Verwaltungsrecht

Keine Gestaltung der Erwerbstätigkeit während des noch laufenden Asylverfahrens

Aktenzeichen  B 6 K 17.917

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45637
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 4 Abs. 2 S. 3, § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Verpflichtungsklage und die hilfsweise erhobene Bescheidungsklage auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit sind zulässig, aber unbegründet. Denn die Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes ist nicht rechtswidrig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, weil er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis oder hilfsweise auf nochmalige Entscheidung über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts hat (§ 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO).
a) Die Klage ist im Haupt- und im Hilfsantrag zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an einem Rechtsschutzinteresse.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Verpflichtungsklage besteht grundsätzlich nur, wenn der Kläger zuvor bei der Behörde einen Antrag gestellt hat, den die Behörde dann abgelehnt hat (Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019, § 42 Abs. 1 Rn. 96).
Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich bei jeder Duldungserteilung einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gestellt. Jedoch hat er konkludent einen Antrag gestellt, indem er sich jedenfalls bei Erhebung der Klage gegen den Entzug mit dem Argument aussprach, er wolle weiter arbeiten. Der Beklagte hat ihn abgelehnt, weil er in allen künftigen Duldungen keinen die Erwerbstätigkeit gestattenden Zusatz aufgenommen hat (vgl. dazu VGH Mannheim, U. v. 10.07.2017 – 11 S 695/17 – ZAR 2018, 28/29).
b) Die Klage ist aber unbegründet. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis noch auf erneute Bescheidung seines Antrages zu.
Ein Duldungsinhaber darf eine Beschäftigung nur ausüben, wenn ihm die Ausländerbehörde zuvor im Wege des Ermessens eine Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV erteilt hat. Die Beschäftigungserlaubnis darf nicht erteilt werden, wenn ein Beschäftigungsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG besteht.
Gemäß § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei einem Ausländer aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können. Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt (§ 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG).
Darüber hinaus ist die Erlaubnis auch dann grundsätzlich zu versagen, wenn der Ausländer bei der Passbeschaffung unzureichend mitwirkt und ihm die Auslandsvertretung deshalb keinen Pass oder kein Passersatzpapier erteilt, sofern die mangelnde Mitwirkung ein solches Gewicht erreicht, dass es gerechtfertigt erscheint, sie aktivem Handeln wie Täuschung oder Falschangaben gleichzustellen. Seine auf § 82 Satz 1 AufenthG beruhende Mitwirkungspflicht, die die Behörde ihm gegenüber gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 AufenthG durch entsprechende Hinweise zu konkretisieren hat, erfüllt er nur dann, wenn er an allen zumutbaren Handlungen mitwirkt, die die Behörden von ihm verlangen und darüber hinaus eigeninitiativ ihm mögliche und bekannte Schritte in die Wege leitet, die geeignet sind, die Passlosigkeit zu beseitigen. Dazu kann auch die Beschaffung von Identitätsnachweisen über Dritte (auch, aber nicht nur durch beauftragte Rechtsanwälte im Herkunftsland) gehören (BayVGH, B. v. 07.05.2018 – 10 CE 18.464 – juris Rn. 10f.). Aufgabe des Ausländers, nicht der Ausländerbehörde ist es, sich z.B. auf der Grundlage des § 6 Satz 1 AsylblG die dafür erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen (OVG Magdeburg, B. v. 23.10.2018 – 2 M 112/18 – juris Rn. 24).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Beklagte die Gestattung der Erwerbstätigkeit im Wege des Ermessens zu Recht deshalb abgelehnt, weil der Kläger die ihm konkret zumutbaren, entgegen der Auffassung seiner Prozessbevollmächtigten keineswegs überspannten Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt hat und bis heute nicht erfüllt.
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können gegenüber dem Kläger nicht vollzogen werden, weil er über kein Dokument verfügt, mit dem er nach Äthiopien einreisen darf. Auch äthiopische Staatsangehörige müssen für die Einreise in ihr Herkunftsland im Besitz eines Reisepasses oder eines anerkannten Ersatzdokuments („Laissez-Passer“) sein (Lagebericht Äthiopien, Stand Februar 2019, S. 22).
Die Verantwortung dafür, dass er keinen Reisepass und kein Heimreisepapier besitzt, trägt aufgrund seines bisherigen und seines aktuellen Verhaltens der Kläger.
Seit das Abkommen zwischen der EU und der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien Ende 2017 in Kraft getreten ist, identifizieren äthiopische Stellen ihre Staatsangehörigen und stellen nach einem bestimmten Verfahren Passersatzpapiere bzw. Reisepässe aus. Voraussetzung dafür ist insbesondere, dass Identifikationspapiere vorliegen, die über das Leben des Dokumentenantragstellers in Äthiopien vor seiner Ausreise Aufschluss geben. Dazu gehören Personenstandsurkunden z.B. Geburtsurkunden, die von Verwandten und Bekannten, aber auch von bevollmächtigten Rechtsanwälten bei den zuständigen Kebele-Verwaltungen auch für Personen, die sich nicht selbst in Äthiopien aufhalten beschafft werden können. Darüber werden die benötigten Dokumente aber auch dann erteilt, wenn sich die Identität und die äthiopische Staatsangehörigkeit eines Antragstellers zur Überzeugung der Auslandsvertretung aus sonstigen Unterlagen z.B. Meldebescheinigungen, Schulzeugnisse ergibt.
Der Beklagte hat den Kläger nicht nur nach rechtskräftigem negativem Abschluss seines Asylverfahrens in allgemeiner Form auf seine Pflicht, Identitätspapiere als Grundlage für die Ausstellung eines Reisepasses oder eines Heimreisedokuments beizuschaffen, eindringlich hingewiesen, sondern, insbesondere am 16.08.2017 und am 25.10.2017, auch im Einzelnen erklärt, welche Dokumente darunter fallen und dabei auch darauf aufmerksam gemacht, dass es möglich ist, einen äthiopischen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, sie im Heimatland zu beschaffen.
Dem ist der Kläger zwar insofern nachgekommen, als er zunächst bereits Ende 2016 versuchte, mit Hilfe der Ausländerbehörde einen Rechtsanwalt in Äthiopien zu beauftragen, wie sich herausstellte allerdings vergeblich. Anschließend wurde das Mandat den weiteren auf der Liste des Auswärtigen Amtes verzeichneten Rechtsanwälten am 21.11.2018 und am 14.05.2019 angedient, bis jetzt allerdings weiterhin ohne Erfolg.
Mit diesem als solchem durchaus sachgerechten Vorgehen seiner Prozessbevollmächtigten hat der Kläger die ihm auferlegte Pflicht zur Dokumentenbeschaffung in seinem Heimatland jedoch noch nicht in ausreichendem Maße erfüllt.
Zum einen hat das Gericht aus den Akten und insbesondere auch durch die informelle Befragung in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass der Kläger, der einräumte, dass er genau weiß, dass die Auslandsvertretung den für seine Rückführung benötigten Reisepass oder das Laissezpasser nicht ausstellt, wenn ihr keine Identitätspapiere vorliegen, mit allen Mitteln den Eindruck zu erwecken versucht, die 22 Jahre, die er in Äthiopien gelebt hat, hätten dort keine oder allenfalls geringe bis heute nachweisbare Spuren hinterlassen. Deshalb hat er im Verlaufe des Verfahrens bei den Behörden und vor Gericht erst nach und nach und wenn es nicht mehr anders ging einige Einzelheiten zu seinem Leben in Äthiopien preisgegeben, die als Anknüpfungspunkte für die Beschaffung von Dokumenten herhalten können.
Zum anderen setzt eine erfolgversprechende Beschaffung von Dokumenten, insbesondere durch Dritte, voraus, dass der Ausländer ihnen alle erforderlichen Informationen, zukommen lässt, ohne sich dabei in Widersprüche zu verwickeln (BayVGH, B. v. 05.09.2014 – 10 ZB 12.1853 – juris Rn. 5).
In diesem Zusammenhang geht zu seinen Lasten, dass der Kläger, bei verschiedenen Anlässen unterschiedliche und unvollständige Angaben gemacht hat und auch in der mündlichen Verhandlung die sich daraus ergebenden Widersprüche allenfalls teilweise aufzulösen vermochte.
Zwar hat der Kläger nunmehr, nachdem er am 01.03.2016 erklärt hatte, er sei in N… geboren und seine Prozessbevollmächtigten am 13.12.2017 angegeben hatten, er sei in G… geboren, nunmehr, wie bereits im aktuellen Passersatzpapierantrag vom 11.01.2019 B… als Geburtsort genannt. Außerdem stellte er klar, dass er 2000 bis 2003, also im Alter von 10 bis 13 Jahren, nicht, wie er am 05.12.2018 angegeben hatte, Wehrdienst geleistet hat, sondern dass er damals bei der Widerstandsorganisation OLF mitgewirkt haben will.
Bedeutung kommt bei der Beschaffung von Identitätsdokumenten aber auch zu, wann seine Eltern gestorben sind. In diesem Zusammenhang hatte der Kläger bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 01.03.2016 die Jahre 1992 (Vater) und 2005 (Mutter) genannt und bei seiner Befragung am 05.12.2018 1997 (Vater) und 1999 (Mutter) angegeben. Dagegen behauptete er jetzt im Widerspruch dazu, seine Eltern seien im gleichen Jahr 2004 oder 2005 gestorben. Damit ist der Zeitpunkt, zu dem seine Eltern gestorben sind, weiterhin unklar geblieben.
Was seinen Schulbesuch angeht, hat er bei der Anhörung beim Bundesamt noch behauptet, er habe die 9. Klasse abgebrochen, bei seiner Befragung am 05.12.2018 dagegen vorgebracht, er sei sechs Jahre auf einer „middle school“ gewesen, In der mündlichen Verhandlung hat er geltend gemacht, er sei nur drei Jahre in der Schule gewesen. Für das Gericht drängt sich damit der Gedanke auf, dass der Kläger möglichst kurze Zeit in der Schule gewesen sein will, um umso leichter zu können, über seine Schulzeit ließen sich keine Belege beibringen. Dieser Eindruck hat sich noch dadurch verstärkt, dass er auf eine entsprechende Frage seiner Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung nach einer Schulbescheinigung ersichtlich vollkommen ausweichend antwortete, er habe keinen Platz mehr in Äthiopien.
Zum dritten hat er nicht überzeugend dargetan, warum, wenn schon nicht er selbst von Deutschland, dann nur einer der Rechtsanwälte, die sich bisher nicht dazu geäußert haben, ob sie bereit sind, das angetragene Mandat zu übernehmen, in der Lage sein soll, die erforderlichen Dokumente vor Ort in Äthiopien zu beschaffen.
Auch in diesem Zusammenhang hat er widersprüchliche Angaben gemacht. Während er bei seiner Anhörung beim Bundesamt noch angab, seine Schwester lebe in Äthiopien, ließ er am 18.10.2017 vortragen, sie halte sich irgendwo im Sudan auf. Was seine Tante betrifft, behauptete er am 18.10.2017 noch, wo seine Tante lebe, wisse er nicht, während er seit 13.12.2017 angibt, sie halte sich in Be… auf. Außerdem hat er nur geltend gemacht, er erreiche Tante und Schwester nicht per Post. Damit ist aber keineswegs von vornherein ausgeschlossen, dass er über Handy mit ihnen Kontakt aufnehmen kann. Selbst wenn seine Tante, wie er geltend gemacht hat, Analphabetin und um die 70 Jahre alt ist, kann sie jemanden beauftragen, der geschäftsgewandt ist, für ihn Dokumente zu besorgen. Des Weiteren hat er als Fluchtursache beim Bundesamt angegeben, er habe für die OLF seit 2005 mit anderen zusammen Flugblätter auf den Märkten in A… und Be… verteilt und sei deshalb verhaftet worden. Die Richtigkeit dieses Vortrages unterstellt, überzeugt es das Gericht deshalb nicht, wenn er sich, obwohl er früher in oppositionelle Gruppen eingebunden gewesen sein will, jetzt darauf beruft, er habe keinerlei Bekannte in Äthiopien mehr, die ihm beim Beschaffen von Dokumenten behilflich sein könnten. Außerdem nimmt das Gericht dem Kläger nicht ab, dass er im Bundesgebiet keinen einzigen Landsmann kennen will, so dass es ihm auch nicht möglich wäre, über diese Bekannten oder über deren Verwandten oder Bekannten, die in Äthiopien, womöglich in der Heimatregion des Klägers leben, etwa in einem Kebeleamt, eine Geburtsurkunde aufgrund entsprechender richtiger Angaben des Klägers zu beschaffen.
Schließlich ist zu Lasten des Klägers ins Feld zu führen, dass er jeweils lediglich auf Drängen des Beklagten reagiert hat, während er nennenswerte Eigeninitiative, auftretende Probleme bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung, die in seiner Sphäre liegen, zu beseitigen, nicht zeigt (zu diesem Argument vgl. BayVGH, B. v. 07.05.2018 – 10 CE 18.464 – juris Rn. 12).
2. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben