstellers zu erlassen, begehren die Bevollmächtigten des Antragstellers in der Sache den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO. Für einen solchen Antrag besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, nachdem mit dem Eintritt der kraft Gesetzes bestehenden aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Feststellung der Inlandsungültigkeit (§ 80 Abs. 1 VwGO) und einer etwaigen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins und einer etwaigen vorläufigen Rückgängigmachung der bereits vorgenommenen Vollzugsmaßnahme nicht in jedem Fall verbindlich über die vorläufige Fahrberechtigung des Antragstellers im Inland entschieden würde, weil sich die möglicherweise fehlende Fahrberechtigung unabhängig vom Vorliegen eines diese feststellenden Verwaltungsakts direkt aus dem Gesetz (§§ 28 f. FeV) ergibt. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund der Strafvorschrift des § 21 StVG. Um einer Strafverfolgung nach dieser Vorschrift zuvorzukommen, muss es dem Betroffenen zumindest dann möglich sein, gerichtlich seine vorläufige Fahrberechtigung feststellen zu lassen, wenn – wie hier – die Fahrerlaubnisbehörde die Inlandsgültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis infrage stellt.
Dem Antragsteller steht jedoch kein Anordnungsanspruch zur Seite. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins selbst oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Dies wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV dann angenommen, wenn der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d. h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt. Ein Bewerber, dessen persönliche Bindungen im Inland liegen, der sich aber aus beruflichen Gründen in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU (oder EWR) aufhält, hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne dieser Vorschrift im Inland, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt. Die Voraussetzung entfällt, wenn sich der Bewerber zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer in einem solchen Staat aufhält (§ 7 Abs. 1 Satz 3 und 4 FeV).
§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV ist mit EU-Recht vereinbar. Das Vorliegen eines Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat ist gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG Voraussetzung für die Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis und gleichzeitig Voraussetzung für die Anerkennung der Fahrerlaubnis im Inland. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. April 2012 (Hofmann, C-419/10 – NJW 2012, 1341), verwehren es Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2006/126/EG ebenso wie die entsprechenden Vorschriften der Richtlinie 91/439/EWG einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins abzulehnen, der einer Person, die – wie beim Antragsteller der Fall – Inhaber einer ihr in seinem Hoheitsgebiet entzogenen früheren Fahrerlaubnis war, außerhalb einer ihr auferlegten Sperrfrist für die Neuerteilung dieser Fahrerlaubnis von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde, sofern die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Hoheitsgebiet des letztgenannten Mitgliedstaats eingehalten wurde. Der Anwendungsvorrang des Rechts der Europäischen Union schließt es damit regelmäßig aus, die Rechtsgrundlage für eine etwaige Inlandsungültigkeit der EU-Fahrerlaubnis in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV zu sehen (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2012 – 11 CS 11.2795 – SVR 2012, 468).
Damit der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG; Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG) durchbrochen werden darf, müssen deshalb entweder Angaben im zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende Informationen vorliegen, die darauf hinweisen, dass das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde, wobei die Eintragung eines Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat im Führerschein solchen Informationen nicht entgegensteht (OVG Lüneburg, B.v. 12.11.2013 – 12 ME 188/13 – DAR 2014, 44). Bereits im Beschluss vom 9. Juli 2009 (Wierer, C-445/08 – NJW 2010, 217/219 Rn. 58) hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass der Aufnahmemitgliedstaat in diesem Zusammenhang nicht auf jene Informationen beschränkt ist, die der Ausstellungsmitgliedstaat in den Führerschein aufnimmt oder sonst von sich aus zur Verfügung stellt; die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats sind vielmehr berechtigt, von sich aus Informationen von einem anderen Mitgliedstaat einzuholen (ebenso EuGH, U.v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – NJW 2012, 1341). Da die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Art. 15 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG und nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 91/439/EWG verpflichtet sind, einander bei der Durchführung dieser Richtlinien zu unterstützen, und sie im Bedarfsfall Informationen über die von ihnen ausgestellten, umgetauschten, ersetzten, erneuerten oder entzogenen bzw. registrierten Führerscheine auszutauschen haben, korrespondiert mit dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats, sich bei den Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats über das tatsächliche Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes des Inhabers einer EU-Fahrerlaubnis im Erteilungszeitpunkt zu erkundigen, eine Verpflichtung dieses Staats, einschlägige Informationen zur Verfügung zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2012 – 11 CS 11.2795 – SVR 2012, 468).
Dabei ist es Sache des Gerichts, zu prüfen, ob Informationen als vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende Informationen eingestuft werden können und ob es sich um unbestreitbare Informationen handelt, die belegen, dass der Inhaber des Führerscheins zu dem Zeitpunkt, als er diesen erhielt, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellungsmitgliedstaats hatte (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012, a. a. O.).
Hier liegt als Information des Ausstellungsmitgliedstaats in erster Linie das Schreiben des tschechischen Verkehrsministeriums vom … März 2015 vor, in dem mit einer Ausnahme alle Fragen mit „unknown“ beantwortet wurden. Namentlich wurde die Frage, ob ein Ort in der Tschechischen Republik bekannt sei, in dem der Antragsteller in jedem Kalenderjahr für mindestens 185 Tage gelebt habe, mit „unknown“ beantwortet.
Zumindest bei EU-Mitgliedstaaten, die wie die Tschechische Republik nicht nur über ein Ausländerregister, sondern auch über ein Einwohnermelderegister verfügen, kann diese Mitteilung nur dahingehend zu verstehen sein, dass der Antragsteller in der Tschechischen Republik keinen gemeldeten Wohnsitz hatte (VG Neustadt, U.v. 25.1.2016 – 3 K 756/15.NW; in diese Richtung tendierend auch BayVGH, B.v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z. B. U.v. 7.5.2015 – 11 B 14.654 – juris Rn. 35, v. 25.3.2013 – 11 B 12.1068 – juris Rn. 28) ist von der Nichteinhaltung der Wohnsitzvoraussetzung auszugehen, wenn die EU-Fahrerlaubnis zu einem Zeitpunkt erworben wurde, zu dem der Fahrerlaubnisinhaber ausweislich einer behördlichen Mitteilung des Ausstellungsmitgliedstaats dort nicht (mehr) einwohnermelderechtlich gemeldet war und – wie hier – ein substantiierter Gegenvortrag des Betroffenen nicht vorliegt. Demgegenüber kann aus der Mitteilung der tschechischen Behörden aus dem Jahr 2010 gerade nicht abgeleitet werden, dass die Wohnsitzvoraussetzung bei Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis eingehalten war, nachdem diese im Jahr 2010 noch nicht im inländischen tschechischen Recht verankert war. Auch aus der Mitteilung des tschechischen Verkehrsministeriums vom … März 2015, es sei eine Unterkunft des Betroffenen in der Tschechischen Republik bekannt, kann nichts anderes gefolgert werden. Denn hieraus ergibt sich weder, in welchem Zeitraum diese Unterkunft bestanden, noch ob sich der Antragsteller in dieser Unterkunft tatsächlich aufgehalten hat, so dass eine Schlussfolgerung auf die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses hieraus weder im positiver noch in negativer Hinsicht gezogen werden kann.
Hinzu kommt, dass der Antragsteller seit 1968 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet ist und weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren vorgetragen hat, einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik tatsächlich innegehabt zu haben, geschweige denn den Versuch gemacht hat, einen solchen zu belegen. Das Gericht ist nicht gehindert, aus der Art der Einlassung des Antragstellers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Schlüsse zu ziehen, unabhängig davon, ob dem Antragsteller insoweit eine Verletzung prozessualer Pflichten zur Last fällt. Dieses Verhalten des Antragstellers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann auch so verstanden werden, dass er einen Verstoß gegen die prozessuale Pflicht zu wahrheitsgemäßem Vortrag (§ 138 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 173 VwGO) vermeiden will, der ihm dann zur Last fiele, wenn er ausdrücklich behaupten würde, einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik unterhalten zu haben.
Denn gerade dann, wenn ein Beteiligter – wie hier – sich nicht klar und eindeutig zu Gegebenheiten äußert, die seine eigene Lebenssphäre betreffen und über die er deshalb besser als der Verfahrensgegner Bescheid wissen muss, darf ein Gericht das im Rahmen der sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Befugnis zur freien Würdigung des prozessualen Erklärungsverhaltens eines Beteiligten berücksichtigen (BayVGH, B.v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634).
2. Auch der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins zum Zweck der Eintragung eines Sperrvermerks wiederherzustellen, ist unbegründet.
Da sich die erhobene Anfechtungsklage auf den gesamten Bescheid vom 19. April 2016 bezieht, ist die dort ausgesprochene Feststellung der Inlandsungültigkeit selbst nicht vollziehbar (vgl. zur aufschiebenden Wirkung auch von Anfechtungsrechtsbehelfen, die sich gegen feststellende Verwaltungsakte richten, § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Vorlageverpflichtung wirkt sich dieser Umstand aber nicht aus. Sind die sich aus § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV ergebenden Voraussetzungen für die Inlandsungültigkeit einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis erfüllt, tritt diese Rechtsfolge nach dem Wortlaut dieser Bestimmung unmittelbar kraft Gesetzes ein, ohne dass ein Bescheid erlassen werden muss, der die Befugnis, von einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, mit rechtsgestaltender („konstitutiver“) Wirkung aberkennt. Ebenso bedarf es, um die sich aus § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV ergebende Folge herbeizuführen, keines feststellenden Verwaltungsakts. § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV stellt einen solchen Ausspruch vielmehr in das Ermessen der Behörde. Die Sachverhaltsgestaltung im hier zu entscheidenden Fall gleicht damit derjenigen, dass die Behörde von vornherein vom Erlass eines auf § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV gestützten Feststellungsbescheids absieht und sich darauf beschränkt, vom Betroffenen die Vorlage eines ausländischen EU-Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks im Sinn von § 47 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FeV zu verlangen.
Die Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den formellen Anforderungen. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen ist das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt in Eyermann a. a. O. Rn. 36). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde daher nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch die Fälle des Fahrerlaubnisentzugs wegen fehlender Fahreignung gehören. Denn es liegt in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines – hier wegen fehlender Fahrberechtigung – für ungeeignet erachteten Kraftfahrers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führt, und dass ein solcher Kraftfahrer zur Vermeidung der von ihm ausgehenden akuten Gefahr durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Entziehungsbescheids schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2004 – 11 CS 04.819, v. 4.1.2005 – 11 CS 04.2838, v. 13.1.2005 – 11 CS 04.2968, v. 17.8.2005 – 11 CS 05.662, v. 10.10.2005 – 11 CS 05.1648). Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigene Interessenabwägung durchgeführt.
Diese fällt zulasten des Antragstellers aus, nachdem keine durchgreifenden Bedenken gegen die Vorlageverpflichtung bestehen. Ihre Rechtsgrundlage findet sie in den – hier entsprechend anzuwendenden – Vorschriften des § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und des § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV (BayVGH, B.v. 30.08.2010 – 11 CS 10.239). Die Pflicht zur Vorlage eines Führerscheins hängt danach davon ab, dass die Berechtigung, die in dieser Beweisurkunde dokumentiert wird, nicht (bzw. nicht mehr) besteht. Die Rechtslage gleicht insoweit der in Art. 52 Satz 1 BayVwVfG vorausgesetzten Situation, dass die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts „nicht oder nicht mehr gegeben“ ist. Nachdem die tschechische EU-Fahrerlaubnis inlandsungültig ist (vgl. oben 1.), bestehen auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Bedenken gegen die Vorlageverpflichtung. Vor diesem Hintergrund scheidet eine (vorläufige) Folgenbeseitigung ebenfalls aus.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 1.1.1, 1.5 und 46.3 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt etwa bei Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, Anhang zu § 164 VwGO, Rn. 14).


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