Verwaltungsrecht

Klagebefugnis des Drittbetroffenen wegen der behaupteten Verletzung einer Verfahrensvorschrift

Aktenzeichen  8 ZB 16.787

Datum:
18.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2297
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4
VwVfG § 78 Abs. 1
AEG § 18b
GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1 § 78 Abs. 1 VwVfG räumt dem vorhabenbetroffenen Dritten keine selbstständig durchsetzbare Verfahrensposition ein. Dies gilt in gleicher Weise für den von den Klägern vorgetragenen Verstoß gegen § 18b AEG. (Rn. 11) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Die von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, „ob bzw. bei welchen Fallgestaltungen sich ein betroffener Nachbar auf eine fehlerhafte Wahl des Verfahrens berufen kann, insbesondere wann einem Nachbar durch die fehlerhafte Wahl des Verfahrens die Möglichkeit vorenthalten wird, ihre Rechte geltend zu machen bzw. wann sich ein Verfahrensfehler auf das materielle Planungsergebnis ausgewirkt hat,“ lässt sich anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten. (Rn. 16 – 18) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

B 1 K 15.132 2016-03-15 GeB VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 60.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen eine Plangenehmigung zur Errichtung von zwei Brückenbauwerken im Zuge der Staatsstraße … „S … – …“ (Ortsumgehung E …).
Beim Neubau der Ortsumgehung E … wurden die Bahngleise der zum damaligen Zeitpunkt stillgelegten Bahnstrecke S … an zwei Stellen unterbrochen. Der Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberfranken vom 30. August 2002 sah insoweit für einen später eventuell wieder aufzunehmenden Bahnbetrieb die Errichtung der dann erforderlichen, in den Plänen bereits optional dargestellten Brückenbauwerke (Brücke über die Bahnlinie am B … und Eisenbahnbrücke über die St … im Bereich des Einschnitts) durch den Straßenbaulastträger vor. Nachdem die Verkehrsminister der Tschechischen Republik und des Freistaats Bayern die Reaktivierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs zwischen H -…- … beschlossen hatten, erteilte die Regierung von Oberfranken nach Durchführung eines Plangenehmigungsverfahrens am 26. November 2014 die Plangenehmigung für die Errichtung der beiden Brückenbauwerke.
Die Reaktivierung der Eisenbahnstrecke wurde durch das Eisenbahnbundesamt mit Planfeststellungsbeschluss vom 19. Juni 2015 festgestellt. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage der Kläger wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 9. Dezember 2015 (Az. 22 A 15.40025) ab. Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Dezember 2017 (Az. 3 B 15.16) zurück.
Gegen die Plangenehmigung der Regierung von Oberfranken vom 26. November 2014 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erhoben. Diese wurde mit Gerichtsbescheid vom 15. März 2016 mit der Begründung abgewiesen, dass den Klägern bereits die Klagebefugnis fehle. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe wurden nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 4 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/834; BayVGH, B.v. 15.3.2017 – 8 ZB 15.1610 – juris Rn. 8 m.w.N.). Das Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) erfordert, die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Dies bedarf einer substanziierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 8 ZB 18.122 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehlt.
a) Das Zulassungsvorbringen betreffend § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiederholung des Vortrags aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren sowie der Einwendungen gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss. In diesem Zusammenhang setzen sich die Kläger in erster Linie mit dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Dezember 2015 (Az. 22 A 15.40025 – juris) auseinander, nicht aber mit dem angegriffenen Ersturteil. Ob darin eine substanziierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung liegt, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird, kann dahinstehen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils nicht vorliegt.
b) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Kläger nicht geltend machen können, durch die Plangenehmigung in ihren subjektiven öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Soweit die Kläger einwenden, durch den Verfahrensfehler der isolierten Erteilung einer Plangenehmigung für die beiden Brückenbauwerke als notwendiger Teil der reaktivierten Bahnstrecke S …- … in ihren subjektiven Rechten verletzt zu werden, hat sich der Senat bereits im Beschluss vom 24. September 2015 (Az. 8 CS 15.2026 – juris Rn. 10 ff.) inhaltlich eingehend mit dieser Argumentation der Kläger auseinandergesetzt und klargestellt, dass § 78 Abs. 1 VwVfG dem vorhabenbetroffenen Dritten keine selbstständig durchsetzbare Verfahrensposition einräumt. Dies gilt in gleicher Weise für den von den Klägern vorgetragenen Verstoß gegen § 18b AEG. Aus den Verfahrensvorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ergibt sich kein eigenständiges subjektives Recht auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens (vgl. NdsOVG, U.v. 28.8.2018 – 7 KS 108/16 – juris Rn. 95 m.w.N.). Im Übrigen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits im Verfahren gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss ausführlich dargelegt, dass die straßenrechtlich plangenehmigten Baumaßnahmen (Neubau einer Eisenbahnüberführung und Neubau einer Straßenbrücke) nicht planfeststellungsbedürftig nach § 18 Satz 1 AEG waren (U.v. 9.12.2015 – 22 A 15.40025 – juris Rn. 46 ff.).
c) Die Behauptung der Kläger, die Behörden hätten vorliegend einen Trick angewandt, damit diese zu dem Ergebnis gelangen konnten, dass es sich bei der Reaktivierung der Bahnstrecke S …- … nicht um eine wesentliche Änderung der vorhandenen Bahnstrecke handele mit der Folge, dass die höchst zulässigen Lärmrichtwerte der direkt angrenzenden Bebauung aufgrund einer angenommenen Lärmvorbelastung zugunsten der benachbarten Anwesen eingehalten werden könnten, vermag die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht infrage zu stellen. Die Kläger zeigen damit nicht auf, in welcher Rechtsposition sie durch die von der Plangenehmigung erfassten Brückenbauwerke betroffen sein könnten. Bei den vorgetragenen Beeinträchtigungen handelt es sich allein um Einwendungen gegen die Wiederaufnahme der stillgelegten Eisenbahnstrecke. Mit diesen hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Verfahren gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss auseinandergesetzt. Er hat dabei zudem festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss auch dann nicht zu beanstanden ist, wenn hinsichtlich der Brückenbaumaßnahmen von einem einheitlichen Vorhaben auszugehen wäre (U.v. 9.12.2015 – 22 A 15.40025 – juris Rn. 46). Entgegen der Auffassung der Kläger hat sich der behauptete Verfahrensfehler somit nicht maßgebend auf das materielle Planungsergebnis ausgewirkt.
d) Soweit die Kläger einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG geltend machen, da sie keine Möglichkeit hätten, ihre Rechte betreffend die fehlerhafte Wahl des Verfahrens und die hieraus resultierenden erheblichen materiellen Konsequenzen mit gerichtlicher Hilfe geltend zu machen, ist diese Rüge nicht berechtigt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Urteil zum eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss ausgeführt, dass der Rechtsschutz für die Kläger durch die verfahrensmäßige Trennung nicht erschwert wird (U.v. 9.12.2015 a.a.O. Rn. 52). Im Übrigen haben die Kläger sowohl in Bezug auf den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss als auch bezüglich der straßenrechtlich planfestgestellten Vorhaben von der Möglichkeit, ihre Belange einzuwenden, Gebrauch gemacht.
e) Der Einwand der Kläger, dass das Erstgericht in seiner Entscheidung nur auf absolute Verfahrensrechte, nicht aber auf relative Verfahrensrechte eingehe, greift ebenfalls nicht durch. Die Kläger legen bereits nicht dar, welches relative Verfahrensrecht in ihrem Fall eine Klagebefugnis begründen soll. Hinzukommt, dass die Kläger selbst nicht ansatzweise aufgezeigt haben, inwieweit bei ihnen durch die beiden Brückenbauten eine materielle Rechtsbetroffenheit vorliegt. Im Gegenteil haben sie sogar selbst zugegeben, dass eine materielle Rechtsverletzung in ihrem Fall nicht leicht feststellbar ist. Wie der Senat bereits dargelegt hat, sind die Kläger nicht in ihrem Grundeigentum betroffen, da die beiden Bauwerke sich in einer Entfernung von etwa 400 m bzw. knapp 600 m zu den im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücken befinden (B.v. 24.9.2015 – 8 CS 15.2026 – juris Rn. 13). Aber auch eine mittelbare Betroffenheit in sonstigen Rechtspositionen ist im Hinblick auf die Brückenbauwerke nicht ersichtlich.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 4.8.2017 – 6 B 34.17 – juris Rn. 3). Grundsätzliche Bedeutung ist zu verneinen, wenn sich eine Rechtsfrage ohne weiteres unter Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden und unter Heranziehung der bisherigen Rechtsprechung beantworten lässt (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 = juris Rn. 24). Das ist hier der Fall. Die von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
„ob bzw. bei welchen Fallgestaltungen sich ein betroffener Nachbar auf eine fehlerhafte Wahl des Verfahrens berufen kann, insbesondere wann einem Nachbar durch die fehlerhafte Wahl des Verfahrens die Möglichkeit vorenthalten wird, ihre Rechte geltend zu machen bzw. wann sich ein Verfahrensfehler auf das materielle Planungsergebnis ausgewirkt hat,“
lässt sich anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Verfahrensvorschrift dem durch sie Begünstigten ein eigenständiges subjektives öffentliches Recht nur dann einräumen, wenn sie nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs, insbesondere einer umfassenden Information der Verwaltungsbehörde dient, sondern dem betroffenen Dritten in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, nämlich selbstständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will, sei es im Sinne eines Anspruchs auf die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens überhaupt, sei es im Sinne eines Anspruchs auf die ordnungsgemäße Beteiligung an einem (anderweitig) eingeleiteten Verwaltungsverfahren (vgl. BVerwG, B.v. 4.4.2012 – 9 B 95.11 – juris Rn. 7). Ob eine Verfahrensvorschrift mit einer eigenen Schutzfunktion zugunsten einzelner ausgestattet ist, richtet sich nach der Zielrichtung und dem Schutzzweck der Verfahrensvorschrift selbst. Aus ihrem Regelungsgehalt muss sich ergeben, dass die Regelung des Verwaltungsverfahrens mit einer eigenen Schutzfunktion zu Gunsten einzelner ausgestattet ist, und zwar in der Weise, dass der Begünstigte unter Berufung allein auf einen ihn betreffenden Verfahrensmangel, d.h. ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache, die Aufhebung bzw. den Erlass einer verfahrensrechtlich gebotenen behördlichen Entscheidung gerichtlich soll durchsetzen können (st. Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 4.4.2012 a.a.O. Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, U.v. 9.8.2012 – 8 A 11.40036 – juris Rn. 25). Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass die Frage, inwieweit subjektive Rechte Dritter berührt sind, nach dem materiellen Recht entschieden wird und nicht davon abhängt, ob über die Zulassung des Vorhabens in einer gesonderten Planfeststellung oder gemeinsam mit anderen Vorhaben in einem einheitlichen Planfeststellungsverfahren entschieden wird (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 – 4 C 12.05 – BVerwGE 128, 358 Rn. 28).
3. Die Kläger können ihren Zulassungsantrag auch nicht auf den Zulassungsgrund der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO stützen.
Dieser wurde nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Divergenzrüge setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten übergeordneten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz oder einer verallgemeinerungsfähigen Tatsachenfeststellung von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechts- oder Tatsachensatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bzw. über den Tatsachensatz bestehen. Es kommt darauf an, ob das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen Rechts- oder Tatsachensatz zugrunde gelegt hat, der mit einem die Entscheidung tragenden Rechts- bzw. Tatsachensatz nicht übereinstimmt, den eines dieser Gerichte aufgestellt hat, nicht aber darauf, ob unterschiedliche oder ähnlich gelagerte Sachverhalte verschieden beurteilt worden sind. Ebenso wenig stellt die fehlende oder fehlerhafte Anwendung eines von einem Obergericht aufgestellten Rechtssatzes eine Abweichung dar (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.1998 – 2 B 74.98 – NVwZ 1999, 406 = juris Rn. 2; B.v. 22.6.2015 – 4 B 59.14 – NuR 2015, 772 = juris Rn. 15; B.v. 31.7.2017 – 2 B 30.17 – juris Rn. 5 ff.). Die Darlegung des Zulassungsgrunds der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt dementsprechend voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender abstrakter Rechts- oder verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz benannt wird, mit dem dieses von einem in der Rechtsprechung des Divergenzgerichts in Anwendung derselben Vorschrift aufgestellten und entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz abgewichen sein soll. Die divergierenden Sätze müssen präzise einander gegenübergestellt werden, sodass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BVerwG, B.v. 24.7.2017 – 1 B 22.17 – juris Rn. 19 m.w.N.; BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 6 ZB 17.1011 – juris Rn. 27; OVG NRW, B.v. 8.6.2015 – 4 A 361/15.A – juris Rn. 2). Das bloße Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines Obergerichts genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 16).
Nach diesen Maßstäben haben die Kläger eine Divergenz nicht hinreichend aufgezeigt. Sie begründen die angebliche Divergenz mit einer Abweichung des Verwaltungsgerichts von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 1996 (Az. 11 A 86.95 – BVerwGE 101, 73 ff.), vom 5. Oktober 1990 (Az. 7 C 55.89 – NVwZ 1991, 369 ff.), vom 26. Juli 1989 (Az. 4 C 35.88 – NVwZ 1990, 262, 263) sowie vom 17.12.1986 (Az. 7 C 29.85 – BVerwGE 75, 285 ff.). Dabei geben die Kläger lediglich eine Passage aus dem verwaltungsgerichtlichen Gerichtsbescheid (S. 9) wieder, welche die angeblich divergierende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 1996 zitiert und somit der streitgegenständlichen Entscheidung gerade zugrunde gelegt worden ist. Dies genügt in keiner Weise den Darlegungsanforderungen des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Die Kläger stellen damit keine divergierenden Rechtssätze gegenüber, aus denen eine Abweichung erkennbar wird. Soweit sie geltend machen, das Verwaltungsgericht hätte eine unzutreffende Rechtsansicht vertreten, rügen sie der Sache nach eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts, die von vorneherein keine Divergenz begründet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2.1.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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