Verwaltungsrecht

Keine klärungsbedürftigen Fragen bei einer Rückkehr nach Äthiopien

Aktenzeichen  8 ZB 18.32768

Datum:
5.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30698
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die Frage, die darauf abzielt, ob äthiopische Staatsangehörige, insbesondere oromischer Volkszugehörigkeit, bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG droht, ist viel zu allgemein gefasst, um in einem Berufungsverfahren beantwortet werden zu können. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage, ob der Kläger, insbesondere angesichts aktueller Berichte über gewaltsame Proteste in Äthiopien, im Rückkehrfall eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK zu befürchten hat, ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht klärungsbedürftig und entscheidungserheblich. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 7 K 17.31995 2018-08-08 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtlich Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Darzulegen sind mithin die konkrete Frage sowie ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung (vgl. OVG NRW, B.v. 15.12.2017 – 13 A 2841/17.A – juris Rn. 3 ff.).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Die von ihm als grundsätzlich bedeutsam erachtete Tatsachenfrage,
„ob gegenwärtig Abschiebungen nach Äthiopien erfolgen können“,
ist in dieser Allgemeinheit nicht klärungsfähig. Die Frage, die sinngemäß darauf abzielt, ob äthiopischen Staatsangehörigen – insbesondere oromischer Volkszugehörigkeit – bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung (§ 3 Abs. 1 AsylG) droht, ist viel zu allgemein gefasst, um in einem Berufungsverfahren beantwortet werden zu können. Sie ist einer generellen, allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich, weil sie von einer Vielzahl individueller Umstände abhängt, etwa davon, auf welche Art sich Betroffene (exil-)politisch betätigt haben (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2018 – 8 ZB 17.31813 – juris Rn. 32 ff.). Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf den Beweisbeschluss des Senats vom 26. März 2018 (Az. 8 B 17.31645 u.a.) berufen, da er keinerlei exilpolitische Tätigkeit in Deutschland, insbesondere keine Mitgliedschaft oder Anhängerschaft bei einer in Nr. I. 3 des o.g. Beschlusses aufgeführten exilpolitischen Organisation, dargelegt hat.
Zu der sinngemäß angeführten Frage des Klägers, ob er – insbesondere angesichts aktueller Berichte über gewaltsame Proteste in Äthiopien – im Rückkehrfall eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu befürchten hat, zeigt der Zulassungsantrag ebenfalls nicht auf, dass diese für den vorliegenden Rechtsstreit klärungsbedürftig und entscheidungserheblich wäre. Das Verwaltungsgericht hat hierbei zutreffend darauf abgestellt, dass es für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK notwendig ist, dass sich der Kläger in einer „besonders gravierenden Lage“ befindet (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 9). Dass die dem Kläger im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichten, hat es verneint. Mit dem vorgelegten Artikel über gewaltsame Proteste in Addis Abeba (Spiegel Online vom 17.9.2018) hat der Kläger keine Erkenntnisquelle vorgelegt, die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigt, dass diese Tatsachenfrage anders als in der angefochtenen Entscheidung zu beantworten ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 8 ZB 18.32482 – juris Rn. 4; OVG NRW, B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris Rn. 4 f.). Denn der vorgelegte Artikel befasst sich mit Übergriffen oromischer Volkszugehöriger gegen Angehörige anderer Ethnien und nicht mit Gewalttätigkeiten gegen oromische Volkszugehörige wie den Kläger.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben