Verwaltungsrecht

Keine Wiedereinsetzung in die Berufungszulassungsbegründungsfrist,weil Fristversäumung nicht ohne Verschulden

Aktenzeichen  14 ZB 19.34218

Datum:
20.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1243
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 4
VwGO § 60

 

Leitsatz

1. Bei der Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in die Berufungszulassungsbegründungsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist der Tag, an dem das Hindernis weggefallen ist, nicht mitzurechnen (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Wiedereinsetzung in die Berufungszulassungsbegründungsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch von Amts setzt neben dem Nachholen der Begründung des Berufungszulassungsantrags zusätzlich voraus, dass Wiedereinsetzungsgründe i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO vorgetragen werden oder ersichtlich sind. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 2 K 18.31905 2019-10-11 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig wegen Versäumung der einmonatigen Antragsbegründungsfrist (§ 78 Abs. 4 Satz 1 und 4 AsylG).
Das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 11. Oktober 2019 wurde der Klagepartei am 17. Oktober 2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Rechtsbehelfsbelehrung:ist ordnungsgemäß, was klägerseits auch nicht in Frage gestellt worden ist. Antrag und Antragsbegründung hätten deshalb spätestens am Montag, den 18. November 2019, 24:00 Uhr beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen sein müssen. Zwar wurde der Berufungszulassungsantrag am 15. November 2019 per Telefax an das Verwaltungsgericht Bayreuth gesandt. Allerdings enthält dieser Antrag keine Begründung, die dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügen würde – der dort allein enthaltene Hinweis, der Kläger mache “Verfahrensmängel nach § 138 Verwaltungsgerichtsordnung” geltend, genügt hierfür nicht, weil daraus nicht ansatzweise erkennbar wird, worin im Fall des Klägers ein solcher Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts gelegen haben soll. Das setzt letztlich auch die Antragsbegründung voraus, wenn sie ankündigt, den Antrag nach Akteneinsicht “ordnungsgemäß” zu begründen. Eine nähere Begründung ging beim Verwaltungsgericht Bayreuth aber erst am 11. Dezember 2019 in Form des klägerischen Schriftsatzes vom gleichen Tag per Telefax ein, also nach dem Ende der am 18. November 2019, 24:00 Uhr abgelaufenen Begründungsfrist.
Eine Wiedereinsetzung (§ 60 VwGO) in die Antragsbegründungsfrist ist nicht beantragt (§ 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO), wobei hinsichtlich des soweit ersichtlich allein denkbaren Wiedereinsetzungsgrunds der erst nachträglich erfolgten Akteneinsicht die gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO einmonatige Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags in die Berufungszulassungsbegründungsfrist zwischenzeitlich abgelaufen ist. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat die am 15. November 2019 beantragte Akteneinsicht mit Schreiben vom 20. November 2019 dadurch gewährt, dass es dem Klägerbevollmächtigten die gerichtliche Verfahrensakte zuleitete. Der Klägerbevollmächtigte hat die Gerichtsakte mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 an das Verwaltungsgericht zurückgesandt, so dass er spätestens ab dem 2. Dezember 2019 Kenntnis dieser Akte hatte und spätestens ab diesem Zeitpunkt etwaige Hindernisse für die Formulierung von Verfahrensrügen weggefallen wären. Damit begann die hinsichtlich der Berufungszulassungsbegründungsfrist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO einmonatige Frist zur Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in die Berufungszulassungsbegründungsfrist (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO) spätestens am 3. Dezember 2019 und endete spätestens am Freitag, den 3. Januar 2020, 24:00 Uhr, wobei der Tag, an dem das Hindernis weggefallen ist, nicht mitzurechnen ist (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 60 Rn. 26). Innerhalb dieser Frist wurde zwar die versäumte Begründung des Berufungszulassungsantrags nachgeholt durch den klägerischen Schriftsatz vom 11. Dezember 2019, der am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht Bayreuth per Telefax eingegangen ist. Allerdings wurde innerhalb dieser Frist kein Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Wiedereinsetzung ist auch nicht von Amts wegen gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO zu gewähren. Zwar wurde die Begründung des Berufungszulassungsantrags mit Telefax vom 15. November 2019 – wie gezeigt – noch vor Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO nachgeholt i.S.v. § 60 Abs. 2 Satz 3, 4 VwGO. Allerdings sind Wiedereinsetzungsgründe i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar hat das Verwaltungsgericht Bayreuth die am Freitag, den 15. November 2019 (also vor Ablauf der Berufungszulassungsbegründungsfrist) beantragte Akteneinsicht erst mit Schreiben vom Mittwoch, den 20. November 2019 (also nach Ablauf der Berufungszulassungsbegründungsfrist) durch Aktenzusendungen an den Klägerbevollmächtigten gewährt. Daraus folgt aber nicht, dass die Klagepartei “ohne Verschulden” i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO verhindert gewesen wäre, die Berufungszulassungsbegründungsfrist einzuhalten. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht, die klägerseits für erforderlich gehalten wurde, um den Berufungszulassungsantrag zu begründen, erst am 15. November 2019 gestellt wurde, zumal der Klägerbevollmächtigte bereits während des gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als Anwalt bestellt, ihm also das verwaltungsgerichtliche Urteil unmittelbar zugestellt worden war. Der Umstand, dass die Aktenversendung erst nach Ablauf der Berufungszulassungsbegründungsfrist am Montag, den 18. November 2019 erfolgte, wäre leicht zu verhindern gewesen, wenn Akteneinsicht früher beantragt worden wäre, was bereits ab Zustellung des Urteils und des Protokolls am 17. Oktober 2019 möglich gewesen wäre. Gründe dafür, dass der Akteneinsichtsantrag erst nach Verstreichen von vier Wochen ab Urteils- und Protokollzustellung gestellt worden ist, wurden klägerseits nicht ansatzweise vorgetragen. Dabei ist auch zu sehen, dass im anwaltlichen Schreiben vom 15. November 2019 die “Zusendung” der Gerichtsakte in die Kanzleiräume nicht explizit beantragt worden war, weswegen das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet war, die Zusendung schneller als geschehen vorzunehmen, zumal eine solche Zusendung gemäß § 100 Abs. 3 Satz 3 VwGO ins gerichtliche Ermessen gestellt war. Vor diesem Hintergrund liegt die Verantwortung dafür, dass der Prozessbevollmächtigte erst nach Ablauf der Berufungszulassungsbegründungsfrist Einsicht in die Gerichtsakte nehmen konnte, jedenfalls nicht beim Verwaltungsgericht, wobei klägerseits Hinderungsgründe für eine frühere Beantragung der Akteneinsicht oder Aktenzusendung nicht ansatzweise vorgetragen sind.
2. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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