Verwaltungsrecht

Klage mangels Klagebefugnis bereits unzulässig, Klage durch den Sohn erhoben, beihilfeberechtigt ist der Vater, Keine Rubrumsberichtigung, da Klage nicht uneindeutig

Aktenzeichen  RN 8 K 18.1197

Datum:
16.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56116
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 42 Abs. 2 VwGO
§ 2 Abs. 1 Nr. 3 BayBhV
1 Abs. 2 Satz 2, BayBhV

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.    Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihm für die durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme am T. M. Beihilfeleistungen zu gewähren.
Die Klage ist bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt die nötige Klagebefugnis für die Klage.
Gemäß § 42 Abs. 1 und 2 VwGO muss der Kläger für die Erhebung einer Verpflichtungsklage (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO) geltend machen, durch die Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein.
1. Adressat des ablehnenden Verwaltungsaktes ist nicht der Kläger selbst, sondern der Vater des Klägers. Der Bescheid vom 4. Mai 2018 war an Herrn J2. … R.…, mithin den Vater des Klägers, adressiert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht in Zusammenschau mit dem Widerspruchsbescheid. Der Widerspruchsbescheid enthält im Betreff die Zeilen „Ihr Widerspruch gegen den Beihilfebescheid vom 04.05.2018“ und „Aufwendungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme für J. … R. …“. Im ersten Absatz des Textes heißt es „aufgrund Ihrer Einwendungen …“ Die Anrede „Ihr“ bezieht sich dabei unzweifelhaft auf das Widerspruchsschreiben der Bevollmächtigten des Vaters des Klägers vom 25. Juni 2018, mit dem die Bevollmächtigten die Vertretung der rechtlichen Interessen des Herrn J2. … R. … … für dessen Sohn J.… R.… …“ (Hervorhebungen durch das Gericht) anzeigte. Widerspruchsführer war damit eindeutig Herr J2. … R. … Der Satz „Aufwendungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme für J.… R.…“ steht dem nicht entgegen, im Gegenteil: Wäre die Widerspruchsbehörde von einem Widerspruch des Herrn J. … R.… ausgegangen, hätte diese Zeile in Konsequenz lauten müssen „Ihre Aufwendungen …“. Somit geht schon aus der Betreffzeile hervor, dass Widerspruchsführer und zu behandelnde Person nicht identisch sind. Dass die Widerspruchsbehörde den Rechtsschein gesetzt haben könnte, der Kläger selbst sei Adressat des Widerspruchsbescheides, vermag das Gericht nicht zu erkennen.
Nachdem der Kläger weder Adressat des Ausgangs- noch des Widerspruchsbescheides war, ist er durch die Ablehnung der begehrten Beihilfeleistungen auch nicht in seinen Rechten verletzt.
Eine Klagebefugnis kann auch nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a.E. der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) hergeleitet werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 BayBhV können zwar Kinder eines aktiven Beamten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV) oder eines Versorgungsempfängers (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BayBhV) einen eigenen Beihilfeanspruch haben, allerdings nur, wenn und solange sie Waisengeld nach dem Satz für Vollwaisen erhalten (vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 BayBhV) (vgl. zum Ganzen: VG München, U. v. 12.8. 2010 – M 17 K 09.3814 -, Rn. 34, juris). Dies ist vorliegend offensichtlich nicht der Fall.
2. Eine Rubrumsberichtigung dahingehend, Herrn J2.… R.… anstelle von Herrn J. … R. … als Kläger einzusetzen, oder eine Umdeutung der Klageschrift dahingehend, dass die Klage durch Herrn J2. … R. … erhoben sein sollte, kommt nicht in Betracht.
Eine Umdeutung gemäß § 88 VwGO ist nicht veranlasst. Zwar ist nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes als Auslegungshilfe im Zweifel zu Gunsten des Betroffenen (hier also des Vaters des Klägers) anzunehmen, dass er den in der Sache in Betracht kommenden Rechtsbehelf einlegen wollte. Es müssen allerdings irgendwelche Anknüpfungspunkte bestehen, die für eine solche Auslegung herangezogen werden können. Ist – wie hier – der Kläger durch einen Rechtsanwalt vertreten, kommt der Antragsformulierung eine gesteigerte Bedeutung zu (Schenke, in: Kopp/Schenke § 88 VwGO, 24. Aufl. 2018 Rn. 3 m. w. N.; SächsOVG, B. v. 20.4 2017 – 3 A 809/16 – juris, Rn. 16; B. v. 23.11.2016 – 3 A 630/16 – juris, Rn. 10 m.w.N.). Zwar darf selbst dann die Auslegung vom Antragswortlaut abweichen, allerdings ist dafür erforderlich, dass die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht. Solche Umstände liegen hier aber gerade nicht vor. Die Klageschrift formuliert die „Klage des Herrn J. … R.…“ und beantragt „… dem Kläger für sich und die erforderliche Begleitperson … antragsgemäß Aufwendungen … zu gewähren“. In der Klagebegründung heißt es unter I.: „Der Kläger ist … mit einem Grad der Behinderung von 90 und den Merkzeichen G und B anerkannt und unstreitig schwerbehindert.“ Damit ist anwaltlich klargestellt, dass die Klage durch den Sohn, und nicht durch den Vater erhoben werden sollte. Der Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung, die Klage sei unklar gewesen und es hätte ein Hinweis des Gerichts erfolgen müssen, vermag zu keiner anderen Einschätzung zu führen. Die Klageschrift nimmt durchweg auf Herrn J.… R.… als Kläger Bezug. So erläutert die Klageschrift unter I. und II. den Sachverhalt durchweg unter Bezugnahme auf den Kläger als denjenigen, für den die Behandlung notwendig ist und führt mehrfach aus, dass der Kläger bei den Maßnahmen stets in Begleitung seiner Mutter U.… R.… gewesen ist. Unter III. wird ausgeführt, dass der Kläger die streitgegenständliche Kur im Frühjahr 2018 mit seiner Mutter durchgeführt hat. Die Einleitungssätze zu II. und IV. lassen – entgegen der Auffassung des Klägervertreters – keinen anderen Schluss zu. Dort wird jeweils (sinngemäß – der Einleitungssatz zu II. ist insoweit unvollständig) ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf die von mehreren Fachärzten für notwendig erachtete Maßnahme habe. Liest man jeweils weiter im Text wird auch hier offensichtlich, dass von Herrn J.… R.… als Kläger gesprochen wird, da von der Erkrankung des Klägers und wiederum von der Begleitung durch seine Mutter die Rede ist. An keiner Stelle im Klageschriftsatz ist dagegen die Rede vom Vater des Klägers als Beihilfeberechtigtem. Die Klage ist demnach nicht unklar und insofern einer Auslegung der Klageschrift dahingehend, dass Herr J2.… R.… der Kläger sein soll oder einer bloß klarstellenden Rubrumsberichtigung nicht zugänglich (vgl. auch: SächsOVG, B. v. 14.7. 2017 – 3 D 40/17 -, Rn. 7 – 8, juris). Unabhängig davon, dass schon fraglich ist, ob Schriftsätze eines Beteiligten im Verfahren nach Erlass des betreffenden Urteils bei der Absetzung der Urteilsgründe noch berücksichtigt werden können, können die Ausführungen in den am 19. Oktober 2020 bzw. 13. November 2020 zu keiner anderen Beurteilung führen, da die Ausgangslage in den jeweils zugrunde liegenden Verfahren eine andere war.
3. Ein Klägerwechsel im Wege der Klageänderung ist nicht zulässig.
a) Eine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung des Beklagten in den Parteiwechsel gemäß § 91 VwGO liegt nicht vor. Vielmehr hat der Beklagte mit Schriftsatz 10. September 2018 ausdrücklich erklärt, dass mit einem Klägerwechsel kein Einverständnis besteht.
b) Unabhängig davon, ob ein gewillkürter Parteiwechsel auf der Klägerseite auch ohne Einwilligung des Beklagten zulässig ist, wirkt eine solche subjektive Klageänderung auf der Klägerseite jedenfalls nicht fristwahrend auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück (vgl. BayVGH, B. v. 23.6.2017 – 15 ZB 16.920 – juris). Eine Klageänderung durch Auswechseln der Klägerpartei gemäß § 91 Abs. 1 VwGO wäre deshalb nicht sachdienlich im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO. Denn für eine Sachdienlichkeit wäre erforderlich, dass der Streitstoff im Wesentlichen gleichbleibt, die endgültige Beilegung des Rechtsstreits gefördert und ein weiterer Rechtsstreit vermieden wird (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.1996 – 15 B 94.1357 – BeckRS 1996, 16922, beck-online). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Zulassung des Vaters des Klägers als (neuer) Kläger würde bedeuten, dass insoweit ein Rechtsstreit neu entstünde, der ohne die Klageänderung deshalb unmöglich wäre, weil der Vater des Klägers den Bescheid hat unanfechtbar werden lassen. Damit wäre eine vom Vater erhobene Klage wegen Versäumung der Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig.
c) Eine Zulässigkeit der Klage ergibt sich auch nicht aus der nachträglich vorgelegten Abtretungserklärung von Herrn J2.… R. … an den Kläger vom 1. August 2018.
Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) kann der Anspruch auf Beihilfe nicht abgetreten werden. Da die Beihilfe aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn folgt, soll die Anspruchsberechtigung nur in dieser besonderen Rechtsbeziehung zwischen Beamten und Dienstherrn bestehen. In diese besondere Rechtsbeziehung kann ein Dritter – hier der Kläger – nicht eintreten, wie es ansonsten typisches Merkmal der Abtretungsregelung nach § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist. Kann der Kläger in diese Rechtsbeziehung nicht eintreten, so können aus der „Abtretungserklärung“ auch keine anderen Rechtswirkungen hergeleitet werden. Dies unabhängig davon, dass eine gewillkürte Prozessstandschaft jedenfalls bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ausgeschlossen ist.
Nach alldem war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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