Verwaltungsrecht

Klageart gegen Einstellungsentscheidung des BAMF

Aktenzeichen  AN 3 K 15.31316

Datum:
14.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 32, § 33

 

Leitsatz

Das auf Beschleunigung und Konzentration gerichtete Asylverfahren steht in den Fällen einer Verfahrenseinstellung durch das Bundesamt nach den §§ 32, 33 AsylG einer auf Asylanerkennung gerichteten Verpflichtungsklage entgegen (ebenso BVerwG BeckRS 1995, 31243872).  (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 3 K 15.31316
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 14.03.2016
3. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 81001
Hauptpunkte:
Anfechtungsklage gegen Einstellungsentscheidung des BAMF, statthafte Klageart
– Verpflichtungsklage als „Durchentscheiden“ unzulässig (auch bei rechtswidriger Einstellung)
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…, geb. …1970 alias …, geb. …1970 alias …, geb. …1970 alias …, geb. …1970 alias …, geb. ….1970 …
– Kläger –
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
gegen
Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt … Referat Außenstelle …
– Beklagte –
wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer,
durch die Einzelrichterin … ohne mündliche Verhandlung am 14. März 2016 folgendes Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Verfahrens.
Tatbestand:
Der nach eigenen Angaben im Jahr 1970 geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit der Guragen und protestantischer Christ. Er reiste nach eigenen Angaben am 28. Januar 2014 aus der Schweiz, wo er seit Juli 2013 ein Asylverfahren betrieb, in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 27. Januar 2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Mit Schreiben der Zentralen Rückkehrberatung für Flüchtlinge in Nordbayern vom 10. Februar 2015 erklärte der Kläger, er wolle freiwillig nach Äthiopien zurückkehren und nehme deshalb seinen Asylantrag zurück.
Mit Schreiben vom 18. August 2015 wurde der Kläger zur Befristung eines kraft Gesetzes eingetretenen Einreise- und Aufenthaltverbotes angehört.
In seiner Anhörung gem. § 25 AsylG am 8. Dezember 2015 erklärte der Antragsteller, es sei richtig, dass er seinen Asylantrag zurückgenommen hätte, er habe nach Äthiopien zurückkehren wollen, dann aber erfahren, dass in Äthiopien weiterhin große Gefahr für ihn bestehe. Er sei dann nach Norwegen gegangen. Von dort sei er wieder nach Deutschland zurückgeschickt worden. Am 13. August 2015 habe er einen Folgeantrag stellen wollen, dies sei aber noch nicht möglich gewesen, da das alte Verfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Weitere Angaben zu seinen Asylgründen und zum Bestehen von Abschiebungsverboten machte der Antragsteller nicht.
Die Frage, ob Gründe in seiner Person vorliegen, die im Rahmen der Entscheidung nach § 11 Abs. 2 AufenthG zu berücksichtigen sein könnten, wie etwa der Aufenthalt von Familienmitgliedern in Deutschland, ein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet sich rechtmäßig aufhaltenden Minderjährigen oder die Ausübung des Umgangsrechts mit diesem, verneinte er.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 9. Dezember 2015, der ausweislich eines Vermerks in den Akten des Bundesamtes (Bl. 113) als Einschreiben am 10. Dezember 2015 zur Post gegeben wurde, stellte die Beklagte fest, dass das Asylverfahren eingestellt sei (Ziff. 1), dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 u. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Äthiopien angedroht. Der Kläger könne auch in einen anderen rücknahmebereiten oder zur Rücknahme verpflichteten Staat abgeschoben werden (Ziff. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten, das am 23. Dezember 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2015.
Er beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Dezember 2015 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen
und die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen,
hilfsweise subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu ge währen und weiter
hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Ein gleichzeitig erhobener Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss vom 21. Januar 2016 abgelehnt (AN 3 S 15.31315). Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 5. Januar 2016, das am 11. Januar 2016 beim Verwaltungsgericht einging,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten verzichteten auf gerichtliche Anfrage hin mit Schreiben vom 22. Februar 2016 bzw. 10. März 2016 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die im Einverständnis der Prozessbeteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 1 VwGO), ist hinsichtlich des Verpflichtungsantrags (Ziffer 2) bereits unzulässig, insgesamt aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten, mit dem das Verfahren eingestellt wurde und eine Sachentscheidung lediglich zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AsylG erging, § 32 Satz 1 AsylG, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass in diesem Verfahren durch das Gericht eine Entscheidung über seine Anerkennung als Asylberechtigter, seine Flüchtlingsanerkennung und das Bestehen subsidären Schutzes erfolgt („Durchentscheiden“). Denn die besondere, auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete Ausgestaltung des Asylverfahrens steht in den Fällen einer Verfahrenseinstellung durch das Bundesamt nach den §§ 32, 33 AsylG einer auf Asylanerkennung gerichteten Verpflichtungsklage, auf die das Verwaltungsgericht „durchzuentscheiden“ hätte, entgegen (BVerwG, U. v.7.3.1995 – 9 C 264/94;Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2016, § 32 Rn. 38 m. w. N.). Dem Asylbewerber würde durch eine rechtswidrige Einstellungsentscheidung des Bundesamtes nach § 32 AsylG und eine anschließende Sachentscheidung des Gerichts über den Asylantrag die Möglichkeit genommen, zunächst eine Entscheidung des Bundesamtes zu erhalten und diese dann ggf. einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Damit ginge ihm eine Tatsacheninstanz verloren (Hailbronner, a.aO., Rn. 39).
Der Kläger kann nicht, indem er im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Einstellungsentscheidung vorträgt, ihm drohe im Herkunftsland Gefahr für Leib oder Leben, nach der Rücknahme seines Asylantrags ein Folgeverfahren und dessen gesetzliche Voraussetzungen umgehen
Deshalb war der Antrag aus Ziffer 2 des Klageantrags bereits als unzulässig anzusehen.
2.
Wegen der wirksam vom Kläger erklärten Rücknahme hat das Bundesamt zu recht im streitgegenständlichen Bescheid festgestellt, dass das Verfahren eingestellt ist, § 32 Satz 1 1. Alternative AsylG.
Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die von ihm am 10. Februar 2015 schriftlich abgegebene Rücknahmeerklärung unwirksam sein sollte oder dass er sie widerrufen oder anfechten wollte.
Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit (Form, Sprache, Adressat, Mitwirkung) sind ebenfalls nicht erkennbar.
3.
Der Kläger, der die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung seines Asylantrags selbst nicht anzweifelt, hat keine Anhaltspunkte für das Bestehen von Abschiebungshindernissen vorgetragen. Es sind auch sonst keine ersichtlich. Er ließ durch seinen Prozessbevollmächtigten lediglich allgemein erklären, er habe nach Rücknahme des Asylantrages erfahren, dass ihm in Äthiopien „Gefahr für Leib und Leben drohe“.
4.
Da auch die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist den Vorgaben des § 38 Abs. 2 AsylG entspricht, erweist sich die Abschiebungsandrohung als rechtmäßig.
Eine Entscheidung nach § 38 Abs. 3 AsylG war nicht zu treffen, da zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 2. Halbsatz AsylG) der Kläger zu einer freiwilligen Rückkehr in sein Heimatland nicht bereit ist, wie die Durchführung des Klageverfahrens zeigt, und er auch schon zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht mehr freiwillig zurückkehren wollte, wie es sich aus der Anhörung zur Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG am 18. August 2015 ergibt.
5.
Anhaltspunkte für eine ermessensfehlerhafte Entscheidung hinsichtlich der Bemessung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 2 AufenthG sind weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR, § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 80 AsylG.


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