Verwaltungsrecht

Keine Verletzung rechtlichen Gehörs bei schriftsätzlichem Beweisantrag

Aktenzeichen  10 ZB 17.2550

Datum:
31.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1330
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1, Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4
AsylG § 42 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG gebietet dem Gericht, formell ordnungsgemäßen, prozessrechtlich beachtlichen Beweisanträgen nach § 86 Abs. 2 VwGO zu entscheidungserheblichen Fragen nachzugehen. Dies gilt indes nur für unbedingte Beweisanträge iSv § 86 Abs. 2 VwGO, also solche, die in der mündlichen Verhandlung gestellt werden. (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Bei als Beweisanregung zu wertenden, schriftsätzlichen Beweisanträgen kommt eine Verletzung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG nur dann in Betracht, wenn das Gericht die Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich eine weitere Sachaufklärung ausgehend vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts hätte aufdrängen müssen. Hierin läge zugleich ein Mangel der Sachaufklärung (wie BayVGH BeckRS 2015, 50377). (Rn. 3) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 12 K 17.130 2017-10-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Ausweisungsbescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2016 weiterverfolgt, ist unbegründet. Der vom Kläger allein geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), durch das Übergehen bzw. die Nichtberücksichtigung des schriftlich gestellten Beweisantrags vom 10. Oktober 2017 durch das Verwaltungsgericht sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt und liegt nicht vor.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG gebietet dem Gericht, formell ordnungsgemäßen, prozessrechtlich beachtlichen Beweisanträgen nach § 86 Abs. 2 VwGO zu entscheidungserheblichen Fragen nachzugehen. Dies gilt jedoch nur für unbedingte Beweisanträge im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO, also solche, die in der mündlichen Verhandlung gestellt werden. Beim schriftlichen Antrag der Klägerbevollmächtigten vom 10. Oktober 2017, zum Beweis der Tatsache, dass dem Kläger im Fall seiner Rückkehr nach Pakistan wegen seines Abfalls vom Islam eine Tötung durch die Taliban ernstlich drohe, eine Stellungnahme der pakistanischen Botschaft einzuholen, handelt es sich dagegen nicht um einen unbedingten Beweisantrag. Vielmehr ist dieses Begehren lediglich als Ankündigung eines Beweisantrags im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO und damit letztlich als bloße Anregung zu verstehen, im Rahmen der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO entsprechend zu ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2016 – 13a ZB 16.30053 – juris Rn. 7; Geiger in Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 26).
Demgemäß kommt eine Verletzung des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 VwGO nur in Betracht, wenn das Gericht die Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich die weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen; darin läge zugleich ein Mangel der Sachaufklärung (vgl. BVerwG, B.v. 4.3.2014 – 3 B 60.13 – juris Rn. 7). Maßgeblich ist dabei der materiell-rechtliche Standpunkt des Verwaltungsgerichtsgerichts (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, B.v. 21.12.2017 – 4 BN 16.17 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.7.2015 – 10 ZB 15.819 – juris Rn. 52).
Der Kläger zeigt aber schon keine Gründe auf, warum sich dem Verwaltungsgericht, ausgehend von seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung, auch ohne förmlichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Damit ist das Vorliegen eines Verfahrensfehlers schon nicht schlüssig dargetan (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Unabhängig davon ist das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Kläger vorgebrachten zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote durch den Beklagten nicht zu prüfen waren, weil die Behörde insoweit gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die (ablehnende) Entscheidung des Bundesamts in dessen Bescheid vom 17. November 2003 gebunden ist, mit dem der Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet abgelehnt und das Vorliegen von (zielstaatsbezogenen) Abschiebungshindernissen verneint worden ist. Somit handelte es sich bei dem Beweisangebot des Klägers auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht um entscheidungserhebliches Vorbringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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