Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen kurdischer Volkszugehörigkeit

Aktenzeichen  Au 6 K 17.33209

Datum:
14.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37711
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Bei der Volksgruppe der Kurden handelt es sich um eine in der Türkei weit verbreitete Bevölkerungsgruppe, für die keine staatliche oder staatlich geduldete Gruppenverfolgung erkennbar ist, sodass allein die Zugehörigkeit zur dieser Volksgruppe keine Anerkennung als Flüchtling begründen könnte. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes oder auf Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz VwGO). Es wird Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Im Einzelnen sind definiert die Verfolgungshandlungen in § 3a AsylG, die Verfolgungsgründe in § 3b AsylG und die Akteure, von denen eine Verfolgung ausgehen kann bzw. die Schutz bieten können, in §§ 3c, 3d AsylG. Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Ausschlusstatbeständen nach § 3 Abs. 2 AsylG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG) und den Verfolgungshandlungen – den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen, § 3a AsylG – muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“), der demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris) entspricht.
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassen-den Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32).
Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU in Form einer widerlegbaren Vermutung ist im Asylerstverfahren zu beachten, wenn der Antragsteller frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde. Die solchen früheren Handlungen oder Bedrohungen nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 6.7.2012 – 10 B 18/12 – juris Rn. 5 unter Bezugnahme auf EuGH, U.v. 2.3.2010 – Rs. C-175/08 u.a. – juris Rn. 93; BVerwG, U.v. 5.5.2009 – 10 C 21/08 – juris Rn. 25). Die vorgenannte Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136, 377/382 Rn. 18) droht.
Es ist Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
1. Die politische Lage in der Türkei stellt sich derzeit wie folgt dar:
Die Türkei ist nach ihrer Verfassung eine parlamentarische Republik und ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat und besonders den Grundsätzen des Staatsgründers Mustafa Kemal („Atatürk“) verpflichtet. Der – im Jahr 2014 erstmals direkt vom Volk gewählte – Staatspräsident hatte eine eher repräsentative Funktion; die Regierungsgeschäfte führte der Ministerpräsident. Im Parlament besteht von Verfassungs wegen ein Mehrparteiensystem, in welchem die seit dem Jahr 2002 regierende „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (AKP) des früheren Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Erdogan die zahlenstärkste Fraktion darstellt.
Die heutige Parteienlandschaft in der Türkei ist geprägt von drei Faktoren, die sich gegenseitig verstärken: Erstens herrschen zwischen den Parteien relativ stabile Größenverhältnisse in der Relation 4 zu 2 zu 1. Die AKP ist stets unangefochten stärkste Kraft. Mit klarem Abstand folgt die CHP, die in der Regel halb so viele Stimmen bekommt wie die AKP, und darauf die MHP mit wiederum circa der Hälfte der Stimmen der CHP. Die pro-kurdische Partei der Demokratie der Völker (HDP) hat sich erst in den letzten Jahren dauerhaft etabliert. Zweitens sind die Wähler von drei der genannten Parteien relativ klar abgegrenzten Milieus zuzuordnen, die sich nicht nur nach ethno-kulturellen Zugehörigkeiten unterscheiden lassen, sondern auch nach divergierenden Lebensstilen sowie schichten-spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Lagen. Die AKP stützt sich primär auf eine türkisch-national empfindende und ausgeprägt religiöse Wählerschaft mit konservativer Sittlichkeit und traditionellem Lebensstil, die eher den unteren Ein-kommens- und Bildungsschichten zuzurechnen ist. Die CHP dagegen vertritt die türkisch-säkularen Schichten höheren Bildungsgrades mit einem europäischen Lebensstil und durchschnittlich deutlich höheren Einkommen. Ob im Hinblick auf Schicht oder Bildung, Modernität oder Konservatismus: Die MHP steht zwischen den beiden größeren Parteien. Charakteristisch für sie ist ein stark ethnisch gefärbter türkischer Nationalismus, der sich in erster Linie als bedingungslose Identifikation mit dem Staat und als starke Ablehnung kurdischer Identität äußert. Die HDP gibt sich als linke Alternative, wird jedoch generell als die Partei der kurdischen Bewegung wahrgenommen. Mehr noch als bei den anderen Parteien ist die ethnisch-nationale Komponente für die Zugehörigkeit ihrer Anhängerschaft bestimmend. Drittens verfügen drei der genannten Parteien über geographische Stammregionen mit einem eigenen Milieu. So ist die AKP in allen Landesteilen stark vertreten, hat aber ihr Stammgebiet in Zentralanatolien und an der Schwarzmeerküste. Die CHP hat an den Küsten der Ägäis und in zweiter Linie in Thrazien und am Mittelmeer großen Rückhalt; die HDP hingegen in den primär kurdisch besiedelten Regionen. Die klare Aufteilung folgt auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Stammregionen, denn die CHP reüssiert in den ökonomisch am stärksten entwickelten Regionen, die keine oder nur wenig staatliche Förderung benötigen. Die AKP vertritt die immer noch eher provinziell geprägten Gebiete, die auf staatliche Infrastrukturleistungen und Investitionen angewiesen sind. Die HDP ist in den kurdischen besiedelten Gebieten zuhause, die als Schauplatz des türkisch-kurdischen Konflikts (dazu unten) besonders unterentwickelt sind. Wahlergebnisse in der Türkei bilden deshalb nicht primär Verteilungskonflikte ab, sondern Identitäten ihrer Wähler: In den europäischen Ländern, die türkische Arbeitsmigranten aufgenommen haben, stimmten weit über 60 Prozent für Erdogan und seine AKP; dagegen votierten in den USA, wo sich die türkische Migration aus Akademikern und anderen Angehörigen der Mittelschicht zusammensetzt, weniger als 20 Prozent für die AKP (zum Ganzen Stiftung Wissenschaft und Politik – SWP, Die Türkei nach den Wahlen: Alles wie gehabt und doch tiefgreifend anders, S. 2 f., www.swp-berlin.org).
In der Wahl vom 1. November 2015 errang die AKP zwar 49,5% der Stimmen, verfehlte aber die die für eine Verfassungsänderung notwendige 2/3- bzw. 3/5-Mehrheit (mit anschließendem Referendum). Innenpolitisches Anliegen Erdogan ist ein Systemwechsel hin zu einem exekutiven Präsidialsystem, was eine Verfassungsänderung voraussetzte (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 19.2.2017, S. 5, 7 – im Folgenden: Lagebericht). Nach dem Putschversuch im Juli 2016 (dazu sogleich) hat die AKP Anfang Dezember 2016 einen Entwurf zur Verfassungsänderung hin zu einem solchen Präsidialsystem ins Parlament eingebracht, das dieses Gesetz mit der für ein Referendum erforderlichen 3/5-Mehrheit beschloss. Das Verfassungsreferendum vom 16. April 2017 erreichte die erforderliche Mehrheit; mittlerweile wurde das bislang geltende Verbot für den Staatspräsidenten, keiner Partei anzugehören, aufgehoben; Staatspräsident Erdogan ist seit Mai 2017 auch wieder Parteivorsitzender der AKP. In der vorverlegten Präsidentschaftswahl vom 24. Juni 2018 hat er die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen können; auch die regierende AKP errang bei der Parlamentswahl die Mehrheit (vgl. N.N., Bestätigung der Wahlkommission: Erdogan gewinnt Präsidentenwahl in der Türkei, www.spiegel.de, Abruf vom 26.6.2018). Durch die damit abgeschlossene Verfassungsänderung wird Staatspräsident Erdogan zugleich Regierungschef, denn das Amt des Ministerpräsidenten entfällt. Ohne parlamentarische Mitsprache ernennt und entlässt der Staatspräsident die Regierungsmitglieder, kann Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen und vier der 13 Mitglieder im Rat der Richter und Staatsanwälte (HSK) ernennen (vgl. N.N., Präsidialsystem in der Türkei: Noch mehr Macht für Erdogan, www.spiegel.de, Abruf vom 26.6.2018).
In der Nacht vom 15./16. Juli 2016 fand in der Türkei ein Putschversuch von Teilen des Militärs gegen Staatspräsident Erdogan statt, dem sich auf Aufrufe der AKP hin viele Bürger entgegen stellten und der innerhalb weniger Stunden durch regierungstreue Militärs und Sicherheitskräfte niedergeschlagen wurde. Staatspräsident Erdogan und die Regierung machten den seit dem Jahr 1999 im Exil in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen und dessen bis dahin vor allem für ihr Engagement in der Bildung und in der humanitären Hilfe bekannte Gülen-Bewegung für den Putsch verantwortlich. Diese wurde daher als terroristische Organisation eingestuft und ihre echten oder mutmaßlichen Anhänger im Zuge einer „Säuberung“, die sich auch auf Anhänger der verbotenen „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) erstreckte, mit einer Verhaftungswelle überzogen. Gegen ca. 103.000 Personen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, über 86.000 Personen in Polizeigewahrsam genommen, darunter 41.000 Personen in Untersuchungshaft (ca. 7.500 Polizisten, 6.700 Militärangehörige, 2.400 Richter und Staatsanwälte). Über 76.000 Beamte wurden vom Dienst suspendiert bzw. aus dem Militärdienst entlassen; in etwa 20.000 Fällen wurde die Suspendierung mittlerweile beendet. Flankiert wurden diese Maßnahmen durch die Ausrufung des Ausnahmezustands (Notstand), welcher der Exekutive erhebliche Handlungsvollmachten einräumt und mehrfach verlängert wurde (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 19.2.2017, S. 4 f. – im Folgenden: Lagebericht; Zahlen zu Suspendierten und Verhafteten auch bei Kamil Taylan, Gutachten an das VG Karlsruhe vom 13.1.2017, S. 5, 12 f.). Weitere 18.500 Staatsbedienstete wurden per Dekret noch im Juli 2018 entlassen, darunter 9.000 Polizisten und 6.000 Armeeangestellte (vgl. Erdogan entlässt 18.500 Staatsbedienstete, www.spiegel.de, Abruf vom 9.7.2018).
Der nach zwei Jahren am 18. Juli 2018 ausgelaufene Ausnahmezustand wurde zwar nicht mehr verlängert, aber zentrale Inhalte in Gesetzesform dauerhaft gesichert, insbesondere die Ermächtigung der Gouverneure, Ausgangssperren zu verhängen, Demonstrationen und Kundgebungen zu verbieten, Vereine zu schließen sowie Personen und private Kommunikation intensiver zu überwachen (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik – SWP, Die Türkei nach den Wahlen: Alles wie gehabt und doch tiefgreifend anders, S. 8, www.swp-berlin.org; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 8).
Als Sicherheitsorgane werden die Polizei in den Städten, die Jandarma am Stadtrand und in den ländlichen Gebieten sowie der Geheimdienst (MIT) landesweit tätig; das Militär ging in den vergangenen Jahren seiner staatlichen Sonderrolle mit einer de-facto-Autonomie gegenüber parlamentarischer Kontrolle als Hüter kemalistischer Grundsätze verlustig (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 9). Durch die „Säuberungen“ in Folge des Putsches wurde sein innenpolitisches Gewicht gemindert und durch den Einmarsch in den grenznahen Gebieten Syriens wurden seine Kapazitäten nach außen gelenkt.
Neben dem Putschversuch im Juli 2016 prägt der Kurdenkonflikt die innenpolitische Situation in der Türkei, in welchem der PKK zugehörige oder von türkischen Behörden und Gerichten ihr zugerechnete Personen erheblichen Repressalien ausgesetzt sind (vgl. dazu unten). Die PKK (auch KADEK oder KONGRA-GEL genannt) ist in der Europäischen Union als Terrororganisation gelistet (vgl. Rat der Europäischen Union, B.v. 4.8.2017 – (GASP) 2017/1426, Anhang Nr. II. 12, ABl. L 204/95 f.) und unterliegt seit 1993 in der Bundesrepublik Deutschland einem Betätigungsverbot; ihre Anhängerzahl wird hier auf rund 14.000 Personen geschätzt (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, www.verfassungsschutz.de /de/arbeitsfelder/af-auslaenderextremismus-ohne-islamismus/was-ist-auslaender extremismus/arbeiterpartei-kurdistans-pkk, Abfrage vom 26.4.2018). Die PKK wird als die schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation in Deutschland eingestuft; sie sei in der Lage, Personen weit über den Kreis der Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. Trotz weitgehend störungsfrei verlaufender Veranstaltungen in Europa bleibe Gewalt eine Option der PKK-Ideologie, was sich nicht zuletzt durch in Deutschland durchgeführte Rekrutierungen für die Guerillaeinheiten zeige (Bundesamt für Verfassungsschutz, ebenda).
2. Eine Verfolgung allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden hat der Kläger nicht zu befürchten. Er gehört zu einer weit verbreiteten Bevölkerungsgruppe in der Türkei; Anhaltspunkte für eine staatliche oder staatlich geduldete Gruppenverfolgung ethnischer Kurden liegen nicht vor.
Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt voraus, dass entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm oder für eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegen, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
Kurdische Volkszugehörige zählen etwa 13 Mio. bis 15 Mio. Menschen auf dem Gebiet der Türkei und stellen noch vor Kaukasiern und Roma die größte Minderheit in der Bevölkerung der Türkei (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 19.2.2017, S. 13 – im Folgenden: Lagebericht); sie unterliegen demnach aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen, zumal aus den Ausweispapieren in der Regel – sofern keine spezifisch kurdischen Vornamen geführt werden – nicht hervorgeht, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 13). Der private Gebrauch der in der Türkei gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmandschi und des weniger verbreiteten Zaza ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt. Unterricht in kurdischer Sprache an öffentlichen Schulen war bis 2012 nicht erlaubt und wurde seither stufenweise bei entsprechender Nachfrage erlaubt; Dörfer im Südosten können ihre kurdischen Namen zurückerhalten. Die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als einziger Nationalsprache bleibt jedoch erhalten und erschwert die Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen durch Kurden und Angehörige anderer Minderheiten, für die Türkisch nicht Muttersprache ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 13 f.). Seit der Verhängung des Notstands aber hat sich die Lage verändert: Zwei Drittel der per Notstandsdekret geschlossenen Medien sind kurdische Zeitungen, Onlineportale, Radio- und Fernsehsender, darunter auch IMC TV und die Tageszeitung „Özgür Gündem“ unter dem Vorwurf, „Sprachrohr der PKK“ zu sein (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 14).
Kurdische Volkszugehörige unterliegen damit in Türkei zwar einer gewissen Diskriminierung. Es fehlt aber jedenfalls an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. zur Gruppenverfolgung BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 – BVerfGE 83, 216 m.w.N.; BVerwG, B.v. 24.2.2015 – 1 B 31/14 – juris). Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel davon aus, dass eine Verfolgung kurdischer türkischer Staatsangehöriger jedenfalls nicht die von der Rechtsprechung verlangte Verfolgungsdichte aufweist, die zu einer Gruppenverfolgung und damit der Verfolgung eines jeden Mitglieds führt (im Ergebnis wie hier VG Aachen, U.v. 5.3.2018 – 6 K 3554/17.A – juris Rn. 51 m.w.N.). Unabhängig davon steht Kurden in der Westtürkei trotz der auch dort problematischen Sicherheitslage und der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen eine inländische Fluchtalternative offen (vgl. SächsOVG, U.v. 7.4.2016 – 3 A 557/13.A; BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 9 ZB 14.30399, alle juris). Sie können den Wohnort innerhalb des Landes wechseln und so insbesondere in Ballungsräumen in der Westtürkei eine in der Südosttürkei auf Grund der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und PKK etwa höhere Gefährdung verringern. Keine Ausweichmöglichkeiten hingegen bestehen, soweit eine Person Ziel behördlicher oder justizieller Maßnahmen wird, da die türkischen Sicherheitskräfte auf das gesamte Staatsgebiet Zugriff haben (Lagebericht ebenda S. 22). Der Kläger steht indes nicht im landesweiten Fokus behördlicher Maßnahmen (dazu sogleich).
3. Auch das individuelle Vorbringen des Klägers zu seinen politischen Aktivitäten und denen seiner Familie begründet nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verfolgung nach §§ 3 ff. AsylG.
Zwar geht das Gericht nach seinem Eindruck vom Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass der Kläger wie von ihm vorgetragen am 10. Oktober 2015 von Polizeibeamten aufgefordert wurde, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, insbesondere Informationen über seinen Onkel … und dessen Bekannten … preiszugeben, dass der Kläger in diesem Zusammenhang auch von den Polizeibeamten geschlagen wurde und dass es zu Hausdurchsuchungen kam. Es ist des Weiteren anzunehmen, dass die Familie des Klägers politisch aktiv und insbesondere … aktives HDP-Mitglied ist. Jedoch ist das Gericht davon überzeugt, dass die vom Kläger vorgetragenen diesbezüglichen Vorfälle in seinem Heimatort … im Südosten der Türkei ein rein regionales Gepräge aufweisen, der Kläger nicht landesweit von den türkischen Sicherheitskräften gesucht oder verfolgt wird und ihm daher eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Westtürkei, beispielsweise in, zumutbar ist.
a) Der Kläger steht nicht im landesweiten Fokus des türkischen Staates und insbesondere der türkischen Sicherheitskräfte. Ihm droht daher auch keine landesweite Verfolgung.
Zwar ist der Kläger wohl bei der für seine Heimatregion zuständigen örtlichen Polizei dafür bekannt, aus einer Familie zu stammen, die sehr entfernt mit … verwandt ist (die Großmutter ist nach Vortrag des Klägers eine Cousine des Vaters von …) und die mit seinem Onkel … ein aktives HDP-Mitglied hervorgebracht hat. Indes weist das vom Kläger vorgetragene Geschehen ein derart regionales Gepräge auf, dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger auch in anderen Landesteilen, insbesondere in der Westtürkei, in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist bzw. bei einer Rückkehr geraten wird.
(1) Gegen ein landesweites Verfolgungsinteresse des türkischen Staates spricht entscheidend die Tatsache, dass der Kläger seit dem Vorfall am 10. Oktober 2015 bereits zweimal – einmal ungefähr im April 2016 und einmal im Juni bis August 2016 – mit seinem Reisepass auf dem Luftweg aus der Türkei ausreiste und einmal mit seinem Reisepass und seinem Personalausweis im April 2016 wieder in die Türkei auf dem Luftweg einreiste. Insoweit ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger bei allen Ein- und Ausreisen im Jahr 2016 seinen echten Reisepass verwendete. Sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung, einen falschen Reisepass auf den Namen … verwendet zu haben, ist angesichts der diesbezüglichen Steigerung des Vortrags im Vergleich zu seinen Angaben vor dem Bundesamt und vor der Regierung von … unglaubhaft. Das Gericht ist davon überzeugt, dass es sich insoweit um eine unwahre Schutzbehauptung handelt.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 7. November 2018 erklärte der Kläger noch, er habe einen Reisepass und einen Personalausweis besessen, die ihm der Schleuser abgenommen habe. Auf Frage nach den durchreisten Ländern bei seiner Reise in die Bundesrepublik erklärte der Kläger: „Ich bin vom Flughafen … mit meinem Reisepass offiziell und legal in die Ukraine geflogen.“ Zu seinem Verhalten nach dem 10. Oktober 2015 erklärte der Kläger, er habe noch etwa zwei Monate in … gelebt und sei dann u.a. nach … und nach … gegangen. Er habe die Telefonnummer gewechselt und keinen Kontakt mit der Polizei mehr gehabt, auch wenn die Polizei bei ihm zu Hause nach ihm gesucht habe. Er habe sich immer verstecken müssen. Vor etwa einem Jahr sei er von Serbien zurückgeschickt worden. Bei seiner Anhörung vor der Regierung von … am 31. Oktober 2016 wurde der Kläger intensiv zu seinen Personaldokumenten befragt. Insoweit gab er in Übereinstimmung mit seinen späteren Angaben vor dem Bundesamt an, er habe einen Reisepass und einen Personalausweis besessen, die ihm der Schleuser in der Ukraine abgenommen habe. Der Schleuser habe ihm gesagt, er werde abgeschoben, wenn ihn die Polizei mit seinem Reisepass aufgreife. Er vermute, dass sein Reisepass, den er sich vor ungefähr einem Jahr bei der Passbehörde gegen Vorlage eines Auszugs aus dem Familienbuch und des Personalausweises habe ausstellen lassen, vernichtet worden sei. Seinen Personalausweis habe er sich 2007 ausstellen lassen. Kopien des Reisepasses existierten nicht.
Das Gericht lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich mit der Erwägung ab, einer landesweiten staatlichen Verfolgung stehe entgegen, dass der Kläger zweimal mit dem Flugzeug und seinem echten Reisepass ausgereist sei, mithin eine Ausreisesperre gegen den Kläger nicht vorgelegen habe und der Kläger auch ohne Probleme wieder in die Türkei habe einreisen können.
In der mündlichen Verhandlung wandelte der Kläger seinen diesbezüglichen Vortrag daraufhin diametral ab. Er habe bei keiner Ein- oder Ausreise seinen eigenen Reisepass verwendet, sondern sich noch in der Türkei einen unechten Reisepass auf den Namen … vom Schleuser organisiert, unter diesem Aliasnamen in der Türkei gelebt und sei unter diesen Personalien mit Hilfe des unechten Reisepasses auch aus der Türkei aussowie wieder eingereist.
Dieses Vorbringen ist im Vergleich zu seinen bisherigen Angaben wesentlich gesteigert, an den Verfahrensverlauf angepasst und im Hinblick auf seine bisherigen, übereinstimmenden Angaben bei seinen Anhörungen unglaubhaft. Das Leben des Klägers in anderen Städten als seinem Heimatort kam bei der Anhörung vor dem Bundesamt zur Sprache. Insoweit ist es nicht glaubhaft, dass der Kläger zwar berichtet, die Telefonnummer gewechselt zu haben, damit ihn die Polizei nicht kontaktieren könne, aber die sein damaliges Leben viel prägendere Schutzmaßnahme der Beschaffung eines falschen Reisepasses und die Annahme einer Alias-Identität nach seinem Wegzug aus … mit keinem Wort erwähnt. Ebenso erklärte der Kläger, mit seinem Reisepass offiziell und legal in die Ukraine gereist zu sein, dort habe der Schleuser ihm dann seinen Reisepass abgenommen. Dazu steht sein jetziges Vorbringen, stets einen falschen Reisepass verwendet zu haben, in einem nicht auflösbaren Widerspruch. Auch bei der Regierung von … wurde er mit zahlreichen Fragen zu seinen Identitätspapieren befragt. Auch insoweit erwähnte er einen unechten Reisepass an keiner Stelle. Seine jetzigen Ausführungen zur Beschaffung und Verwendung eines falschen Reisepasses sind daher unglaubhaft. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger bis zu seinen Ausreisen und zwischen seinen Ausreisen stets unter seiner wahren Identität ohne Verwendung eines unechten Reisepasses gelebt hat und bei allen Ein- und Ausreisen in die Türkei auf dem Luftweg seinen echten Reisepass verwendete.
Die zweimalige Ausreise auf dem Luftweg ungefähr im April und im September 2016 gibt maßgeblich zu erkennen, dass der Kläger nicht landesweit von den Sicherheitsbehörden gesucht wird, erst recht nicht wegen Terrorismusverdachts und/oder Verdachts der PKK-Unterstützung. Nach dem Putschversuch leitete die Regierung sog. „Säuberungsmaßnahmen“ gegen Individuen und Institutionen ein, die sie der Gülen-Bewegung zurechnet oder denen eine Nähe zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) oder anderen terroristischen Vereinigungen vorgeworfen wird. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden bislang nach Zählung der deutschen Botschaft gegen 189.322 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet, 117.386 Personen wurden in Polizeigewahrsam genommen, davon befinden sich nach letzten Angaben (Stand: 10.02.2018) 53.412 in Untersuchungshaft (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 3.8.2018, S. 4). Die türkische Regierung geht demnach entschieden gegen Personen vor, die sie einer Nähe zur PKK verdächtigt. Es existieren Listen mit Personen, gegen die ein Ausreiseverbot ausgesprochen wurde; spätestens bei den Kontrollformalitäten erhält man von einer Ausreisesperre Kenntnis (Auskunft des Auswärtigen Amtes v. 11.6.2018). Nachdem der Kläger zweimal mit seinem eigenen Reisepass aus der Türkei ausreisen konnte, ist das Gericht davon überzeugt, dass gegen den Kläger keine Ausreisesperre verhängt wurde. Wenn der Kläger indes im Verdacht der Nähe zur PKK stünde und ihm entsprechende Straftaten vorgeworfen würden, wäre – insbesondere nach dem Putschversuch am 15./16. Juli 2016 und den anschließend verschärften „Säuberungsaktionen“ gegen tatsächliche oder vermeintliche Anhänger Gülens als auch der PKK – zu erwarten gewesen, dass gegen den Kläger ein Ausreiseverbot verhängt worden wäre. Seine zweimalige Ausreise spricht demnach maßgeblich gegen eine landesweite Verfolgung des Klägers.
Erst recht steht die Wiedereinreise des Klägers in die Türkei auf dem Luftweg mit seinem echten Reisepass einer landesweiten Verfolgung entgegen. Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Wenn festgestellt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person ebenfalls in Polizeigewahrsam genommen. Im sich anschließenden Verhör durch einen Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten wird der Festgenommene mit den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen konfrontiert, ein Anwalt in der Regel hinzugezogen. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter mit dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls. Bei der Befragung durch den Richter ist der Anwalt ebenfalls anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen (so zum Ganzen Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 3.8.2018, S. 32 f.). Nachdem der Kläger noch ungefähr im April 2016 – und damit deutlich nach seiner Demonstrationsteilnahme und der Aufforderung lokaler Polizeibeamter, ihnen Informationen weiterzugeben – ungehindert in die Türkei einreisen konnte, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass gegen den Kläger kein Ermittlungsverfahren anhängig war und erst recht kein Haftbefehl erlassen oder ein Strafverfahren eröffnet wurde. Andernfalls wäre der Kläger zumindest kurzzeitig zur Überprüfung bei seiner Einreise in Polizeigewahrsam genommen worden.
(2) Es ist auch nicht davon auszugehen, dass gegen den Kläger zwischenzeitlich ein Ermittlungsverfahren eröffnet oder ein Haftbefehl erlassen worden wäre. Insoweit hat der Kläger nichts vorgetragen. Auch sind nach seinem Vortrag sowohl die örtliche Polizei als auch Militärangehörige nochmals bei seinem Vater vorstellig geworden, wobei zu erwarten wäre, dass der Kläger zumindest hierdurch Kenntnis von etwaigen Strafverfahren gegen ihn erlangt hätte. Angesichts der Tatsache, dass es dem Kläger sogar möglich war, Unterlagen zu den Strafverfahren seines Onkels sowie zahlreiche Dokumente in eigener Sache – u.a. einen Personalausweis – zu beschaffen, ist auch nicht ersichtlich, dass es ihm ggf. nicht möglich gewesen wäre, entsprechende Nachweise zu besorgen, beispielsweise über einen bevollmächtigten Anwalt und/oder über e-devlet und UYAP. Dementsprechend ist das Gericht davon überzeugt, dass gegen den Kläger auch derzeit kein Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist und er nicht mit Haftbefehl gesucht wird.
(3) Gegen seinen Vortrag, dass seine gesamte Familie – und damit auch er – im starken Fokus der Sicherheitsbehörden standen und stehen, spricht auch die Tatsache, dass dem Kläger noch im August 2015 ein Reisepass ausgestellt wurde. Wenn der Kläger und seine Familie wegen ihrer entfernten verwandtschaftlichen Nähe zu … und ihren Kontakten zu anderen verdächtigen Personen im ständigen und landesweiten Fokus der Sicherheitsbehörden gestanden hätten und insbesondere ein Verdacht der Unterstützung der PKK im Raum gestanden hätte, ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger ein Reisepass ausgestellt worden wäre. Denn ein Reisepass wird in der Türkei nicht ausgestellt, wenn ein Ausreiseverbot besteht, in diesem Fall ist es auch kaum möglich, einen Reisepass gegen Bestechung ausgestellt zu bekommen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11.6.2018). Wäre der Kläger und seine Familie wegen Nähe zur PKK und des Verdachts der Terrorunterstützung (PKK) im Fokus der Sicherheitsbehörden gestanden, hätte sich eine Ausreisesperre für die türkischen Sicherheitskräfte geradezu aufgedrängt, um die Ausreise etwaiger PKK-Unterstützer – gerade auch zur Unterstützung der PKK im Ausland – zu verhindern. Die Ausstellung eines Reisepasses im August 2015 zeigt daher ebenfalls, dass der Kläger und seine Familie nicht im ständigen Fokus der Sicherheitsbehörden standen.
(4) Auch die Tatsache, dass es dem Kläger möglich war, über seinen Vater und einen in einer Einwohnermeldebehörde arbeitenden Onkel sich noch nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik einen neuen Personalausweis, einen Auszug aus dem Zivilregister und einen Auszug aus dem Geburtenregister zu beschaffen, ist ein Indiz dafür, dass der Kläger und seine Familie keine massiven und landesweiten Probleme mit den türkischen Behörden haben. Auch in diesem Zusammenhang ergaben sich keine Hinweise auf etwaige Sperr- oder Suchvermerke zu Lasten des Klägers.
(5) Des Weiteren konnte sich der Kläger noch einige Monate nach der geltend gemachten Misshandlung in seinem Heimatort aufhalten, ohne dass es zu weiteren Misshandlungen kam und ohne dass er den Sicherheitskräften wie von ihnen verlangt die Namen der Besucher im Haus des Klägers genannt hätte. Die Misshandlung fand nach Angaben des Klägers am 10. Oktober 2015 statt, … verließ der Kläger jedoch erst im Januar oder Februar 2016. Der weitere drei- bis viermonatige Aufenthalt im Heimatort spricht ebenfalls gegen eine beachtliche Verfolgungsgefahr. Auch gab der Kläger an, seinen Heimatort nach seinem Rauswurf von der Universität verlassen zu haben. Fluchtursächlich war demnach primär die fehlende Möglichkeit, sein Studium aufzunehmen, nicht hingegen seine Probleme mit der örtlichen Polizei.
(6) Der Kläger hielt sich des Weiteren über mehrere Monate bis ungefähr Juni bis August 2016 noch an verschiedenen Orten in der Türkei auf, ohne dass ihn der türkische Staat fand. Insbesondere in dieser Zeit, als der Kläger seinen Heimatort verlassen hatte und die örtliche Polizei hiervon nach Angaben des Klägers Kenntnis hatte, insbesondere den Vater bedrohte und nochmals das Haus des Klägers durchsuchte, wäre bei einer landesweiten Verfolgung des Klägers durch die türkischen Sicherheitsbehörden zu erwarten gewesen, dass spätestens jetzt gegen den Kläger eine Ausreisesperre verhängt worden wäre, um seine Ausreise zu verhindern und den Kläger ggf. aufzugreifen. Dass dies ausweislich der Ausreise des Klägers auf dem Luftweg (vgl. oben) nicht geschah, zeigt das regionale Gepräge der Vorkommnisse und das fehlende landesweite Verfolgungsinteresse des türkischen Staates. Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Kläger außerhalb seines Heimatortes gesucht worden wäre.
(7) Soweit die örtliche Polizei den Kläger deswegen misshandelte, weil sie hierdurch die Preisgabe relevanter Informationen über Verwandte und Bekannte des Klägers erzwingen wollte, so droht diese Gefahr bei einer Rückkehr des Klägers in die Westtürkei nicht mehr. Denn es ist nicht ersichtlich, wie der Kläger der lokalen Polizei in der Südosttürkei noch von Nutzen sein sollte, nachdem sich der Kläger seit Jahren nicht mehr in der Türkei und bei einer Rückkehr nicht mehr in der Südosttürkei aufhält und die maßgeblichen Personen, insbesondere, die Türkei verlassen haben. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, weshalb die Polizei im Hinblick auf eine etwaige Informationsbeschaffung noch ein Interesse am Kläger habe sollte.
(8) Gegen eine landesweite Verfolgung spricht auch, dass der Kläger sich zwar nach seinem Vortrag für die HDP im Jugendverband und auf Demonstrationen engagierte, ihn dies aber nicht aus der Masse der HDP-Unterstützer und Sympathisanten hervorhebt. Insbesondere war der Kläger noch nicht einmal Mitglied der HDP, erst recht kein Mitglied in herausgehobener oder führender Position wie beispielsweise Abgeordnete, Bürgermeister und sonstige Funktionäre, die einem erhöhten Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind (vgl. oben). Unter Würdigung der allgemeinen Auskunftslage (vgl. oben) ist vielmehr davon auszugehen, dass allein die Unterstützung der HDP ohne Mitgliedschaft und ohne besonderer Position und Bedeutung der Tätigkeit regelmäßig nicht zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung führt.
(9) Gegen eine landesweite Verfolgung des Klägers durch die Sicherheitskräfte insbesondere aufgrund seiner verwandtschaftlichen Kontakte spricht auch, dass sowohl der Vater als auch die drei Brüder des Klägers weiterhin am Heimatort des Klägers leben. Würde die Familie wie vom Kläger befürchtet tatsächlich wegen des Onkels … und der entfernten Verwandtschaft mit … im Fokus der Sicherheitsbehörden stehen, ist nicht ersichtlich, wie die engsten Verwandten des Klägers, insbesondere sein Vater als Bruder von, weiterhin dort leben können. Zudem ist es seinem Bruder sogar möglich, als Lehrer zu arbeiten. Zwar fanden nach dem Vortrag des Klägers seit seiner Ausreise noch zwei Hausdurchsuchungen statt und der Vater sei einmal von der Polizei mitgenommen und geschlagen worden. Dass gegen die engsten Verwandten des Klägers jedoch trotz zweier Hausdurchsuchungen in nunmehr über zwei Jahren nach dem Putschversuch und der anschließenden „Säuberungsaktionen“ gegen Anhänger Gülens und der PKK (vgl. oben) keine weiteren Maßnahmen (beispielsweise Haftbefehle, Anklagen, Urteile, Ausreisesperren etc.) ergriffen wurden, zeigt, dass die Familie nicht im landesweiten Fokus der Sicherheitsbehörden stehen. Auch die Schläge gegen den Vater des Klägers stellen demnach vielmehr einzelne Amtswalterexzesse im lokalen Gepräge der Südosttürkei dar, nicht hingegen eine systematische landesweite Verfolgung der klägerischen Familie.
(10) Eine Verfolgung des Klägers wegen der Nähe zu seinem Onkel … ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten des … vom 23. Februar 2012, auf das sich der Kläger beruft. Erstens sind derartige Gutachten einzelfallbezogen und können keine unmittelbaren Aufschlüsse zur Verfolgung anderer Personen bieten. Zweitens unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt erheblich vom Sachverhalt des Gutachtens. Insbesondere ist der Onkel des Klägers nach seinem eigenen Vortrag kein PKK-Mitglied, sondern ausschließlich HDP-Mitglied und erst recht kein in Deutschland aktiver, hochrangiger PKK-Kader und verantwortlicher Redakteur einer verbotenen PKK-Zeitschrift, der in der Bundesrepublik verhaftet und vor Gericht gestellt wurde. Drittens kommt das Gutachten selbst bei einer Verwandtschaft zu einem derart hochrangigen PKK-Kader zu dem Schluss, dass wegen der im Zuge des EU-Beitritts durchgeführten Strafrechtsreformen „im Falle der Rückkehr oder Abschiebung des Klägers in die Türkei nicht damit zu rechnen [ist], dass er wegen der Aktivitäten seiner Verwandten bei der Einreise in die Türkei oder zu einem späteren Zeitpunkt festgenommen und verhört wird. Ebenso wenig ist damit zu rechnen, dass er gefoltert und misshandelt wird“. Es ist nicht ersichtlich, wie der Kläger aus einer derartigen gutachterlichen Stellungnahme positive Rechtsfolgen für sich ableiten will. Viertens ist die Auskunft vom 23. Februar 2012 angesichts des nicht unerheblichen Zeitablaufs und der vielfältigen Entwicklungen in der Türkei überholt und befindet sich ausschließlich zur Darstellung der historischen Entwicklungen in der Türkei in der entsprechenden Erkenntnismittelliste.
(11) In Ergänzung zu diesen Umständen stellt auch die zügige Heiratsabsicht des Klägers kurz nach seiner Einreise in die Bundesrepublik ein Indiz dafür dar, dass der Kläger nicht aus asylrelevanten, sondern aus anderen Gründen in die Bundesrepublik eingereist ist. Der Kläger reiste am 19. Oktober 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und sprach schon am 28. Dezember 2016 – also nach etwas über zwei Monaten – bei einem Standesamt vor, weil er eine ungarische Staatsangehörige heiraten wollte (BAMF-Akte Bl. 96). Zu diesem Zweck legte er einen Nüfus, einen Auszug aus dem Zivilregister und einen Auszug aus dem Geburtenregister vor, wobei die letzteren beiden Dokumente in der Türkei nach seiner Ausreise ausgestellt wurden (am 4.10.2016 und am 1.11.2016). In der mündlichen Verhandlung verneinte er zunächst die Frage, ob er je verlobt gewesen sei und gab erst auf Vorhalt zu, unmittelbar nach seiner Einreise eine Frau kennengelernt zu haben und diese habe heiraten wollen; sein Onkel habe den Kontakt vermittelt und die Frau habe den Heiratsantrag gemacht, die Beziehung habe aber nicht gehalten. Insoweit ist auffällig, dass der Kläger eine Heirat mit einer Person beabsichtigte, die er nach seinem Vortrag allenfalls zwei Monate kannte und schon kurz nach seiner Einreise aus der Türkei Dokumente für die beabsichtigte Eheschließung beschaffte. Die zeitlichen Abläufe legen nahe, dass der Kläger schon zu Heiratszwecken in die Bundesrepublik einreiste.
(12) In der Gesamtschau ist das Gericht daher davon überzeugt, dass der Kläger nicht landesweit von den türkischen Sicherheitsbehörden verfolgt wird. Die Ereignisse an seinem Heimatort und insbesondere die Misshandlung durch die örtliche Polizei stellen Exzesse der örtlichen Polizeibeamten dar, die dem Kläger indes in der Westtürkei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohten. Es ist ihm zumutbar, sich in der Anonymität der türkischen Großstädte in der Westtürkei, beispielsweise in Istanbul, niederzulassen; es ist nicht zu erwarten, dass er auch dort in den Fokus der Sicherheitskräfte gerät.
b) Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in der Westtürkei wird sicherstellen können. Der Kläger hat seine 13-jährige Schullaufbahn mit dem Abitur abgeschlossen und praktische Erfahrung bei der Arbeit in einem Restaurant erworben. Er ist jung, gesund, arbeitsfähig und ohne Unterhaltslasten. Zudem verfügt er über ein großes familiäres Netzwerk sowohl in der Türkei als auch im Ausland, das ihn gerade in der Anfangszeit finanziell und organisatorisch unterstützen kann.
c) Nicht entscheidend ist demgegenüber, ob die Onkel des Klägers, insbesondere … und, sowie Freunde des Klägers verfolgt werden.
Das Verfolgungsschicksal beurteilt sich nach dem jeweiligen Einzelfall anhand der individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Sachverhalts. Daher kommt es für die Frage, ob der Kläger verfolgt wird, nicht auf den Ausgang der noch anhängigen Asylverfahren seiner Onkel bzw. auf eine Verfolgung seiner Freunde an. Es ist daher insbesondere auch Sache des Bundesamts bzw. im Falle einer Antragsablehnung des zuständigen Gerichts, den Asylantrag des … und die von diesem zu seiner Person eingereichten Unterlagen (Anklageschriften, Haftbestätigungen etc.) zu überprüfen. Dass dem Kläger des hiesigen Verfahrens wegen seiner familiären Beziehungen keine Verfolgung droht, wurde bereits dargelegt, insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen. Auch aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen zum Asylverfahren des … ergibt sich insoweit nichts anderes.
(13) Ebenso verhält es sich mit den vom Kläger angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Freiburg. Aus den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. September 2017 (A 6 K 17.4888) und vom 16. März 2017 (A 6 K 16.16661) ergibt sich nicht, dass das Gericht eine Gruppenverfolgung aller Kurden annimmt. Das Verwaltungsgericht Freiburg ging in den genannten Entscheidungen vielmehr von einzelfallbezogenen Umständen aus, denen zufolge es jeweils im vorliegenden Fall eine asylrelevante Bedrohungslage annahm. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg beziehen sich demnach auf den jeweiligen Einzelfall und sind deshalb nicht auf das vorliegende Verfahren übertragbar.
d) Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals vortrug, einer seiner Cousins habe sich 1999 an einer Flugzeugentführung im Rahmen der Proteste gegen die Festnahme Abdullah Öcalans beteiligt und sei 2005 im Gefängnis getötet worden, so liegt zwischen diesen Vorfällen und der Ausreise des Klägers kein zeitlicher und kein kausaler Zusammenhang vor. Diese Vorfälle waren weder fluchtauslösend noch betrafen sie den Kläger unmittelbar. Eine Verfolgung des Klägers wegen dieser Vorfälle ist schon angesichts des langen Zeitablaufs nicht ersichtlich.
e) Auch im verweigerten Zutritt zum Universitätsgelände und der dadurch verhinderten Aufnahme des Studiums durch den Rektor der Universität … liegt keine flüchtlingsrelevante Verfolgung.
Die vorgetragenen Ereignisse erreichen insoweit nicht das Maß einer hinreichend schweren Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG. Zwar können zu den Verfolgungshandlungen auch diskriminierende administrative Maßnahmen zählen (vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG), jedoch müssen die Handlungen auf Grund ihrer Art oder Wiederholung oder ihrer Kumulierung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (vgl. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Dass dem Kläger nach einer 13-jährigen Schulbildung der Zugang zu einem Universitätsstudium verweigert wird, stellt angesichts der vielfältigen anderen Möglichkeiten des Klägers, seinen Lebensunterhalt zu sichern und sich fortzubilden, keine hinreichend gravierende Maßnahme dar. Dies gilt umso mehr, als dass der Kläger nicht substantiiert dargelegt hat, dass ein Klageverfahren nicht Abhilfe hätte verschaffen können. Insoweit wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, sich um einen zweiten Anwalt zu bemühen und den Klageweg zu bestreiten. Ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat der Kläger, weswegen ihm nicht die Aufnahme eines Studiums an einer anderen Universität – ggf. bei vorheriger Abmeldung bzw. Exmatrikulation bei der Universität …- möglich gewesen sein sollte. Nachdem der Bruder des Klägers Lehrer ist, ist nicht ersichtlich, dass höhere Bildungsabschlüsse der klägerischen Familie wegen ihrer politischen Ausrichtung schlechthin verwehrt sein sollten.
4. Dem Kläger droht auch keine Verfolgung i. S. des § 3 i.V.m. § 3a Abs. 2 AsylG in Gestalt einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung.
Für den Fall einer Rückkehr in die Türkei fürchtet der Kläger, bestraft und zwangsweise zum Militär geschickt zu werden sowie dort schlecht behandelt zu werden.
a) Im vorliegenden Fall ist das Gericht indes schon nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei tatsächlich seiner Wehrpflicht entziehen wird.
Sein diesbezüglicher Vortrag in der mündlichen Verhandlung ist völlig neu, damit wesentlich gesteigert und unglaubhaft.
Der Kläger hat weder bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch bei seiner Anhörung vor der Regierung von … vorgetragen, dass er den Wehrdienst nicht leisten werde und ihm deswegen Verfolgung drohe. Auch auf Frage des Gerichts, warum er die Türkei verlassen habe, machte der Kläger zwar umfangreiche Angaben zu seinen Ausreisegründen (vgl. oben), erwähnte indes die Furcht vor einer Wehrdiensteinziehung mit keinem Wort. Erst auf konkrete Fragen des Prozessbevollmächtigten machte der Kläger hierzu – erstmals – Angaben. Das Gericht ist nach seinem Eindruck aus der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass es sich insoweit um ein unglaubhaftes Schutzvorbringen handelt. Weder war der anstehende Wehrdienst für den Kläger Anlass seiner Ausreise aus der Türkei noch ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei dem Wehrdienst entziehen wird. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger wie 204.000 andere Wehrpflichtige derzeit seinen Wehrdienst ableisten wird und ihm deshalb auch keine Maßnahmen wegen Wehrdienstverweigerung drohen.
Der Kläger wurde bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt zunächst gefragt, ob er den Wehrdienst schon geleistet habe und unmittelbar im Anschluss gebeten, zu seinem Verfolgungsschicksal vorzutragen. Wenn der Kläger tatsächlich Haftstrafen wegen Wehrdienstentziehung befürchtete, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger dies als wesentlichen Ausreiseanlass bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt erwähnt hätte. Dass dies dem Kläger nach seinem jetzigen Vorbringen wegen seiner Aufregung beim Bundesamt „nicht eingefallen“ sei, ist keine hinreichende Erklärung für das völlige Unterbleiben diesbezüglicher Ausführungen. Auch bei seiner Anhörung vor der Regierung von … wurde der Kläger gefragt, ob er den Militärdienst geleistet habe und an späterer Stelle nochmals, wie er zur Passbeantragung seine Befreiung vom Militärdienst nachgewiesen habe. Auch insoweit hätte es sich geradezu aufgedrängt, nähere Angaben zum Wehrdienst zu machen, ggf. sogar den Vortrag vor dem Bundesamt zu ergänzen. Bezeichnend ist des Weiteren auch, dass der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung erst auf die konkreten Nachfragen des Klägerbevollmächtigten Angaben zur angeblichen Wehrdienstentziehung (dazu sogleich) machte.
In der Zusammenschau des klägerischen Verhaltens ist das Gericht überzeugt, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit lediglich eine unwahre Schutzbehauptung vorgetragen hat und zur Leistung des Wehrdienstes sehr wohl bereit ist. Ihm droht daher auch keine Verfolgung wegen Verweigerung des Wehrdienstes.
b) Dem Kläger droht auch keine diskriminierende oder unverhältnismäßige Strafverfolgung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG, weil er wegen seiner Ausreise nicht zur Gesundheitsuntersuchung erschienen ist.
Zwar unterliegt ein Mann grundsätzlich der gesetzlichen Wehrpflicht, die in der Türkei ab dem 20. Lebensjahr beginnt. Der Wehrdienst wird in den Streitkräften oder der Jandarma abgeleistet. Söhne und Brüder gefallener Soldaten können vom Wehrdienst befreit werden; im Ausland lebende Türken können sich gegen ein Entgelt freikaufen, das mit Änderung des Wehrgesetzes im Januar 2016 von 6.500 Euro auf 1.000 Euro gesenkt wurde (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 19.2.2017, S. 18 – im Folgenden: Lagebericht). In der Türkei gibt es kein Recht zur Verweigerung des Wehrdienstes oder einen Anspruch auf Ableistung eines Ersatzdienstes. Seit Änderung von Art. 63 tMilStGB ist bei unentschuldigtem Nichtantritt oder Fernbleiben vom Wehrdienst statt einer Freiheitsstrafe zunächst eine Geldstrafe zu verhängen. Subsidiär bleiben aber Haftstrafen bis zu sechs Monaten möglich. Die Verjährungsfrist richtet sich nach Art. 66e tStGB und beträgt zwischen fünf und acht Jahren, falls die Tat mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Im türkischen Recht wird zwischen zwei Arten der Wehrdienstentziehung unterschieden. Sofern der Betreffende – wie der Kläger – bereits nicht zur Musterung erscheint, gilt er als „Musterungsflüchtiger“, was eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Wenn er den Wehrdienst nach erfolgter Musterung und Einberufung nicht antritt, wird er als „Wehrdienstflüchtiger“ bezeichnet, was einen Straftatbestand erfüllt. Beide Vergehen werden mit der Verhängung von Geldstrafen geahndet. Die Höhe der Geldstrafe hängt von der Dauer der Wehrdienstentziehung und vom Umstand ab, ob der Betreffende sich selbst stellt oder gefasst wird. Die Verjährung gemäß Artikel 66e tMilStGB kommt nur dann zur Anwendung, wenn der Wehrdienstflüchtige (nicht der Musterungsflüchtige) sich stellt oder gefasst wird. Beim Musterungsflüchtigen hingegen werden die Verjährungsvorschriften zu Ordnungswidrigkeiten angewendet (Artikel 20 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, Gesetz Nr. 5326). Demnach beträgt die Verjährungsfrist bei Geldbußen von weniger als 50.000 TL drei Jahre, bei Geldbußen zwischen 50.000 TL und 100.00 TL vier Jahre und bei Geldbußen von 100.000 TL und mehr fünf Jahre (vgl. Lagebericht ebenda S. 20 ff.; vgl. zum Ganzen auch VG Magdeburg, U.v. 10.9.2018 – 7 A 159/16 MD – juris S. 10). Suchvermerke für Wehrdienstflüchtlinge werden seit Ende 2004 nicht mehr im Personenstandsregister eingetragen. Soweit bis zum Jahr 2009 Personen die türkische Staatsangehörigkeit aberkannt wurde, die sich dem Wehrdienst entzogen hatten, können sie mittlerweile unabhängig von ihrem Wohnsitz wieder die Staatsangehörigkeit erhalten; die Regelungen zum Entzug der Staatsangehörigkeit wurden abgeschafft (vgl. Lagebericht ebenda S. 21).
Der Kläger hat ausweislich seiner eigenen Angaben noch keinen Einberufungsbescheid erhalten. Damit ist er allenfalls ein Musterungsflüchtiger, nicht aber ein Wehrdienstflüchtiger. Er hat daher keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit begangen, die mit einer Geldbuße geahndet wird. Der Kläger hat insoweit noch nicht einmal dargelegt, dass er bisher auch nur eine Geldbuße erhalten hat. Daher droht ihm im weiteren unmittelbaren Kausalverlauf auch keine Inhaftierung, sondern lediglich eine Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit. Eine unverhältnismäßige Strafverfolgung ist insoweit für Musterungsflüchtlinge nicht erkennbar. Eine etwaige Strafverfolgung von Wehrdienst- oder Fahnenflüchtigen ist insoweit unbeachtlich, da mangels Musterung und Feststellung der Tauglichkeit weder mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Kläger überhaupt seinen Wehrdienst wird leisten müssen noch, dass er sich dem entziehen wird (vgl. oben), noch, dass er wegen der Entziehung strafrechtlich über eine Geldbuße hinaus geahndet werden wird.
c) Selbst wenn der Kläger jedoch – wie nicht – den Militärdienst verweigern sollte, liegt in einer etwaigen Strafverfolgung oder Bestrafung des Klägers keine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, sondern die Sanktionierung kriminellen Unrechts.
Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt nur dann als Verfolgungshandlung zu qualifizieren, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, sich also als Verbrechen gegen den Frieden, als ein Kriegsverbrechen oder als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würden. Soweit im vorliegenden Fall eine Strafverfolgung wegen Wehrdienstentziehung möglich ist, droht jedoch keine Beteiligung an Kriegsverbrechen; besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass Strafmaßnahmen nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht gelten, sind nicht ersichtlich (vgl. EuGH, U.v. 20.11.2013 – C-472/13; BVerwG, U.v. 24.4.1990 – 9 C 4/89 – NVwZ 1990, 876). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen Sanktionen wegen Wehrdienstentziehung, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – juris Rn. 14 m.w.N.). So wurde die Ausbürgerung eines türkischen Staatsangehörigen, der der Aufforderung zur Ableistung des Wehrdienstes nicht nachgekommen war, als nicht asylerheblich gewertet (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – juris Rn. 14 m.w.N.). Eine Anknüpfung etwaiger Sanktionen an ein Verfolgungsmerkmal ist im vorliegenden Fall indes nicht ersichtlich.
(1) Insbesondere gibt es keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an den gruppenbezogenen Merkmalen i.S.v. § 3b AsylG orientiert ist.
Im Gegenteil können z.B. homosexuelle Wehrpflichtige auf Antrag und nach Begutachtung grundsätzlich als für den Wehrdienst untauglich eingestuft werden; die aktuelle Handhabung ist offen (vgl. Lagebericht ebenda S. 18 f.). Die Heranziehung zum Wehrdienst und die Bestrafung wegen seiner Verweigerung stellen daher keine Verfolgung wegen einer etwaigen Gruppenzugehörigkeit oder aus politischen Gründen dar (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.2018 – 1 VR 12/17 – juris Rn. 86 m.w.N.; auch VG München, B.v. 5.4.2018 – M 1 S 17.46575 – juris Rn. 13 m.w.N.).
(2) Eine etwaige Strafverfolgung oder Bestrafung des Klägers wegen Verweigerung des Militärdienstes – so sie dem Kläger doch drohte – knüpft auch nicht an das Verfolgungsmerkmal der Religion (hier: die Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen des Klägers) nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG an.
Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für das türkische System, das keinen Ersatzdienst und kein Verfahren vorsieht, in dem dargelegt werden kann, ob die Voraussetzungen einer Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vorliegen, eine Verletzung der von Art. 9 EMRK garantierten Gewissensfreiheit angenommen, weil es keinen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft und jenem von Wehrdienstverweigern trifft (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.2018 – 1 VR 12/17 – juris Rn. 87 unter Verweis auf EGMR, U.v. 12.6.2012 – 42730/05). Eine Verletzung von Art. 9 EMRK setzt aber voraus, dass der Betroffene glaubhaft machen kann, dass er den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert. Eine solche Gewissensentscheidung setzt eine sittliche Entscheidung voraus, die der Kriegsdienstverweigerer innerlich als für sich bindend erfährt und gegen die er nicht handeln kann, ohne in schwere Gewissensnot zu geraten. Erforderlich ist eine Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg und damit die eigene Beteiligung an jeder Waffenanwendung. Sie muss absolut sein und darf nicht situationsbezogen ausfallen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.2018 – 1 VR 12/17 – juris Rn. 87 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Zu seinen Weigerungsgründen befragt, gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung zunächst an, als Mensch wolle er keinen Wehrdienst leisten und er wolle keine Waffe tragen. Jugendliche aus seiner Region würden im Krieg im Südosten der Türkei eingesetzt. Seine Onkel hätten in kurdischen Städten Wehrdienst leisten müssen und ein Onkel habe deswegen noch immer psychische Probleme. Die Vorgesetzten behandelten die Kurden im Militär sehr schlecht. Seine Familie habe deshalb nicht gewollt, dass er den Wehrdienst leiste. Aus diesen Ausführungen wird nicht ersichtlich, dass der Kläger den Wehrdienst maßgeblich aus Gewissensgründen ablehnt – wenn er ihn denn (wie nicht) überhaupt ablehnt, vgl. oben. Der Kläger lehnt nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung allenfalls den Wehrdienst deshalb ab, weil er einem Kampfeinsatz in einer bestimmten Region und einer schlechten Behandlung durch seine Vorgesetzten entgehen möchte und zudem seine Familie gegen eine Wehrdienstleistung des Klägers ist. Das Gericht ist nach seinem Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung daher davon überzeugt, dass eine etwaige Ablehnung des Klägers, den Wehrdienst zu leisten, soweit diese Ablehnung – wie nicht – überhaupt besteht, jedenfalls nicht auf einer Gewissensentscheidung nach Art. 9 EMRK beruht, sondern auf anderen Gründen.
(3) Eine Diskriminierung kurdisch-stämmiger Wehrdienstleistender ist nach dem schon o.g. Erkenntnisstand nicht beachtlich wahrscheinlich. Im Gegenteil ist es eher unwahrscheinlich, dass der Kläger gerade im Südosten der Türkei oder in Syrien eingesetzt würde, um keine Loyalitätskonflikte als Kurde heraufzubeschwören.
Kurden werden bei der Heranziehung zum Militärdienst ebenso wie bei einer Bestrafung wegen Militärdienstentziehung nicht aufgrund ihres Volkstums in asylerheblicher Weise benachteiligt. Die Heranziehung zum Militärdienst in der Türkei und die Bestrafung ihrer Nichtbefolgung stellen keine Form politischer oder ethnischer Verfolgung dar, da sie allgemein gegenüber allen männlichen Staatsangehörigen ausgeübt werden. Auch eine Militärdienstverweigerung durch Flucht ins Ausland wird ohne weitere Verdachtsmomente nicht als Sympathie für separatistische Bestrebungen ausgelegt. Es liegen schließlich auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass Militärdienstpflichtige, die ihre Strafe wegen Dienstentziehung oder Fahnenflucht verbüßen, misshandelt werden oder in der vorausgehenden Polizei- oder Militärhaft generell Folter zu erleiden haben. Das gilt sowohl dann, wenn sich ein Militärdienstflüchtiger im Inland stellt oder er ergriffen wird, als auch insbesondere dann, wenn er bei der Einreise aus Deutschland von den Sicherheitsbeamten an der Grenze als solcher erkannt und festgenommen wird (zum Ganzen VG Aachen, U.v. 27.4.2018 – 6 K 6072/17.A – juris Rn. 47 f.; U.v. 5.3.2018 – 6 K 3554/17.A – juris Rn. 44 jeweils m.w.N.).
d) Da der Kläger demnach derzeit kein Wehrdienstflüchtiger und erst recht kein ins Ausland geflohener Deserteur ist und ihm auch keine Haftstrafen drohen (vgl. oben), kommt es auf die vom Kläger insoweit eingeführten Erkenntnismittel (insbesondere Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei: Desertion und Sicherheitsoperationen im Südosten v. 22.3.2018, S. 5 f., S. 9 f.) nicht an. Im Übrigen hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, ob und wie dieser Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe andere oder bessere Erkenntnisse verschafft als die vom Gericht schon mit der Ladung eingeführten Erkenntnismittel. Insbesondere die Lageberichte und Auskünfte des Auswärtigen Amtes bieten amtliche und damit besonders verlässliche Erkenntnisse, auf die sich das Gericht maßgeblich stützt. Dem stehen auch die Ausführungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht entgegen.
II.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
III.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in der Türkei, insbesondere in der Westtürkei, sicherstellen kann. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
Nachdem der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, dass er derzeit an einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Krankheit leidet, kommt auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht in Betracht.
IV.
Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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