Verwaltungsrecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Italien

Aktenzeichen  M 8 S 16.50961

Datum:
23.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 7 S. 1
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1, Art. 25 Abs. 2
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Asylbewerber laufen in Italien nicht Gefahr, aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (ebenso OVG NRW BeckRS 2016, 49118; BeckRS 2016, 48798; BayVGH BeckRS 2014, 52068; OVG BW BeckRS 2014, 51025; OVG RhPf BeckRS 2014, 48239; OVG Bln-Bbg BeckRS 2013, 53383; OVG NRW BeckRS 2014, 48497 und BeckRS 2015, 45053; NdsOVG BeckRS 2015, 47840). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Oktober 2016.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Sierra Leone und wurde am … Juli 1982 in … geboren. Er reiste am 4. Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz eines Aufenthaltstitels oder von Ausweispapieren zu sein, und stellte am 23. Juni 2016 einen Antrag auf Asyl.
In der Akte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) finden sich die Niederschrift der Erstbefragung zur Bestimmung des für die Prüfung des Antrags zuständigen Mitgliedstaats vom 23. Juni 2016, die Niederschrift über die Anhörung gemäß Art. 25 AsylG vom 28. Juni 2016, sowie die Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates (Zweitbefragung) ebenfalls vom 28. Juni 2016.
Eine EURODAC-Recherche durch das Bundesamt ergab am 23. Juni 2016 zwei Treffer der ersten Kategorie, einmal für Italien, EURODAC-Nr. IT1 … sowie für die Schweiz, EUREODAC-Nr. CH1 …
Am 23. August 2016 wurde vom Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet und darin darauf verwiesen, dass der Antragsteller am 20. März 2014 in … in Italien bereits einen Asylantrag gestellt habe. Im Akt des Bundesamts findet sich neben dem Wiederaufnahmegesuch eine automatisch generierte Eingangsbestätigung Italiens vom 23. August 2016.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 24. Oktober 2016 wurde in Ziffer 1 der Antrag auf Asyl als unzulässig abgelehnt, in Ziffer 2 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, in Ziffer 3 die Abschiebung nach Italien angeordnet und in Ziffer 4 das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. In der Begründung wird ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Italien auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Am 23. August 2016 sei ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Italien gerichtet worden. Da die italienischen Behörden nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen geantwortet hätten, sei gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass Italien dem Wiederaufnahmegesuch stattgebe.Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG lägen nach Erkenntnis des Bundesamtes nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Italien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Ebenso fehlten Gründe für die Annahme einer Verletzung des Art. 4 der EU-Grundrechtecharte im Falle der Abschiebung des Antragstellers. Außergewöhnliche humanitäre Gründe gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Eine Abschiebung habe gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Folge, dass der Drittstaatsangehörige nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten dürfe. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 26. Oktober 2016 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2016, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhob die Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2016 und beantragte zugleich:
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2016, Az: …, zugestellt am 26. Oktober 2016, wird angeordnet bzw. wiederhergestellt (Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO).
Zur Begründung wurde ausgeführt, Italien stehe kurz vor dem Staatsbankrott. Daher könne nicht von einer Schlechterstellung, sondern von einer Nichtgewährung der grundsätzlichen Bedürfnisse in Italien ausgegangen werden. Der Antragsteller habe sich in Italien aufgehalten und sei dort nicht unterstützt worden, sondern habe auf der Straße gelebt. Weiter sei er krank, er leide nach dem Gutachten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 20. Januar 2016 an Hepatitis B. Darüber hinaus befinde er sich in einer Zahnbehandlung, die er in Italien nicht erhalten würde. Zum Nachweis wurde ein Heil- und Kostenplan für Zahnbehandlung vom 11. August 2016 sowie das Gutachten vom 20. Januar 2016 vorgelegt.
Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 4. November 2016 die Asylakte vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.
II.
1. Der gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist unbegründet, da die in der Hauptsache erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
2. Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier – von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen.
3. Gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 2 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, wenn der Ausländer einen Asylantrag in einem anderen, aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt hat.
Italien ist als Mitgliedsstaat, in dem der Antragsteller ausweislich des EURODAC-Treffers „IT1“ einen Asylantrag gestellt hat, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (vgl. VG Cottbus, B.v. 11.10.2016 – 5 L 387/16.A – juris Rn. 11). Der Umstand der Asylantragstellung in Italien wird belegt durch den für den Antragsteller erzielten EURODAC-Treffer mit der Kennzeichnung „IT1“. Die Ziff. „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 VO (EU) Nr. 603/2013 v. 26.6.2013).
4. Das Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland wurde am 23. August 2016 gestellt. Da die italienischen Behörden auf das Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wurde. Dies zieht die Verpflichtung nach sich, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO).
5. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechte-Charta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedsstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. OVG NRW, B. v. 12.10.2016 – 13 A 1624/16.A – juris Rn. 4 m. w. N.; OVG NRW, U. v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris Rn. 41 m. w. N.; BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13.OVG – juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 – 3 L 645/12 – juris; OVG Berlin-Bbg., B. v. 17.6.2013 – OVG 7 S. 33.13 – juris; OVG NRW, U. v. 6.7.2016 – 13 A 1476/15.A – juris Rn. 43 ff.; U. v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris; U. v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12.A – juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 – 4 LA 167/13 – juris; U. v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese – weder für sich genommen noch insgesamt – als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedsstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U. v. 7.3.2014 – a.a.O., Rn. 132; B. v. 12.10.2016 – 13 A 1624/16.A – juris Rn. 54; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21.2.2014 – a.a.O. – Rn. 45).
Das Gericht schließt sich damit auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 – Hussein u.a../. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 – ZAR 2013, 336; B. v. 18.6.2013 – Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 – ZAR 2013, 338). Diese Rechtsauffassung hat der EGMR – dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweiligen entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U. v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08 – juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. / Niederlande (51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten.
Der Vortrag, die Republik Italien stünde „kurz vor dem Staatsbankrott“ und deshalb sei von der Nichtgewährung der grundsätzlichen Bedürfnisse des Antragstellers auszugehen, findet in den oben angeführten Quellen keine Grundlage. Zwar trifft es zu, dass sich die wirtschaftliche Lage in Italien schlechter darstellt als in Deutschland. Der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet jedoch keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B. v. 02.04.2013 – a.a.O.). Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 Grundrechtecharte angesehen werden, hat Italien in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis in erheblichem Ausmaß nicht beachtet werden bleiben (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 12.10.2016 – 13 A 1624/16.A – juris Rn. 71 – 74, Rn 73 m. w. N.). Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterkunftsplätze, am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in den national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht. Darüber hinaus wird das kommunale Unterbringungssystem ständig ausgebaut. Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthalts ist nicht mehr vorgesehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 12.10.2016 – 13 A 1624/16.A – juris Rn. 80, 84 ff. m. w. N.).
Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Dies trifft wie ausgeführt jedoch nicht zu (vgl. OVG NRW, B. v.12.10.2016 – a.a.O.).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U. v. 30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris Rn. 26 m. w. N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B. v. 19.9.2015 – Au 7 S. 15.50412 – juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B. v. 5.11. 2014 – M 18 S. 14.50356 – juris). Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.
Die von Seiten des Antragstellers vorgelegten medizinischen Unterlagen führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Der zahnärztliche Heil- und Kostenplan sieht nach den beigefügten Erläuterungen den Ersatz von zwei fehlenden Zähnen durch jeweils von zwei Kronen gehaltene Brückenglieder sowie eine Einzelkrone vor. Die vorgesehene Behandlung ist weder besonders aufwendig noch mit besonderen Schwierigkeiten verbundene und kann innerhalb weniger Tage durchgeführt werden. Wenn der Antragsteller sich wie von der Bevollmächtigten dargelegt zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 31. Oktober 2016 gerade in Behandlung befand, dann dürfte diese jedenfalls inzwischen abgeschlossen sein. Darüber hinaus ist eine medizinisch notwendige vergleichsweise einfache Zahnbehandlung auch in Italien möglich.
Aus dem Gutachten des Bayer. Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 20. Januar 2016 ergibt sich, dass der Antragsteller wohl an einer chronisch verlaufenden Infektion mit Hepatitis B leidet und möglicherweise eine antivirale Therapie indiziert ist. Eine ärztliche Stellungnahme dazu liegt jedoch nicht vor, insbesondere ist nicht vorgetragen, dass der Antragsteller sich akut in einer entsprechenden Behandlung befindet oder einer solchen bedürfte. Chronische Hepatitis B ist im tropischen Afrika endemisch, bis zu 20% der Bevölkerung sind Virusträger (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, de Gruyter Berlin – New York, 256. Aufl. S. 669 Spalte 1 Stichwort Hepatitis). Daher kann aus dem serologischen Gutachten allein noch kein Hinweis auf eine so schwerwiegende Erkrankung gezogen werden, die die Kapazität des italienischen Gesundheitssystems überfordern könnte.
Schließlich begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares, landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Insgesamt kann daher davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 12.10.2016 – 13 A 1624/16.A – juris Rn. 98 – 100).
Ebenso geben die von Seiten des Antragstellers vorgetragenen allgemeinen Erwägungen über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Republik Italien angesichts der tatsächlichen Verhältnisse keinen Hinweis darauf, dass dem Antragsteller eine „Nichtgewährung der grundsätzlichen Bedürfnisse in Italien“ drohe.
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, sind ebenso wenig ersichtlich wie inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse.
6. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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