Verwaltungsrecht

Keine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung wegen unmittelbar bevorstehende Eheschließung

Aktenzeichen  10 CS 20.1390

Datum:
30.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16878
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60a Abs. 2
GG Art. 6 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

Die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung, die mit Blick auf die Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 GG zur rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung iSv § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG führen würde, setzt zumindest voraus, dass die Verlobten bereits alle vom Standesamt geforderten Unterlagen beschafft haben (vgl. VGH München BeckRS 2019, 13685). (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 12 S 20.1284 2020-05-25 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
III. In Abänderung der Nr. III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 25. Mai 2020 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. März 2020 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weiter. Mit dem Bescheid vom 12. März 2020 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller aufgrund der (bestandskräftigen) Ausweisung vom 11. Februar 2008 verpflichtet sei, das Bundesgebiet zu verlassen, und drohte ihm bei nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Ukraine an (Nr. 2.). Weiter ordnete sie ein sofort vollziehbares (Nr. 4.) Einreise- und Aufenthaltsverbot an, das unter der Bedingung des Nachweises der Straf- und Drogenfreiheit auf sechs Jahre, ansonsten acht Jahre ab Ausreise befristet wurde (Nr. 3.).
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt, die Abschiebungsandrohung sei voraussichtlich rechtmäßig; beim Antragsteller lägen keine Abschiebungshindernisse vor. Insbesondere habe er keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung) zum Zweck der Eheschließung glaubhaft gemacht, da die Eheschließung im Bundesgebiet nicht unmittelbar bevorstehe. Letzteres sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris) grundsätzlich erst dann der Fall, wenn der Eheschließungstermin feststehe oder jedenfalls verbindlich bestimmbar sei. Dies sei jedoch vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden. Vielmehr habe die zuständige Sachbearbeiterin beim OLG die Angelegenheit der Eheschließung am 7. April 2020 wieder an das Standesamt zurückgegeben, weil keine gültige Geburtsurkunde des Antragstellers vorgelegen habe.
Dagegen wendet der Antragsteller ein, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts stehe seine Eheschließung mit seiner Verlobten im Bundesgebiet unmittelbar bevor. Bereits vor Wochen seien sämtliche Unterlagen beim zuständigen Standesamt vorgelegt worden; lediglich eine gültige Geburtsurkunde aus der Ukraine fehle noch. Diese sei jedoch schon vor ca. vier Wochen in der Ukraine angefordert worden und müsse jeden Tag eintreffen. Im Übrigen sei bereits eine Geburtsurkunde vorgelegt worden, die das Standesamt aber aus nicht bekannten Gründen nicht akzeptiert habe.
Damit hat der Antragsteller jedoch keine Gründe dargelegt, die eine Abänderung oder Aufhebung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtfertigen würden (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung, die mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG (Eheschließungsfreiheit) zur rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) führen würde, zumindest voraussetzt, dass die Verlobten bereits alle vom Standesamt geforderten Unterlagen beschafft haben (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 9.5.2019 – 10 ZB 19.317 – juris Rn. 7). Dies ist aber hier noch nicht der Fall, weil die erforderliche gültige Geburtsurkunde des Antragstellers beim Standesbeamten noch nicht vorliegt. Auch nach dem – im Übrigen nicht weiter belegten oder gar glaubhaft gemachten – Beschwerdevorbringen hat der Antragsteller diese Urkunde in der Ukraine erst angefordert. Mangels vollständiger Unterlagen kann der Standesbeamte deshalb aus in der Sphäre des Antragstellers liegenden Gründen derzeit einen Termin zur Eheschließung noch nicht festsetzen, sodass die Eheschließung auch nicht unmittelbar bevorsteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 39 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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