Verwaltungsrecht

Keine Zulassung der Berufung im Asylprozess wegen mangelhaft begründetem Urteil

Aktenzeichen  20 ZB 18.30669

Datum:
14.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11862
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 6
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Nicht mit Gründen versehen iSv § 138 Nr. 6 VwGO ist ein gerichtliches Urteil nur dann, wenn es so mangelhaft begründet ist, dass es seine Doppelfunktion, nämlich einerseits die Verfahrensbeteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen Erwägungen zu unterrichten sowie andererseits dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen kann (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 50612). (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ein verwaltungsgerichtliches Urteil verletzt § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind. Die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe kann allerdings dann anders zu beurteilen sein, wenn das Urteil auf “einzelne Ansprüche” oder “einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel” überhaupt nicht eingeht (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 50612). (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 11 K 17.30513 2018-02-01 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 1. Februar 2018, Az. M 11 K 17.30513, ist nicht begründet, weil der geltend gemachte und dargelegte Zulassungsgrund nicht vorliegt.
1. Der Kläger macht ausschließlich einen revisiblen Verfahrensfehler in der Gestalt eines nicht mit Gründen versehenen Urteils geltend (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO). Ein derartiger Verfahrensmangel liegt jedoch nicht vor.
Nach § 138 Nr. 6 VwGO liegt ein absoluter Revisionsgrund – und damit zugleich ein Verfahrensmangel i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 3 VwGO – vor, wenn “die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist”. Die Vorschrift bezieht sich damit auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils nach § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Danach müssen im Urteil diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sinn dieser Regelung ist es zum einen, die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiell rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen i.S. des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung deshalb nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290). Ein Urteil verletzt § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind. Die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe kann allerdings dann anders zu beurteilen sein, wenn das Urteil auf “einzelne Ansprüche” oder “einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel” überhaupt nicht eingeht. Auch das kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, aber wiederum nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290).
2. Gemessen daran liegt der gerügte Verfahrensmangel nicht vor.
a) Der Kläger, der mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung nur noch die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach nationalem Recht begehrt (vgl. Antragsschrift v. 15.3.2018, Seite 2 unten), sieht einen revisiblen Begründungsmangel darin, dass das Erstgericht in dem angefochtenen Urteil auf die Ausführungen in der Begründung des Bescheides der Beklagten „vom 26.04.2017“ (richtig: 23. Dezember 2016) unter Bezugnahme auf § 77 Abs. 2 AsylG verweise. Hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiären Schutzes führe das Erstgericht ergänzend aus, dass der Vortrag des Klägers unglaubwürdig sei und im Übrigen unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die quantitative Gefahrendichte sowie eine Gesamtschau nicht zu dem Ergebnis führten, dass alleine die Anwesenheit im Konfliktgebiet zu einer ernsthaften Bedrohung führen würde. Eine Schutzgewährung nach dem AufenthG nehme das Erstgericht gar nicht erst in seine Erwägungen auf. Auch die Beklagte habe in den Entscheidungsgründen keine Ausführungen dahingehend getroffen, dass Umstände in der Herkunftsregion Einfluss auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG haben könnten. Insoweit gehe der Verweis des Erstgerichts auf den angefochtenen Bescheid ins Leere, was zur Folge habe, dass das angefochtene Urteil jedenfalls hinsichtlich § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht mit Entscheidungsgründen versehen sei. Das Erstgericht habe auch keine Ausführungen zur aktuellen Versorgungslage in Somalia, insbesondere im Herkunftsgebiet des Klägers geäußert. Enthalte das angefochtene Urteil Ausführungen zum Flüchtlingsstatus oder zum subsidiären Schutz, nicht hingegen zu den Abschiebungsverboten, so sei es insoweit nicht mit Gründen versehen. § 77 Abs. 2 AsylG erlaube nicht weniger geringe Anforderungen an die gerichtliche Auseinandersetzung mit entscheidungserheblichem Vorbringen der Beteiligten.
b) Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zunächst unter dem Prüfungspunkt des subsidiären Schutzes hinsichtlich der Sicherung der Existenz gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung im angefochtenen Bescheid zu § 60 Abs. 5 AufenthG hingewiesen und sodann auf etwa einer halben Seite ausgeführt, weshalb es den Kläger in der Lage sieht, im Falle der Rückkehr in seine Herkunftsregion Mogadischu seine Existenz zu sichern (Urteilsabdruck S. 17/18). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, auf den das Verwaltungsgericht in gemäß § 77 Abs. 2 AsylG zulässiger Weise Bezug genommen hat, enthält ebenfalls auf Seite 76 bis 78 Ausführungen zur humanitären Lage in Somalia, insbesondere in Mogadischu. Unter dem anschließenden Prüfungspunkt der Abschiebungsverbote nach nationalem (deutschem) Recht, d.h. hier nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, hat das Verwaltungsgericht sodann ausgeführt (Urteilsabdruck S. 18), im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen und mangels weiterer Umstände lägen auch die Voraussetzungen für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vor. Ausdrücklich nur ergänzend hat das Verwaltungsgericht insoweit erneut gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Damit hat das Verwaltungsgericht erkennbar auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG geprüft und begründet, weshalb es diese nicht für gegeben hält. Angesichts seiner bereits zum subsidiären Schutz ausgeführten Erwägungen sowie der Erwägungen in dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Bescheid des Bundesamtes liegt auch diesbezüglich eine jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 138 Nr. 6 VwGO ausreichende Begründung vor.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung der Berufungszulassung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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