Verwaltungsrecht

Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Berufungszulassungsgrund im Asylverfahren

Aktenzeichen  5 ZB 17.31643

Datum:
16.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133305
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

Keine Zulassung zur Berufung gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 Nr. 3 VwGO wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufgrund einer von Klägerseite monierten, fehlenden Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der asylrechtlichen Relevanz der hervorgehobenen Tätigkeit des Klägers in der Kaka’i-Gemeinde, da ausweislich der Urteilsgründe und der Gerichtsakten ausreichende Gelegenheit zur Schilderung des behaupteten Verfolgungsschicksals wegen der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Kaka’i und diesbezüglicher Aktivitäten gegeben wurde. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.30945 2017-09-21 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der auf „§ 78 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 6 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO“ gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO wegen eines Verfahrensmangels – hier wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 138 Nr. 3 VwGO – zuzulassen.
Das rechtliche Gehör als „prozessuales Urrecht“ des Menschen sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Das rechtliche Gehör gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich geboten Mindeststandards, dass der Kläger die Möglichkeit hat, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Ein Gehörsverstoß liegt deshalb nur vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238/241). Mit Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, B.v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/273 = NJW 1967, 1955; BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8).
Hieran gemessen liegt der geltend gemachte Gehörsverstoß nicht vor. Die Klägerseite trägt vor, das Verwaltungsgericht habe sich mit der asylrechtlichen Relevanz der hervorgehobenen Tätigkeit des Klägers zu 1 in der Kaka’i-Gemeinde nicht auseinandergesetzt. Ausweislich der Urteilsgründe und der Gerichtsakten hatten die Kläger jedoch ausreichend Gelegenheit, ihr behauptetes Verfolgungsschicksal, darunter auch ihre Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Kaka’i und die diesbezüglichen Aktivitäten des Klägers zu 1, in der mündlichen Verhandlung am 21. September 2017 zu schildern. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und unter Eingehen auf das Vorgetragene dargelegt (vgl. Urteilsabdruck S. 6 f.), dass sich daraus keine Verfolgungssituation für die Kläger – unter zwar auch nicht durch nichtstaatliche Akteure wie den sogenannten Islamischen Staat – ergibt. Der Umstand, dass das Gericht in diesem Zusammenhang fälschlicherweise die Norm des § 3d AsylG („Akteure, die Schutz bieten können“) anstelle von § 3c AsylG („Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann“), zitiert hat, vermag daran nichts zu ändern. Wie das Gericht weiter ausgeführt hat, ist nicht erkennbar, dass die kurdischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage wären, Schutz gegen kriminelle und terroristische Aktionen zu gewähren. Die von der Klägerseite des Weiteren monierte „Abwertung“ des erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten angeblichen Drohbriefs betrifft die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht und ist ebenfalls nicht zur Begründung eines Gehörsverstoßes geeignet.
Letztlich machen die Kläger hier im Gewand einer Gehörsrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, also den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, geltend. Dieser Zulassungsgrund ist jedoch in Asylverfahren gemäß § 78 Abs. 3 AsylG nicht gegeben. Die Bezugnahme der Klägerseite auf den Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 6 AsylG erschließt sich nicht, weil es einen Zulassungsgrund mit dieser Nummer im Gesetz nicht gibt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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