Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung internationalen Schutzes für Kurden aus dem Nordirak

Aktenzeichen  M 4 K 16.30317

Datum:
11.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4 Abs. 1 Nr. 3
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 3, § 60 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5, Abs. 7 S. 1, S. 2, § 60a Abs. 1 S. 1
VwGO VwGO § 114

 

Leitsatz

1 In den kurdisch verwalteten Provinzen des Nordirak ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht mit politischer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure zu rechnen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Dort kann auch nicht von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gesprochen werden. (redaktioneller Leitsatz)
3 Soweit eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehöriger grundsätzlich nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet wird, vermittelt dieser faktische Abschiebungsstopp derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 2016 wird in Nr. 6 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
I.
Hinsichtlich der Nummern 1 bis 5 ist der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes (Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz), weil die Voraussetzungen der §§ 2 bzw. 3 Abs. 1 AsylG sowie des § 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sind nicht gegeben.
1. Soweit der Kläger seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 AsylG beantragt, hat dieser Antrag keinen Erfolg.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (vgl. hierzu die Legaldefinition in § 3b AsylG), außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asyl-begründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung.
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B. v. 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, U. v. 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; B. v. 21.7.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes nach § 3 AsylG, § 60 Abs. 1 AufenthG. Das Gericht verweist insofern auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt: Dem Vorbringen des Klägers sind keine Anhaltspunkte für eine staatliche Verfolgung zu entnehmen, die ursächlich für die Ausreise gewesen wäre. Eine persönliche Verfolgung ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Kurdischen Autonomiegebiete … sind von den Kämpfen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen, wenn auch die Sicherheitslage dort weiterhin angespannt ist. Der Kläger kann sich daher auch nicht auf eine politische Verfolgung durch nichtstaatliche Dritte berufen. Zwar besteht in weiten Teilen des Iraks seit Mitte 2014 eine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Gestalt des IS. Jedoch sind nach den Erkenntnissen des Gerichts und des Auswärtigen Amtes (vgl. den Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 18.2.2016; Gutachten Europäisches Zentrum für kurdische Studien v. 7.9.2015) die kurdischen Autonomiegebiete davon nicht betroffen. Vielmehr leben dort in großer Anzahl Flüchtlinge, die vor den Umtrieben des IS geflohen sind. Dies hat zur Folge, dass die Kläger an den von ihnen auch schon bewohnten Ort im Irak zurückkehren können, jedenfalls aber anderswo in den Autonomiegebieten Zuflucht finden können. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ist prognostisch auch in Zukunft mit einer politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure dort nicht zu rechnen. Nach der Rückeroberung der Großstadt … aus den Händen der IS-Miliz durch das irakische Militär (Spiegel-online v. 28.12.2015) und einer Verminderung der dschihadistischen Kämpfer im Irak (Spiegel-online v. 5.2.2016) besteht derzeit keine Verfolgungswahrscheinlichkeit in den Autonomiegebieten, die von der kurdischen Regionalregierung beherrscht werden.
Somit war die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu versagen. Erst recht liegen daher auch die engeren Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vor.
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. Art. 15 c der RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf den Irak zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auch insoweit auf die zutreffende Begründung im Bescheid des Bundesamtes (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG liegen ersichtlich nicht vor. Auch die Voraussetzungen der Schutzregelung nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, wonach einem Ausländer subsidiärer Schutz zusteht, wenn er in seinem Herkunftsland als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, liegen nicht vor.
Dass nicht gleichsam jede Zivilperson im Irak allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist, folgt schon daraus, dass bei einer Gesamtbevölkerung mit etwa 32 bis 34 Millionen Einwohnern (vgl. www.asien-auf-einen-blick.de/irak/www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Irak.html) die Zahl der zivilen Todesopfer im Jahr 2015 mit insgesamt 17.502 (2014: 20169; vgl. https://www.Iraq-bodycount.org/database/v. 29.9. 2016) angegeben ist. Auch wenn die Opferzahlen 2016 ansteigen sollten, reicht die abstrakte Gefahr, angesichts von Kampfeshandlungen in einigen Bereichen im Irak Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht aus.
Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht. Der Kläger muss daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil oder diesen Landesteilen aufhält.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Prognose der derzeitigen Situation im Irak ergibt, dass in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak derzeit keine Verfolgungsgefahr für den Kläger besteht; weder eine staatliche noch eine Verfolgungsgefahr durch nichtstaatliche Akteure. Eine Rückkehr in den Nordirak erscheint unter diesen Gesichtspunkten möglich.
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.
a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich. Insbesondere bezieht sich § 60 Abs. 5 AufenthG nur auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Die drohende Trennung von der Familie, hier insbesondere vom Bruder, wäre als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis von der Ausländerbehörde zu prüfen (vgl. BVerwG, U. v. 11.11.1997 – 9 C 13/96 – NVwZ 1998, 526; Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 15.8.2016, § 60 AufenthG Rn. 36).
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden, und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – NVwZ 2001, 1420).
Sonstige Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
4. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Nummer 5, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert ist, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn er ist, wie oben ausgeführt, weder als Asylberechtigter oder Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
II.
Hinsichtlich der Nummer 6 ist der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Die Beklagte war zur erneuten Festsetzung der Befristung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Die Entscheidung über die Länge der Frist des Einreise und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG ist eine Ermessensentscheidung. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Befristungsentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl. BayVGH, U. v. 12.7.2016 – 10 BV 14.1818 – juris m. w. N.).
Die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Verwaltung beschränkt sich grundsätzlich darauf, ob die in § 114 VwGO genannten Voraussetzungen eingehalten wurden und umfasst nicht die Überlegung, ob andere Lösungen zweckmäßiger gewesen wären oder ob eine Entscheidung der Verwaltung, die § 114 VwGO nicht genügt, aus anderen Gründen im Ergebnis aufrechterhalten werden könnte (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Auflage 2015, § 114 Rn. 4). Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht bei einem der Behörde eingeräumten Ermessen auch, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Behörde muss das ihr zukommende Ermessen aber auch überhaupt tatsächlich betätigen und entsprechende Überlegungen nicht schon von vornherein unterlassen, so dass eine Entscheidung auch dann ermessensfehlerhaft im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO ist, wenn die Behörde eine in Wahrheit nicht bestehende Beschränkung ihres Ermessenspielraums annimmt, sich gebunden erachtet oder sich gar nicht bewusst ist, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat oder keine (eigenen) Ermessenserwägungen anstellt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 16. Auflage 2015, § 40 Rn. 86). Wird festgestellt, dass die Ermessensentscheidung den Anforderungen des § 114 VwGO nicht genügt, ist der fehlerhafte Bescheid aufzuheben bzw. die Behörde gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu einer Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten; eine Ausnahme von der Verpflichtung lediglich zur neuerlichen Bescheidung kommt nur in Betracht, wenn angesichts der besonderen Umstände des zu entscheidenden konkreten Falles überhaupt nur eine einzige Ermessensentscheidung ermessensfehlerfrei sein kann und der Ermessensspielraum insofern „auf null“ reduziert ist (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, Kommentar, § 114 Rn. 5, 6).
Bezogen auf den Kläger liegt ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten vor, weil das Bundesamt bei der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. So stellte das Bundesamt in seinem Bescheid fest, dass der Kläger es trotz seines Antrages nicht geschafft hätte, nach … umverteilt zu werden, weil er die Verwandtschaft zu seinem angeblichen Bruder nicht habe nachweisen können. Tatsächlich war der Kläger jedoch bereits mit Bescheid vom 23. Dezember 2015 nach … umverteilt worden und dieser Bescheid am 30. Dezember – und damit sogar noch vor Erlass des streitgegenständlichen Asylbescheides – beim Bundesamt eingegangen. Zudem führte das Bundesamt in seinem Bescheid aus, dass der Kläger keine Originalpapiere vorgelegt habe. Dies holte der Kläger in der mündlichen Verhandlung – und damit zum maßgeblichen Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der Befristungsentscheidung – nach.
Da eine Ermessensreduzierung auf null nicht ersichtlich und die Sache damit nicht spruchreif ist, war die Verpflichtung der Beklagten aussprechen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Sinne von § 11 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Danach hat der Kläger 4/5 der Kosten und die Beklagte 1/5 der Kosten zu tragen. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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