Verwaltungsrecht

Keine Vergütung angefallener Mehrarbeitsstunden bei beschleunigter Versetzung aus persönlichen Gründen

Aktenzeichen  M 5 K 18.3034

Datum:
24.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25546
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 87 Abs. 2 S. 3
BayBesG Art. 61

 

Leitsatz

1. Zwingende dienstliche Gründe im Sinne des Art. 61 Abs. 1 S. 2 BayBesG sind solche, die in der Sphäre des Dienstherrn liegen und nicht der Sphäre des Beamten zuzurechnen sind (Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu den in der Person des Beamten liegenden Gründen, die die fristgerechte Dienstbefreiung hindern, zählen etwa Urlaub, Erkrankung, Eintritt in den Ruhestand oder Versetzung in den Ruhestand aufgrund von Dienstunfähigkeit (Rn. 16). (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Versetzung aus persönlichen Gründen stellt keinen zwingenden dienstlichen Grund dar, da sie unter keinem Gesichtspunkt der Sphäre des Dienstherrn zuzuordnen ist (Rn. 18). (redaktioneller Leitsatz)
4. Erfolgt die beschleunigte Versetzung aufgrund der vom Kläger vorgebrachten Eilbedürftigkeit, kann sich der Kläger nicht darauf berufen, aufgrund der Kurzfristigkeit der Versetzung sei ihm der vollständige Abbau der Mehrarbeitsstunden durch Gewährung von Dienstbefreiungen unmöglich geworden (Rn. 20 – 22). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid des Polizeipräsidiums … vom … Juli 2011 in der Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom … Mai 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da der Anspruch auf die Vergütung der angefallenen Mehrarbeitsstunden nicht besteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Anspruch auf Bewilligung einer Mehrarbeitsvergütung ist in Art. 87 Abs. 2 Satz 3 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) i.V.m. Art. 61 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) geregelt. Nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG ist innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren, wenn Beamte durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können Beamte nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG an ihrer Stelle eine Vergütung erhalten. Gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 1 Bay BesG setzt eine Vergütung nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG voraus, dass sich die angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit auf konkrete, zeitlich abgrenzbare und messbare Dienste bezieht. Darüber hinaus kann die Mehrarbeitsvergütung gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 2 BayBesG nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen ist, dass eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres möglich war.
2. Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften liegen im Fall des Klägers nicht vor, da eine Dienstbefreiung vorliegend nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen unmöglich gewesen ist. Denn zwingende dienstliche Gründe sind solche, die in der Sphäre des Dienstherrn liegen und nicht der Sphäre des Beamten zuzurechnen sind. Demzufolge ist von zwingenden dienstlichen Gründen nur dann auszugehen, wenn die an sich gebotene Freistellung des Beamten zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung oder Gefährdung des Dienstbetriebs führen würde. Nicht unerheblich beeinträchtigt würde der Dienstbetrieb vor allem dann, wenn und soweit er durch die Dienstbefreiung in einer (wichtige) Belange der Allgemeinheit gefährdenden oder gar schädigenden Weise gestört würde (BayVGH, U.v. 14.3.1990 – 3 B 89.02675 – juris). Der Gesetzgeber will nämlich sicherstellen, dass die Erfüllung aktuell anstehender, unaufschiebbarer dienstlicher Aufgaben nicht unter der nach der Grundentscheidung des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG an sich gebotenen Gewährung von Dienstbefreiung leidet (OVG NRW, B.v. 22.4.2010 – 1 A 2265/08 – juris; VG Aachen, U.v. 23.8.2012 – 1 K 773/11 – juris).
Demgegenüber erfüllen in der Person des Beamten liegende Gründe, die die fristgerechte Dienstbefreiung hindern, die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht (vgl. BVerwG, B.v. 24.5.1985 – 2 B 45/85 – juris; NdsOVG, B.v. 29.4.2013 – 5 LA 186/12 – juris; BayVGH, B.v. 6.11.2006 – 3 ZB 03.1390 – juris; VG München, U.v. 25.3.2014 – M 5 K 12.1710 – juris, Rn. 47; VG Düsseldorf, U.v. 6.3.2012 – 26 K 2249/11 – juris). In Ziffer 61.1.1 Satz 4 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (BayVwVBes) wird dies dahingehend konkretisiert, dass eine Mehrarbeitsvergütung nicht geleistet werden kann, wenn ein geplanter Freizeitausgleich aufgrund persönlicher Gründe nicht möglich war. Zu den persönlichen Gründen zählen etwa Urlaub, Erkrankung, Eintritt in den Ruhestand oder Versetzung in den Ruhestand aufgrund von Dienstunfähigkeit. In einem solchen Fall fehlt es an dem erforderlichen dienstlichen Bezug (OVG Münster U. v. 27.4.2017 – 1 A 2064/14, BeckRS 2017, 109529; BayVGH München B. v. 6.11.2017 – 3 ZB 14.1433, BeckRS 2017, 133288; BayVGH München B. v. 6.11.2017 – 3 B 16.1866, BeckRS 2017, 133282).
3. Die vom Kläger in Bezug genommene, vereinzelt gebliebene Entscheidung des Verwaltungsgerichts … (U.v. 5.3.2013 – W 1 K 12.455 – juris), wonach die Versetzung in den Ruhestand als zwingender dienstlicher Grund angesehen werden kann, ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht … der Ansicht, dass auch eine Versetzung in den Ruhestand nach einer Erkrankung der persönlichen Sphäre des Beamten zuzuordnen ist, da ansonsten das Verhältnis von Ursache und Wirkung verkehrt würde und das der Risikosphäre des Beamten zuzuordnende allgemeine Lebensrisiko des Beamten, zu erkranken und dadurch dienstunfähig zu werden, auf den Dienstherrn verlagert würde (vgl. VG München, U.v. 3.2.2016 – M 5 K 15.5, sowie U.v. 22.5.2014 – M 5 K 12.4298, sowie U.v. 25.03.2014 – M 5 K 12.1710 – alle juris; BayVGH, B.v. 06.11.2017 – 3 B 16.1866 – juris; BayVGH, B.v. 17.9.2014 – 3 ZB 13.1516 – juris; NdsOVG, B.v. 29.4.2013 – 5 LA 186/12 – ZBR 2013, ZBR 2013 S. 265; OVG NW, B.v. 27.8.2015 – 6 A 712/14 – juris).
4. Der Kläger hat die Versetzung aus persönlichen Gründen beantragt. Diese Versetzung stellt keinen zwingenden dienstlichen Grund dar, da sie unter keinem Gesichtspunkt der Sphäre des Dienstherrn zuzuordnen ist. Die Versetzung erfolgte vielmehr aus rein privaten Gründen, die dem Dienstherrn nicht anzulasten sind und daher nicht zu einem Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung führen.
Soweit der Kläger die Kurzfristigkeit der Versetzung und den damit unmöglich gewordenen vollständigen Abbau der Mehrarbeitsstunden durch Gewährung von Dienstbefreiungen der Sphäre des Beklagten zuschreibt, ist dem nicht zu folgen.
Zwar lag der konkrete Versetzungszeitpunkt nicht in den Händen des Klägers. Der Kläger hat jedoch ab dem Zeitpunkt der Antragstellung aus tatsächlichen Gründen jederzeit mit einer Versetzung rechnen müssen. Denn ab Stellung des Versetzungsantrags bemühte sich der Dienstherr darum, eine passende Stelle zu finden, auf die der Antragsteller versetzt werden kann. Gerade im Polizeibereich ist es auch durchaus üblich, dass eine Versetzung oder Umsetzung sehr kurzfristig erfolgt. Im Übrigen erfolgte die beschleunigte Versetzung aufgrund der vom Kläger vorgebrachten Eilbedürftigkeit. Der Kläger verfolgte die Versetzung mit großem Nachdruck und wandte sich mit seinem Versetzungswunsch unter anderem an den Bayerischen Innenminister, an den Thüringischen Innenminister sowie an den Polizeipräsidenten der Landespolizei Thüringen und den Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums … Dass der Kläger bis zu seiner Versetzung die geleisteten Mehrarbeitsstunden nicht mehr vollständig abbauen konnte, musste ihm daher angesichts der besonderen Nachdrücklichkeit, mit der der Beamte seinen Versetzungswunsch betrieben hat, bewusst sein. Die fehlende Möglichkeit eines tatsächlichen Abbaus der Mehrarbeitsstunden bis zu seiner Versetzung fällt daher in den Verantwortungsbereich des Klägers. Dieses Risiko hat er mit der Stellung des Versetzungsantrags bewusst in Kauf genommen.
Es ist bekannt, dass die Einsatzbelastung auf dem Dienstposten des Klägers sehr hoch und der Abbau von Mehrarbeitsstunden schwierig ist. Die Gewährung eines Freizeitausgleichs für die geleisteten 95,75 Mehrarbeitsstunden war dem Beklagten jedoch wegen der Versetzung auf Wunsch des Klägers und der von ihm vorgebrachten Eilbedürftigkeit nicht möglich. Der Dienstherr hat den Kläger, als der Versetzungszeitpunkt bekannt wurde, vom Dienst freigestellt, sobald es aus einsatztechnischen Gründen möglich war. Der Kläger konnte fast zwei Drittel seiner Mehrarbeitsstunden abbauen. Daneben hätte sich der Kläger selbst frühzeitig um den Abbau seiner Mehrarbeitsstunden kümmern können und müssen. Da ihm die Einsatzbelastung auf seinem Posten bewusst war, hätte er den Beklagten um eine andere Verwendung bitten können, in der der Abbau der Mehrarbeitsstunden möglich gewesen wäre.
Des Weiteren hätte der Kläger auch den Versetzungszeitpunkt hinausschieben können, bis er alle Mehrarbeitsstunden abgebaut hätte. Dies lag jedoch ersichtlich nicht in seinem Interesse, da er aus persönlichen Gründen so schnell wie möglich versetzt werden wollte. Das Risiko, dass der Dienstposten bei der Polizeiinspektion … zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verfügbar ist, wollte der Kläger nicht eingehen.
5. Da der Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsstunden aus Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG i.V.m. Art. 61 BayBesG nicht besteht, ist auch der Zinsanspruch nicht gegeben.
6. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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