Verwaltungsrecht

Keine Ruhegehaltfähigkeit von Zeiten, die nicht notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des Amtes sind

Aktenzeichen  3 ZB 19.163

Datum:
19.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30440
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayBeamtVG Art. 14 Abs. 4 Nr. 5, Art. 19 Nr. 3 lit. a

 

Leitsatz

1. Die von der Klägerin nachgewiesenen Fachkenntnisse sind für das Amt einer Konservatorin förderlich und nützlich gewesen, begründen jedoch nicht die erforderliche Notwendigkeit im Sinn von Art. 19 Nr. 3 Buchst. a BayBeamtVG (Rn. 5). (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei dem Deutschen Studienzentrum in Venedig handelt es sich nicht um eine zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung im Sinne des Art. 14 Abs. 4 Nr. 5 BayBeamtVG (Rn. 11).  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 18.35 2018-07-26 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.803,36 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg. Der Zulassungsgrund liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Auf der maßgeblichen Grundlage des Zulassungsvorbringens liegen keine ernstlichen Zweifel in diesem Sinn vor, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten.
1. Die am … 1951 geborene Klägerin war ab 1. Oktober 1988 in einem befristeten, ab 1. Mai 1992 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als wissenschaftliche Angestellte beim Bayerischen Nationalmuseum tätig. Am 14. Februar 1996 wurde sie erstmals in ein Beamtenverhältnis auf Probe in den Dienst des Beklagten berufen. Vor ihrer Ruhestandsversetzung mit Ablauf des Monats Juli 2016 war sie im Amt einer Oberkonservatorin (BesGr A 14) beim Bayerischen Nationalmuseum tätig. Mit Bescheid vom 24. August 2016 wurden ihre Versorgungsbezüge festgesetzt, ohne dabei die im Zulassungsverfahren noch streitgegenständlichen (fünf) Zeitabschnitte über insgesamt etwa viereinhalb Jahre innerhalb der Zeitspanne vom 1. Oktober 1979 bis 31. Juli 1984 als ruhegehaltfähige Dienstzeiten zu berücksichtigen. Der von der Klägerin hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid v. 6.12.2017).
2. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung des Beklagten, die unter Nr. 1.b) der Klageschrift vom 27. April 2018 genannten Beschäftigungszeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit gemäß Art. 19 Nr. 3 Buchst. a BayBeamtVG anzuerkennen, abgewiesen. Zeiten der Hochschulausbildung der Klägerin seien bereits im höchstmöglichen Umfang von drei Jahren als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt worden. Die bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (180 Tage), beim Deutschen Studienzentrum in Venedig (drei Jahre), beim Deutschen Brotmuseum (150 Tage) und während ihrer Tätigkeit an der Universität Augsburg (75 Tage) sowie der LMU München (vier Monate) auf wissenschaftlichem Gebiet erworbenen besonderen Fachkenntnisse seien nicht notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des Amtes als Konservatorin im Bayerischen Nationalmuseum gewesen. Die besonderen Fachkenntnisse seien zwar für die Laufbahn der Klägerin förderlich und nützlich gewesen, aber nicht zwingend für die Besetzung des Dienstpostens gefordert worden.
Zu Recht geht das Verwaltungsgericht – mit ausführlicher Begründung – davon aus, dass keiner der streitgegenständlichen Beschäftigungszeiträume als ruhegehaltfähig anerkannt werden kann, weil die Voraussetzungen des Art. 19 Nr. 3 Buchst. a BayBeamtVG nicht vorliegen. Zwar betont das Urteil ein „erhebliches dienstliches Interesse“ an der Gewinnung der Klägerin, jedoch wurden die von ihr erworbenen „besonderen Fachkenntnisse“ weder von der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Verordnung über die Laufbahnen der bayerischen Beamten für besondere Fachrichtungen im höheren Dienst noch von Verwaltungsvorschriften gefordert. Das angefochtene Urteil (UA S. 18, 19) stellt – vom Zulassungsvorbringen nicht angegriffen – fest, dass die maßgebliche Laufbahnbefähigung (vgl. Vermerk BayStMUKWK v. 8.2.1996) ein abgeschlossenes Hochschulstudium in einer bestimmten Fachrichtung (hier: Volkskunde) sowie anschließend eine hauptberufliche Tätigkeit von mindestens drei Jahren verlangt, ohne dass weitergehende Fachkenntnisse nachzuweisen sind. Dass die von der Klägerin nachgewiesenen Fachkenntnisse für das Amt einer Konservatorin förderlich und nützlich gewesen sind, steht außer Rede, begründet jedoch nicht die erforderliche Notwendigkeit im Sinn von Art. 19 Nr. 3 Buchst. a BayBeamtVG (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift § 11 Nr. 3 Buchst. a BeamtVG: Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz Bund und Länder, Stand: April 2020, 7. Zeiten des Erwerbs besonderer Fachkenntnisse).
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nur diejenigen Fachkenntnisse als „notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des Amtes“ anzuerkennen sind, ohne welche auch die Berufung in das Beamtenverhältnis nicht erfolgt wäre (BVerwG, U.v. 14.2.1963 – VI C 54.61 – BVerwGE 15, 291/295 zur damals geltenden Fassung von § 116 Abs. 1 Nr. 3 BBG; BayVGH, U.v. 26.8.2020 – 14 B 19.1411 – juris Rn. 61). Die von der Klägerin nachgewiesenen besonderen Fachkenntnisse waren allenfalls für ihre Übernahme in ein wissenschaftliches Angestelltenverhältnis zum 1. Oktober 1988 bedeutsam, während sie für die erst Jahre später im Februar 1996 erfolgte Verbeamtung schon in zeitlicher Hinsicht nicht mehr unmittelbar kausal sein konnten. Für die Verbeamtung war vielmehr entscheidend, dass sich die Klägerin aufgrund der im vorangegangenen Angestelltenverhältnis erworbenen Erfahrungen in der Betreuung und Inventarisierung der „Sammlung Weinhold“ eine Position als „einzige bekannte Spezialistin für die Thematik“ dieses Museums erarbeitet hatte (vgl. Schr. BayStJ v. 28.6.1991, Bl. 77f. Vor-Personalakt). Im Hinblick hierauf und auf eine bestehende erbvertragliche Vereinbarung zwischen der Eigentümerin der Sammlung und dem Beklagten war diesem daran gelegen, die Klägerin an sich zu binden und sie dazu nach Schaffung einer entsprechenden Planstelle in das Beamtenverhältnis zu übernehmen. Demnach spricht alles dafür, dass die Klägerin die für ihre Verbeamtung entscheidenden besonderen Fachkenntnisse nicht schon in den Jahren 1979 bis 1984 erworben hat, sondern erst danach im Rahmen ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Angestellte des bayerischen Nationalmuseums. Diese Zeiten hat der Beklagte jedoch in vollem Umfang nach Art. 18 BayBeamtVG als ruhegehaltfähig anerkannt.
3. Das Zulassungsvorbringen vermag demgegenüber die Richtigkeit des Urteils nicht ernstlich infrage zu stellen.
3.1 Soweit die Klägerin unter Verweis auf erstinstanzliches Vorbringen in der Klagebegründung vom 27. April 2018 weiterhin behauptet, die während der streitgegenständlichen Beschäftigungszeiten gewonnenen Fachkenntnisse seien „maßgeblich für die Einstellung der Klägerin“ gewesen, setzt sie lediglich ihre Auffassung an die Stelle derjenigen des Verwaltungsgerichts, ohne sich in der gebotenen Weise mit der inhaltlichen Begründung für die gegenteilige Auffassung auseinanderzusetzen. Auch der Vortrag, die Eigentümerin der durch Erbvertrag dem Beklagten übertragenen Sammlung sei mit der Bestandserfassung durch das Bayerische Nationalmuseum unzufrieden gewesen, weshalb man „gezielt die Mitarbeit der Klägerin“ und nicht einen „arbeitslosen Geisteswissenschaftler“ gesucht habe, klingt zwar plausibel, bezieht sich jedoch nicht auf die während der hier im Streit befindlichen Beschäftigungszeiten erlangten Fachkenntnisse. Aus demselben Grund führt auch der Hinweis der Klägerin nicht weiter, die verwaltungsgerichtliche Vermutung treffe nicht zu, wonach die Probleme im Hinblick auf eine unzulängliche Aufarbeitung der Sammlung „schlicht mangelnden zeitlichen Möglichkeiten der vorhandenen Konservatoren…geschuldet gewesen sein dürften“. Diese Hilfsüberlegung stellt ausdrücklich nicht infrage, dass die Klägerin „für die Wahrnehmung des Amtes besonders geeignet erschien“, weil sie sich mit der Sammlung jahrelang im Rahmen ihres vorangegangenen Angestelltenverhältnisses beschäftigt hatte, also ihre besondere Fachkunde im Hinblick auf die Sammlung entscheidend auf bereits als ruhegehaltfähig anerkannten Zeiten zurückging.
3.2 Hieran ändert auch der Vorwurf nichts, die Klägerin sei seit ihrer ersten Anstellung im Jahre 1988 „fast zehn Jahre als nicht existent“ behandelt, sogar gemobbt und ihre unbefristete Anstellung bis 1992 „verhindert“ worden. Die Frage, ob es zulässig war, mit der Klägerin im Jahr 1990 erneut einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag als wissenschaftliche Angestellte abzuschließen, spielt im vorliegenden Rechtsstreit angesichts der festgestellten Ruhegehaltfähigkeit keine Rolle. Die zahlreichen weiteren mit der Zulassungsbegründung vorgelegten Dokumente aus den Jahren 1982 bis 1991 weisen zwar auf bestimmte Konflikte im Verhältnis zwischen der Klägerin, dem Bayerischen Nationalmuseum und dritten Personen hin, ohne jedoch neue Anhaltspunkte dafür zu liefern, dass die Beschäftigungszeiten im streitgegenständlichen Zeitraum von 1979 bis 1984 für die Übernahme des Amtes als Konservatorin (Amt im konkret-funktionalen Sinn) im Jahr 1996 als notwendige Voraussetzung anzusehen wären. Nicht nachvollziehbar ist, welche Bedeutung im vorliegenden Zusammenhang den angeblich schlechten Arbeitsbedingungen der Klägerin im Bayerischen Nationalmuseum und dem Umstand, dass sich die „Qualität der Arbeit der Klägerin“ in den hohen Besucherzahlen der Filiale Schleißheim widergespiegelt habe, zukommen sollte.
3.3 Zu Recht wurde weiter die dreijährige Tätigkeit der Klägerin für das Deutsche Studienzentrum in Venedig (1.7.1980 bis 30.6.1983, Centro Tedesco di Studi Veneziani) im Rahmen eines Forschungsauftrags nicht als ruhegehaltfähig anerkannt. Die Klägerin beruft sich für ihre gegenteilige Auffassung im Zulassungsverfahren auf Art. 14 Abs. 4 Nr. 5 BayBeamtVG, wonach die „im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung zurückgelegte Dienstzeit“ der im Beamtenverhältnis zurückgelegten Dienstzeit gleichstehe. Bei dem Centro handele es sich um eine anerkannte hochschulfreie Forschungseinrichtung des Bundes und eine von der Bundesregierung institutionell geförderte Körperschaft. Hauptaufgabe der Klägerin sei dort die erstmalige Bestandserfassung der venezianischen Populärgrafik gewesen. Dadurch habe sie sich für ihre künftige Aufgabe im Schleißheimer Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums – einschließlich des Erwerbs einer zusätzlichen Sprache – qualifiziert.
Eine Anerkennung der dreijährigen Tätigkeit der Klägerin für das Deutsche Studienzentrum in Venedig als ruhegehaltfähig nach Art. 14 Abs. 4 Nr. 5 BayBeamtVG scheitert jedoch bereits daran, dass es sich hierbei nicht um eine zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung handelt oder gehandelt hat. Schon der adjektivische Hinweis („Deutsch“) spricht eindeutig gegen eine supranationale Einrichtung. Träger des Studienzentrums ist ein eingetragener Verein in München, dessen Mitglieder nur wissenschaftlich ausgewiesene Persönlichkeiten der im Deutschen Studienzentrum ausgeübten Disziplinen sein können, wie sich aus § 6 der Satzung (Neufassung vom 11.11.2004) ergibt; auf die Liste der für das Studienzentrum seit 1970 handelnden Personen – sei es im Vorstand, Kuratorium oder wissenschaftlichen Beirat – wird verwiesen (zu allem: http://www.dszv.de). Auch bei Betrachtung der Geschichte der 1970 gegründeten Einrichtung (vgl. Deutsches Studienzentrum in Venedig, 40 Jahre Wissenschaft und Kunstförderung, Hrsg. Klaus Bergdolt, Venedig 2012) ergeben sich keinerlei Hinweise auf eine zu irgendeiner Zeit erfolgte Mitwirkung oder auch nur Einflussnahme internationaler Institutionen. Ohne dass es noch darauf ankäme, weist der Senat darauf hin, dass die hier geltend gemachten Beschäftigungszeiten auch keine „im öffentlichen Dienst“ zurückgelegten Zeiten sind, vielmehr Beschäftigungszeiten im Rahmen eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Trägerverein.
3.4 Was die noch vom Klageantrag vor dem Verwaltungsgericht umfassten Zeiten der Hochschulausbildung vom 1. Oktober 1973 bis 30. Juli 1976 (LMU München) anbelangt, macht die Zulassungsbegründung das vom Verwaltungsgericht (UA S. 16, 17) richtigerweise angenommene Fehlen der Ruhegehaltfähigkeit insoweit nicht zum Gegenstand der Rüge, sodass weitere Ausführungen nicht veranlasst sind.
4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Der Senat geht von der rechnerisch nicht nachvollziehbaren Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts (9.243,36 Euro) aus, die wohl auf der Mitteilung des Landesamts für Finanzen vom 15. Januar 2018 (Bl. 16 der VG-Akte) basiert, in der mitgeteilt wird, dass sich bei Berücksichtigung sämtlicher streitiger Zeiträume das Ruhegehalt um monatlich 222,53 Euro erhöhen werde. Da jedoch in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2018 vor dem Verwaltungsgericht (vgl. Niederschrift, S. 3) ein Teil des Streitgegenstands einer Hauptsacheerledigung zugeführt wurde, wobei der Streitwert im Einverständnis der Beteiligten insoweit 1.440 Euro betragen soll, ergibt sich für das Zulassungsverfahren ein Streitwert in Höhe von 7.803,36 Euro (9.243,36 Euro abzüglich 1.440 Euro).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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