Verwaltungsrecht

Keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung aufgrund behaupteter früherer Konflikte mit der Regierung in Äthiopien

Aktenzeichen  AN 9 K 17.31480

Datum:
7.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14720
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4

 

Leitsatz

1. Aufgrund des grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien droht aufgrund behaupteter früherer Konflikte mit der Regierung in Äthiopien mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung mehr. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Regelfall droht einfachen Mitgliedern einer exilpolitischen Organisation derzeit aufgrund der Neuausrichtung der Politik der äthiopischen Regierung gegenüber der Opposition bei Rückkehr keine erhebliche Verfolgungsgefahr. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom 2. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. Ziff. 1.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Ziff. 3.). Ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 – 7 AufenthG (vgl. Ziff. 4.) steht dem Kläger nicht zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auch die übrigen Anordnungen in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10. November 2017 (vgl. Ziff. 5, 6.) sind rechtmäßig.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 AsylG.
1.1 Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten – hier nicht einschlägigen – besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. BGBL Jahr 1953 II Seite 559, BGBL Jahr 1953 II 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 – RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG.
1.2 Die Furcht vor Verfolgung ist nach § 3 Abs. 1 AsylG dann begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 14). Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 – C-175/08 – juris Rn. 94). Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 23).
Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylsuchenden Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann, weil nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 14; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33.07 – juris Rn. 37).
1.3 Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
1.4 Der Kläger hat keine Vorverfolgung glaubhaft gemacht.
Angesichts des im Flüchtlingsrechts typischen Beweisnotstands kann bereits der Tatsachenvortrag des Klägers zum Klageerfolg führen, sofern seine Angaben insofern glaubhaft sind, dass das Gericht von deren Wahrheit überzeugt ist (BVerwG, U.v. 30.4.1985, 1 C 33/81). Aufgrund der ihm obliegenden Darlegungs- und Mitwirkungslast (vgl. § 86 Abs. 1 Hs. 2 VwGO, § 15 AsylG) ist es insoweit primär Sache des Klägers, die Gründe für eine drohende Verfolgung vorzutragen bzw. glaubhaft zu machen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen einen stimmigen, schlüssigen Sachverhalt schildern, der geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 22.3.1983, 9 C 68.81). Es fehlt in der Regel an der erforderlichen Glaubhaftmachung, wenn im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht werden, das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, die Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender, vergleichbarer Geschehensabläufe als unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne plausiblen Grund gesteigert wird (OVG NRW, U.v. 12.3.2003, 8 A 3189/01.A).
Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht, auch nicht im Hinblick auf seine Angaben in der mündlichen Verhandlung, in deren Rahmen der Kläger die Möglichkeit hatte, sich zu den von der Beklagten angeführten Gründen, aufgrund der die Beklagte von fehlender Glaubhaftmachung ausging, zu äußern.
Der Kläger hat sein Vorbringen zum aus seiner Sicht für seine Probleme mit der Regierung wesentlichen Geschehen nochmals gesteigert, ohne dass es dafür einen plausiblen Grund gibt.
Erstmals gab der Kläger an, hinsichtlich der Oppositionspartei, die er unterstütze (Oromo-Kongresspartei), sich mit deren Vorsitzenden über Agitation und Möglichkeiten des Einwirkens auf die Bevölkerung unterhalten zu haben. Er habe dann die Bevölkerung informiert und dies der Bevölkerung bewusst gemacht. Von diesem wesentlichen, da konfliktträchtigen Gesichtspunkt erwähnte der Kläger in der Bundesamtsanhörung nichts, dort hatte er lediglich angegeben, Plakate für diese Partei aufgehängt zu haben. Das Vorbringen des Klägers ist insoweit überdies widersprüchlich, da er in der mündlichen Verhandlung, anders als er in der Bundesamtsanhörung, angab, am Abend der geschilderten Wahl – er habe trotz anderslautender Anweisung die Oppositionspartei gewählt – zusammen mit anderen verhaftet worden zu sein.
Auch der Vortrag zur Flucht aus der Haft im Rahmen der geschilderten Verlegung in ein anderes Gefängnis ist nicht glaubhaft, da wesentliche Gesichtspunkte widersprüchlich geschildert wurden. So schilderte der Kläger zunächst, bei dem Gefangenentransport habe man anhalten müssen, da auf dem Weg eine Brücke kaputt sei. Daher habe man über die Brücke zu Fuß gehen müssen, wobei die Hände freigebunden worden seien. Der Kläger sei mit einem der begleitenden Polizisten, mit einem der anderen Häftlinge, zur anderen Seite geleitet worden, das Loslaufen des Mithäftlings, der von dem Polizisten verfolgt worden sei, habe er zur Flucht genutzt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung berichtete der Kläger jedoch nicht von einer kaputten Brücke als Hindernis, sondern einer Überflutung der Straße durch Wasser. Diesen Widerspruch konnte der Kläger nicht mit der Angabe, es sei bei der Bundesamtsanhörung möglicherweise falsch übersetzt worden, ausräumen, nachdem der Sachvortrag nicht nur hinsichtlich einzelner Begriffe widersprüchlich ist, somit nicht durch Übersetzungsfehler erklärt werden kann, bei der Bundesamtsanhörung eine explizite Rückfrage zur Beschaffenheit der Brücke gestellt wurde, der Kläger mithin bereits dort Gelegenheit hatte, sich zu eventuellen Fehlern bei der Beschreibung zu äußern und nachdem der Kläger die Richtigkeit der Niederschrift zur Bundesamtsanhörung nach Rückübersetzung bestätigte. Überdies ist der geschilderte Geschehensablauf insofern unglaubhaft, dass nicht nachvollzogen werden kann, warum der andere Polizist die Flucht des Klägers nicht verhindert hat bzw. versucht hat zu verhindern, obwohl er nach Angaben des Klägers bewaffnet war. Angesichts möglicher dem Polizist bei Flucht von Gefangenen drohender Konsequenzen ist nicht zu erklären, warum dieser nicht reagiert haben soll, etwa mit Luftschüssen, auch wenn die Stelle belebt gewesen sein soll, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend angab. Die Schilderung in der mündlichen Verhandlung ist auch insofern widersprüchlich, als dass die fünf Häftlinge nunmehr zusammen hinüber geführt werden sollten. Angesichts dieser Widersprüche und Ungereimtheiten bei wesentlichen Elementen des geschilderten Flucht- und Verfolgungsschicksals würdigt die Kammer den Vortrag als unglaubhaft. Angesichts der Wesentlichkeit der betroffenen Geschehensabläufe sind die Widersprüche und Ungereimtheiten auch nicht mit dem zeitlichen Abstand der Anhörung bzw. der mündlichen Verhandlung zu erklären.
1.5 Zudem geht die Kammer nach Auswertung der aktuellen, in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel davon aus, dass aufgrund des grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien – derzeit, im Regelfall – aufgrund behaupteter früherer Unterstützung der Opposition bzw. behaupteter früherer Konflikte mit der Regierung in Äthiopien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit mehr droht (s. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30261; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30257; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30252; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30274 sowie die jeweils verfahrensgegenständlichen, auch in dieses Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel).
1.6 Der Kläger hat auch erhebliche Nachfluchtgründe (§ 28 Abs. 1a AsylG) nicht glaubhaft gemacht, insbesondere nicht im Hinblick auf die vorgetragene exilpolitische Tätigkeit für die OLF/TBO. Im Regelfall droht einfachen Mitgliedern einer exilpolitischen Organisation derzeit aufgrund der Neuausrichtung der Politik der äthiopischen Regierung gegenüber der Opposition bei Rückkehr keine erhebliche Verfolgungsgefahr (s. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30261; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30257; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30252; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30274 sowie die jeweils verfahrensgegenständlichen, auch in dieses Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel, insbesondere die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2019, Gz. 508-516.80/50673). Auch der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes geht, ungeachtet weiterhin bestehender nachrichtendienstlicher Überwachung exilpolitischer Tätigkeiten im Ausland und ungeachtet Nichtvorliegens von Erkenntnissen über weiteren Missbrauch des sog. Anti-Terror-Gesetzes nicht (mehr) von der Möglichkeit von staatlichen Repressionen für Rückkehrer, bei denen eine einfache Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland vorliegt, vor (Lagebericht vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/3; die Frage des Drohens von möglichen Repressionen für Rückkehrer offen gelassen noch im Lagebericht vom 22. März 2018, Gz. 508-516.80/3).
Die klägerseits insoweit angebrachten Zweifel, insbesondere hinsichtlich der Befriedung des Konflikts mit der OLF und hinsichtlich der Behandlung von Rückkehrern sind vorliegend bereits deswegen nicht erheblich, da sich ein exilpolitisches Engagement des Klägers, sofern man seine Angaben insoweit glaubhaft hält – so sind die vorgelegten Lichtbilder undatiert – am untersten Rand, unterhalb der bloßen Mitgliedschaft, bewegt. Die vorgelegte Bestätigung der OLF vom 26. Februar 2018 weist den Kläger lediglich als Unterstützer der OLF und Teilnehmer an Veranstaltungen und Demonstrationen aus. Nach Überzeugung der Kammer resultiert daraus bei Rückkehr keine Verfolgungsgefahr mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Denn nach übereinstimmender Auskunftslage hängt, wenn man angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht bereits von einem Entfallen der Verfolgungsgefahr hinsichtlich exilpolitisch tätiger Personen (im Regelfall, für einfache Mitglieder) ausgeht, das Interesse der äthiopischen Behörden von der Art der konkreten exilpolitischen Aktivität und dem Verhalten bei Rückkehr ab (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, vom 17. Oktober 2018, vom 22. März 2018, jeweils Gz. 508-516.80/3; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 2018, Gz. 508-516.80/50673; German Institute of Global and Area Studies, Bericht vom 19. Mai 2018; die Rechtsprechung nahm insoweit bislang regelmäßig (nur) eine Verfolgungsgefahr für Personen mit exponiertem exilpolitischem Engagement an, s. statt aller VG Ansbach, U.v. 28.7.2016, AN 3 K 16.30401). Der Kläger ist seinem Vortrag nach lediglich Unterstützer der OLF und hat bislang lediglich – mit einer Vielzahl anderer Personen, wie auf den vorgelegten Lichtbildern erkennbar – an Demonstrationen teilgenommen. Weitere Tätigkeiten, die den Kläger aus der Masse hervorheben würden und die in besonderem Maße die Aufmerksamkeit bzw. das Interesse der äthiopischen Behörden hervorrufen wurden, sind nicht vorgetragen.
Das Gericht ist angesichts der in das Verfahren einbezogenen, einschlägigen Erkenntnismittel, insbesondere im Hinblick auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/50673 sowie die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2019, Gz. 508-516.80/50673, insoweit bereits genügend sachkundig. Angesichts des geringen exilpolitischen Engagements des Klägers ist die Erforderlichkeit der Einholung weiterer Erkenntnisquellen nicht dargelegt.
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte, bedingte Beweisantrag hinsichtlich der Verfolgungsgefahr von Rückkehrern mit exilpolitischem Engagement war damit abzulehnen.
1.7 Die Klage ist daher im Hauptantrag erfolglos.
2. Die Klage ist auch erfolglos, soweit hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus beantragt wurde, da die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.
Nach dem Vortrag des Klägers kommt das Drohen eines ernsthaften Schadens in der Gestalt der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) nicht in Betracht.
Angesichts der obigen Ausführungen ist nicht von beachtlich wahrscheinlich Verfolgungshandlungen auszugehen. Damit kommt das Drohen eines ernsthaften Schadens in der Gestalt von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) ebenfalls nicht in Betracht.
Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass dem Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) droht.
Der BayVGH führt dazu in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019, 8 B 17.31645 unter anderem Folgendes aus:
„Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.
Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 82 ff. m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG bei dem Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden […] in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20.“
Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung an und geht nicht davon aus, dass in Äthiopien, insbesondere in der Herkunftsregion des Klägers bewaffnete Konflikte vorliegen, die alle Zivilisten ernsthaft individuell bedrohen. Die Aussage, dass in Äthiopien keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Oktober 2018, Gz. 508-516.80/3) wurde zwar im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/3 nicht aufrecht erhalten und es wird von einer besorgniserregenden Zunahme ethnischer Spannungen und gewaltsamer Auseinandersetzungen in vielen Teilen des Landes, auch in Oromia sowie den Grenzregionen zu benachbarten Regionalstaaten, sowie Binnenvertreibungen berichtet, dies im Hinblick auf ethnische Spannungen, Auseinandersetzungen mit der Regierungsmacht sowie im Hinblick auf Kampf um Wasser und Weideland (s. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Österreich, Länderinformationsblatt mit Staatendokumentation, 8. Januar 2019). Anhaltspunkte für Konflikte mit dem erforderlichen Gefährdungsgrad ergeben sich heraus jedoch nicht.
Angesichts der obigen Ausführungen sind in der Person des Klägers auch keine gefahrerhöhenden Umstände ersichtlich, es ist angesichts des Vortrags des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er nach Rückkehr als Unbeteiligter in den geschilderten Konflikten ernsthaft und individuell bedroht ist. Daher drängt sich dem Gericht insoweit auch keine weitere Beweiserhebung auf.
3. Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 9).
Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befinde, wurde weder geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich. Es wird insoweit auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides gem. § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen.
4. Ebenso wenig besteht im Hinblick auf die individuelle Situation des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen erheblicher konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.
Umstände, die dies begründen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
5. Die nach Maßgabe der §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung und ist auch nicht als Asylberechtigter anerkannt.
6. Die Klage hat auch gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate keinen Erfolg.
Die Beklagte war nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG zur Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) berufen. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist auch ermessensfehlerfrei innerhalb der von § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG aufgezeigten gesetzlichen Grenzen getroffen worden, jedenfalls im Hinblick auf die ergänzenden Ausführungen der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wonach die Lebensgefährtin des Klägers sowie die gemeinsamen beiden Kinder (AN 9 K 17.32110 und AN 9 K 17.34901) nicht berücksichtigungsfähig seien, da ihre Asylanträge ebenfalls vollumfänglich abgelehnt wurden.
7. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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