Verwaltungsrecht

Kläger ist gehörlos, Gründe, die zu einer Flüchtlingsanerkennung oder der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus führen würden, wurden nicht vorgetragen, insbesondere werden Gehörlose in Pakistan nicht systematisch diskriminiert, Kläger selbst gibt an, Pakistan nur aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, Erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene psychische Probleme wurden nicht belegt

Aktenzeichen  RO 8 K 17.33826

Datum:
3.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10659
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG §§ 3, 4
AufenthG § 60 Abs. 5 und 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Kläger erfüllt im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz – AsylG) nicht die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylG. Auch steht dem Kläger kein subsidiärer Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1, 2 oder 3 AsylG zu und es bestehen keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nicht zu beanstanden sind schließlich Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots. Der Bescheid des Bundesamtes vom 6. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG, noch auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Insoweit wird darauf hingewiesen, dass der Kläger selbst bei seiner Anhörung beim Bundesamt angegeben hat, nur mit dem Ziel Arbeit zu finden nach Deutschland gekommen zu sein.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung (erstmals) vorträgt, dass er an seinem Arbeitsplatz so schlecht behandelt worden sei, dass er es dort nicht mehr ausgehalten und deshalb gekündigt habe, widerspricht dies seinen Angaben bei der Bundesamtsanhörung, wonach die Bank, bei der er gearbeitet habe, in Insolvenz gegangen sei und er deshalb seinen Arbeitsplatz verloren habe. Selbst wenn man diese Angaben aber als wahr unterstellen würde, läge darin keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 3a AsylG. Auch ein stichhaltiger Grund für die Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG ist darin nicht zu sehen.
Das Gericht sieht im Übrigen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der überzeugenden Begründung des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom 6. Juni 2017 folgt, darauf Bezug nimmt und sich diese zu eigen macht, § 77 Abs. 2 AsylG.
2. Ergänzend ist in Bezug auf die im gerichtlichen Verfahren – unter anderem im Hinblick auf die Hörschädigung des Klägers – schriftlich vorgetragenen Aspekte sowie seine Angaben in der mündlichen Verhandlung folgendes auszuführen:
Dem Kläger steht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dabei löst nicht jede Verletzung der EMRK im Abschiebezielstaat ein Abschiebungsverbot aus (vgl. BVerwG, B.v. 8.2.1999 – 1 B 2/99). Die Gefahr einer Rechtsgutverletzung muss – ohne dass indessen eine Extremgefahr vorliegen muss – erheblich und schwerwiegend sein (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25/18). § 60 Abs. 5 AufenthG bezieht sich lediglich auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach der EMRK (vgl. zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13/96; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – Rn. 35). Insbesondere sind zu nennen das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 1 EMRK) und das Verbot der Folter (Art. 3 EMRK). Für die Frage, wie die Gefahr beschaffen sein muss, mit der die Rechtsgutverletzung droht, ist auf den asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zurückzugreifen.
Ein solches zielstaatsbezogene Abschiebungshindernis liegt nicht vor. Dem Kläger droht in P. keine, durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Soweit der Kläger in P. wegen seiner Gehörlosigkeit im Arbeitsumfeld Diskriminierungen ausgesetzt war und übervorteilt worden ist, so erreichen diese Handlungen nicht das gem. Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Intensität.
Darüber hinaus kann nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn der Kläger im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Zielstaat auf so schlechte humanitäre Bedingungen zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Bei der Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland wird ein sehr hohes Gefährdungsniveau vorausgesetzt (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 -, juris Rn. 5, unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12; BayVGH, B.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 -, juris, Rn. 19).
Derart schlechte humanitäre Bedingungen sind in P. nicht gegeben. Zwar erhalten Personen, die nach P. zurückkehren, keine staatlichen Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der i. Republik P. – Lagebericht, Stand Mai 2021, S. 22). Sie sind demnach zur Sicherung des Existenzminimums insbesondere auf ihre eigene und/oder familiäre berufliche und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angewiesen. Das Gericht ist jedoch überzeugt, dass der Kläger in P. trotz seiner Gehörlosigkeit seinen Lebensunterhalt sichern kann. Insoweit trägt der Kläger mit seiner E-Mail vom 27. Juli 2021 zwar vor, dass er Schwierigkeiten gehabt habe, seine Familie zu unterstützen und die Studiengebühren seiner Kinder zu bezahlen. Eine existenzielle Gefährdung trägt er aber schon selbst nicht vor. Hierbei ist auch zu berücksichtigten, dass der Kläger einen hohen Bildungsstand aufweist (Universitätsabschluss) und bei seinem Studienfach (P.) auch nicht davon auszugehen ist, dass für diesen Bereich keine Arbeitsplätze vorhanden sind.
Das p. Gesetz sieht die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung vor, die zwar von behördlicher Seite nicht immer flächendeckend umgesetzt wird. Öffentliche und private Organisationen müssen aber mindestens 2 Prozent der Arbeitsplätze für qualifizierte Arbeitnehmer mit Behinderung vorhalten. Darüber hinaus stellt das „National Council for the Rehabilitation of the Disabled“ Arbeitsvermittlungshilfen und Existenzsicherungsdarlehen zur Verfügung (vgl. United States Department of State – Bureau of Democracy, Human Rights and Labor, P. 2019 Human Rights Report, S. 41f.).
Selbst wenn der Kläger aufgrund seiner Gehörlosigkeit schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat und ggf. niedrigere Löhne bezahlt bekommt, so lässt dies nicht den Schluss zu, dass sich der Kläger durch eine Erwerbstätigkeit nicht das Existenzminimum sichern könnte.
Das Gericht ist demnach überzeugt, dass der Kläger als erwachsener und erwerbsfähiger Mann in der Lage ist, in P. für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls der Sohn des Klägers zwischenzeitlich 20 Jahre alt und nicht mehr auf die Unterstützung des Klägers angewiesen ist. Vielmehr könnte der Kläger selbst seinen Sohn in Anspruch nehmen. Darüber hinaus wäre es der Frau des Klägers möglich und zumutbar, durch eine eigene Erwerbstätigkeit die Sicherung des familiären Lebensunterhaltes zu unterstützen, zumal beide Kinder keiner Betreuung mehr bedürfen. Zwar wird die Rolle der Frau in P. von der islamischen Gesellschaft geprägt, so dass es nicht üblich sein mag, dass Frauen arbeiten. Gleichwohl können p. Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 16.5.2019, S. 83f.; Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand Mai 2021, S. 15).
b) Bei der Geltendmachung einer Krankheit als Abschiebungshindernis liegt eine erhebliche konkrete Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Der Gesetzgeber geht ausdrücklich davon aus, dass lediglich „äußerst gravierende“, insbesondere lebensbedrohliche Erkrankungen der Abschiebung eines Ausländers entgegenstehen (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/7538, S. 18). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände – bspw. faktisch unzureichende Behandlungsmöglichkeiten oder fehlender Zugang zu einer grundsätzlich vorhandenen medizinischen Versorgung – in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3/11 – BVerwGE 142, 179 – juris Rn. 34; B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u.a. – juris Rn. 3; U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – BVerwGE 127, 33 – juris Rn. 15; U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – BVerwGE 105, 383 – juris Rn. 13; vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2015 – 11 ZB 15.30054 – juris Rn. 10 unter Bezugnahme auf BVerwG, B.v. 24.5.2006 – 1 B 118.05 – juris). Eine bloß bessere Behandelbarkeit im Bundesgebiet begründet die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm hingegen nicht: Nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt gem. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Ob eine entsprechende schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt, bedarf der Darlegung durch den jeweiligen Kläger (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO; vgl. dazu BVerwG, B.v. 26. Juli 2012 – 10 B 21.12; U.v. 11. September 2007 – 10 C 8.07, jeweils juris).
Dabei entsprach es gefestigter Rechtsprechung (bspw. BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris Rn. 8; OVG LSA, B.v. 28.9. 2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 2 ff.; OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17.A – juris Rn. 19 ff., BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 21 ZB 17.30468 – juris Rn. 4), dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind. Nunmehr wurde die entsprechende Anwendung des § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG ausdrücklich in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kodifiziert.
Nach § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, muss vom Kläger demnach durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht werden (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG).
Dies vorangestellt führen die vom Kläger vorgetragenen psychischen Probleme zu keinem Abschiebungsverbot.
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) oder andere schwerwiegende psychische Erkrankungen können nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland dann zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. hierzu: Hailbronner, AuslR, Stand: März 2017, § 60 AufenthG Rn. 90; OVG NW B.v. 6.9.2004 – 18 B 2661/03 – NVwZ-RR 2005, 359). Kopfschmerzen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder Beeinträchtigungen der allgemeinen Befindlichkeit als Folge depressiver Schübe reichen daher im Allgemeinen nicht mehr aus, um ein Abschiebungshindernis zu begründen. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass eine hinreichend schwerwiegende Erkrankung in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden kann (BT-Drs. 18/7538, S. 18).
Nach diesen Grundsätzen wurde eine relevante Erkrankung des Klägers schon nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Abgesehen davon, dass der Kläger keinerlei Atteste im Hinblick auf seine vorgetragene psychische Erkrankung vorgelegt hat, gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass er auch nicht in ärztlicher Behandlung sei. Der Vortrag, er überlege, ob nicht auch Suizid für ihn in Frage komme, wird nach dem Gesamteindruck der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der Tatsache, dass diese angeblichen psychischen Probleme erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnt wurden, als reine Schutzbehauptung gewertet. Im Ergebnis kann bei dieser Sachlage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht davon ausgegangen werden, dass beim Kläger eine lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankung vorliegt, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
c) Auch aus der aktuellen humanitären bzw. wirtschaftlichen Lage in P. bedingt durch die Corona-Pandemie ergibt sich kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Das Gericht verkennt nicht, dass sich die wirtschaftliche und humanitäre Lage aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie verschlechtert hat. Infolge der coronabedingten Schließungen und Einschränkungen geht die p. Planungskommission nach einer Schätzung von 12 bis 18 Millionen zusätzlichen Arbeitslosen aus (vgl. BAMF, Länderinformation P., Gesundheitssystem und COVID-19-Pandemie, November 2020, S. 5).
Gleichwohl ist unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnismittel in der Gesamtschau zum jetzigen, maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die Verhältnisse in P. derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann. Insbesondere ergibt sich nicht, dass derart massive landesweite Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie verhängt werden, die dazu führen könnten, dass wirtschaftliche Sektoren und Arbeitsmärkte kollabieren. Die Infektionszahlen in der derzeitigen vierten Welle sind wieder rückläufig (vgl. WHO Coronavirus Dashboard, allgemein zugänglich und abrufbar unter https://covid19.who.int/region/emro/country/pk, abgerufen am 25.2.2022) und die p. Regierung setzt nach wie vor einen Fokus auf das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sowie „social distancing“. Des Weiteren wurde in P. am 3. Februar 2021 mit der Impfkampagne begonnen, wobei Personal in medizinischen Einrichtungen sowie hochbetagte Personen priorisiert wurden. Seit dem 27. Mai 2021 kann sich nun die gesamte volljährige Bevölkerung für eine Impfung registrieren. Mittlerweile haben fast 125 Mio. Menschen die erste Impfdosis erhalten und 96,2 Mio. sind vollständig geimpft und gut 4 Mio. bereits geboostert (vgl. https://covid.gov.pk/, abgerufen am 25.2.2022).
Zur Abmilderung der durch die Corona-Krise hervorgerufenen sozioökonomischen Folgen wurde bereits am 24. März 2020 von der Regierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen P. angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung, Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR), Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR), Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form eines Aufschubs der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sieht außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. P.), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. P.), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise, Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. P.), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. P.), einen Notfallfonds (100 Mrd. P.) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. P.) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wurde auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das „COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program“ (70 Mrd. P.), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. P.) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation, P., 25.6.2021, Version 2, S. 7).
Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen gelangt das erkennende Gericht nicht zu der Überzeugung, dass im Falle des Klägers die strengen Anforderungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sind.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83 b AsylG; deshalb ist auch die Festsetzung eines Streitwertes nicht veranlasst. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO.


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