Verwaltungsrecht

Keine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides – Schülerbeförderungskosten

Aktenzeichen  7 ZB 16.551

Datum:
16.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105526
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 79 Abs. 2 S. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Hat die Widerspruchsbehörde einen Widerspruchsbescheid erlassen, den Widerspruch aber zu Unrecht als unzulässig angesehen und damit die gebotene sachliche Nachprüfung unterlassen, so liegt darin ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne von § 79 Abs. 2 S. 2 VwGO. Ist jedoch die Klage gegen den Ausgangsbescheid noch offen, fehlt einer Verpflichtungsklage auf Erlass eines erneuten Widerspruchsbescheides grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 3 K 15.1262 2016-02-15 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.207,51 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerinnen begehren die Kostenfreiheit des Schulwegs (Übernahme der Beförderungskosten) für den Besuch der Realschule in G … durch die Klägerin zu 2 im Schuljahr 2013/2014.
Der Beklagte – Landratsamt K … – hat dies mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 abgelehnt, weil für die Beförderung zur Staatlichen Realschule in M …, die derselben Schulart wie diejenige in G … angehöre, erheblich geringere Fahrtkosten anfielen. Das daraufhin von den Klägerinnen angestrengte Widerspruchsverfahren hat die Regierung von Niederbayern mit Bescheid vom 24. Juli 2015 eingestellt, weil sich die Sicherstellung der Beförderung zur Realschule in G … mit Beendigung des Bewilligungszeitraums, dem Schuljahr 2013/2014, erledigt habe.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat die gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids und auf Übernahme der Beförderungskosten zur Schule in G … gerichtete Klage mit Urteil vom 15. Februar 2016 abgewiesen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Klägerinnen geltend, an der Richtigkeit dieses Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der rechtswidrige Widerspruchsbescheid isoliert aufzuheben und die Widerspruchsbehörde zu einer erneuten Entscheidung zu verpflichten gewesen wäre. Im Übrigen stelle die Entscheidung des Beklagten im Hinblick auf eine andere Schülerin eine Ungleichbehandlung dar und seine Kostenberechnung sei nicht nachvollziehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der von den Klägerinnen geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.
An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Kostenfreiheit des Schulwegs bzw. Übernahme der Beförderungskosten für die Klägerin zu 2 im Hinblick auf den Besuch der Realschule in G … im Schuljahr 2013/2014. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend und klarstellend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
1. Das Verwaltungsgericht hat – im Ergebnis zutreffend – erkannt, dass der Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2015 zwar – infolge tatsächlich nicht vorliegender Erledigung – rechtswidrig ergangen, aber gleichwohl nicht isoliert aufzuheben ist. Denn die im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Klägerinnen haben bereits keinen entsprechenden Antrag gestellt.
Hat die Widerspruchsbehörde – wie hier – einen Widerspruchsbescheid erlassen, den Widerspruch aber zu Unrecht als unzulässig (bzw. erledigt) angesehen und damit die gebotene sachliche Nachprüfung unterlassen, so liegt darin ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne von § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Da jedoch die Klage gegen den Ausgangsbescheid offensteht, fehlt einer Verpflichtungsklage auf Erlass eines erneuten Widerspruchsbescheides grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis. Anderes gilt – worauf die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen – nur dann, wenn der Kläger bzw. die Klägerinnen ein beachtliches Interesse an einer Entscheidung gerade der Widerspruchsbehörde haben, insbesondere wenn der Widerspruchsbehörde Ermessen oder ein Beurteilungsraum zusteht, dessen Überprüfung den Gerichten verwehrt ist; dann haben die Klägerinnen die Wahl zwischen der Klage gegen den Ausgangsbescheid und der auf Erlass eines erneuten Widerspruchsbescheids (vgl. zum Ganzen: Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 73 Rn. 17 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung).
Ausweislich der Klagebegründung vom 20. Oktober 2015 haben die Klägerinnen hier ausdrücklich beantragt, den Bescheid des Landkreises K … vom 7. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Niederbayern vom 24. Juli 2015 aufzuheben. Sie haben sich mithin dafür entschieden, gegen den Ausgangsbescheid und nicht auf Erlass eines erneuten Widerspruchsbescheides zu klagen; eine Entscheidung, die insbesondere auch vor dem Hintergrund der den Klägerinnen bereits bekannten und eindeutig ablehnenden Haltung der Widerspruchsbehörde in Bezug auf ihr Anliegen (Schreiben der Regierung von Niederbayern vom 24. März 2014) allein sinnvoll war.
2. Der Einwand der Klägerinnen, die ablehnende Entscheidung des Beklagten stelle eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf ein „nicht namentlich bekanntes Mädchen aus H …“ dar, begründet mangels ausreichender Substanziierung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ein Zulassungsgrund etwa gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wird mit diesem Vorbringen ebenfalls nicht dargelegt.
3. Soweit die Klägerinnen schließlich die Kostenberechnung des Beklagten als nicht nachvollziehbar rügen, ist darauf hinzuweisen, dass ihnen bereits mit Schreiben des Landrats des Landkreises K … vom 28. März 2013 mitgeteilt wurde, dass die Beförderung vom Wohnort der Klägerinnen in O … bis zur gewünschten Realschule in G … mit einem Schulbus des Landkreises P … (in dem die Schule in G … liegt) erfolge, für dessen Mitbenutzung im Schuljahr 2012/2013 anteilsmäßige Beförderungskosten in Höhe von ca. 1.270,– Euro pro Schüler angefallen seien, die im Schuljahr 2013/2014 voraussichtlich noch steigen würden. Dagegen könne die Klägerin zu 2 für den Weg von O … nach M … einen vom (zuständigen) Landkreis K … selbst eingesetzten und pauschal (ohne Rücksicht auf die tatsächlich beförderte Schülerzahl) finanzierten Schulbus benutzen, wodurch dem Landkreis K … keine zusätzlichen Kosten entstünden. Diese Darlegung ist aus Sicht des Senats ausreichend nachvollziehbar.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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