Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Wehrverweigerung

Aktenzeichen  W 7 K 16.32686

Datum:
3.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3a Abs. 2, § 4
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Eine zwangsweise Heranziehung zum Wehrdienst oder die mit der Entziehung zusammenhängende Bestrafung können nur dann eine asylrechtliche Relevanz aufweisen, wenn die Maßnahme zielgerichtet aufgrund der religiösen, politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylrechtlich erheblichen Gesichtspunktes erfolgt. (Rn. 12 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesamts vom 12. Dezember 2016 nicht rechtswidrig ist und die Kläger dadurch (schon deswegen) nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG (1.) Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG bzw. auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (2.).
1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S. des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Aus § 3a AsylG ergibt sich, welche Handlungen als Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG gelten. Zwischen derartigen Handlungen und den in § 3b AsylG näher definierten Verfolgungsgründen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 -, BVerwGE 1989, 162 f.; BVerwG, U.v. 15.3.1988 – 9 C 278/86 -, BVerwGE 1979, 143 f.).
Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asyl- oder Flüchtlingsanspruch voraus, dass der Schutzsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asyl- bzw. Flüchtlingsbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 -, Buchholz, § 108 VwGO Nr. 147).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Soweit der Kläger zu 1) vorträgt, dass er wegen Wehrdienstverweigerung erhebliche Probleme bekommen werde, führt dies nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
1.1. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung die zwangsweise Heranziehung zum Wehrdienst und die damit zusammenhängenden Sanktionen weder schlechthin eine politische Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG darstellen noch eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung stets als unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG anzusehen ist. Dahin schlagen derartige Maßnahmen nur dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt werden, die dadurch gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen persönlichen Merkmals getroffen werden sollen (BVerwG, B.v. 10.9.1999 – 9 B 7.99, juris, Rn. 3; BayVGH, B.v. 13.1.2017 – 11 ZB 16.31051, BeckRS 2017, 101018, Rn. 4). Eine solche Anknüpfung an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal ist mit Blick auf die Wehrdiensterfassung bzw. die Mobilisierungserfassung in der Ukraine nicht zu erkennen. Ausweislich der eingeführten Erkenntnismittel spielen Merkmale wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Überzeugung bei der Heranziehung keine Rolle (AA, Lagebericht vom 7.2.2017, S. 9).
Jeder souveräne Staat hat daher grundsätzlich das Recht, seine Staatsangehörigen zum Wehr- und Militärdienst heranzuziehen. Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG kann damit (nur) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 fallen, als Verfolgungshandlung i.S. des Abs. 1 gelten. Dazu gehören Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen Menschlichkeit, schwere nichtpolitische Straftaten oder Zuwiderhandlungen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen. Dabei obliegt es daher demjenigen, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen möchte, mit hinreichender Plausibilität darzulegen, dass die Einheit, der er angehört, die Einsätze, mit denen sie betraut wurde, unter Umständen durchführt oder in der Vergangenheit durchgeführt hat, unter denen Handlungen der in dieser Bestimmung genannten Art mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen werden oder wurden (EuGH, U.v. 26.2.2015 – C-472/13, NVwZ 2015, 575, Rn. 43 – Shepherd). Dieser vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Plausibilitätstest dient daher der Prüfung, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Betroffenen, einem ergangenen Einsatzbefehl nicht nachzukommen, die Begehung von Kriegsverbrechen durch seine Einheit wahrscheinlich war.
Vorliegend ist zwar mit den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen davon auszugehen, dass es in den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Luhansk ebenso zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist wie auch in Gebieten, in denen ukrainische “Freiwilligen-Bataillone“ gegen Separatisten vorgehen (vgl. nur Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.2.2017, S. 5 f., S. 11 ff.; AI, Breaking Bodies – Torture and Summary Killings in Eastern Ukraine). Berichte, dass reguläre Einheiten der ukrainischen Armee an solchen Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren, liegen nicht vor. Auch im Jahresreport 2016 Ukraine von Amnesty International finden sich keine Hinweise darauf. Dem Bericht „Breaking Bodies – Torture and Summary Killings in Eastern Ukraine“ (2015) von Amnesty International lassen sich ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte für (von regulären ukrainischen Einheiten begangene) Menschenrechtsverletzungen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG entnehmen. So wird dort zwar aufgeführt, dass zahlreiche Inhaftierungen – auch von offizieller Seite – zu konstatieren seien (S. 12 ff.). Anhaltspunkte für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in diesem Zusammenhang lassen sich dem Bericht aber jedenfalls nicht entnehmen (vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.2.2017, S. 13); vielmehr wird aufgeführt, dass unter ukrainischer Obhut stehende Inhaftierte einem gerichtlichen Verfahren zugeführt wurden (S. 13). Die dargestellten Fälle außergerichtlicher Tötungen bzw. Hinrichtungen wurden von separatistischen Gruppierungen begangen und betrafen allesamt ukrainische Militärangehörige (S. 16 f.). Auch die weiteren aufgeführten Beispiele von Folter und unmenschlicher Behandlung (S. 21 ff.) beziehen sich auf ukrainische “Freiwilligen-Bataillone“ (Right Sector-Miliz; vgl. S. 24 ff.).
1.2. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Strafvorschriften der Ukraine wegen Wehrdienstentziehung eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung i.S. von § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG darstellen. Die Entziehung von Wehrdienst wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Eine Mobilisierungsentziehung kann mit bis zu fünf Jahren bestraft werden. Für Entziehung von der Wehrerfassung ist eine Geldstrafe bis zu 50 Mindestmonatslöhnen oder Besserungsarbeit bis zu zwei Jahren oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monaten vorgesehen, für die Entziehung von einer Wehrübung kann Geldstrafe bis zu 70 Mindestmonatslöhnen oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monaten verhängt werden (vgl. Lagebericht vom 7.2.2017, S. 10). Eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung kann aber regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn der Betreffende durch die fehlende Möglichkeit der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und die daraus folgende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in seinem Recht aus Art. 9 EMRK verletzt wird. Dabei kommt es insbesondere auch darauf an, ob der betreffende eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Wehr- oder Kriegsdienst glaubhaft machen kann (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 11 ZB 16.30012, juris Rn. 13 ff. unter Hinweis auf EuGH, U.v. 26.2.2015, C-472/13 – Shepherd; B.v. 13.1.2017, 11 ZB 16.31051, juris, Rn. 4).
Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Für eine verbindliche und unbedingte Gewissensentscheidung des Betroffenen müssen konkrete Anhaltspunkte anhand seiner persönlichen Entwicklung, seiner Lebensführung, seines bisherigen Verhaltens und der Einflüsse, denen er ausgesetzt war und ist, sowie der Motivation seiner Entscheidung festgestellt werden. Ein solche ist dem Vorbringen des Klägers zu 1) nach Überzeugung des Gerichts nicht zu entnehmen. Seine Ausführungen lassen keine rational mitteilbare und nachvollziehbare ausführliche Darlegung der Ernsthaftigkeit, Tiefe und Unabdingbarkeit der ins Feld geführten Gewissensentscheidung gegen den Dienst mit der Waffe an sich erkennen. Er hat insoweit nur vorgetragen, dass er Verwandtschaft in Russland habe und deswegen nicht in einen Krieg zwischen der Ukraine und Russland hineingezogen werden möchte. Er sie charaktermäßig konfliktarm, nicht aggressionsbeladen und nicht veranlagt, in den Krieg zu ziehen. Auch habe er zwei Freunde verloren, die aus dem Krieg nicht mehr zurückgekehrt seien. Er könne es sich nicht vorstellen, ein Gewehr in die Hand zu nehmen und auf Menschen zu schießen. Damit bezieht sich der Kläger zu 1) in erster Linie auf (menschlich nachvollziehbare) allgemeine Gründe gegen die Einberufung zum Militärdienst, nicht aber legt er in substantiierter Weise pazifistische Gewissensgründe gegen das Töten von Menschen als solches dar. Nähere und überzeugende Ausführungen zu seinem bestehenden Gewissenkonflikt bzw. seiner inneren Überzeugung hat der Kläger zu 1) nicht vorgetragen. Gegen eine Gewissensentscheidung im obigen Sinne spricht insbesondere, dass der Kläger zu 1) bereits den Wehrdienst geleistet hat (2000 bis 2002). Auf einen entsprechenden echten und aufrichtigen Einstellungswandel hat er sich in diesem Zusammenhang nicht berufen, sondern insoweit nur angegeben, dass damals kein Krieg und er jung und ohne Familie gewesen sei. Man habe schießen gelernt und zwar durchaus auch mit dem Hintergrund, sich zu verteidigen. Er habe auch mit Gewehren auf Zielscheiben geschossen, was jedenfalls auch seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung widerspricht, dass er sich nicht vorstellen könne, ein Gewehr in die Hand zu nehmen. Nachdem der Krieg ausgebrochen sei, sei seine Einstellung nun so, dass er realistischer Weise nicht auf Menschen schießen könne. Auch dieser Vortrag spricht nicht für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Dienst mit der Waffe, da er aufzeigt, dass dominierender Grund für die Verweigerung die (nachvollziehbare) Furcht ist, getötet zu werden. Im Übrigen hat er damit, schon damals aufgrund einer echten und aufrichtigen Gewissensentscheidung die Ableistung des Wehrdiensts abgelehnt zu haben.
2. Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf subsidiären Schutz berufen. Die Ausführungen der Kläger vermögen eine subsidiäre Schutzberechtigung nicht zu begründen; stichhaltige Gründe i.S. von § 4 AsylG wurden nicht vorgebracht. Im Übrigen sind auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ersichtlich. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass zwar davon auszugehen ist, dass im Osten der Ukraine (Donbass) in den Gebieten Donezk und Luhansk ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht. Die Kläger stammen jedoch nicht aus den umkämpften Gebieten. Im Übrigen sind die Kläger zu 1) und 2) junge, gesunde und erwerbsfähige Menschen, die auch auf die Unterstützung des in der Ukraine befindlichen großen Familienverbandes sowie im Ausland lebender Verwandter zurückgreifen können.
Es bestehen auch keine stichhaltigen Gründe dafür, dass dem Kläger zu 1) bei einer Rückkehr in die Ukraine eine Haftstrafe wegen Wehrdienstentziehung droht und er dort unmenschlichen Haftbedingungen i.S.v. Art. 3 EMRK ausgesetzt sein wird. Denn der Kläger zu 1) hat gerade nicht glaubhaft machen können, dass er sich (bisher) dem Wehrdienst entzogen hat. Ihm droht daher bislang noch keine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen der Verweigerung des Militärdienstes bzw. Vermeidung der Mobilisierung, da er noch nicht einberufen worden ist. Die Kläger haben insoweit übereinstimmend angegeben, dass ein Einberufungsbescheid an den Kläger zu 1) noch nicht zugestellt werden konnte bzw. er diesen bisher noch nicht unterschrieben hat. Der Kläger zu 1) hat selbst vorgetragen, dass er erst die Ladung annehmen bzw. unterschreibe müsse, bevor ihm eine Gefängnisstrafe drohe (Bl. 87 d.A.). Auch die Klägerin zu 2) führt in der mündlichen Verhandlung aus, dass sie die Ladungen zwar entgegennehmen, nicht aber unterschreiben hätte können. Für diese einfachen Verstöße gegen den Einberufungsbescheid (Nichterscheinen) werden lediglich Bußgelder im Verwaltungsverfahren verhängt, die maximal ca. 12 Euro betragen (Auskunft des AA vom 28.01.2015, S. 2). Nach ihren Angaben läuft im Übrigen weder ein Ermittlungsnoch ein Strafverfahren gegen den Kläger zu 1). Nicht zuletzt zeigt die legale und offensichtlich ungehinderte Ausreise der Kläger (trotz Kontrollen an der Grenze) mit polnischen Schengen-Visa, dass keine Fahndung eingeleitet worden ist und der Kläger zu 1) nicht gesucht wurde. Angesichts dessen ist mit einer strafrechtlicher Verfolgung und Bestrafung wegen einer etwaigen Wehrdienstentziehung auch nach Rückkehr des Klägers zu 1) nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu rechnen, zumal weitere Mobilisierungswellen – und damit die Gefahr einer tatsächlichen Einberufung des Klägers zu 1) – derzeit nicht vorgesehen sind (BayVGH, B.v. 14.3.2017 – 11 ZB 17.30220, Rn. 10).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass selbst im Falle einer Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung überwiegend Bewährungsstrafen verhängt werden. So führten die in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis 1. Juli 2015 eröffneten Strafverfahren wegen Wehrdienstentziehung in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von ein bis zwei Jahren auf Bewährung (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 11 ZB 16.30012, juris Rn. 20). Nichts anderes ergibt sich aus dem Artikel von Connection e.V., Offenbach (Connection Offenbach, Massenhafte Kriegsdienstverweigerung, Flucht und Asyl). Dort wird von zwei Fällen berichtet, wobei der Journalist R* … K* … inzwischen freigelassen wurde. (Vereinzelte) Verurteilungen ohne Bewährung erfolgten bei fehlender Reue des Betroffenen oder aufgrund anderer belastender Faktoren (VG Regensburg, U.v. 7.11.2016 – 9 K 16.32244, BeckRS 2016, 114723); derartige strafschärfenden Aspekte sind beim Kläger zu 1) jedoch nicht zu erkennen.
3. Daher sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung in die Ukraine rechtmäßig. Auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung bestehen keine Bedenken. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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