Verwaltungsrecht

Keine Zulassung der Berufung mangels Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs

Aktenzeichen  13a ZB 17.30063

Datum:
13.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105459
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

Für eine Divergenz als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung sind nur solche Tatsachenfeststellungen relevant, die verallgemeinerungsfähig sind (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 45239). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 16.31980 2016-12-07 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Dezember 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht vorliegen.
Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht. Eine Divergenz im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328).
Vorliegend beruft sich der Kläger unter Vorlage einer fachärztlichen Beurteilung der Reisefähigkeit vom 4. Januar 2017, die eine schwere depressive Episode, eine chronische Insomnie und eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert, auf eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007 – juris; U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris). Es bestehe ein akuter Behandlungsbedarf. Das sei nach der genannten Rechtsprechung in Afghanistan nicht gewährleistet. Bei der Beurteilung des Krankheitsbilds hätte das Verwaltungsgericht dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass er sich erst seit kurzem in Deutschland aufhalte und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, ein entsprechendes ärztliches Attest vorzulegen. Hierzu hätte man ihm Gelegenheit geben müssen; zumindest hätte das Verwaltungsgericht ein Gutachten einholen müssen.
Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus diesem Vortrag nicht.
Die in den dortigen Berufungsverfahren eingeholten Gutachten stellten fest, dass die Kläger an einer depressiven Erkrankung leiden und bei einer Rückkehr mit einer deutlichen Verschlechterung der Erkrankung zu rechnen sei, insbesondere stelle die Herausnahme aus einem derzeit einigermaßen gut funktionierenden Umfeld mit einer gewissen sozialen Integration in Deutschland einen gravierenden Belastungsfaktor dar. Hiervon ausgehend ist der Verwaltungsgerichtshof zur Einschätzung gelangt, dass den Klägern wegen ihrer Erkrankung eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr droht, weil den Gutachten zufolge bei einer Rückkehr in die Heimat von einer deutlichen Verschlechterung der psychischen Erkrankung auszugehen sei. Die hierfür gebotene medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung sei in Afghanistan nicht gewährleistet.
Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht vorliegend festgestellt, dass sich aus dem hier vorgelegten Attest eines Facharztes für Allgemeinmedizin vom 2. August 2016 keine psychische Erkrankung ergebe. Da die Schlafstörungen des Klägers zudem seit der traumatischen Erfahrung der Ermordung seines Vaters bestünden, sei nicht ersichtlich, dass sich die seit fast zwei Jahrzehnten bestehende Erkrankung bei einer Rückkehr in einer erheblichen und unter Umständen lebensbedrohlichen Weise verschlechtern werde.
Damit wird kein abweichender Obersatz aufgestellt, insbesondere kein Obersatz dahingehend, dass eine Behandlung in Afghanistan entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs gewährleistet sein sollte. Vielmehr gelangt das Verwaltungsgericht nach einer Würdigung des vorgelegten Attests zum Ergebnis, dass sich hieraus weder eine psychische Erkrankung ergebe noch eine wesentliche Verschlechterung bei Rückkehr zu befürchten sei. Das begründet keine Divergenz, zumal bei dieser Einschätzung die Frage der Behandelbarkeit einer Erkrankung in Afghanistan überhaupt nicht entscheidungserheblich war.
Zu einem anderen Ergebnis führt schließlich auch nicht die im Zulassungsverfahren vorgelegte neurologische und psychiatrische Beurteilung der Reisefähigkeit. Zum einen lag diese Beurteilung dem Verwaltungsgericht nicht vor, so dass sie dem Urteil nicht zu Grunde gelegt werden konnte. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts beruht vielmehr alleine auf dem dort vorgelegten Attest eines Facharztes für Allgemeinmedizin vom 2. August 2016. Zum anderen sind für eine Divergenz als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung nur solche Tatsachenfeststellungen relevant, die verallgemeinerungsfähig sind (BVerwG, U.v. 31.7.1984 – 9 C 46.84 – NVwZ 1985, 199). Daran fehlt es hier. Ob der Kläger psychisch erkrankt ist und eine Rückkehr zu einer erheblichen Verschlechterung dieser Erkrankung führen würde, lässt sich nur anhand der konkreten Umstände und der vorgelegten Atteste, nicht aber allgemein beantworten. Verallgemeinerungsfähig ließe sich nur klären, ob eine bestimmte Krankheit in Afghanistan behandelbar ist, jedoch wurde eine solche vorliegend vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Eine Unvereinbarkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts mit derjenigen des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich deshalb nicht.
Aber auch wenn man das Begehren des Klägers dahin versteht, dass er eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO geltend machen möchte, führt sein Antrag nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat sich eingehend mit dem Vortrag des Klägers und dem vorgelegten Attest auseinandergesetzt. Mit der Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör jedoch grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, B.v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/273; BVerwG, B.v. 30.7.2014 – 5 B 25.14 – juris; B.v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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