Verwaltungsrecht

Keine Verletzung des Petitionsrechts

Aktenzeichen  M 10 K 16.1998

Datum:
7.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 147366
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 115
BayLTGeschO § 77 Abs. 1 Nr. 2, § 80 Nr. 4, § 154
BayPetG Art. 3 S. 1, Art. 6

 

Leitsatz

Eine unzulässige Petition liegt vor, wenn sie nach der Art und Weise ihrer in weiten Teilen durch Ironie geprägten Abfassung den Eindruck vermittelt, dass es dem Petenten weniger um das behauptete Anliegen geht, er vielmehr eine Provokation des Petitionsadressaten beabsichtigt.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
II.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig.
Der Kläger rügt eine Verletzung seines Petitionsrechts aus Art. 115 Bayerische Verfassung – BV Konkret macht er geltend, seine Eingabe „Hilfe zur Auswanderung für bayerische Bürger“ an den Bayerischen Landtag sei durch den Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen nicht entsprechend den (verfassungs-) rechtlichen Vorgaben behandelt worden.
Gegen eine behauptete Verletzung des Rechtsanspruchs auf sachliche Behandlung und Verbescheidung einer Petition ist Rechtschutz im Verwaltungsrechtsweg zu suchen. Da die Ausschüsse des Landtags die verfassungsmäßigen Rechte eines Petenten zu beachten haben, unterliegen ihre Entscheidungen insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BayVerfGH, E.v. 2.5.2017 – Vf. 64-VI-15 – juris Rn. 16). Es handelt sich allerdings nicht um anfechtbarere Verwaltungsakte im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO (BayVerfGH, E.v. 28.11.1958 – Vf. 144-VI-56 – VerfGHE 11, 187), so dass statthaft eine allgemeine Leistungsklage ist.
2. In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Der Kläger ist nicht in seinem Petitionsrecht nach Art. 115 BV verletzt.
a) Art. 115 Abs. 1 BV gewährt allen Bewohnern Bayerns das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Behörden oder an den Landtag zu wenden und somit ihre Sorgen, Interessen und Anliegen ohne Bindung an bestimmte Verfahrens- und Rechtswege zur Geltung zu bringen.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es jedoch nicht Sinn des Art. 115 BV, dem Petenten neben dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsweg zu den Gerichten ein Verfahren zu eröffnen, das hinsichtlich der Art und Weise sowie des Umfangs der Sachaufklärung und der Vorbereitung der Entscheidungsfindung den Verfahren nach den Prozessordnungen gleichkommt.
Das Petitionsrecht gewährleistet lediglich, dass der Petitionsadressat sich mit der vom Petenten vorgetragenen Sache befasst und ihm eine Antwort gibt, aus der sich die Tatsache der Behandlung und die Art der Erledigung ergeben. Einen Anspruch auf eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts, Beweiserhebungen, schriftliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Petenten oder ähnliche Tätigkeiten des Petitionsadressaten verleiht Art. 115 BV dem Petenten indes nicht (BayVerfGH, E.v. 12.11.1999 – Vf. 35-VI-99 – VerfGHE 52, 167; BVerfG, B.v. 15.5.1992 – 1 BvR 1553/90 – DVBl 1993, 32; BayVerfGH, E.v. 12.2.1982 – Vf 118-VI-80 – VerfGHE 35, 7 jeweils m.w.N.).
b) Ferner ist höchstrichterlich anerkannt, dass das so verstandene Petitionsrecht einen Anspruch auf irgendein Tätigwerden der mit der Petition befassten Stelle nur dann verleihen kann, wenn es sich um eine zulässige Petition handelt.
Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine zulässige Petition dann nicht vorliegt, wenn etwas gesetzlich Verbotenes gefordert wird oder die Form der Petition den Anforderungen nicht entspricht, die an jede bei einer Behörde einzureichende Eingabe zu stellen sind, sie also etwa beleidigenden, herausfordernden oder erpresserischen Inhalt hat (BVerfG, B.v. 22.4.1953 – 1 BvR 162/51 – BVerfGE 2, 225; BVerwG, U.v. 9.3.1994 – 2 WD 30/93 – BVerwGE 103, 81). In diesen Fällen entfällt -ungeachtet der Eröffnung des Schutzbereiches des Art. 115 BV – von Vornherein schon der Anspruch des Petenten auf sachliche Behandlung und Verbescheidung (vgl. Meder/Brechmann: Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 115 Rn. 4; Stettner in Nawiasky/Leusser/Schweiger/Zacher: Die Verfassung des Freistaates Bayern, Loseblattsammlung, Stand: 2005, Art. 115 Rn. 11 m.w.N.).)
Es ist dem Petenten zwar nicht verwehrt, sein Anliegen in freimütiger und offener Kritik, auch mit harten Worten und einer zusammenfassenden Wertung im Sinne einer drastischen bzw. ironischen Formulierung zu vertreten; er darf aber die Grenze des Zulässigen nicht durch Beleidigung von Personen oder Schmähkritik gegenüber Institutionen überschreiten, da derartige Erklärungen grundrechtlich nicht geschützt sind (BVerwG, U.v. 9.3.1994 – 2 WD 30/93 – BVerwGE 103, 81).
c) Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt geht das Gericht bereits von der Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Petition „Hilfen für Auswanderer“ aus.
Die Eingabe vermittelt nach der Art und Weise ihrer in weiten Teilen durch Ironie geprägten Abfassung den Eindruck, dass es dem Petenten in der Hauptsache weniger bzw. gar nicht um das Anliegen „Hilfen für Auswanderer“ geht; vielmehr bezweckt er nach Auffassung des Gerichts vor allem Provokation des Petitionsadressaten.
Der Kläger beschwört das Bild einer „unumkehrbaren Islamisierung“ Deutschlands und Bayerns im Sinne der Abschaffung der Demokratie bis hin zur Einführung des Prügelgebots und des Gebots zur Tötung Ungläubiger herauf. Gleichzeitig zieht er in herausfordernder Art und Weise Parallelen zur Zeit des Nationalsozialismus und überschreitet auch insofern die Grenzen des bloß Geschmacklosen. Schließlich enthält die Petition auch eindeutig unzulässige Beleidigungen („Ein überforderter bayerischer Ministerpräsident und ein unfähiger Innenminister sind dabei, den Begriff des Versagens in eine neue Dimension zu führen.“).
Vor diesem Hintergrund hätte der Petitionsadressat nach Auffassung des Gerichts die Eingabe „Hilfen für Auswanderer“ schon auf verfassungsrechtlicher Ebene als unzulässig behandeln dürfen mit der Folge, dass dem Kläger von Vornherein kein Anspruch auf irgendein Tätigwerden zur Seite stand.
Hiervon ausgehend kommt es auf die Frage, ob die – dennoch erfolgte – Behandlung und Verbescheidung der Petition den (verfassungs-)rechtlichen Anforderungen genügt, gar nicht mehr an.
d) Aber selbst wenn man die Petition „Hilfen für Auswanderer“ als zulässig erachtet, vermag das Vorbringen, sie sei nicht ordnungsgemäß in einer den Vorschriften der GeschOLT entsprechenden Weise behandelt worden, die behauptete Grundrechtsverletzung nicht zu begründen.
Wie ausgeführt gewährt Art. 115 BV ein Recht darauf, dass eine Petition sachlich geprüft und durch einen Bescheid, der keiner weiteren Begründung bedarf, beantwortet wird.
Dieser verfassungsrechtlichen Lage entspricht die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Petitionsrechts im Bayerischen Petitionsgesetz – BayPetG – sowie in §§ 76 bis 83 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag – GeschOLT – (vgl. hierzu BayVerfGH, E.v. 23.4.2013 – Vf. 22-VII-12 – BayVBl 2014, 48).
Gemäß Art. 3 Satz 1 BayPetG hat der Petent bei zulässigen Petitionen einen Anspruch auf sachliche Behandlung und Verbescheidung durch den Landtag bzw. seine Ausschüsse. Im Rahmen der Sachbehandlung hat der für die Petition zuständige Ausschuss nach Maßgabe von Art. 6 BayPetG das Recht – nicht jedoch eine Verpflichtung, s.o. II.2.a – zur Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere durch Anhörung der Staatsregierung, Durchführung von Ortsbesichtigungen und Anforderung sachdienlicher Akten (§§ 78, 79 GeschOLT). Die Entscheidungsmöglichkeiten bei der Behandlung von als zulässig erachteten Petitionen werden in § 80 GeschOLT abschließend aufgezählt (Meder/Brechmann a.a.O Art. 115 Rn. 9), insbesondere können sie auf Grund eines Ausschussbeschlusses für erledigt erklärt werden (§ 80 Nr. 4 GeschOLT). Dem Beschwerdeführer ist die Art der Erledigung mitzuteilen, § 83 Satz 1 GeschOLT; eine Begründung ist nicht erforderlich (s.o. II.2.a; vgl. auch § 83 Satz 2 GeschOLT).
Vorliegend hat der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 24. November 2015 dementsprechend mitgeteilt, dass der Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen seine Eingabe in der öffentlichen Sitzung vom … Oktober 2015 beraten und beschlossen habe, die Eingabe aufgrund Ausschussbeschlusses als erledigt zu betrachten.
Umstände, die darauf schließen lassen könnten, dass der Petitionsvortrag den Ausschussmitgliedern nicht in dem verfassungsrechtlich nach Art. 115 BV gebotenen Umfang zur Kenntnis gebracht wurde bzw. der Ausschuss ihn nicht sachlich geprüft und gewürdigt hat, sind nicht ersichtlich.
aa) Der klägerische Einwand der unzureichenden Information der Ausschussmitglieder bzw. der widersprüchlichen Berichterstattung ist schon nicht schlüssig.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Mitglieder des Ausschusses als zuständiger Petitionsadressat Kenntnis vom Inhalt des Petitionsanliegens haben.
Kenntnisnahme in diesem Sinne setzt nicht voraus, dass sämtliche Ausschussmitglieder die Petition lesen. Es reicht aus, wenn nur die Berichterstatter (vgl. § 154 Satz 1 GeschOLT) die Eingabe im Gesamten vorliegen haben. In diesem Fall müssen die Berichterstatter den übrigen Mitgliedern den Inhalt jedoch im Rahmen eines kurzen Sachvortrags (§ 154 Satz 4 GeschOLT) zumindest soweit vermitteln, dass diese erfassen können, worum es dem Petenten im Wesentlichen geht. Geben die Berichterstatter das Anliegen mit erheblichen Verzerrungen wieder oder reduzieren sie es auf ein bloßes Schlagwort, so kann von einer Kenntnisnahme, die Grundlage einer sachlichen Prüfung ist, nicht mehr gesprochen werden.
Nach dem Protokollauszug (Blatt 11 der vorgelegten Behördenakten) hat die Berichterstatterin Frau MdL g. erklärt, dass dem Anliegen des Petenten insoweit entsprochen sei, als für Flüchtlinge Sprachkurse angeboten und auch Informationsbroschüren herausgegeben würden, und vorgeschlagen, die Eingabe aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für erledigt zu erklären. Tatsächlich wird in dieser protokollierten Erklärung das Anliegen der Petition „Hilfen für Auswanderer“ unzutreffend wiedergegeben. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine zusammenfassende Niederschrift, nicht aber um vollständige Dokumentation des tatsächlichen Umfangs der Behandlung (vgl. § 185 Abs. 2 GeschOLT).
Der Kläger räumt aber in seiner Klagebegründung vom … April 2016 (S. 2) jedenfalls selbst ein, die Mitberichterstatterin habe im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin gemeint, „es handle sich nicht um Hilfen für Flüchtlinge, sondern für Auswanderer; der Petent befürchte eine Islamisierung“.
In dieser Form war die Darstellung des Anliegens der Eingabe „Hilfen für Auswanderer“ insoweit ausreichend; ihre Zielrichtung und ihre wesentlichen inhaltlichen Gedanke wurden den übrigen Ausschussmitgliedern nach der Zusammenfassung durch die Berichterstatterinnen zur Kenntnis gebracht. Insbesondere wurde durch die Mitberichterstatterin Frau MdL h. klargestellt, dass es sich nicht um Hilfen für Flüchtlinge, sondern für (potentielle) Auswanderer handelt. Auch der Hintergrund des Begehrens wurde von der Mitberichterstatterin zutreffend zusammengefasst, nämlich dass der Petent eine Islamisierung befürchtet.
bb) Mit dem Schreiben vom 24. November 2015 wurde dem Kläger auch die „Art der Erledigung“ seiner Eingabe entsprechend den Anforderungen des Art. 115 BV mitgeteilt. Daraus ergibt sich, dass der Petition durch den mit ihr befassten Ausschuss im Ergebnis nicht Rechnung getragen wurde.
Es sind keine Umstände ersichtlich, dass diese Mitteilung nicht dem Ergebnis der Beratung durch den Ausschuss entsprach bzw. ihr nicht ein entsprechender Wille und eine entsprechende Entscheidung der Ausschussmitglieder zu Grunde lagen.
Art. 115 BV selbst schreibt keine Art und Weise vor, wie der Petitionsadressat eine Entscheidung zu treffen hat.
Zwar sehen die §§ 166 bis 172 GeschOLT allgemeine Vorschriften für das Abstimmungsverfahren in den Ausschüssen des Landtags vor, die auch im Rahmen der Entscheidungen wie Beschlussfassungen nach § 80 Nr. 4 GeschOLT zur Anwendung kommen. Danach erfolgt die Fragestellung, über die abgestimmt wird, durch den Vorsitzenden (§ 167 GeschOLT); abgestimmt wird grundsätzlich durch Handzeichen (§ 169 Abs. 5 GeSchOLT).
Vorliegend haben die Berichterstatterinnen in der öffentlichen Sitzung vom … Oktober 2015 gemäß § 154 Satz 5 GeschOLT übereinstimmend vorgeschlagen, die Eingabe des Klägers aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für erledigt zu erklären. Laut Protokollauszug ist ein entsprechender Beschluss durch den Ausschuss einstimmig erfolgt. Aus den Umständen ist nicht ersichtlich, dass dieser Beschluss nicht durch eine entsprechende – ggf. konkludent erfolgte – Willensbildung durch die Ausschussmitglieder getragen gewesen wäre.
Soweit der Kläger geltend macht, die Ausschussmitglieder hätten keine – für ihn erkennbare – Willensäußerung von sich gegeben, die als Beschlussfassung hätte gewertet werden können, führt dieser Vortrag zu keinem anderen Ergebnis.
Insoweit kann offen bleiben, ob tatsächlich keine nach außen erkennbare Abstimmung durch Handzeichen erfolgt ist. Denn selbst wenn dadurch die Geschäftsordnung des Landtags verletzt worden sein sollte, wurde – mangels entsprechender Vorgabe in Art. 115 BV – nicht gegen Verfassungsrecht verstoßen (zur Unbeachtlichkeit von Verstößen gegen parlamentarische Geschäftsordnungen vgl. BVerfG, B.v. 14.10.1970 – 1 BvR 307/68 – BverfGE 29, 221; BayVerfGH, E.v. 15.12.1982 – Vf 22/VII-80).
3. Nach alledem war die Klage, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2 VwGO und § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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